• Das Schiff lag gut in Fahrt, der Wind war günstig. Wir segelten an der Küste Italiens vorbei am Golf von Neapel, Kampanien und würden bald die Meerenge von Messana bei Sizilien erreichen.
    Ich hatte in der Küche geschuftet die halbe Nacht, Gemüse geputzt, geschnitten, aufgräumt und war später erschöpft in meiner Kabine eingeschlafen.
    Jetzt am nächsten morgen hatte ich kurz Zeit, das Unterdeck zu verlassen und trat an die Oberwelt, wo mir ein frischer Wind durch mein Haar fuhr. Ich ging unbemerkt über das Deck und lehnte mich über die Reling. In ungefähr 400 Metern Backbord lag die Küste Italias, vereinzelt erkannte man kleine Punkte am Strand, Fischer die an der Küste standen und ihre Boote für den bevorstehenden Tag auf See vorbereiteten.



    An Deck nahm man mich kaum wahr, vereinzelte neugierige Blicke fielen auf mich, aber der Großteil der Besatzung war mit anderen Arbeiten beschäftigt. Viele hingen in der Takelage und besserten die Segel aus, die durch den nächtlichen Sturm etwas zerstört wurden.
    Aus der Kombüse ertönte schon wieder die Stimme von Lukos. Ich hielt mich nicht lange auf und ging runter, um ihm zu helfen, das Frühstück für den Kapitän zu machen.

  • Ich arbeitete in der Küche. Das Mahl war gegessen, die Überreste abgeräumt und ich brachte die gut verpackten Nahrungsmittel wieder in den Speißkeller. Der Speißekeller war am anderen Ende des Ganges gegenüber der Kombüse. Über eine Holzstiege ging am drei Stufen hinab. Hier lagerten Säcke und Fässer mit Getreide, Gemüse, Fleisch und Süßwasser, und einige Amphoren Wein. Es war dunkel und staubig. Ich legte die Nahrungsmittel ordnungsgemäß in eine Truhe und prüfte vorher den Verschluß, da bemerkte ich ein Rascheln, das aus der dunklen Ecke des Raumes kam, wo die Fässer mit dem Süßwasser gelagert war. Ich dachte, das es womöglich eine Ratte sei und schlich mich an, um sie vertreiben. Ich blieb mucksmäuschenstill, dann ... ein Husten,...'Nanu ?! Ratten husten doch nicht', dachte ich. Ich zitterte. Wer ist da ? Ein blinder Passagier ? Ich ergriff ein auf dem Bodenliegenden metallenen Hacken, um mich zu schützen. Ich holte den Arm aus, guckte hinter die Fässer, aus deren Richtung die Geräusche kamen, war im Inbegriff auszuholen und erschrak, als ich im schwachen Lichtschein des Kellers, sah, wen ich sah. 8o

  • Die Nacht in der Speisekammer, zwischen den Wasserfässern versteckt, war eine Qual gewesen. Zu Schlafen war ich kaum gekommen. Die Kälte steckte mir in allen Gliedern. Zudem mußte ich daran denken, was wohl mit mir passieren würde, wenn man mich entdeckt. Ein Sklave, der seinem Herren ausgebüxt ist...


    Was würde der Kapitän des Schiffes mit mir machen, auf hoher See? Mich über Bord werfen lassen? Oder auf dem nächsten Sklavenmarkt weiterverkaufen? Als Sklave in ein Erzbergwerk oder in einen Steinbruch möglicherweise.


    Entschieden schob ich diese Gedanken beiseite. Ich hatte vor meiner Flucht von dem Risiko gewußt. Aber ich konnte Servilia nicht allein lassen auf der gefahrvollen Reise nach Aegyptus. Sie brauchte jemanden, der sie dort beschützen und ihr dabei helfen konnte, ihre Mutter wiederzufinden.


    Zufällig hatte ich Servilia entdeckt, als sie bei Nacht und Nebel die Casa Didia verlassen wollte. Sie hatte mir erklärt, warum. Ich verstand sie. Ich ließ sie gehen, obwohl es meine Pflicht gewesen wäre sie aufzuhalten.


    Stattdessen packte ich mir ein kleines Bündel für die Reise und folgte Servilia zum Hafen nach Ostia. Kurz vor dem Auslaufen des Schiffes schaffte ich es noch ungesehen an Bord zu gelangen.



    Nun verbarg ich mich hier hinter den Wasserfässern. Ich hörte Schritte. Lange kämpfte ich gegen den Drang zu husten an. Dann passierte es doch.


    Zunächst Stille. Dann kamen Schritte näher.


    Was tun, überlegte ich, und bereitete mich darauf vor, mich meiner Haut zu wehren...

  • Ich blickte zu meinem Gegenüber, zusammengekauert, die Hand zum Schutze erhebend, und ich erkannte ihn sofort. Die Glatze, das markante Gesicht, die Narben aus seinem Kampf gegen römische Soldaten und seiner anschließenden Gefangenschaft. Es war Krixos. Mein Onkel hatte ihn von einem Sklavenhändler aus Rom gekauft, der eigentlich Gladiatoren verkauft. Krixos sollte in der Arena kämpfen und sterben. Falco kaufte ihn als Liktor und auch mir hatte er treue Dienste erwiesen.
    Ich ließ die Eisenstange fallen und reichte Krixos meine Hand. Er mußte mir heimlich gefolgt sein. Ich bekam Panik. Was wäre, wenn der Kapitän ihn entdeckt.


    "Krixos, was machst du hier ? und wie bist du hierher gekommen ? Weiß Falco davon ? Hat er dich beauftragt, mir zu folgen ?"

  • Unendlich erleichtert erkannte ich Servilia. Ich ergriff ihre dargebotene Hand und erhob mich.


    "Ich bin euch gefolgt, Herrin, und habe mich heimlich auf das Schiff geschlichen." sprach ich.


    "Falco, mein Herr, weiß nichts davon. Ihr hattet mich daum gebeten, euch nicht zu verraten. Ich konnte euch aber auch nicht allein diese gefährliche Reise unternehmen lassen. Nun bin ich ein flüchtiger Sklave und hier, um euch zu helfen. "


    Hoffentlich schickt sie mich nicht postwendend nach Rom zurück, dachte ich.

  • Ich war unendlich nervös. Was, wenn man uns entdeckt, bzw. Krixos ? Wie würde der Kapitän reagieren wegen eines blinden Passagiers. Ich hatte Angst, aber war gleichzeitig auch froh, das Krixos hier war.


    "Du bist mir gefolgt, geflohen von daheim ? Was wird Falco dazu sagen ? .... Aber ich bin froh, das du hier bist. Und was zu hause sein wird, wird uns später beschäftigen. Doch sei dir gewiss, das ich mein möglichstes tun werde, eine mögliche Bestrafung zu verhindern, auch wenn ich selbst damit zu rechnen habe. Was mir aber am meisten Sorgen macht, das ich nicht weiß, wie der Kapitän reagieren wird. Sollen wir es ihm sagen ? oder dich hier unten verstecken ? in Aegypten wenn wir von Bord gehen, wird er es sehr wahrscheinlich mitbekommen ?"


    Ich blickte Krixos an.

  • Ich war erleichtert zu hören, das sich Servilia über meine Anwesenheit freute. Aber ihre Bedenken waren berechtigt. Was würde geschehen, wenn der Kapitän von meiner Anwesenheit an Bord erfahren würde?


    "Herrin, ich weiß nicht was richtig ist. Wir werden aber noch einige Zeit unterwegs sein. So wie ihr mich entdeckt habt, kann mich auch jemand anderes entdecken. Vielleicht redet ihr besser mit dem Kapitän. Ihr müßt ihm ja nicht erzählen, das ich meinem Herren entflohen bin..."


    Ein schwaches Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.

  • In diesem Moment kam Lukos herein, in den Vorratsraum. Er stand auf der obersten Stufe im Türrahmen. Ich erkannte nur seine Silhouette. Aber es war Lukos, keine Frage. Klein, buckelig und ziemlich zerzaustes Haar.
    "Servi-i-l-iaa !" stotterte er, "wo bleibst du denn ? mit wem sprichst du da ?"


    Ich fuhr erschrocken herum. Krixos machte einen Schritt zurück in den Schatten um nicht gesehen zu werden.
    Zum Glück war Lukos schon etwas senil oder einfach nur gutmütig.


    "Ich komme gleich. Ich überprüfe nur, ob die Behältnisse alle richtig verschlossen sind."


    Lukos nickte, machte eine Handbewegung und schlurfte auf seinen ausgetretenen Sandalen wieder zurück in die Kombüse.


    Mich zu Krixos gewandt:"Das war knapp ! ... Ja, vielleicht sollten wir dem Kapitän alles sagen. Ehrlichkeit ist immer die beste Lösung. Ich werde zu ihm gehen und ihn holen. Ich hoffe, er wird gnädig sein."


    Ich holte aus einer der Vorratskisten einen Laib Brot. Wir waren schon seit drei Tagen auf See und ich wußte nicht, ob Krixos schon etwas gegessen hatte. Ich reichte ihm das Brot.

  • "Ja, Herrin, redet mit dem Kapitän. Auf Dauer bleibt mein Aufenthalt auf dem Schiff nicht unentdeckt."


    Dankbar griff ich nach dem mir von Servilia dargebotenen Brot. Ich hatte zwar keinen Durst leiden müssen. Wasser hatte ich genügend zur Verfügung gehabt und mir auch hin und wieder etwas zu Essen stehlen können. Bei letzterem war ich jedoch wegen der Gefahr der Entdeckung sehr vorsichtig gewesen.


    Ich brach mir ein großes Strück von dem Brotlaib ab und biß herzhaft zu. Erst jetzt spürte ich, wie groß mein Hunger war.


    "Danke Herrin." sagte ich und lächelte sie an, nachdem ich den ersten Bissen heruntergekaut hatte. Dann aß ich hastig weiter.

  • An meinem ersten Abend als ich auf das Schiff kam hatte mich der Kapitän freundlich aber auch streng begrüßt.
    Er willigte ein, das ich als Passagier auf seinem Schiff mitfahren dürfe. Damals schien es mir schon so, dass der Kapitän ein raetselhafter Mann sei. Er hatte einen merkwürdigen Glanz in seinen Augen, sein Auftreten und seine Erscheinung wirkten vielmehr wie die Eleganz eines Prinzen, anstatt eines rauhen, verwegenen Seemanns. Sein wallendes, lockiges, pechschwarzes Haar fiel ihm auf die Schultern. Seine Haut war gebräunt von der Sonne Aegyptens. Seine braunen Augen waren klein und schienen willkürlich einen bestimmten Gegenstand im Raum zu focusieren. Als ich mit ihm beim ersten Mal geredet hatte, hatte er mich kaum angeschaut. Stattdessen zeigten seine Augen permanent auf einen beliebigen Gegenstand. Er wirkte überaus passiv und lethargisch, kaum so als wäre er anwesend. Und plötzlich begann er zu sprechen.
    Er trug wertvolle Gewänder aus edlem Tuche, Seide ? Einen blauen Umhang aus Baumwolle trug er immer, befestigt an seiner Schulter mit zwei goldenen Ansteckern, auf denen jeweils ein Käfer abgebilet war.
    Sein Haupt hielt er immer aufrecht. Nie ließ er irgendeine Form von Schlaffheit aufkommen. Von den Zehenspitzen bis zu den Haarspitzen war sein Körper stets gespannt.
    Er befehligte eine Mannschaft, die ausschließlich aus Aegyptern stand. Es waren typische Seeleute, wie man sie in jeder größeren Hafenstadt anheuern konnte. Und ich glaube, selbst für seine Mannschaft erschien der Kapitän manchmal sehr suspekt. Er verließ seine Kajüte so gut wie nie. Die Befehle erhielten die Männer von dem Steuermann. Jener war der einzige der Besatzung, der kein Aegypter war. Er stammte aus Syria. Eine kräftige und furchteinflößende Gewalt, die aber so sanftmütig war wie ein schnurrendes Kätzchen. Furchen hatten sein Gesicht durchzogen von harter Arbeit. Er arbeitete in einem Bergwerk bis in dieser Kapitän von seinem damaligen Beistzer abkaufte. Er genießt Respekt in der Mannschaft. In seinen Barthaaren zeigen sich graue Alterssträhnchen. Sein Haupthaar ist kurz. Auch hier zeigen sich vereinzelte graue Strähnchen. Er steht im ständigen Kontakt zum Kapitän und nimmt dessen Befehle entgegen.
    Der Kapitän zeigt sich dagegen nur selten an Deck. Erst Abends, wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist und die Besatzung bis auf die Wache in ihren Kajüten liegt, schlendert er über die Planken seines Schiffes, die Hände auf den Rücken gelegt, und blickt gen Horizont. Ich hatte bisher noch nicht gewagt ihn anzusprechen, bis auf das einemal, als ich an Bord ging und er in meine Kajüte kam.
    Ich wußte nicht wie er reagieren würde, wenn ich ihm von Krixos erzählte. Die Tage, in denen ich nun schon an Bord bin, verblieb ich fast die ganze Zeit bei Lukos, auch nachdem ich meine Arbeit schon beendet hatte. Ich hatte ihn lieben gelernt. Er war für mich wie ein Großvater mit seiner lieben und fürsorglichen Art. Er half mir bei den Küchenarbeiten, was aber im Lauf der Zeit weniger passierte, da er merkte, daß ich die Arbeiten zu seiner Zufriedenheit soverän selbstständig erledigte.
    Die Küche war nicht sehr groß und zu zweit war es sehr eng. Außerdem kam der Gestank und die Dämpfe des Essens hinzu, wenn gekocht wurde. Gekocht wurde ausschließlich aegyptisch, manchmal auch römisch. Viele Gerichte kannte ich noch von früher, aber hatte ich sie nie selbst zubereitet. Dank Lukos lernte viele Gerichte, die früher sehr gerne gegessen hatte.



    Der Kapitän war in seiner Kajüte, also ging ich zu dem syrischen Steuermann und fragte ihn, ob ich den Kapitän sprechen könne. Es sei eine sehr wichtige Angelegenheit. Aber der Steuermann war brummiger, grießgrämiger Seebär. Er blickte mich mit knurrigen :) Gesichtsausdruck an. Mir war nicht ganz wohl. Der Steuermann fuhr mich an, was das denn solle. Ich sollte sofort die Brücke verlassen und unter Deck verschwinden. Er schimpfte mich eine aegyptische coa. Den Tränen nahe aber auch rot vor Wut, verließ ich geschwind das Deck, stieg durch die Luke die Stufen hinunter und legte mich auf das Bett in meiner Kajüte. Ich dachte an Krixos, hoffentlich würde man ihn nicht entdecken. Ich beschloß, den Kapitän heute abend aufzusuchen, wenn er seine Kabine verlässt. Erschöpft von der Arbeit in der Kombüse und wegen viel zu wenig Schlaf, schlief ich ein.

  • Der Abend brach herein und ich wurde geweckt durch das heftige Schauckeln des Schiffes. Der Wind hatte zugenommen. Ich stand auf, zog mir meine Stola an und ging an Deck. Der Syrier hatte das Ruder fest in der Hand und steuerte auf Sizilien zu. Morgen würden wir in Syracusae sein. Der letzte Halt vor der Fahrt aufs offene Meer.
    Das Deck war verwaist. Nur das Wasser der überschwappenden Wellen spritzte auf die Blanken. Der Kapitän stand an der Reling gelehnt wie er es jeden Abend tat.
    Ich ging auf ihn zu und sprach ihn an. Der Kapitän reagierte nicht. Ich wußte nicht, ob ich weiterreden oder verschwinden sollte.
    Ich versuchte es nochmal und trug ihm mein Anliegen vor.


    "Verzeihung das ich störe, Kapitän, aber es ist wichtig. Unter Deck wartet ein Freund von mir; ...."

  • Der Kapitän blickte mich nicht an. Er guckte aphatisch auf den Horizont. Ich wußte nicht, ob er mir zuhören würde. Ich zitterte. Vielleicht war es doch nicht so gut, zum Kapitän zu gehen. Wahrscheinlich würde er Krixos über Bord jagen oder in Syracusae den Cohortes übergeben. Ich setzte nochmal an.


    "Mein Herr, bitte, ich habe euch etwas zu sagen." Der Kapitän drehte seinen Oberkörper beiseite. Aber er blickte mich nicht an. Ich fuhr fort.


    "Unter Deck - wie soll ich es sagen - ..., ein Freund von mir, ... er befindet sich dort unten, versteckt. Er ist ... an Bord ... geschlichen."


    Ich zitterte am ganzen Körper. Meine Stimme bebte. Diese Worte fielen mir schwer. Ich guckte die ganze Zeit zum Kapitän. Das es sich um einen entlaufenen Sklaven handelte, wagte ich nicht zu sagen. Ich erwartete die Reaktion, ich erwartete einen bösen Wutausbruch des Kapitäns. Mit einem Mal war ich ganz klein. Mein Herz raste, ich bekam furchtbare Angst. Was, wenn er uns beide tötete, wenn ich Falco und Liliana nie wieder sehen würde. Ich merkte wie töricht mein Verhalten gewesen ist, mein plötzliches und heimliches Verschwinden aus der Casa Didia. Auf einmal wünschte ich mich ganz weit weg von hier zu sein, weg von diesem Schiff, weg vom Meer, weg von diesem Steuermann, weit weg in Aegyptus in den Armen meiner Mutter.
    Plötzlich wachte ich auf. Der Kapitän antwortete ohne mich dabei anzusehen "Dann lasst uns mal den unfreiwilligen Passagier sehen".
    'Lasst ihn uns sehen' hatte er gesagt. Mehr nicht. Ich war erleichtert. Seine Worte wirkten so ruhig, gar nicht aufgeregt. Es klang so, als wolle er mal sehen, was man da tun könne. Ich führte den Kapitän hinunter unter Deck zu den Lebensmittelräumen. Ich hoffte, Krixos ging es gut. Ich hatte ihn lange warten lassen.



    Sim-Off:

    Du bist dran, Krixos.:)

  • Viele Tage hatte ich jetzt bereits in den Vorratsräumen zubringen müssen. Immer auf der Hut vor Entdeckung. Zum Glück betraten nur zwei verschiedene Personen diese Vorratsräume. Servilia und der Koch. Sein Name war Lukos, wie mir Servilia erzählt hatte. Er schien kurzsichtig zu sein, so das es für mich kein großes Problem darstellte, mich vor ihm zu verstecken.


    Damit ihre Abewesenheit nicht auffiel, konnte Servilia immer nur kurz bei mir in der Vorratskammer des Schiffes bleiben. Zeit zum Reden blieb nicht viel. Sie informierte mich darüber was auf dem Schiff geschah und versorgte mich mit von ihr zubereiteter Nahrung. Des Nachts schlich ich mich immer an Deck, um meine Notdurft zu verrichten. Dabei suchte ich immer das vom Steuermann entfernte Ende des Schiffes auf, um nicht entdeckt zu werden.


    Die Einsamkeit, die Dunkelheit im Inneren des Schiffes und die Angst vor dem Entdecktwerden machten mir schwer zu schaffen. Das Einzige was mich mit dieser Lage versöhnte war die Erkenntnis, das Servilia ohne mich in Aegyptus ganz allein auf sich gestellt wäre und mich dort brauchen würde. Dies ließ mich durchhalten.


    Bei unserem letzten Zusammentreffen hatte mir Servilia berichtet, das sie am nächsten Tage mit dem Kapitän sprechen und ihm von meiner Anwesenheit an Bord erzählen wollte.


    Seitdem wartete ich unruhig darauf, was passieren würde. Würden sie kommen, um mich zu holen und über Bord zu werfen? Ich beschloß, meine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.


    Nach langen, nervenzehrenden Stunden der Ungewißheit vernahm ich sich nähernde Schritte von zwei Menschen. Deutlich erkannte ich die leichtfüßigen Schritte von Servilia. Daneben vernahm ich die schweren, etwas schlürfenden Schritte eines Mannes. Wer mochte das sein? Der Kapitän des Schiffes?


    Ich griff nach einem langen Stück Holz, welches ich an Deck gefunden hatte und als Knüppel einzusetzen gedachte.


    Die Tür zur Vorratskammer wurde aufgestoßen und ein diffuses Dämmerlicht fiel herein ...

  • Ich stieg die hölzernen Stufen hinab in den Vorratsraum. Der Kapitän folgte mir. Ich ging zu den Wasserfässern, wo ich Krixos vermutete.


    Krixos ! Wo bist du ? Komm raus, der Kapitän möchte dich sehen !


    Ich sah Krixos hinter den Wasserfässern. Als er mich sah, kam er hervor. Der Kapitän ging auf ihn zu. Er hatte eine Kerze angesteckt und musterte Krixos genau.
    Dabei fiel ihm der Sklavenreif am rechten Arm auf. Er wurde stutzig. Dann sprach er zu Krixos:


    Sklave, sprich ! Wer ist dein Herr ? Und was tust du auf meinem Schiff ?


    Bevor Krixos antworten konnte, sagte ich:


    Krixos ist sein Name und gehört meinem Onkel, dem Senator Marcus Didius Falco.


    Bei dem Wort 'Senator' wurde der Kapitän hellhörig.


    Er ist mein persönlicher Beschützer und hat schon einiges Unheil vor mir bewahrt. Mein Onkel ist sehr fürsorglich. Er würde mich nie alleine auf eine solche Reise schicken. Deshalb ist Krixos hier. Bitte lass ihn nicht über Bord werfen !


    Mir wurde heiß und ich schwitzte, war es wegen der Tatsache, daß hier unter Deck, trotz der abendlichen Stunde, eine beinahe unerträgliche Hitze war, oder weil log, wie ich noch nie gelogen hatte.
    Ich blickte den Aegypter bittend mit großen Augen an und auch Krixos erwartete die Reaktion des Seemanns.

  • Als Servilia nach mir rief, ließ ich das Stück Holz wieder los und kam hinter den Wasserfässern, wo ich mich versteckt gehalten hatte, hervor. Meine Vermutung war richtig gewesen. Der Kapitän hatte Servilia allein in die Vorratskammer begleitet. Sonst niemand. Ich wertete das als gutes Zeichen.


    Zu Glück kam mir Servilia bei der Beantwortung der Frage des Kapitäns zuvor. Aufmerksam hörte ich auf ihre Worte, damit wir uns später nicht in Widersprüche verwickeln würden. Als Servilia sagte, das ich sie im Auftrage meines Herren begleiten würde, verzog ich keine Miene.


    Da der Kapitän ja mich angesprochen hatte, fügte ich selbst noch einige Worte hinzu.


    "Ja, so ist es. Mein Herr, der Senator Marcus Didius Falco, sorgt sich sehr um seine Familienangehörigen und wollte seine Nichte diese lange Reise nicht allein antreten lassen. So beauftragte er mich, sie zu begleiten. Da ich aber erst kurz vor der Abreise in Ostia eintraf und nicht wußte, ob Servilia schon mit euch über mich reden konnte, schlich ich mich an Bord und verbarg mich zunächst hier."


    Gespannt wartete ich auf die Antwort des Kapitäns. Würde er unseren Worten Glauben schenken?

  • Der Kapitän biß die Lippen zusammen, als er von dem Senator hörte und nach einem kurzen Zögern sagte er schließlich:


    Gut. Du bleibst an Bord. Ich erwarte aber, das du während der Überfahrt auf dem Schiff arbeitest. Im Lagerraum unter uns ist die Fracht durcheinander gekommen. Das muss beseitigt werden. Ein Matrose wird dich morgen anweisen. Und du schläfst in den Mannschaftsunterkünften. Rede nicht so viel mit den Männern. Sie sind sehr mißtrauisch und fremden gegenüber extrem argwöhnsich. Wenn du sie in Ruhe lässt, lassen sie dich auch in Frieden.
    Morgen früh erreichen wir Syracus. Dort werden wir anlegen, noch Waren aufnehmen. Bleib auf dem Schiff, hörst du, geh nicht an Land. Gut, das wars ! Ich wünsche eine geruhsame Nacht ;).


    Dann drehte sich der Kapitän um und stieg die Stiege hinauf und verließ den Vorratsraum.


    Meto ! Wir haben einen neuen Passagier. Er ist im Vorratsraum. Zeig ihm sein Quartier.


    Ich dreht mich zu Krixos, als der Kapitän uns verlassen hatte und guckte ihn erleichtert an. Mir war ein Stein vom Herzen gefallen.

  • Der Schiffsverkehr steigerte sich. Viele verschiedene Schiffen aller Größen und Typen segelten mit uns. Manchmal so nah, das man die Hand ausstrecken und winken konnte. Wir erreichten Syracusae, die Hauptstadt Sicilias. Es war mitnichten ein so großer Hafen, wie Ostia. Aber wie in Ostia, traf man auch hier Menschen aus allen, verschiedenen Kulturen. Als Hafenstadt direkt am offenen Meer war Syracusae ein Knotenpunkt des Mittelmeers. Außerdem überwachte es die Meerenge von Messana, die Sicilia von dem Festland trennt. So hielt fast jedes Schiff, das aus dem östlichen und südlichen Raum kam und nach Rom wollte, in Syracusae. Für die Stadt und den Hafenmeister ein florierendes Geschäft. Syracusae war eine reiche Stadt. Das konnte man während der Hafeneinfahrt bestaunen.


    Ich stand an Deck. Es war ein schöner Tag, vielleicht der schönste auf der bisherigen Reise. Aber vielleicht war ich auch nur erleichtert, daß der Kapitän Krixos auf dem Schiff verweilen ließ.
    Die Sonne schien. Ein angenehmer Wind wehte und durchfuhr meine Stola. Die Besatzung hing in den Segeln und machte einen faulen Lenz. Auch sie genossen die angenehmen Temperaturen.
    Krixos war unter Deck. Der Kapitän hatte ihn zum reinigen der Kajüten eingeteilt. Schade, das er das nicht sehen konnte. Vor uns segelten lauter kleine Boote, Fischer, die an den Küsten der Insel unterwegs waren und jetzt zur Mittagsstunde zurück segelten. Möwen begleiteten sie und versuchten ihren Fang zu stehlen.
    Die Geschäftigkeit an den Piers und Docks war kaum zu überbieten. Wir fuhren in den Hafen ein und die Größe und Pracht des Hafens schlug uns entgegen. Die Segel wurden gerefft und der Steuermann lenkte das Schiff sicher seinem Bestimmungsort entgegen.

  • Servilia hatte Recht daran getan, den Kapitän über meinen Aufenthalt an Bord zu informieren, dachte ich erleichtert. So brauchte ich jetzt keine Angst mehr vor einer Entdeckung zu haben, denn früher oder später wäre es zweifellos dazu gekommen. Meine Entdeckung hätte sicher auch für Servilia negative Konsequenzen zur Folge gehabt und ich war auch deshalb sehr froh über diese Wendung der Geschehnisse zum Guten.


    So ließ ich mir, wie vom Kapitän befohlen, von dem Manne Meto mein Quartier zeigen und am nächsten Morgen in meine Aufgaben einweisen.


    Es war harte Arbeit, die ich zu verrichten hatte, aber allemal besser als sich weiter heimlich verbergen zu müssen.



    Von Servilia wußte ich, das wir bald in einen Hafen einlaufen würden, Syracusae auf der Insel Sicilia. Bei meiner Arbeit unter Deck konnte ich zwar nichts von der Einfahrt in den Hafen sehen, aber die Geräusche und die Rufe der Schiffsbesatzung, welche bis zu mir herunter drangen, machten mir deutlich das die Anlandung unseres Schiffes unmittelbar bevorstehen mußte...

  • Wir steuerten auf einen Pier zu. Die Segel waren eingeholt und langsam trieben wir an die Kaimauer. Die Matrosen sprangen über Bord an Land, wickelten die riesigen Taue um die großen Poller und zogen sie mit enormer Kraftanstrengung fest an. Dann wurde eine Planke ausgefahren mit einem Geländer, über das man das Schiff betreten und verlassen konnte. Ein etwas dickerer, kahlköpfiger Mann in einer weiten Toga, in der Hand eine Schreibtafel und einen Griffel, kam an Bord. Der Syrier kam auf ihn zu und übergab ihn einen kleinen Lederbeutel mit Münzen, während der Fremde dies in seine Schreibtafel eintrug. 'Wahrscheinlich der Hafenmeister', dachte ich und sofort waren jede Menge Arbeiter am Pier und luden Waren auf das Schiff, die aus den Docks hergebracht wurden. Der Kapitän trat heraus aus seiner Kajüte, diesesmal ohne Umhang. Er trug nur eine einfache Tunika. Er beorderte zwei Mann zu sich, die ihn begleiteten als er das Schiff verließ.
    Auch ich beschloß, das Schiff zu verlassen und mich im Hafen ein wenig umzusehen. Ich ging auf der wackeligen Holzplanke und hielt mich an dem dünnen Geländer fest. Tief unter mir war das dunkle Meerwasser zwischen der Kaimauer und der Seitenwand des Schiffes. Das Schiff schaukelte und die Planke wankte. Ich blieb kurz stehen und klammerte mich an das Geländer. Dann machte ich ein paar Schritte und war auf der anderen Seite, den festen Steinboden der Hafenanlage unter meinen Füßen. Die Hafenarbeiter waren immernoch damit beschäftigt, das Schiff zu beladen. Fässer rollten über den harten Steinbelag, Säcke wurden getragen und Kisten verstaut. Ich stand inmitten der Masse und hatte Mühe darüber zu ragen.
    Ich sah die hohen Häuserfassaden der Hafenverwaltung und Lagerräume. Ich erblickte die Mastspitzen anderer Schiffe. Ich schob mich durch die Menge der Menschen in richtung der Hafengebäude. Nicht wenige Aegypter sah ich in der Menge und im Gewirr der Sprachen vernahm ich mir wohlbekannte Leute. Es war eine große Aufregung. Viele Leute schnatterten unaufhörlich, diskutierten und gestikulierten wild mit ihrem Armen. Es mußte etwas passiert sein, daß die Leute hier sehr aufregte. Ich kam zu den Lagergebäuden und stand vor einer Taverne. Ich blickte mich um. Ich entdeckte viele bewaffnete Legionäre. In einer Amtsstube konnte ich von draußen erkennen wie sich aufgebrachte Seefahrer echauffierten. Die armen Schreiber hinter den Tischen waren hoffnungslos überfordert. Sie konnten diesen aufgebrachten Händlern und Schiffern auch nicht helfen. Neugierig und gespannt ließ ich meinen Blick weiterschweifen, da fiel mir ein Anschlag ins Auge, den Hafenangestellte dort offenbar angebracht hatten. Viele Leute standen darum und schimpften. Ich drängelte mich durch die anstehenden Leute dorthin, um zu lesen, was dort geschrieben stand.


    WARNUNG
    AN ALLE HÄNDLER UND SEEFAHRER !!!



    Auf Anordnung der Regionalverwaltung
    wird für sämtlichen Seewege mit Fernziel Aegyptus
    die Gefahrenstufe VI
    ausgegeben.
    Sämtliche Reisen nach Aegyptus sind abzubrechen
    oder auf dem Landweg fortzuführen.
    Für die Sicherheit auf diesen Reisen wird nicht garantiert.




    Die Regionalverwaltung
    Der Comes der Regio Sicilia


    Als ich die Nachricht gelesen hatte, durchfuhr mich ein Schock. Was hatte das zu bedeuten ? Würde unsere Reise so abrupt enden ? Ich konnte es nicht fassen. Wie angewurzelt stand ich da und starrte auf den Aushang. Um mir herum fluchten einige und erhoben ihre Fäuste. Zum Glück stand ein paar Meter weiter ein Wachtrupp der Hafenkommandantur. Sonst wäre die Situation womöglich eskaliert.
    Geknickt und mit gesenkten Kopf schlurfte ich zu unserem Schiff. Wie würde Krixos reagieren ? Aber vorallem, was würde der Kapitän machen ? Würde er der Anordnung folgen und warten oder würde er das Abenteuer wagen ? Ich gelangte zum Schiff. Die Beladungsarbeiten waren größtenteils erfüllt, der Pier an unserem Schiff hatte sich geleert. An Bord begannen die Säuberungsarbeiten. Ich ging über die Planke und entdeckte Krixos an der gegenüberliegenden Backbordseite am hinteren Ende des Schiffes, wie er mit einem Lappen das Deck von Algen und anderem Unrat entfernte. Ich trat an ihn heran. Mein Gesichtsausdruck verriet, daß ich keine guten Nachrichten hatte.

  • Als Servilia näher kam unterbrach ich meine Arbeit und erhob mich. Ihr Gesichtsausdruck verriet Besorgnis.


    "Herrin, du möchtest mit mir sprechen?" fragte ich sie. Ich wußte, das sie das Schiff für einige Zeit verlassen hatte, um sich im Hafen etwas unzusehen. "Hast du an Land Neuigkeiten erfahren?"

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