Die Bestattung der Julia Vesuvia Pulchra

  • Der Tag der Bestattung war gekommen.


    Tagelang erklangen bereits die Lieder der Klageweiber und das Flöten- und Saitenspiel durchdrang die Räume der Casa.
    Ein immergrüner Zweig an der Tür der Casa kündete den Vorbeigehenden von dem Todesfall. Fremde, Freunde und Verwandten kamen und nahmen Abschied von Julia. In endlosen Gesängen klagten die praeficae über den Tod der Vesuvierin und priesen sie in ebenso vielen Liedern.


    Am heutigen Abend nun wurde die Tote auf einer Bahre zur Begräbnisstätte gebracht. Sie hinterließ keinen Erben und so begab sich der Trauerzug im Dunkeln zu jener Stätte am Rande Roms. Vornweg die Leichenträger und diesen folgend die Freunde und Verwandten.

  • Der Leichenzug erreichte soeben die Stadtgrenze Roms und hielt an.


    Ich trat an die Bahre der Toten, umfing sie ein letztes Mal mit meinen Blicken und schnitt der Toten mit geübtem Griff einen Finger ab. Wie oft musste ich diese Handlung schon ausführen. Die Familie der Vesuvier hatte bereits viele Tote zu beklagen und ich nahm mir vor, noch sorgfältiger als bisher den Manen im Lararium zu opfern.


    Ich vergrub den Finger und bedeckte ihn mit Erde. Nun war der Ort der Verbrennung geheiligt und Julia wurde auf den Holzstoß gelegt. Die Kleider der Toten, sowie Perlen und Schmuck, dazu Speisen und duftende Essenzen warf ich mit Wehmut ebenfalls darauf. Im Anschluss daran öffnete ich Julia wieder die Augen.


    Ich blickte mich um und suchte meine wenigen Verwandten. Zumindest meine Schwester sollte hier sein, um den Holzstoß gemeinsam mit mir anzuzünden.

  • Stumm war ich dem Trauerzug gefolgt, tief ergriffen.


    Als es Zeit war den Holzstoß zu entzünden, stand ich daneben um Crispina durch meine Anwesenheit ein wenig Kraft und Trost zu schenken.

  • Ich war die ganze Zeit ein wenig abseits mit ihnen gegangen. Ich kannte Julia nicht, ich war zulange weg gewesen, doch mich berührte ihr Tod dennoch sehr. Hatte ich ihr doch beim sterben zugesehen. Hatte ich doch nichts dagegen tun können. Ich sah traurig auf meine Schwester, die ein paar Fuß vor mir lief. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Hätte ich einfach die Tür aufgerissen, so wie sie es getan hatte, dann hätte ich Iulia noch retten können.


    Da wurde die Sitte der Bestattung vollzogen, der Finger der Verstorbenen wurde abgeschnitten, und noch immer war ich äußerst traurig. Ich hatte Iulia doch gekannt, aber nur sehr flüchtig, hatte ich mich früher nie für sie interessiert, bevor ich weggezogen war. Und nun, da ich sie kennenlernen wollte, sah ich sie nur noch in ihrem Sterbemoment. Mein Blick senkte sich traurig auf den Boden. Nun war es zu spät, um sich zu entschuldigen. Meine Tat würde ungesühnt bleiben.


    Ich sah meine Schwester an. Meine geliebte Schwester, mit welcher ich ebenfalls sehr lange keinen Kontakt mehr hatte. Ob sie mir böse war? Nun, sie hatte damals einen Gemahl. Sie konnte es mir nicht verübeln, dass ich eifersüchtig war, war ich doch einige Jahre älter als sie und noch immer Jungfer. Und nun stand sie da und musste einem geliebten Menschen die letzte Ehre erweisen. Ich bekam Angst. Ich hatte schon einiges an Lebenserfahrung gesammelt, auch ich hatte anderen Leute schon bei Bestattungen beigestanden, als sie am Weinen war. Doch bei meiner eigenen Schwester war es ein Mädchen, dass ich nicht kannte.


    War ich gedanklich überhaupt rein genug? Ich sollte mich davonstehlen, sicherlich war ich nicht befugt, dies zu tun. Meiner Schwester zu helfen. Dazu war ich all die Zeit zu egoistisch gewesen. War ich egoistisch? Nein, ich sollte wirklich nicht weglaufen, diesen Gefallen sollte ich Crispina nun wirklich tun. Von nun an würde ich öfter an ihrer Seite stehen, wenn es ihr schlecht ging. Ich würde mein Gewissen nicht noch mehr belasten. Ich trat vor. Ich ging schweigend an die Seite meiner Schwester. In der rechten Hand eine Fackel, die linke Hand nach ihrer ausstreckend. Ich lächelte sie stumm und traurig an.

  • Caecilia kam und mir fiel die Sorge wie ein Stein vom Herzen. Befreit atmete ich auf, ergriff ihre Hand und wir schritten gemeinsam in Richtung Scheiterhaufen. Mit abgewendeten Gesichtern zündeten wir den Holzstoß an und begannen zu singen.


    Bis der letzte Funken verlöschen würde, so lange würden wir hier stehen und klagen.

  • Ich hielt mich im Hintergrund und sah zu, wie die Flammen die Geliebte meines Herrn verzehrten. Ich hatte sie selbst nicht gekannt, doch sie musste eine große Frau, eine leidenschaftliche Frau gewesen sein. Zumindestens stellte ich sie mir so vor. Wie unerklärlich doch das Schicksal war - Meridius hatte mich nach Rom geschickt um das Leben der einen Frau zu retten. Und nun stand ich hier und war Zeuge des Todes der anderen. Ich schüttelte den Kopf. Gab es so etwas wie Gerechtigkeit in dieser Welt? Und wo waren die Götter der Römer? Wo waren sie, wenn man sie wirklich brauchte?

  • Ich fühlte, was sie dachte.
    Ich fühlte, was sie fühlte.
    Und ich fühlte mich soi eng wie schon lange nicht mehr mit ihr verbunden.
    Sie fühlte, was ich dachte.
    Sie fühlte, was ich fühlte.
    Und so standen wir da. Schwester neben Schwester, Hand an Hand.
    Und es war ein schönes Gefühl, trotz der traurigen Momente.


    Crispina und ich sangen weich, trauernd und dies entsprach wahrlich unseren Gefühlen, wenngleich Crispina noch mehr Wahrheit in ihren Gesang brachte. Ich seufzte, sang aus voller Kehle.


    Bis der letzte Funken verlosch, dachte ich beinahe mit ihr im gleichen Moment und ich wusste, sie dachte das gleiche wie ich. Doch fühlte sie auch das gleiche? Das wenigstens diese Bestattung wenigstens ein wenig positives für die Gens brachte? Eine engere Bindung!

  • Ich beobachtete die beiden Frauen, die Hand in Hand vor dem Feuer standen und nicht von der Seite wichen, bis der letzte Funken erloschen war. Waren sie ihre Schwestern gewesen? Oder ihre Freundinnen? Sie mussten sie sehr geliebt haben, dachte ich, denn sonst würden sie nicht so lange ausharren.


    Ich versuchte die ganze Atmosphäre in mich aufzusaugen, jede Blick in meinem Gedächtnis abzuspeichern, um meinem Herrn alles ausführlich schildern zu können.

  • Eine Weile hatte ich leise mitgesungen, meine Gedanken waren bei meiner Freundin und ihrer Schwester. Aber es schien mir, als würden sie sich wieder näher kommen in diesen schweren Stunden.


    Ob dies wirklich so war, würde sich zeigen. Ich schaute noch einmal in die Flammen, dann drehte ich mich um und ging. Dies war eine Familienangelegenheit, in den letzten Minuten wollte ich nicht stören.


    Ich würde am nächsten Tag meine Freundin besuchen.

  • Langsam brannte das Feuer nieder. Ich schaute zu Caecilia und war sehr froh, dass sie fest an meiner Seite stand. Ich dachte in diesen Momenten der Trauer wie wichtig es doch war, dass die Familie zusammenstand. Ich nahm mir vor, mehr Zeit mit meiner Schwester zu verbringen. Vielleicht würde sich das einrichten lassen.


    Eigentlich wusste ich fast gar nichts über ihr Pläne und ihre Gedanken. Ich musste mich um so vieles kümmern. Meinen kleinen Sohn Vibius Marcellus, die Gens, deren Geschicke ich lenkte bis eines Tages mein Sohn diese Funktion wird übernehmen können und nicht zuletzt setzte ich mich sehr für die Interessen der factio ein. Da blieb wenig Zeit übrig. Eigentlich gar keine.


    Ich schaute in das letzte Zucken der Flammen und sah wie sie verlöschten.



    Wortlos schaute ich Caecilia an und bat sie mit Blicken, mir beim Löschen der heißen Asche zu helfen. Einige Tongefäße mit Wein standen bereit und ich griff mir eines. Langsam leerte ich die Amphore über der Asche aus.

  • Ich blieb etwas abseits stehen, so hatte ich Julia Pulchra doch nie selbst kennengelernt. Meridius hatte auch nie viel über sie gesprochen, ich wusste nur das sie ihm einiges bedeutet haben musste.Ich war im Grunde nur eine schlechte Vertretung für ihn...und er hatte nicht einmal die Möglichkeit Julia noch ein letztes Mal zu sehen.

  • Anton hielt sich während der gesamten Trauerfeier dezent im Hintergrund, der Schmerz saß noch tief, er hatte noch die Bilder der Augen, wo er sich mit der jetzt Verstorbenen um das Begräbnis ihren Gatten, des Senators Marcellus kümmerte und sie im Auftrag von Meridius unterstütze wo er konnte, diese Lebensfrohe junge Frau war nun tot.

    Hochachtungsvoll


    Cicero Octavius Anton


    QUAESTOR URBANUS


    Pater der Gens Octavia
    Pater der Factio Russata



  • Ich war hier. Ich war bei meiner Schwester um für sie dasein zu können und das stimme mich ein wenig erleichtert. Als der letzte Funken niedergebrannt war, wandte sie sich mir zu, während ich noch immer auf die Asche der einst so schönen Frau blickte. Der Kummer hatte sie aufgezehrt. Wir hätten sie früher suchen sollen, früher für sie da sein sollen. Dann nickte ich Crispina zu. Ich dürfte nie vergessen, dass sie meine kleine Schwester ist. Und darum sollte ich den Großteil des Haushaltes übernehmen, während sie sich um Marcellus kümmern würde.


    Nachdem auch der letzte Tropfen aus ihrem Weinkrug heraus war, nahm ich mir ebenfalls einien Krug und hielt ihn schräg über die warme Asche, die Glut. Sie war so warm... Nun war die mir letzte bekannte Vesuvierin dahingeschieden, dachte ich traurig. Ich schwenkte den Krug ein wenig hin und her, um den Wein zu verteilen. All diese Trauernden. Ob alle Iulia Vesuvia Pulchra gekannt hatten?

  • Vorsichtig stellte ich den Tonkrug ab und begann die ausgeglühten Gebeine und die Asche der Toten in eine Urne zu sammeln. Ein schönes Steingefäß mit einem Gesicht verziert. Eine Totenmünze und ein Salbfläschchen legte ich dazu.


    Die Urne stellte ich dann in ein Erdgrab. Für ein großes Grabmal reichte das Geld der Familie nicht, aber einen Grabstein gab es schon.


    Drei Handvoll Erde warf ich nun über die Urne … als Symbol, dass nichts und niemand mehr die Götter und die Altäre beflecken dürfe. Nun konnte ihr Geist ungestört in die Unterwelt eintreten.


    Ich hoffte, dass ein jeder wusste, dass das Grab nur durch die Angehörigen der Vesuvia zukünftig zu betreten ist. Alles andere würde Libitiria, die Göttin der Leichen und Totenbestattung erzürnen. Für das Weiterleben von Julia würde ich selbst regelmäßig zu Hause Wein und Brot im Lararium opfern.


    Als letztes griff ich nun zu einem Wasserkrug und besprengte die gefolgten Gäste mit Wasser, um sie zu reinigen, denn erst nach der Reinigung würden sie wieder mit den anderen Menschen verkehren dürfen.


    Ich schaute mich suchend nach Lucia um.

  • Eigentlich schon im Gehen, sah ich das sonst kein Priester da war, um die Opferungszeremonie durchzuführen und den bittenden Blick von Crispina, so kam ich wieder zurück.


    Nun fiel mir auch auf, das schon einige Sklaven mit den Opfertieren bereit standen.


    Crispina hatte die Trauergäste schon mit Wasser gereinigt, so konnte die Opferung gleich beginnen.


    In Gedanken ging ich schnell noch einmal die Zeremonie durch und schaute nach, ob ich auch alle Utensilien dabei hatte. Es war alles dar.
    Crispina kam zu mir und nahm die Opferschale um mir beim Auffangen des Blutes behilflich zu sein.


    Leise sprach ich ein Gebet und winkte dann den Sklaven zu, die ein prächtiges Schwein zu mir brachten. Dieses quiekte zwar sehr laut dabei und wehrte sich energisch, doch die Sklaven schafften es zu mir und hielten es fest.


    Dann zog ich mein Opfermesser, es blinkte hell in der Sonne. Innerlich war ich sehr nervös, jetzt kam es auf den richtigen Schnitt an, doch versuchte ich mir nichts davon anmerken zu lassen.


    Ich trat vor und schnitt dem Schwein mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch. Der Schnitt war geglückt, das Blut floß gut heraus und wurde von Crispina in der Opferungsschale aufgefangen.


    Nach kurzer Zeit drehte ich das Schwein, um an die Eingeweide herankommen zu können. Ein weiterer Schnitt mit dem Opfermesser durch die Bauchdecke des Schweines und ich fand Herz, Leber und Nieren.


    Die Organe waren gut entwickelt, sie hatten die richtige Größe und Form und ich atmete erleichtert auf.


    "Liebe Vesuvia Crispina und Vesuvia Caecilia, verehrte Trauergäste,
    ich darf verkünden, das die Götter das Opfer annehmen und die Weihung des Grabes vollbracht ist."


    Dann drehte ich mich um und überwachte die Vorbereitungen für das Reinigungsopfer für die Familie Vesuvia.

  • Die Opferungsutensilien waren wieder gereinigt, insbesondere mein Opfermesser.


    Nun würde die Opferung für die Laren gleich beginnen. Inständig hoffte ich, das die Götter auch dieses Opfer annehmen würden, hatte meine Freundin und ihre Familie doch schon so viel Leid erfahren müssen.


    Wieder brachten einige Sklaven das Opfertier zu mir, diesmal war es ein Widder, welcher genauso wie das Schwein ein prächtiges Tier war.


    Alles lag bereit, ich nickte Crispina zu, sie wollte vor der Opferung noch einige Worte sprechen und würde mir dann wieder beim Auffangen des Blutes behilflich sein.

  • „Für den Lar Familias, reichen wir nun diesen prächtigen Widder und bitten euch, Laren, nehmt unser Opfer an.“


    Ich führte während ich sprach meine Hand zur Brust, um auch gestisch meine Bitte kenntlich zu machen. Anschließend nickte ich kurz Lucia zu und bat sie darum, mit der Zeremonie zu beginnen.


    Ich griff nach der Opferschale und stellte mich neben sie.

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