• Maximian war wie er sich vorgenommen hatte, nachdem er Tarraco erkundet hatte, in den Garten der Casa gelaufen. Auch hier hielt sich eine dünne Schneeschicht - auf den Straßen waren die Flocken schnell wieder verschwunden.
    Nachdem er einen kurzen Rundgang gemacht hatte und inzwischen so sehr frohr, dass er sich wünschte nur noch ins Warme zu kommen, suchte er noch flugs die Ställe auf, wo er sein Pferd vermutete. Tatsächlich wurde er auch zu seinem Wallach geleitet. Nigidius, so hieß der inzwischen leicht gealterte, pechschwarze Wallach, stand in einer mit Heu aufgefüllten einfachen Box und fraß begierig. Als er seinen Besitzer erkannte, hob er den Kopf und schnaubte erfreut.


    "Wie ich sehe, ergeht es dir hier bestens, mein Guter."


    Das Pferd ließ sich den Hals abklopfen und widmete sich schließlich wieder einer der Hauptbeschäftigungen eines Pferdes. Maximian gönnte es ihm, schließlich hatte er ihn den Weg hierher auf seinem Rücken getragen.
    Dieses Pferd und den jungen Mann verband eine alte Geschichte. Nigidius galt einmal als unzähmbar und sollte geschlachtet werden, nachdem er einige Besitzer verletzt oder gar mit einem kräftigen Hufschlag getötet hatte. Maximian, gerade 9 Jahre damals, hatte in seiner freien Zeit oft die Gelegenheit gehabt, das Tier zu pflegen und nie hatte er ihm irgendeine Bosheit gegenüber gezeigt. Das und der innige Wunsch nach einem eigenen Pferd hatte ausgereicht, seinen Ziehvater zu überreden, dass er Nigidius kaufte - da er eh geschlachtet werden sollte, bekam er ihn sogar recht günstig und hatte deshalb kaum Widerworte.
    Seit diesem Tag an war Maximian täglich auf dem Rücken des Wallachs ein paar Stunden durch die Natur geritten, so waren sie im Laufe der Zeit ein eingespieltes Team geworden. Und immernoch war er etwas ganz besonderes, denn auch heute noch ließ er keinen anderen als Maximian aufsitzen. Jeder, der es versucht hatte, musste schnell aufgeben, um am Ende nicht das Leben auszuhauchen oder als Krüppel davonzukommen.


    Noch ein paar Minuten lang hielt Maximian sich bei seinem treuen Ross auf, klopfte und tätschelte es, bis er die Kälte schließlich nicht mehr aushielt und sich schleunigst daran machte, ins warme Haus zu kommen.

  • Am nächsten Morgen nach dem Frühstück, das sie allein und in ihrem Zimmer eingenommen hatte, begab sich Valeria voller Vorfreude zu den Stallungen. Warme Sonnenstrahlen schienen ihr auf den Rücken, während sie vor dem Gebäude auf Maximian wartete, der ihr eine Führung versprochen hatte.
    Bei dem Gedanken an den jungen Decima hellten sich Valerias Gedanken auf. Sie wusste nicht was es war, doch irgendetwas hatte der junge Mann an sich, dass Valerias Herz schneller schlagen ließ und ihr ein Lächeln auf die zarten Lippen zauberte. Sie seufzte und betrachtete nachdenklich einen Stein, der auf dem Boden lag.
    Nun denn, wenigstens würde sie diesmal niemand stören, wenn sie sich unterhielten. Am gestrigen Tage waren sie zweimal in ihrem Gespräch unterbrochen wurden. Valeria fand es nicht schlimm, allenfalls bedauerlich. Sie hoffte, dass sie das Gespräch würden fortführen können, vielleicht sogar vertiefen konnten.
    Valeria seufzte und zog das dunkelblaue Dreickestuch, das sie um ihre Schultern gelegt hatte, enger um sich zusammen.
    Wann Maximian wohl kam?

  • Er war von den Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne geweckt worden und hatte sich, wie in alter Manier, sofort gewaschen, angezogen und einen Abstecher in die Küche gemacht. Maximian frühstückte morgens nie so richtig, sondern nutzte die Gelegenheit, um den Sklaven einen guten Morgen zu wünschen und sie ein wenig zu ärgern. Die Küchensklavin hatte Humor an den Tag gelegt, als er das erste Mal etwas von ihren frischgebackenen Waren stiebitzte, nun tat er es jeden Morgen. Und da das der Morgen nach seiner Anreise war, musste er freilich ebenfalls in der Küche vorbeigehen. Dort hatte er einen Brocken noch warmen Brotes geklaut und ein Glas ebenfalls noch warmer Stutenmilch getrunken. Und so, immer noch am Brot kauend, kam der junge Mann nun in Reiterkleidung gehüllt, aus der Casa und schlug die Richtung der Stallungen ein.


    Es war ein wunderschöner Tag, der Maximians Augen funkeln ließ. Die Sonne stand noch tief, die Luft war noch angenehm kühl und die Vögel zwitscherten der Welt ihren Morgengruß zu.


    Von weitem schon erkannte Maximian Valeria. Mit einem Lächeln und einer vom Brot dicken Wange trat er zu ihr.


    "Guten Morgen! Gut genächtigt?"


    Er biss noch einmal vom warmen Brot ab, womit es gänzlich verschwunden war, und kaute mit geschlossenem Mund grinsend runter.

  • "Guten Morgen, Maximian. Danke, ja, auch wenn ich mir wünschte, der heutige Tag möge schnell anbrechen", gab Valeria galant zurück.
    "Und du? Hast du deine Mutter angetroffen gestern Abend?"


    Maximian stand in Reitkleidung vor ihr und sah umwerfend aus. Sie selbst besaß keine Reitkleidung, hatte sich jedoch in etwas gehüllt, das ebenso zum Reiten diente wie eine solche. Ein dunkelblaues Dreieckstuch lag auf ihren Schultern und bildete einen hübschen Kontrast zu ihren goldblonden Haaren.


    "Na, mal schauen ob ich es noch kann", schmunzelte sie, während sie darauf wartete, dass Maximian die Stallungen öffnete und ihr alles zeigte. Welches Pferd sie wohl reiten durfte?

  • Maximian schmunzelte Valeria an. Dass ihre Antwort vielleicht auf ihn bezogen sein könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn. So schritt er nur zum Gebäude, in dem die Pferde der Gens untergebracht waren und machte sich daran, eine schwere Holztür aufzuschieben.


    "Du scheinst in den letzten Tagen nicht so viel zu tun gehabt zu haben?"


    Er hatte sie gerade ein paar Centimeter breit aufgedrückt, als er sich zu Valeria herumdrehte und den Kopf schaukelte. Er hatte beinahe die ganze Nacht lang wachgelegen. Seine Gedanken ware immerzu in Rom gewesen. Bei Julia. Was sie wohl gerade machte? Schlief sie noch oder war sie bereits erwacht? Sah sie vielleicht gerade in den Himmel und fragte sich, woran er gerade dachte?
    Erst gegen Morgen war er kurz eingeschlafen. So hatte er vielleicht eine oder zwei Stunden Schlaf bekommen, doch das sah man ihm kaum an. Dennoch setzte er zu einer nicht ganz wahren Antwort an.


    "Die erste Nacht nach einer Reise schlafe ich nie sehr gut. Aber ja, ich bin ihr begegnet. Wir haben uns noch lange unterhalten."


    Mit einer unbestimmbaren Miene wandte Maximian sich wieder der Tür zu und schob diese nun gänzlich auf. Sichtbar wurden einige nur durch Holzbretter abgetrennte Stehplätze, die alle mit Pferden aufgefüllt waren, die wiederum mit aufgestellten Ohren neugierig zu Maximian und Valeria aufsahen.
    Eins der Tiere schnaubte und scharrte als Maximian Valeria eine Hand anbot, um sie in den Stall zu führen, wo das Licht gedämpft war. Maximians Kopf fuhr in die Richtung, aus der das Schnauben erklang. Der Ausdruck auf seinem Gesicht nahm schlagartig wieder Freude an.
    Er lief auf das schwarze Ungetüm zu, dass ihm den Kopf entgegenreckte und leise, ja beinahe zärtlich, wieherte. Bei ihm angekommen fuhr Maximian dem Tier über den Kopf, während es seine Hand zu verschlingen schien. Er klopfte den Hals und wandte sich freudestrahlend wieder Valeria zu.


    "Das ist Nigidius. Ist er nicht ein wahrer Prachtkerl?!"


    Maximian kicherte vergnügt und erfreut, sah er sein Pferd doch das erste Mal seit vielen Wochen, und hielt ihm eine volle Hand Hafer hin.


    Dann ging Maximian einen Stall weiter, in dem ein etwas kleineres, ruhigeres und vor allem braunes Pferd mit Blässe stand. Er klopfte dem Tier auf den Hals und zeigte Valeria, wie gutmütig es doch war.


    "Und diese heißt Alfidia. Gefällt sie dir?"

  • "Um ehrlich zu sein: nein. Ich habe meiner Mutter einen langen Brief geschrieben und sonst eigentlich nichts gemacht, außer in der Casa gesessen und einige nette Gespräche geführt. Und seit unserem gemeinsamen Mahl gestern freue ich mich auf den heutigen Tag", strahlte sie ihn an.


    Valeria lächelte Maximian an, als dieser über seine Müdigkeit redete. Er wirkte irgendwie...nachdenklich und bedrückt, ohne dass Valeria in seinem Gesicht einen genauen Hinweis darauf finden konnte. Seine Ausstrahlung hatte einfach etwas in dieser Art an sich. Doch ehe sie fragen konnte, zog Maximian die Stalltür komplett auf und trat hinein, nicht ehe Valeria einen Arm anzubieten, den diese freudig annahm. Drinnen angekommen, schritt ihr Begleiter sogleich auf einen prachtvollen, schwarzen Hengst zu. Die beiden schien eine innige Freundschaft zu verbinden, was sie von Maximians Gesicht und dem Verhalten des Tieres ablesen konnte.


    "Ja, er ist wunderbar", sagte sie beeindruckt, denn das war sie wirklich, wenn auch nicht nur von dem großen Pferd, das hinter Maximian in seinem Verschlag stand. Sie musste leicht schmunzeln, als er sein Pferd fütterte und ihr dann eine haselnussbraune Stute eine Box weiter zeigte. Alfidia....ein schöner Name und genau passend für dieses Tier, das etwas kleiner war als Nigidius, fand Valeria. Sie trat neben Maximian und fuhr der Stute sachte über die weiße Blässe, die ihre Strin zierte.


    "Sie ist wundervoll. Wem gehört sie?" fragte sie sanft, während ihre Hand wieder und wieder den Kopf der Stute liebkoste. Sie drehte den Kopf und sah zu Maximian hinauf, der einen Kopf größer war als sie. Valeria lächelte glücklich.

  • Maximian beobachtete lächelnd Valeria und Alfidia, die sich auf Anhieb gut zu verstehen schienen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen eins der Bretter des Verschlags und tätschelte den Hals der Stute, der von nahezu flaumigen Fell bewachsen war. Er selber war sie ein paar Mal geritten, als er nach Tarraco gekommen war. In den ersten Tagen konnte er nicht immerzu in der Stadt bleiben, die ihm die Luft zum Atmen nahm. So häufig es ging hatte er sich eins der Pferde geschnappt, meistens natürlich Nigidius, häufig aber auch eins der anderen, und war ausgeritten. Alfidia hatte sich als absolut gutmütiges Pferd bewiesen, das schnell im Galopp und in jeder Gangart elegant war. Und sie hatte eine Schwäche für Nigidius.


    "Gewiss gehört sie meinem Vater. Doch der hat nicht genug Zeit, um sie ausreichend zu bewegen und deshalb wird Alfidia dir dankbar sein, wenn du sie aus ihrer Box befreist."


    Mit einem abschließenden Grinsen hatte Max sich vom Verschlag abgeschubst. Da kam auch schon ein Stallknecht herbeigeeilt, sah einen seiner Herren und eine Frau bei den Pferden und bot sogleich seinen Dienst an. Maximian nickte.


    "Mach uns die beiden Pferde bereit, wir wollen ausreiten. Die Stute für die Dame und den Hengst für mich."


    Der Knecht nickte und ging in Nigidius Verschlag, um ihn dort zu satteln. Geputzt waren die Pferde wie immer schon am Morgen, sodass es jetzt nicht allzu lange dauern würde.


    Maximian hatte Valeria aus dem Stall geführt, damit keiner von beiden im Weg stand, wenn der Knecht die Tiere herausführte. Und es dauerte nicht lange, da erschienen Nigidius und Alfidia je von einem Knecht geführt vor dem Stall.
    Maximian nahm Nigidius und wartete, bis Valeria das mit Alfidia tat, dann spazierte er langsam los.

  • Valeria war Maximian gefolgt und hatte ihn verstohlen von der Seite gemustert. Wie die Sonnenstrahlen auf sein Haar fielen und es zum Leuchten brachten! Auch auf ihr Haar schien die Sonne hinab und ließ es zu flüssigem Gold werden, dass ihr Gesicht und die Schulten umfloss. Sie hatte sich am Morgen lang überlegt, ob sie die Haare mit einem Tuch zusammenbinden sollte, hatte sich jedoch letztendlich dagegen entschieden.


    Nun, da Maximian fragte, ob es losgehen konnte, nickte Valeria und trat zu der Stute. Sie stieg jedoch nicht gleich auf, sondern klopfte dem Pferd zuerst den Hals. Seine Ohren spielten und Alfidia schien gespannt zu sein. Scheinbar wollte sie endlich los.
    Valeria nahm Alfidia an den Zügeln und schritt neben Maximian und seinem Hengst einher. Sie nahm sich ein Herz und entschloss sich, ihren Begleiter nach seiner Betrübsamkeit zu fragen.


    "Du siehst aus, als bedrücke dich etwas, Maximian. Wenn du darüber reden möchtest, so höre ich dir gern zu", sagte sie leise und freundlich. Dann warf sie ihm einen kurzen Seitenblick zu und lächelte.

  • Valerias Blicke waren ihm entgangen. An Nigidius gelehnt, der hin und wieder unruhig tänzelte und das Anlehnen so ziemlich ungemütlich machte, hatte er gewartet, dass sie mit zu ihm aufgeschlossen hatte und lächelte sie dann, als sie auf seine Höhe kam, kurz an. Nur kurz, denn dann fiel der Blick wieder nach vorn. Sie verließen das Anwesen des Gens Decima und bogen auf die Straße ein, auf der schon reger Betrieb war.


    Sie fragte ihn, ob er ein offenes Ohr brauchte. Brauchte er das?
    Er hatte gestern erfahren, dass seine Mutter entehrt und mittellos dastand. Sie hoffte auf Meridius Güte, hatte sonst kaum eine Chance. Eine Frau, die als Betrügerin aufflog, stand eben ohne Ehre und ohne Geld da.
    Die Frage, ob es nun seine Schuld gewesen war oder nicht, hatte Maximian verdrängt. Aber sie rumorte weiterhin in ihm und grub immer tiefere Schuldgefühle aus.
    Und, was wesentlich schöner war, war, dass er sich verliebt hatte. In eine wunderhübsche, junge Frau, die das Geliebtwerden verdient hatte und imstande war im Gegenzug dafür mehr Liebe zu geben, als Maximian es je zuvor erfahren hatte. Eine Germanin. In diesem Augenblick wahrscheinlich auch weiter entfernt, als Maximian je zu einem geliebten Menschen gewesen war.


    Er war sich nicht sicher, ob er irgendetwas davon über die Lippen bringen würde. Prüfend warf er einen Blick auf Valeria, dann entschied er, dass er nicht die Stimmung verderben wollte. Er zwang sich zu einem Lächeln.


    "Du hast Recht, mich bedrücken gleich mehrere Dinge. Und indem ich ausreite, versuche ich einen klaren Kopf zu bekommen. Also..."


    Valeria weiterhin ansehend, machte Max kurz eine Pause und fuhr dann fort.


    "Lass uns erst einmal eine oder zwei Stunden reiten. Vielleicht fällt mir das Reden dann leichter."


    Er grinste einseitig, dann richtete er den Blick wieder nach vorn. Sie waren um einige Ecken gebogen und kamen irgendwann bei der Stadtmauer an. Seite an Seite passierten sie sie, dann schwang Maximian sich gekonnt auf den Rücken seines Hengstes, drehte eine Pirouette, weil das Tier am liebsten sofort losgeschossen wäre, und als diese vollzogen und Nigidius gebändigt und ein paar Schritte auf Alfidia zugetänzelt war, beugte Maximian sich zum Halfter der braunen Stute und hielt sie daran fest, während er Valeria aufmunternd zulächelte.


    "Schaffst du es allein?"

  • Valeria wollte nicht weiter in Maximian dringen. Wenn er reden wollte, so würde sie ihm zuhören und versuchen zu helfen. Er würde von selbst anfangen zu reden, wenn er es wollte. Sie konnte ihm seine Zurückhaltung in dieser Hinsicht nich verübeln. Schließlich kannten sie sich erst seit weniger als vierundzwanzig Stunden. Sie hätte sich ihm wohlmöglich auch noch nicht anvertraut. So sagte sie nichts weiter dazu. Angeboten hatte sie es ihm und dieses Angebot war von Bestand, auch wenn er mitten in der Nacht an ihre Tür klopfen würde und reden wollte.


    Valeria lächelte bei seinen Worten von Nigidius' Rücken herunter leicht in sich hinein und trat dann neben ihr eigenes Pferd, um aufzusteigen. Sie legte die Hände auf Sattel und Knauf, stellte einen Fuß in den Steigbügel und zog sich leicht und amutig wie eine Feder hinauf. Als sie im Sattel saß, schmunzelte sie und blickte zu Maximian hinüber.


    "Das ging besser als ich dachte. Scheinbar bin ich doch noch nicht so eingerostet", witzelte sie und grinste ihn fröhlich an. Sie stellte auch den anderen Fuß in den Steigbügel, nahm die Zügel auf und klopfte abermals Alfidias Hals.


    "Wohin reiten wir?" fragte sie, während Maximian sie Alfidia neben Nigidius lenkte und Maximian förmlich vom Rücken des Tieres her anstrahlte. Es tat so gut, endlich wieder einmal zu reiten!

  • Ich versorgte die Pferde, als die junge Dame hinzugetreten war und eine Weile wartete. Ich ließ mich davon nicht stören und mistete weitherhin die Boxen aus. Wenig später kam der junge Herr hinzu. Die beiden nahmen sich je ein Pferd und ritten aus. Ich zuckte mit der Schulter. Es galt die Pferde noch zu tränken und zu füttern. Und Caligula sollte noch ausgeritten werden. Nach dem Legaten war ich der einzige, der dieses Pferd reiten durfte...

  • Aufgeregt war Valeria schon bald nach der Ankunft zum Stall gelaufen. Sie wollte Alfidia und Nigidius besuchen. Vor dem Stall blieb sie stehen und kam erst einmal zu Atem. Dann zog sie langsam die zugegebenermaßen recht schwere Tür auf und trat durch den schmalen Spalt in den Stall. Sofort umgab sie der Geruch nach Heu und Pferd, zusammen mit raschelnden Lauten und wenig Licht. Valeria schloss die Augen und sog die Luft in ihre Lungen, bis sie beinahe bersten wollten. Dann öffnete sie ihre Augen wieder und atmete langsam aus. Gemäßigten Schrittes ging sie hinüber zum Stall, in dem Alfidia noch vor wenigen Monaten eingestanden war, doch er war leer. Enttäuscht sah Valeria in den leeren Stall hinein. Hoffentlich gab es eine einfache Erklärung für das Verschwinden der Braunen mit der Blesse, dachte sie. Nur zu gut konnte sie sich daran erinnern, wie ihr die Stute damals durchgegangen war und Maximian sie hatte retten wollen. Liebevoll lächelte Valeria in den Stall hinein, der im übrigen nicht beschmutzt, sondern vollkommen sauber war und absolut unbenutzt wirkte. Die junge Decima schluckte und wandte sich um. Lieber wollte sie nicht daran denken, was das vielleicht bedeutete.


    Stattdessen wandte sie sich um und trat zu dem großen, dunklen Hengst heran, der sie aus sanften Augen über die niedrige Tüer hinweg betrachtete. Wenigstens Nigidius war noch hier, dachte sie. Valeria hob die Hand und fuhr dem Pferd über die Sitrn.


    "Na mein Guter, wo hast du denn meine Kleine gelassen, hm?" murmelte sie. Der Hengst schnaubte und senkte den Kopf, damit er Valerias Streicheleinheiten besser genießen konnte. Diese lächelte und fuhr damit fort, den großen Schwarzen zu streicheln und sanft mit ihm zu reden.

  • Mit zwei Äpfeln bewaffnet kam Maximian einige Zeit später ebenfalls den Weg zu den Stallungen gelaufen. Er war offensichtlich fröhlich und warf einen der Äpfel hoch in die Luft, während er genüsslich in den anderen hineinbiss. Es stieg ihm der Geruch von frischem Stroh in die Nase, weshalb er einen großen Sprung tat und somit in den Stall eintauchte.
    Das Licht war gedrosselt, doch er erkannte gleich den großen Kopf seines Wallachs, der von einer Person, die ihm den Rücken zukehrte, gestreichelt wurde. Während Nigidius leise wieherte, ging Maximian näher und lächelte Valeria an, ehe er seinem Pferd über den Kopf strich und ihm den Hals klopfte. Der Apfel fand wie von allein seinen Weg zwischen die großen Zähne des Pferdes.
    Dann sah er wieder zu Valeria, während Nigidius seinen Kopf in Maximians Bauch drückte und sich so schubberte, was den jungen Mann dazu veranlasste, sich mit aller Macht dem entgegen zu stemmen.
    "Ich bin mir nicht sicher, ob ich überrascht sein soll, dass ich hier ausgerechnet auf DICH treffe", sagte er und lächelte verliebt.

  • Valeria hatte nicht den Kopf gewandt, als jemand eintrat. Sie war sich fast sicher, dass es Maximian war. Und ihr Verdacht bestätigte sich, als er neben sie trat und sein Pferd begrüßte. Valeria machte ihm Platz und ging hinüber zu Alfidias leerem Stall, in den sie traurig hineinsah. Bei Maximians Frage drehte sie sich herum und lächelte leicht.


    "Möchtest du denn überrascht sein? Ich bin es. Ich frage mich: Wo ist Alfidia?" sagte Valeria leise und sah Maximian fragend an. Sie konnte sich nich vorstellen, dass die Stute verstorben war. Nicht in der kurzen Zeit, die sie in Rom gewesen war. Valeria seufzte und sah wieder in den leeren Stall.

  • Maximian schmunzelte und wurde mit einem kraftvollen Stubser seines Pferdes beinahe umgekippt.
    "Ich bin überrascht, auch wenn es mich eigentlich nicht überrascht, dass uns unsere Wege hierher führten", brabbelte Maximian und gab Nigidius auch noch den zweiten, angebissenen Apfel. Dann sah er sich um und sah nirgends die kleine haselnussbraune Stute, die so gutmütig war und immer zu kurz gekommen war.
    "Ich weiß es nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie noch da war, als ich das letzte mal im Stall war", grübelte er, konnte sich aber in etwa vorstellen, was in Valerias Kopf gerade durchgehen könnte.
    "Das sie einen neuen Besitzer gefunden hat, bezweifel ich aber. Auf ihr hat Romanus zuerst gelernt und außerdem war sie immer recht pflegeleicht. Von ihr ging nie eine Gefahr aus."
    Er schmunzelte, schüttelte dann jedoch schon leicht grinsend den Kopf.
    "Solange sie nichts erschreckte, meine ich."

  • Von Gallus geschickt, ersteinmal verirrt und von jemandem, der gerade auch draußen war, wieder auf den Weg geschickt, kam Hraban schließlich bei den Stallungen der Casa Decima an. Gleich auf den ersten Blick erkannte er, dass hier viele Pferde stehen konnten. Viele Pferde, um die er sich würde kümmern müssen.


    Hraban trat näher und erkannte die junge Valeria und den jungen Maximian, mit denen er auch gemeinsam schon auf dem Schiff gereist war. Er nickte ihnen mit kurzen Blicken zu und suchte sich soetwas wie einen Verschlag, in dem das Werkzeug und das alles aufbewahrt wurden.

  • Valeria allerdings war nicht nach lachen zumute. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass die brave, kleine Stute auf einmal nicht mehr da war. Leicht fuhren ihre Finger über das rauhe Holz des Stalles, ihre Gedanken weit entfernt, an einem Tag, an dem alles drunter und drüber gegangen war. Ein Mundwinkel Valerias zog sich leicht nach oben, was ihrem Gesicht einen komischen, halb lächelnden, halb traurigen Ausdruck verlieh.


    "Ich verdanke ihr viel. Ich verdanke ihr dich", sagte sie für ihre Art viel zu melancholisch. Maximians letzte Worte hörte (oder überhörte?) sie einfach, sondern lehnte sich nur seufzend ans Holz des Stalles. Hraban kam herein und nickte ihnen zu; Valeria nickte zurück. Nirgends waren sie allein. Sie konnte nicht einfach zu Maximian hinüber gehen und sich gedankenverloren an ihn schmiegen, nein. Und warum? Weil jeden Augenblick wieder jemand hereinkommen könnte, der sie dabei 'erwischen' konnte; der sehen konnte, dass Cousin und Cousine mehr als ebendies für einander waren.


    Valeria schnaubte frustriert und verschränkte die Arme vor der Brust, über der die Tunika mit der dünnen, goldenen Kordel zusammengehalten wurde.


    "Weißt du, was mit toten Pferden geschieht?" fragte sie matt. Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen. Aber wenn es so eine Art Friedhof gab, würde sie hingehen. Einfach, um Danke und Lebewohl zu sagen. Irgendwann, wenn sie reich war und ein paar Sesterzen zu viel hatte, dann würde sie sich ein eigenes Pferd kaufen. Vielleicht machte ihr Meridius ja ein Freundschaftsangebot, wenn sie eines vom Gestüt der Decima kaufte. :D

  • Maximian sah, dass Valeria scheinbar mit allem rechnete, sodass auf seinem Gesicht das Grinsen versiegte. Er stand dort ein paar Augenblicke und überlegte, wo die Stute denn abgeblieben sein könnte, denn sie war noch jung gewesen, als der neue Sklave Hraban die Stallungen betrat. Maximian nickte ihm auch zu und sah dann wieder zu Valeria, die Flache Hand vor die weichen Nüstern Nigidius' haltend.
    "Nein, das weiß ich nicht. Aber mach dir keine Sorgen, Alfidia ist ganz bestimmt nicht tot. Sie ist noch jung und ein äußerst gutmütiges Pferd, das noch viele Jahre lang zu gebrauchen ist. Gesund war sie auch, also gibt es wirklich keinen Anlass vom Schlimmsten auszugehen", sprach er ruhig und kam zu dem Entschluss, dass die Stute allerhöchstens verkauft worden war.
    Dann sah Maximian sich um und ging von Nigidius weg zu einem anderen Pferd, das ihm neugierig die Nase entgegenstreckte. Ganz offensichtlich fühlte er sich hier wohl.

  • Valeria verzog den Mund leicht. Zu diesem Schluss kam sie nun auch, schließlich besaßen die Decimas ein Gestüt. Trotzdem....


    "Warum wurde sie denn dann verkauft? Ich meine..."


    Dann fiel es ihr ein. Vielleicht gab man der armen Stute die Schuld an der verbotenen Liebe, die Maximian und sie verband? Valeria blinzelte und betrachtete gedankenverloren einen Strohhalm. Wenn das so war, dann konnten nur Meridius oder Livianus die kleine Stute verkauft haben. Im gleichen Moment fiel ihr auf, wie dumm doch diese Gedanken waren. Das stimmte natürlich nicht und Valeria suchte nur nach einer guten Ausrede für den Verbleib Alfidias. Sie seufzte und suchte nach weniger anklagenden Ausflüchten.


    "Sag mal...wenn eine Stute schwanger ist, lässt man sie dann bei den anderen Pferden oder bringt man sie wo anders hin?" fragte sie dann, von einem Geistesblitz getroffen.

  • Dass er diese Frage nicht beantworten konnte, stand auf sein Gesicht geschrieben. So ignorierte er sie. Er konnte nun auch wirklich nicht wissen, warum ein Pferd verkauft wurde oder nicht. Er ging einfach weiter, zu einem anderen Pferd und begrüßte auch das. Valerias zweite Frage vernahm er, wähend er diesem Pferd den Hals abklopfte und ihm durch die pechschwarze Mähne fuhr.
    "Trächtige Stuten? Die kommen die auf die Weide", sagte er, ohne sich Valeria zuzuwenden und scheinbar auch nicht ihrem Gedankengang folgend. "Sie sollen während der Tragezeit geschont werden und viel Fressen, damit die Stute und das Fohlen Kräfte sammeln können und beide gesund die Niederkunft überstehen. Hinterher bleiben sie dann noch einige Monate zusammen auf der Weide, bis das Kleine alt genug ist, um entweder verkauft oder an Sattel und Zaumzeug gewöhnt zu werden."
    Mit einigen kraftvollen Klopfern auf den Hals des Pferdes, bei dem er gerade stand, beendete er seine Ausführung und ging zurück zu Nigidius.
    "Warum willst du das wissen?", fragte er dann an Valeria gewandt und kletterte behände in den Stall seines Wallachs.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!