- Atrium - (Tarraco)

Als ich Nauticus erblickte sprang ich auf und stürmte auf ihn zu. Jetzt wusste ich, wer mir während der Zeit der Trauer am meisten gefehlt hatte... Ich fiel ihm um den Hals und meine Stimme war zum ersten Mal seit langer Zeit mit Freude erfüllt: Ja, Nauticus war immer wie ein Vater gewesen.

"Oh ist es schön, dich wieder zu sehen...!"

Ich ärgerte mich ein wenig darüber, dass dieses Wiedersehen wie in einem Theaterstück aussah, doch Nauticus wiederzusehen... Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen unterdrücken. Ich ließ ihn nicht mehr los, seine Nähe tat so gut. Großcousin...

Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit! Irgendwie war ich das auch nicht mehr gewöhnt... die Zeit in Germanien hatte mich verändert.

"Ist ja... ist ja schon gut, Helena."

Jetzt wollte ich erst recht nicht loslassen. Mir rollte eine Träne die Wange hinunter, es ging alles so plötzlich. Jetzt, da Nauticus hier vor mir stand, kam es mir vor, als ob ich erst gestern meine Ausbildung in Germanien gemacht hätte. Vaters Tod schien weit entfernt, aber doch so schmerzhaft nah. Ich ließ sie aus meinen Augen kullern und als ich mich löste wischte ich sie blitzschnell wieder ab. Ich sah ihn an.

"Wie... ist es dir ergangen...?"

"Es gab Stürme... Kämpfe... [SIZE=7]Verluste[/SIZE]..."

Ich sprach mit ruhiger Stimme und versuchte, den Verlust meines Schiffes in Germanien zu verdrängen. Vor allem die Tatsache, dass es durch meinen Hochmut verloren ging, verdrängte ich.

"Und jetzt bin ich Praefectus Classis. Ist doch toll oder? Die größte Flotte des Imperiums steht unter meinem Kommando."

Ich sah ihn erstaunt an.

"Praefectus Classis? Gratuliere! Ich habe übrigens für dich geopfert, wie du es dir gewünscht hast! Neptun hat dein Opfer angenommen!"

Ich strahlte ihn an.

Ich lächelte.

"Das ist gut. Du könntest mir einen Gefallen tun, und noch mal ein Opfer darbringen. Am besten an Merkur und Fortuna gleichzeitig."

Ich nickte.

"Ja, das werde ich sehr gerne tun! Doch, Nauticus, solltest du auch einmal ein Opfer persönlich darbringen, das besänftigt die Götter noch eher!"

"Ich glaube, Neptun wird ziemlich angep... ähm, ich meine... er wird ziemlich aufgebracht sein, wegen dem, was ich versuchen will."

Ich sah ihn besorgt an.

"Was... hast du vor?"

"Nichts, was nicht schon mal geklappt hätte... durch die Säulen des Herakles, dann nach Süden, bis der südlichste Punkt Afrikas erreicht ist... dann weiter bis Aegyptus. Da würde ich dann von Osten her ankommen. Ich habe eine alte punische Karte gefunden."

Ich lächelte.

"Neptun wird mir nicht gefährlich. Der zerstört nur meine Schiffe und tötet meine Besatzungen."

Der Zynismus in meinem letzten satz war klar herauszuhören.

Ich wusste nicht so recht was ich sagen sollte. Nauticus lebte gefährlich, denn Neptun könnte mit ihm anstellen, was er wollte. Mir kam ein Verdacht, weshalb Nauticus verschont bleiben könnte: Um zu leiden. Doch ich schob ihn schnell zur Seite, daran mochte ich gar nicht denken!

"Bring mir etwas mit, irgendetwas!"

Ich sah ihn an.

"Vielleicht einen Nubier? Die soll's da in Massen geben... oder einen Leopa... äh, nein, besser nicht. Den müsste man erst mal gezähmt kriegen..."

Ich trat zwei Schritte zurück.

"Sag mal, hast du abgenommen? Du siehst so mager aus..."

Ich schluckte kurz - war ich tatsächlich so abgemagert? Das fragte mich nahezu jeder, der mich sah... Und das durch diese dicke Stola. Doch ich nickte leicht um seine Worte zu bestätigen.

"Ja, mir fehlt einfach der Appetit... Seit... Naja!"

Ich sah sie skeptisch an.

"Aber, aber... du musst doch essen! Soll ich dir eine Fischsuppe machen?"

Ich lachte.

"Tut mir leid, was besseres lernt man bei der Classis nicht!"

Ich musste lächeln, es konnte mir niemand nehmen. Was für ein Angebot.

"Nein, das musst du wirklich nicht. Auch wenn ich es dann schon allein aus Pflichtbewusstsein essen würde. Aber kann ich dir vielleicht etwas anbieten?"

"Nein, danke. Ich war eben erst bei Agrippa, da habe ich schon was gegessen."

"Agrippa? Wie geht es ihm? Von ihm habe ich auch schon lange nichts mehr gehört!"

"Es scheint ihm ganz gut zu gehen... jedenfalls, wenn man... naja, er wird halt auch nicht jünger."

Dass agrippa auch unter dem Tod von Anton litt verschwieg ich, weil ich keine heilenden Wunden bei Helena aufreißen wollte. Ich wusste ja, wie sie an ihrem Vater hing.

Ich nagte ein wenig nervös auf meiner Lippe. Ich ahnte, was er mir sagen wollte, schließlich war es bei Agrippa ziemlich offensichtlich. Vorallem, was ihn hier 'altern' ließ.

"Habe ich dir eigentlich schon meine Tochter vorgestellt?"

"Nein, nicht, dass ich wüsste. Du hast also eine Tochter?"