- Officium XXV

  • Was Livianus beschrieb kannte Balbus bereits und war genau der Grund dafür, dass der Kaiser in Rom fast nie Audienzen gegeben hatte. Die Arbeit, die in der Vrobereitung eines einzelnen Auftritts des Kaisers steckte war einfach zu groß, als dass sie alltäglich durchführbar war.
    Er nickte leicht.
    "Ich verstehe." sagte er nur. "Du wirst verstehen, wenn ich dich in dieser Angelegenheit erneut um Stillschweigen bitten muss." Er erwähnte es mehr aus einem Gefühl der Pflicht heraus, als aus dem Gefühl heraus dass es bei seinem Gegenüber notwendig war.


    "Dein Bericht klingt leider weniger ermutigend als ich gehofft hatte. Aber auch nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe."

  • Livianus nickte nur, als Balbus ihm erneut um seine Verschwiegenheit bat. Mit der anschließenden Aussage des kaiserlichen Beraters fing er jedoch nicht wirklich viel an. Sein Blick und auch der Ton in seiner Stimme wurden daher eindringlicher, ohne jedoch unfreundlich zu sein.


    "Wie steht es denn nun um die Gesundheit des Kaisers? Ist sein Leben in Gefahr?"

  • "Ich weiss auch nur das, was mir die kaiserlichen Leibmedici mitteilen und das ist nicht sonderlich viel. Aber wenn du sagst, dass es schwer fiel den schlechten Gesundheitszustand zu übersehen, dann befürchte ich, dass die Berichte vieles beschönigen." sagte er.
    "Ich glaube nicht, dass sein Leben in Gefahr ist, zumindest nicht wenn ich den Medici glauben schenken kann, aber wer kann sich da schon wirklich sicher sein? Vor allem wenn man bedenkt, dass er in Misenum nicht nur von freundlichen Geistern umgeben ist."

  • "Hat der Kaiser bereits einen Nachfolger ernannt?"


    Livianus hatte bisher nichts von einem neuen Caesar gehört und war sich sicher, dass ihm eine solche Information nicht entgangen wäre. Daher wartete er auch nicht auf die Antwort des Procurators sondern sprach gleich weiter.


    "Es könnte zu einem Bürgerkrieg kommen, wenn der Kaiser ohne die Benennung eines Nachfolgers stirbt und zurzeit gibt es genug einflussreiche Männer die nach der Macht greifen könnten."


    Erst jetzt wurde Livianus bewusst, dass Balbus zuvor etwas angesprochen hatte, dass nachfragenswert war.


    "Was meinst du mit unfreundlichen Geistern, von denen der Kaiser umgeben ist?"

  • "Ich weiss von keinem." sagte Balbus. "Aber ich bin sicher, dass es eine ausreichende Zahl Möchtegernpotentaten gibt."
    Sein Blick wanderte quer durch den Raum und stoppte in jener Richtung, in der die Castra Praetoria lag. "Ich bete jeden Tag zu den Göttern, dass es nicht so bald zum schlimmsten kommen wird."


    Er senkte seine Stimme dann noch ein wenig weiter. "Die Männer des Vesculariers. Sie sind vermutlich überall in der Villa des Kaisers und ich befürchte wie ihr Herr, führen auch sie nichts Gutes im Schilde."

  • Nachdenklich schüttelte der Decimer den Kopf und ordnete seine Gedanken. Die meisten Anderen hätte Livianus vermutlich milde belächelt und sie als verwirrte Verschwörungstheoretiker abgetan, doch kein anderer stand den Kaiser in diesen Tagen so nahe wie der Procurator und wusste über die Geschehnisse im und um den Palast besser bescheid. Abgesehen von Vescularius war er der einzige, der mit dem Kaiser noch in direkten Kontakt stand. Seit Wort war mehr als Glaubhaft und weder Livianus, noch irgendein anderer hätte Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit aufkommen lassen.


    Der Entschluss des Decimers stand schließlich fest. Die Worte die er nun aussprechen sollte, konnten ihn schneller wieder in eine Zelle bringen, als es ihm lieb war. Doch er fühlte sich dazu verpflichtet, das zu verteidigen, dass sein Patron, der zu früh aus dem Leben geschiedene Iulianus, Zeit seines Lebens aufgebaut hatte. Wenn dies einer Verschwörung bedarf, dann eben auch auf diese Art und Weise.


    "Was auch immer kommen mag, wir sollten versuchen für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Vielleicht wäre es gut ein paar weitere Verbündete ins Vertrauen zu ziehen. Ich hatte dabei an Männer wie etwa Aelius Quarto oder Caecilus Crassus gedacht.


    Erstem wird daran gelegen sein die Macht in den Händen seines Bruders zu halten. Seine Familie steht seit Generationen treu zum Kaiserhaus und nun wo einer von ihnen den Kaiserthron bestiegen hat, wird sich dies wohl eher verstärkt haben. Den zweiten kennst du wohl ebenso gut wie ich. Er ist mein engster Freund und Klient und hat sich auch nach seiner Abdankung als Praefectus Praetorio viele seiner Kontakte behalten.


    Sollten wir mit unserer Vorahnung im Unrecht sein, dann mögen uns die Götter verzeihen und der Mantel des Schweigens soll sich über unsere Bedenken und Vorkehrungen legen. Sollte sich deine Vorahnung jedoch bewahrheiten, müssen wir bereit sein und die Götter mögen uns beistehen."

  • Diese offenen Worte, die den Beginn einer Verschwörung einläuteten, mitten im Zentrum der römischen Macht auszusprechen war nicht nur mutig, sondern auch fast genial, denn wer würde schon vermuten, dass in den Officien der kaiserlichen Kanzlei soetwas passierte?


    Abgesehen davon hätte Balbus bei jedem anderen Mann sofort die Wachen verständigt, doch hier sass jemand vor ihm, dem er durchaus vertraute und von dem er sich sicher war, dass alles was er tat nur aus einem tiefen Gefühl der Loyalität geschah. Abgesehen davon war das, was Livianus sagte durchaus wahr und so nickte er langsam.


    "Ich denke du hast Recht und es könnte nicht schaden, sich einmal diskret in diese Richtung umzuhören. Und wenn sich alles als ein großes Hirngespinst rausstellt, dann kann man hinterher immernoch alles von sich weisen."

  • Der Decimer nickte zufrieden. Balbus hatte verstanden und damit kam der Stein nun langsam ins Rollen. Nun war es an ihnen, weitere Kräfte zu bündeln und diesen Stein in eine bestimmte Richtung zu lenken.


    "Du bist ein Klient von Quarto wenn ich nicht irre. Es wäre also vermutlich besser wenn du dem Senator unseren Vorschlag unterbreitest und ihm einweihst. Ich werde mich um Crassus kümmern. Dieser kleine Kreis muss vorerst reichen. Wenn wir uns alle das erste Mal getroffen haben, können wir immer noch Überlegungen anstellen, ob wir diesen Kreis erweitern wollen."


    Livianus sah den Prudentier etwas ergriffen an. Der Decimer wusste von Erzählungen seines Vaters, dass diesen bereits eine kollegiale Freundschaft mit Prudentius Commodus, also Balbus Vater verband. Mit ein Grund warum er diesen Mann ein solches Vertrauen schenkte und bestimmt eine Fügung der Götter, dass sie ausgerechnet Balbus und Livianus, die Söhne dieser beiden Männer, zusammengeführt hatten, um das Kaiserhaus zu schützen und damit den Frieden des Reiches zu bewahren. Der Blick des Senators wurde eindringlicher und zum ersten Mal verwendete er die persönliche Anrede.


    "Balbus, bist du dir sicher, dass du diesen Schritt gehen möchtest? Es gibt danach kein zurück mehr."


    Der Decimer fragte das keineswegs, weil er Balbus diese Sache nicht zutraute oder an seiner Überzeugung zweifelte. Doch mit seinem Amt, dass derzeit bedauerlicher Weise unter dem direkten Einfluss des Praefectus Urbi stand, brachte er sich wohl mehr in Gefahr als jeder andere, der sich an dieser Verschwörung beteiligen konnte. Er war der Dreh- und Angelpunkt dieser ganzen Vorbereitungen, er konnte die notwendigen Informationen beschaffen, bei ihm würde alles zusammenlaufen und er konnte den besten Überblick über die Geschehnisse Rund um den Kaiser und seinen römischen Statthalter bewahren.

  • Livianus sprach da etwas wichtiges an. Das, worüber sie hier sprachen konnte sie schlimmstenfalls auf den tarpeiischen Felsen bringen und ihre Familien für lange Zeit aus der Stadt vertreiben. Konnte er die Sicherheit seiner Familie für das Wohlergehen des Kaisers und des Reiches opfern? War er dazu bereit alles zu riskieren? Die Frage war wichtig, aber auch sehr einfach zu beantworten.


    "Ja, ich bin dazu bereit. Das Wohl des Reiches wiegt schwerer als mein eigenes. Und was meine Familie angeht, so muss ich vor allem an meine Frau denken. Als recht nahe Verwandte des Kaisers wird sie hier in Rom nicht sicher sein, wenn Valerian gestürzt werden sollte." sagte er.


    "Ich werde mit Quarto reden."

  • Balbus hatte akzeptiert und damit verband die beiden Männer nun mehr als nur eine bloße Bekanntschaft. Sie hatten sich miteinander gegen einen der derzeit mächtigsten Männer Roms verschworen. Livianus wollte dies nicht unbeantwortet lassen.


    "Gut. Ich hätte mir auch nichts anderes von dir erwartet. Auch ich bin bereit diese Risiken einzugehen. Für das Wohl des Reiches."


    Damit war der Packt geschlossen. Alles Weitere würde man bei einer anderen Gelegenheit besprechen.


    "Ich schlage vor, dass wir uns möglichst bald wieder treffen. Dann bereits in Begleitung unserer Freunde. Falls du es hier für zu gefährlich hältst, dann biete ich gerne meine Casa als Versammlungsort für unseren kleinen Kreis an. Es ist wichtig, dass wir uns regelmäßig sehen können und unseren Wissenstand austauschen. Das Um und Auf bei dieser Aktion sind Informationen. Sie werden uns helfen den Überblick zu bewahren."

  • Balbus dachte einen Moment lang nach. "Ich denke nicht, dass es hier zu gefährlich ist, aber möglicherweise könnte es jemandem auffallen, wenn die gleichen Männer regelmässig in den Palast kommen ohne dass es dafür einen wirklich offensichtlichen Grund gibt."
    Er blickte kurz zur Tür.
    "Abgesehen davon weiss man leider nie wer hier mithört. Die Praetorianer vor der Tür habe ich zwar selbst ausgewählt und vertraue ihnen, aber es kann immer mal jemand vorbeikommen, der nicht vorbeikommen sollte."
    Dann blickte er wieder zu Livianus.
    "Ich denke für ein erstes Treffen nutzen wir deine Casa und danach wechseln wir den Ort für die Treffen um es möglichen Beobachtern schwieriger zu machen."

  • "Ein guter Vorschlag Balbus. So werden wir vorgehen."


    Der Senator nickte absegnend. Mit Balbus saß hier im Zentrum der Macht eindeutig der richtige Mann auf dem richtigen Posten. Drei Decimer, darunter Livianus Vater und dessen Bruder Martinus, hatten dieses hohe Amt in der Vergangenheit bereits inne gehabt und der Prudentier machte ihnen wahrlich alle Ehre.


    "Gut, dann werde ich nun als nächstes zu deinem Kollegen, dem Procurator a rationibus schauen. Ich habe den Kaiser bei der Audienz um meine ehrenhafte Entlassung gebeten und er hat ihr zugestimmt."


    Was Livianus bei dem Procurator wollte, war damit für Balbus vermutlich auch ohne weitere Erklärungen klar. Es ging um die finanzielle Abfindung. Das Livianus immer noch enttäuscht darüber war, dass er für seinen Jahrzehnte langen Dienst als Soldat und Kommandeur mehrerer Einheiten nicht durch den Kaiser ausgezeichnet wurde, behielt er für sich. Stattdessen lächelte er und erhob sich langsam.

  • Auch Balbus erhob sich. "Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei meinem Kollegen. Er ist nicht immer ganz einfach, also lass dich von ihm nicht aus der Ruhe bringen." Er fand es einfach richtig, den Decimer vorzuwarnen, bevor er in die wahnsinnigen Untiefen der Finanzverwaltung ging.


    "Ich werde dir eine Nachricht schicken, wenn ich mit Quarto gesprochen habe." sagte er noch, bevor er den Praetor dann freundlich verabschiedete.

  • "Ich danke dir für die Warnung."


    Er griff über den Tisch und reichte Balbus die Hand, fast als wollte er ihr Bündnis noch einmal durch einen Händedruck absegnen.


    "Ich werde die Gelegenheit nutzen und Quarto ebenfalls aufsuchen. Allerdings werde ich nichts von unserem Gespräch erwähnen. Das überlasse ich dir. Ich möchte ihm nur meine Aufwartung machen. Also Vale Balbus."


    Mit diesen Worten verließ der Senator die Amtsräume des Procurators und begab sich weiter zum nächsten kaiserlichen Beamten.

  • Der Kaiser hatte, anders als es scheinen mag, keinen Brief bekommen vom Primicerius a libellis, sondern vom Proconsul von Asia. Der im Uebrigen, ueber die muetterliche Linie, ganz weit mit Pisos Mutter verwandt war. Ein Notarius legte gewissenhaft den Brief beim a libellis ab, nachdem er das OK des anderen Piso erhalten hatte.


    An den Imperator Caesar Augustus
    Lucius Ulpius Aelianus Valerianus Imperio Proconsulare
    Palatium Augusti, Roma


    Mein Kaiser!


    Ich trete diesmal erneut mit einer Bitte um Verstärkung an Dich heran. Die Zahl der Klagen innerhalb meiner Provinz wird nicht kleiner und obschon ich stetig von der Hauptstadt einer Regio in die andere reise, ist es mir nicht möglich, die Ersten Anhörungen für sämtliche Streitigkeiten zwischen den Einwohnern meiner Provinz durchzuführen. Wie Du weißt, bin ich aufgrund des ruhmreichen Krieges Deines göttlichen Vaters gezwungen, mit dem König von Armenia, aber auch den Reguli anderer benachbarter Stämme und Völker enge diplomatische Kontakte zu pflegen, die viel Zeit erfordern. Zwar habe ich bereits die Comites als Schiedsrichter in geringfügigen Prozessen zwischen Peregrini eingesetzt, doch verlangt die wachsende Zahl römischer Bürger in meiner Provinz einen senatorischen Richter.


    Aus diesem Grund möchte ich Dich bitten, mir zwei weitere Iuridici zu entsenden, die mich in meinen juristischen Aufgaben entlasten können, sodass ich mich stärker auf die Leitung dieser großen und wichtigen Provinz konzentrieren kann. Ich kann Dir für einen der Posten Rutilius Rufus empfehlen. Er ist ein ehrenwerter Senator Roms aus nobler Familie, der bereits als Tribunus Plebis für die Belange des Volkes gekämpft hat. Darüber hinaus ist er mir persönlich bestens bekannt, sodass ich sicher bin, dass wir reibungslos zusammenarbeiten werden.


    Darüber hinaus bitte ich Dich, mir noch einen weiteren Procurator an die Seite zu geben, um die gewaltigen Steuereinnahmen aus den Regiones Asia und Bithynia et Pontus einzuziehen, sodass sich mein bisheriger Procurator Gavianus auf die übrigen Regiones konzentrieren kann. Obschon sich Gavianus große Mühe gibt und unermüdlich arbeitet, ist es ihm aufgrund der Größe der Provinz nicht möglich, die Abgaben sämtlicher Poleis zu überprüfen, sodass dem Fiscus vermutlich große Summen verloren gehen.


    Ich hoffe also, dass Du zum Wohle Roms Sorge trägst, dass Asia weiterhin über eine schlagkräftige Administration verfügt, um so weit vom Caput Mundi entfernt die Macht der Söhne des Romulus zu verkörpern.



    Mögen alle Götter mit Dir sein!


  • Die mehr als nur lieblos aussehende Tabula vom Praefectus Urbi wurde von einem Notarius mit gradezu faszinierend unenthusiastischem Gesicht ins Officium des Prudentius Balbus geliefert.



    Ad
    Administratio Imperatoris



    Faustus Octavius Macer ist unverzüglich in den Ordo Senatorius zu erheben.



    Potitus Vescularius Salinator



  • Piso schritt eilends zum Officium seines Vorgesetzten und klopfte dort an. Es gab Sachen von administrativer Wichtigkeit zu besprechen - und es gab da noch zwei, drei Sachen interessanterer Natur, die unbedingt besprochen werden mussten...

  • Als Piso hörte, wie Balbus herein rief, dauerte es ungefähr 3 oder 4 Millisekunden, bis die Tür aufgestoßen wurde, ein Beleg, dass seine Hand schon am Knauf gewesen sein musste. Er erschien in Balbus‘ Raum, den Procurator anlächelnd. „Salve!“, begrüßte er ihn. „Alles in Ordnung bei dir? Ich habe da eine Frage. Kürzlich war Senator Aeilus Quarto bei mir und hat mich angewiesen, einige Ernennungen in den ordo senatorius vorzunehmen, ohne, dass jener Order über dich ging. Ich wollte nur nachfragen, ob ich, als ich es spontan machte, ohne dich zu benachrichtigen, das richtige tat. Denn die Anweisung kam ja von einem der zwei Stellvertreter des Kaisers, und wir, die Kanzlei, wollen ja eine schnelle und effiziente Vorgehensweise. Es war doch in Ordnung, oder?“ Er war sich sicher, dass es in Ordnung wäre, war ja auch Quarto der Patron seines Vorgesetzten. Um ehrlich zu sein, war es ziemlich offensichtlich, dass diese Frage nur ein Vorwand für Piso war, um Balbus einen Besuch spezieller Natur abzustatten.

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