Theatrum Ostiensis - Theater

  • Die Theatertruppe des Manius Turius Tugio war bereits in vielen Städten Italias aktiv gewesen. Ihr Repertoire umfasste vor allem die Stück des altehrwürdigen Titus Maccius Plautus. Ocella war - wie sollte es auch anders sein - durch seinen guten Freund Marcus Lutatius Frugi auf die Gruppe aufmerksam gemacht worden. Für ein erstes Treffen hatte sich Ocella mit dem Turier im Theater getroffen, damit sich der Gruppenleiter einerseits ein Bild von den Gegebenheiten in Ostia machen, andererseits dem Helvetier aber auch die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen festzuzurren. Natürlich hatten sie bereits Vorabsprachen getroffen, doch gakt es jetzt, die Abmachungen und festzuhalten.


    Nach einem ersten Rundgang durch das Theater und der Prüfung der vorhandenen bühnenmöglichkeiten begaben sich die beiden auf die Tribüne und begannen das Gespräch.


    Ein schönes Theater hast du hier in Ostia, Duumvir Helvetius. Es wird eine Freude für uns sein, hier aufzutreten.


    begann der Turier freundlich und öffnete dann die mitgebrachten Tabulae.


    Was kommt also nun auf dich zu: Du hast dir den "Mercator" von Plautus als Stück ausgesucht. Dieses Stück ist für zehn Schauspieler ausgelegt. Hinzukommen die Bühnenaufbauten, nach den Plänen, die du von mir bereits erhalten hast. Diese sind von dir zu organisieren. Normalerweise sind sie innerhalb von ein bis zwei Tagen abgeschlossen, je nachdem, auf welche Arbeiter du zurückgreifen kannst.


    Ocella unterbrach ihn schnell.


    Das wird kein Problem sein. Als Duumvir hat man da gewisse Kontakte.


    Der Turier nickte und fuhr dann fort.


    Masken und Kostüme bringen wir mit. Ebenso die Requisiten. Je nachdem, ob du noch selbst Ideen miteinfließen lassen willst, kommen dann noch Material- und Einkaufskosten dazu. Alke künstlerischen Fragen werden durch uns gelöst. Alle organisatorischen Dinge, also Einlasskontrollen, Verkauf von Lebensmitteln, Sicherheitsaspekte, sind durch dich zu regeln.


    Der Turier machte eine kurze Pause. Ocella nickte daraufhin nur.


    Finanziell liegt unser Standardtarif für einen Theaterabend bei 1200 Sesterzen*. Da du aufgrund einer Empfehlung unseres gemeinsamen Freundes Frugi auf mich zukamst, bin ich bereit, dies auf 900 Sesterzen abzusenken. Dafür wirst du uns in Zukunft weiterempfehlen, wenn jemand auf dich zukommt und eine Theatergruppe sucht.


    Wieder nickte Ocella.


    Abgemacht.


    sagte er knapp und blickte dem Turier dann tief in die Augen.


    Wie lang wird das Stück ungefähr dauern?


    Der Turier überlegte kurz und antwortete dann geduldig.


    Etwas mehr als 75 Minuten.


    Das wird ausreichen.


    schob Ocella dann nach blickte kurz auf die Bühne, die derzeit noch vollkommen leer war und fixierte dann den Turier wieder.


    Du hast von dem letzten Stück gehört, das auf dieser Bühne gespielt wurde?


    Ein kleines Blitzen war in den Augen des Helvetiers zu sehen, während sein Blick starr auf dem Gesicht des Turiers lag.


    Ich glaube ja, Duumvir. "Prometheus in Ketten" produziert von deinem Amtsvorgänger Iulius Dives.


    antwortete der Turier vorsichtig.


    Und dir sind auch die Umstände dieser Aufführung bekannt?


    fragte Ocella weiter ohne den Blick von dem Turier abzuwenden.


    Ansatzweise.


    wurde der Turier sogar nur noch einsilbig.


    Damit hier von Anfang an eines klar ist: Ich wünsche bei dieser Aufführung keinen Skandal. Es soll ein leichtes Unterhaltungsstück werden, damit die Besucher sich von ihren schweren Tagesgeschäften entspannen können. Die Besucher sollen Spaß haben, sie sollen lachen und sie sollen sich danach gut unterhalten fühlen. Wenn sie nach Hause gehen, sollen ihre Gedanken darum kreisen, dass der Duumvir Helvetius ihnen einen angenehmen Tag bereitet hat. Und ich möchte nicht, dass der Text des großen Plautus für irgendwelche Demonstrationen missbraucht werden. Haben wir uns soweit verstanden?


    stellte Ocella mit einem leichten Anflug von Schärfe klar. Plautus schrieb Komödien. Diese sollten unterhalten. Und Ocella würde seinen Namen nicht für eine Zuschaustellung der politischen Ansichten eines Theatermenschen hergeben.


    Natürlich, Duumvir Helvetius.


    antwortete der Turier daher freundlich aber dennoch mit dem Wissen darum, dass es wohl Ärger geben würde, wenn er sich nicht daran hielte.


    Gut, die Bühnenaubauten werden zwei Tage vor der Aufführung abgeschlossen sein. Danach könnt ihr das Theater frei nutzen, wobei ich darum bitte, eine Übersicht, über die Proben- und Vorbereitungszeiten zu erhalten. Solltet ihr in irgendeiner Weise in eurer Arbeit hier in Ostia eingeschränkt sein, lass es mich umgehend wissen. Ich werde dann dafür sorgen, dass ihr euch wieder voll und ganz auf eure Aufführung an den Portunalia konzentrieren könnt.


    führte Ocella dann noch aus bevor er sich dann erhob und dem Turier die Hand zum Abschied reichte..


    Nun, ich habe jetzt noch einen Termin. Falls noch etwas sein sollte, findest du mich in meinem Officium in der Curia.


    Der Turier erhob sich ebenfalls schüttelte dann die Hand des Duumvirs. Ocella wiederum verließ das Theater auf direktem Weg und machte sich auf, zur Curia, wo noch einige Termine auf ihn warteten.

  • Die Bühnenaufbauarbeiten waren voll im Gange. Ocella hatte seinen ehemaligen aedilischen Amtskollegen Vaticanus für die Aufbauarbeiten gewinnen können. Dieser beaufsichtigte nun auch die Arbeiten, die wie erwartet relativ schnell vonstatten gingen. Das Bühnenbild war auch recht simpel. Es stellte zwei gegenüberliegende Häuser da, die von einer Straße voneinander getrennt wurden. Zudem musste ein mittelgroßes Boot gebaut werden, das man über die Bühne ziehen könnte. Das Ziel war, zum Abend fertig zu werden, damit die turische Gruppe ab morgen mit den eigentlichen Proben beginnen konnte. Und im Moment sah es gut aus, dass diese Frist auch eingehalten werden könnte.

  • An den Protunalia herrschte bereits reges Treiben am und um das Theater von Ostia. Auf der großen Bühne führte die Gruppe des Turius Tugio die letzten Proben durch; Ocella hatte seine Termine kurzerhand ins Theater verlegt, wo er auf den Sonderplätzen einige Decurionen empfing, um sie quasi bereits einmal hier zu haben, sodass sie im Nachhinein nicht sagen konnten, sie hätten nichts von der Veranstaltung gewusst; für die Einlasskontrolle hatte Ocella einige Klienten auftreiben können, die sich auf diese Aufgaben vorbereien. Kurzum: Die Vorstellung war umfangreich vorbereitet und könnte beginnen. Jetzt hieß es warten, dass die Zuschauer eintrafen und ihre Plätze einnahmen.

  • Relativ schnell füllte sich das Theater. Der Helvetier wechselte immer wieder zwischen den Eingängen, um bekannte Gesichter zu grüßen, aber auch um als Ausrichter Präsenz zu zeigen. In der Zwischenzeit hatte sich bereits die amtierenden Magistrate und eine ganze Reihe Reihe Decuriones der Stadt im Theater eingefunden und hatten ihre Plätze eingenommen. Ocella selbst würde erst kurz vor Beginn hineingehen, um auch ja von jedem Besucher irgendwie gesehen worden zu sein.

  • So langsam ebbte der Ansturm auf das Theater ab und aus dem Theater erreich Ocella die Nachricht, dass im Innern nur noch wenige Plätze frei waren. Daher entschied sich Ocella dafür, nun auch seinen Platz bei den Ehrenplätzen für die städtischen Honoratioren einzunehmen. In seiner Toga konnte er nur gemessenes Schrittes die Treppen hinaufsteigen, bis er die Tribüne erreicht und ins Freie trat. Auf dem Weg zu seinem Platz schüttelte er noch einige Hände, von Leuten, die am Rand saßen und setzte sich dann schließlich auf den für ihn vorgesehenen Platz neben seinem Collega Marcellinus und seiner Mutter Pinnia Postumia.


    Im Theater herrschte eine laute Atmospähre. Von überall ertönten Stimmen Stimmen durch die Reihen und Ocella schaute sich im Theater nach weiteren bekannten Gesichtern um, die er vielleicht beim Eingang übersehen hatte. Doch dann trat Turius Tugio auf die Bühne und die Lautstärke nahm deutlich ab. Er positionierte sich zentral auf der Bühne und begann dann mit der Eröffnung.


    Verehrte Bürger Ostias und geehrte Gäste dieser Stadt!


    Die Theatertruppe des Manius Turius Tugio spielt für euch heute an den Portunalia zu Ehren des Hafengottes Portunus die Komödie "Mercator" des großen Titus Maccius Plautus.


    Die Aufführung wird euch präsentiert von dem ostiensischen Duumvir Titus Helvetius Ocella!


    sprach der Turier und deutete auf den Platz des Helvetiers der sich daraufhin erhob und freundlich lächelnd die Zuschauer begrüßte und dafür sorgte, dass er im Halbrund des Theaters auf gesehen wurde. Nach einem kurzen Applaus setzte sich Ocella wieder und das Stück konnte beginnen.

  • MERCATOR
    VON TITUS MACCIUS PLAUTUS


    DRAMATIS PERSONAE
    Charinus, junger Mann
    Acanthio, Sklave
    Demipho, alter Mann
    Lysimachus, alter Mann
    Sklave des Lysimachus
    Eutychus, junger Mann
    Pasicompsa, Hetäre
    Dorippa, Matrone
    Syra, alte Sklavin
    Koch


    Sim-Off:

    übersetzt von Dr. Artur Brückmann


    Quelle

  • Die Bühne bestand aus zwei gegenüberliegenden Gebäuden. Links das Haus des Demipho, rechts das des Lysimachus. Beide waren ältere Männer und angesehene Händler.


    Plötzlich erklingen Pfeifen, die eine Liebesmelodie spielen. Langsam trat Charinus auf, in der einfachen, aber etwas abgerissenen Kleidung eines Händlers. Schweigend ging er so weit nach vorne, dass er von überall gut gesehen werden konnte. Als er stehenblieb, verstummte die Musik. Charinus seufzte einmal laut auf, bevor er zu sprechen beginnt.


    Zwei Dinge soll ich nun zugleich verrichten:
    Ich soll euch sagen, was in diesem Stück geschieht,
    dazu will ich von meinen Liebesangelegenheiten reden.
    Doch nichts dergleichen tu' ich, was in den Komödien
    ich andere im Bann der Liebe tun sah:
    Die erzählen ihre Leiden stets der Nacht, dem Tag,
    dem Mond, der Sonne. Aber die, glaub' ich,
    die machen sich aus unsern menschlichen Beschwerden,
    was wir wollen, was uns gegen unsern Willen widerfährt,
    nicht einmal so viel, nicht das geringste!
    Besser, ich erzähl' nun meine Leiden euch.


    Charinus Blick wanderte durch die die Reihen der Zuschauern, jedes Gesicht das ihm dabei begnete kurz musternd.


    Im Griechischen heißt die Komödie »Emporos«,
    »Der Kaufmann« und sie wird Philemon zugeschrieben.
    Lateinisch heißt sie nun »Mercator«,
    und sie ist von Maccius Titus.


    Kurz hält Charinus inne. Er macht Anstalten die Bühne zu verlassen, bleibt aber doch da. Nach kurzen Gängen nach links und nach rechts fuhr er dann fort, jedoch mit leicht eingesunkenem Körper.


    Mein Vater schickte mich nach Rhodos
    auf den Handelsmarkt. Zwei Jahre sind vergangen,
    seit ich aufbrach von zuhause.
    Dort in Rhodos aber hab' ich mich verliebt
    in ein ganz ungewöhnlich schönes Mädchen.
    Und von ihr und wie ich mich verwickelte
    in diese Sache, will ich euch berichten,
    wenn ihr nun so freundlich seid,
    mir dafür euer Ohr und euer Interesse zuzuwenden.


    Nun mit etwas mehr Mut richtete sich Charinus auf. Er strecht den Kopf nach oben.


    Ich bin nun wenig nach der Art Verliebter vorgegangen:
    Am Anfang schon hab' ich hinausposaunt,
    um was es geht.
    Nun, alles Schlimme pflegt die Liebe zu begleiten:
    Sorge, Gram, aufwendig übertriebener Geschmack;
    der straft mit großem, schwerem Unheil nicht nur den,
    der liebt, nein, jeden, der davon gepackt wird.
    Wer auch immer solchen Luxus trieb:
    Er tat es niemals, ohne schlimmes Übel zu erleiden,
    wenn er mehr ausgab dafür, als sein Vermögen zuließ.
    Vieles kommt hinzu zur Liebe, was ich nicht erwähnt:
    Schlaflosigkeit und Mühsal, Irren, Wirren, Schrecken,
    wilde Flucht. Wie albern, dumm und unbesonnen,
    kopflos unbedacht, wie unbescheiden, frech, begehrlich,
    neidisch macht uns doch die Liebe. Faules Schwelgen,
    Trägheit, Gier, vergebliches Verlangen, Schmach
    und Schaden bringt sie uns – und viel Geschwätzigkeit.
    Soviel auch der Verliebte redet:
    Er sagt zu wenig, denn zur falschen Zeit sagt er,
    was gar nicht nötig ist, zur Sache nicht gehört.
    Nichtssagend nenn' ich die Geschwätzigkeit,
    weil der Verliebte nie die Sprache zu gebrauchen weiß,
    etwas zu sagen, was ihm nützlich wäre.
    Doch ihr sollt wegen meiner eigenen Geschwätzigkeit
    mir nun nicht böse werden: Venus selbst war es,
    die mir Geschwätzigkeit am gleichen Tage auferlegt,
    an dem sie zum Verliebten mich gemacht.
    Ich bin entschlossen, auf die Sache selbst zu kommen,
    will die Geschichte nun erzählen, die ich angefangen.


    Immer mehr verschwand der noch soeben aaufkeimende Mut aus seinem Körper. Zuletzt trat Charinus wieder einige Schritte zurück und machte immer längere Pausen. Während der folgenden Worte erschien eine junge Frau im hinteren Teil der Bühne, ging mit verführerischem Hüftschwung hinter Charinus her und verschwand dann wieder nach rechts.


    Kaum daß ich das erste Jünglingsalter hinter mir
    gelassen, den Sinn von Knabendingen abgewandt,
    verliebt' ich mich schon heftig hier am Ort
    in eine liebliche Hetäre, und sogleich ging auch
    des Vaters Geld ganz heimlich hin zu ihr,
    in die Verbannung sozusagen.
    Der rücksichtslose, unverschämte Kuppler,
    der des Mädchens Herr war, riß, was er nur konnte,
    in sein Haus hinüber.


    Nun erschien Demipho aus dem Hintergrund. Deutlich gereizt wanderte er im hinteren Teil von rechts nach links und wieder zurück. Immer wieder nahm er eine Tabula zur Hand und schrieb Zahlenkolonnen auf.


    Mein Vater schalt mich deshalb Tag und Nacht;
    er legte dar, wie falsch, wie hinterlistig
    diese Kuppler seien. Bös verschleudert werde
    sein Vermögen, das des Kupplers wachse.
    So ertönte das mit heftigem Geschrei.
    Bisweilen aber brummte er auch anderes:
    Er wolle nichts mit mir zu schaffen haben,
    als seinen Sohn mich nicht mehr anerkennen.
    In der ganzen Stadt schrie er herum und warnte jeden,
    mir weiter Geld zu leihen. Liebeswahnsinn habe
    zur Verschwendung mich verlockt. Zur Zügellosigkeit,
    zur Unbesonnenheit, zu allem Frevel führ' er mich.
    Was ich nur könne, schlepp' ich aus dem Haus.
    Durch meine Unvernünftigkeit verschleud're ich,
    was er mit Sparsamkeit und harter Arbeit sich erworben.
    Für meine Liebelei verderbe und verschwend' ich alles.
    Eine Schande sei's, daß er schon viele Jahre mich
    auf seine Kosten füttere. Schämt' ich mich nicht,
    verdient' ich nicht zu leben.


    Demipho verschwand wieder und Charinus verblieb alleine auf der Bühne. Einmal tief durchatmend fuhr er dann mit seinem Bericht fort.


    Er, mein Vater, aus dem Knabenalter grad herausgewachsen,
    er habe nicht wie ich der Liebe und dem Müßiggang
    sich hingegeben, hab' die Möglichkeit gar nicht gehabt;
    sehr streng hab' ihn sein Vater stets gehalten:
    Bei Feldarbeit in Schmutz und Dreck hab' er sich
    abgemüht. Die Stadt, die hab' er einmal nur gesehen,
    zu Athenes großem Fest, um das Gewand der Göttin,
    den zur Schau gestellten Peplos anzusehen.
    Doch sein Vater hab' ihm nach gewohnter Weise
    befohlen, gleich aufs Land zurückzukehren.
    Dort hab' er geschuftet mehr als alle andern.
    Sein Vater hab' ihm stets gesagt: Du pflügst, du eggst,
    du säst für dich, für dich wirst du auch ernten,
    schließlich wird dir deine Müh'
    Befriedigung und Freude noch bereiten.
    Als nun seines Vaters Leben aus dem Leib entwichen,
    hab' er Land verkauft, für den Erlös ein Schiff erworben
    – dreihundert Faß groß sei der Laderaum gewesen –
    und von überall hab' er sich Waren kommen lassen,
    bis er das Vermögen, das er jetzt besitze,
    sich erworben habe.


    Wieder legte Charinus eine längere Pause ein. Kopfschüttelnd zurückdenkend an die Geschichte seines Vaters. Dann reißt er die Arme auseinander.


    Es nun ebenso zu machen, das sei meine Pflicht,
    wenn ich so wäre, wie es sich gehöre.
    Wie ich merke, daß ich meinem Vater ganz verhaßt war,
    ihm Ärger nur bereitete, – ihm,
    dem ich doch zur Freude leben sollte –
    wie ich merke, daß ich sinnlos meinen Sinnen lebte,
    reiß ich mich mit aller Kraft zusammen, schlag' ihm vor,
    ich wolle gleich auf eine Handelsreise gehen,
    wenn er einverstanden sei: Mein Liebesabenteuer
    woll' ich so beenden, ihm zu Willen sein.
    Er dankte mir und lobte meinen Einfall,
    unterließ es aber nicht, dem, was ich ihm versprochen,
    selbst noch kräftig nachzuhelfen.


    Charinus trat nun ganz weit nach vorne. Seine Stimme wurde lauter und bestimmter. Im Hintergrund erschien ein mittelgroßes Boot. Es hatte für das Publikum nicht sichtbare Räder eingebaut und wurde von zwei Männern, einer stand ganz hinten, einer ganz vorne, bewegt.


    Er ließ für mich ein großes Segelschiff erbauen,
    kaufte Waren ein, womit das Schiff beladen wurde.
    Eigenhändig gab er mir dazu noch ein Talent von Silber.
    Mit mir schickte er den Sklaven auf die Reise,
    welcher einst, als ich ein kleiner Knabe war,
    als Pädagoge mich erzogen hatte, noch jetzt
    gewissermaßen als mein Hüter. Derart ausgerüstet
    lösten wir das Schiff vom Ufer, brachen auf
    auf unsre Reise.


    Acanthio erschien nun im Hintergrund und trug Waren, vom Schiff, die er hinter das linke Gebäude trug. Mehrere Kisten und Amphoren transportierte er auf diese Weise, während Charinus mit seiner Erzählung fortfuhr.


    Nach Rhodos kamen wir, und ich verkaufte alle Waren,
    die ich zu diesem Zweck hierher gebracht.
    Und der Gewinn war außerordentlich;
    er übertraf bei weitem das, womit mein Vater,
    der die Waren eingeschätzt, gerechnet hatte.
    Auf diese Weise bracht' ich es ganz groß
    zu einem eigenen Vermögen.
    Wie ich dort einmal am Hafen auf und ab spaziere,
    trifft ein Freund mich, lädt mich ein zum Essen.
    Ich geh' hin, begebe mich zu Tisch und werde
    freundlich aufgenommen, reichlich auch bewirtet.


    Das Schiff wurde hinter das rechts Gebäude gerollt, während Acanthio nach links abging. Von rechts trat nun Pasicompsa auf, ging direkten Weges zu Charinus und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie blieb neben Charinus stehen.


    Wie wir nachts dann schlafen gehen,
    kommt zu mir ein Mädchen, wunderschön,
    wie es sonst keines gibt.
    Und wie mein Gastfreund ihr befohlen,
    verbrachte sie die ganze Nacht bei mir.
    Wie sehr sie mir gefiel, könnt ihr aus folgendem
    ersehen: Schon am nächsten Tag geh' ich
    zu meinem Freund und bitte ihn, das Mädchen –
    mir zu verkaufen. Sag' ihm, wie ich dankbar wäre,
    wie er in Zukunft ganz mit meiner Dienstbereitschaft
    rechnen könne. Wozu viele Worte: Ja, ich kaufte sie,
    und gestern bracht' ich sie mit mir hierher.
    Doch daß mein Vater nicht erfährt,
    was ich mir mitgebracht von meiner Reise,
    ließ ich sie mit meinem Sklaven auf dem Schiff zurück.


    Pasicompsa verschwand nach rechts während Charinus sich nun umblickte. Er war wieder alleine auf der Bühne, wo nun, von links Acanthio erschien. Langsam, schon trödelnd ging er auf Charinus zu.

  • Auch wenn er sich sicherlich besseres vorstellen konnte, als einer Theateraufführung beizuwohnen, tauchte Vala mitsamt Gefolge gen Ende der Begrüßung auf und ließ sich von einem Sklaven zu dem ihm zugedachten Platz geleiten. Die Verspätung hatte recht profane Gründe, immerhin hatte er in Rom gewisse Pflichten zu erfüllen und die nie schlafende Stadt wurde nicht müde ihn mit Arbeit zuzumüllen.. auch wenn er dankenswerterweise einen ganzen Haufen von Arbeiten delegieren konnte. Dennoch: er kam einfach erst kurz vor knapp am Theater in Ostia an, ließ sich ins innere führen und versuchte mit so würdevollem Ausdruck wie möglich die Verspätung zu kaschieren. Dass er als Senator und amtierender Magistrat in Rom in der ersten Reihe saß verstand sich seinem Stand entsprechend von selbst, war für ihn aber immernoch recht ungewohnt. Irgendwie war es ihm fast unangenehm eine Menge von Zuschauern hinter sich zu wissen die ihm auf den Hinterkopf starren konnten. In den letzten Jahren hatte er entweder auf die Hinterköpfe einer ganzen Arme gestarrt oder von Angesicht zu Angesicht mit der bewaffneten Meute kommuniziert. Allerdings würde er sich damit arrangieren müssen.
    Der Titel des Stücks rief in ihm, dem notorischen Kulturbanausen, nicht die geringste Erinnerung wach und auch die Aussicht auf ein solches Stück versetzte ihn nicht gerade in beste Stimmung: Hochkultur ging ihm gelinde gesagt vollkommen am Arsch vorbei. Er wusste um den Effekt, den es auf die Massen haben konnte und wie wichtig Spiele jeder Art für die Stabilität eines Regimes waren, was aber nicht bedeutete, dass sich ihm die hehre metaphysische Substanz von Theateraufführungen erschloss. Nein, Valas Pragmatismus ging soweit, dass er sich kaum für nichtgreifbare Unterhaltung begeistern konnte. Sowieso: die schönste Unterhaltung war für ihn immernoch der genussvoll stöhnende und vor lustvoller Anstrengung verschwitzte Körper einer Frau unter ihm.
    Das durfte er hier aber nicht erwarten.. hier ging es nur darum Präsenz zu zeigen und vor allem guten Willen gegenüber seinem eigenen Klienten, dem Vala anstelle eines größeren Grußes einfach anerkennend zunickte, um sich im folgenden dem Stück zuzuwenden und es einfach an sich vorbeirauschen ließ. Er hatte sich von Sirius vorher eine Zusammenfassung des Stücks geben lassen, damit er dennoch mitreden konnte falls die Langeweile seine Gedanken wandern ließ, und er bemerkte, dass hier verdammt viele Worte für die Tatsache verwendet wurden, dass ein Typ auf Reisen gegangen war und sich währenddessen ein Weib gekauft hatte, das er nun vor seinem Vater verstecken wollte.
    Der politische Profi, der Vala mittlerweile war, lachte er pflichtschuldig mit den anderen sobald es etwas zu lachen gab, nahm hier und da lächelnd einen geflüsterten Kommentar entgegen und parierte diese mit lustigen Nichtigkeiten um nicht vollkommen ahnungslos dazustehen... aber alles in allem war das hier nicht das seine.

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