- Officium XXV

  • Ein Herein war zu hören, und Piso machte die Tür schwungvoll auf. „Salve!“, begrüßte er den Plebejer. „Du hast dich wohl schon ein wenig eingelebt. Ein schönes Officium, nicht wahr?“, meinte er. Er war gut vertraut mit diesem Zimmer, welches auch durch den Einzug eines neuen Pal nichts an seiner Atmosphäre verloren hatte. „Du hast mich hierher berufen. Was gibt es?“, fragte er, sich vor dem Tisch des Procuratoren hinstellend.

  • Der Flavier trat in mein Officium ein und stand schließlich auf der anderen Seite des Schreibtisches.
    "Salve Primicerius, nimm doch bitte Platz."
    Es gab ein paar Dinge gleich zu Anfang die mir missfielen, die es galt abzustellen und die allgemeine Lage galt es zu beurteilen.
    "Punkt eins, es geht mir um den Allgemeinzustand der Kanzlei, insbesondere deines Officium´s. Als ich dort vorhin eintrat, war gut die Hälfte darin mit anderen Dingen beschäftigt, nur nicht mit dem, was sie tun sollten.
    Ich möchte von dir eine Liste haben von allen, die unter mir angestellt sind. Ich gehe davon aus, das der ein oder andere nur durch Klüngel an solch eine Stelle gekommen ist. Deswegen brauche ich diese Liste mit allen Namen und deren Beziehung zu wichtigen Leuten. Es kann nicht angehen, das die Hälfte in deinem Officium nur den Tag herum bringt mit nichts tun, während andere das doppelte leisten. So etwas dulde ich einfach nicht."

    War die Katze aus dem Hause, tanzen die Mäuse auf den Tischen. So etwas galt es von Anfang an zu unterbinden.
    "Punkt zwei, wie sieht es mit dem Weinkonsum während der Arbeitszeit aus? Der eine machte auf mich vorhin einen ganz merkwürdigen Eindruck. Sorge dafür, das hier keine angetrunkenen Personen arbeiten. Dies ist ein ganz wichtiges Amt und wir können uns es auf keinen Fall erlauben, besoffene zu beschäftigen."
    Ich hatte bewusst den Flavier zu mir rufen lassen, da er für mich in seinem Officium den vernünftigsten Eindruck gemacht hatte.
    "Hast du Fragen oder kannst du mir jetzt schon gewisse Auskünfte geben?"
    Fragend schaute ich zu dem Primicerius. Er konnte es sicher nachvollziehen, wie ich meinen ersten Tag begann.

  • „Danke.“, meinte Piso und setzte sich, sowie ihm ein Stuhl angeboten wurde. Kaum hatte er sich gesessen, wurde eine Tirade auf ihn losgelassen, die Piso wohl einschüchtern sollte. Indes aber musste sich Piso beherrschen, um nicht mitleidig loszulächeln. Er saß also vorm Annaeer und hörte ihm interessiert zu.
    Am Ende der Rede räusperte er sich. „Zu deinen Punkten, Annaeus, will ich meine Notarii in Schutz nehmen. Es sind alles hoch qualifizierte Leute, die es durch harte Arbeit in die Kanzlei geschafft haben. Allerdings handelt es sich bei ihnen, aus einem oder anderem Grund, zumeist um äußerst instabile Persönlichkeiten. Sie sind leicht zu erschrecken, und aus der Ruhe zu bringen. Es waren mehrere Faktoren, die zu so einer Reaktion geführt haben, wie du sie erlebt hast. Zum einen das neue Gesicht, dann dein doch sehr unruhiger Auftritt. All dies brachte das empfindliche Äquilibrium im Officium ins Wanken. Zu deinem Punkt, dass manche Notarii mehr zu tun hatten als andere: Es liegt in der Natur der Kanzlei, dass dies so ist. Die Notarii sind – übrigens erst nach einer strukturellen Reform, die ich selbst durchgeführt habe – in Kommittees eingeteilt. Sicherlich verstehst du den Sinn dahiner. So sind nämlich die Notarii spezialisiert und können die Anfragen besser und spezifischer beantworten. Es sind 8 Kommittees also insgesamt, und zwar zwei für Anfragen aus den Verwaltungen des lateinischsprachigen, und zwei für die des griechischsprachigen Teiles des Reiches – jeweils für Stadt- sowie Provinzverwaltungen. Dann eines für Anfragen aus dem Cultus Deorum, eines für Anfragen aus der Stadtverwaltung von Rom, eines für Anfragen sonstiger Bürger, und eines für Anfragen sonstiger Mitbürger. Heute erhielten wir einen Stoß von Anfragen aus Achaia, Aegyptus, Asia und Syria, also aus griechischsprachigen Gebieten. So waren 3 der Kommittees überproportional beschäftigt, während andere weniger zu tun hatten. Das System funktioniert aber.“ Endlich holte er wieder Luft.
    „Zum Punkt bezüglich des Mannes, der in Ohnmacht gefallen ist, das ist ein besonderer Fall. Quintus Manlianus Tlepolemus, ein Freigelassener. Er hat, wie mehrere Notarii, einige Traumata aus seiner Sklavenzeit, was seine merkwürdige Reaktion erklärt, aber er ist ein fürchterlich intelligenter Mensch, der eine echte Bereicherung ist. Alkohol, muss ich sagen, wird nicht während der Arbeitszeiten getrunken. Das sollte klar sein. Zudem möchte ich sagen, dass es durchaus Leute gibt, die ihre Freigelassenen – denn die meisten Notarii sind solche – in die Kanzlei hineinstopfen. Aber meistens erledigen diese Leute ihre Arbeit komplett zufrieden stellend, also sehe ich keinen Anlass, sie zu feuern. Eine Liste kann ich aber dir gerne machen von deinen Leuten.“, meinte Piso. „Und, ich bin froh, dass du das Officium nicht gesehen hast, als ich dort angefangen hatte. Es war ein schlimmes Chaos, jetzt arbeiten sie immerhin, und sind durch unerwartete Störungen nur noch ein paar Sekunden abgelenkt, als noch fast eine ganze Stunde. Man braucht, wie soll ich es sagen, einfach in wenig psychologisches Feingefühl bei meinen Leuten. Ich würde aber für jeden von ihnen meine Hand ins Feuer legen.“, versicherte der Flavier Varus.
    „Vielleicht hat dir das jetzt einen nützlichen Einblick gegeben. Nur eine Sache ist mir nicht klar. Wieso hat Prudentius Balbus dich nicht über die Situation in der Kanzlei informiert? Du hast doch sicherlich mit ihm, als deinem Amtsvorgänger, schon geredet.“, hackte er nach.

  • Der Flavier schien seine Leute im Griff zu haben und jeden einzelnen der Arbeit für die er taugte auch zugeteilt wurde. Das war es eigentlich was ich wollte. Im großen und ganzen doch nicht so ein Chaos wie ich dachte bei meiner Ankunft.
    "Wie ich aus deinen Ausführungen entnehmen kann, hast du die Leute hier im Griff, das gefällt mir."
    Schlug ich gleich ein wenig versöhnlicher Töne an.
    "Meinen Vorgänger habe ich auch noch nicht sprechen können, doch ich werde dies in den nächsten tagen nachholen. Er hat mir nur eine Notiz hinterlassen, mehr nicht. Vielleicht kannst du mich über die letzten allgemeinen Tätigkeiten der Kanzlei aufklären?"
    Das würde aber nicht den Besuch des neuen Praefectus Praetorio ersetzen.

  • Piso nahm erleichtert zur Kenntnis, wie Varus einsah, dass ihn sein erster Eindruck getäuscht hatte. „Das habe ich.“, meinte er bestimmt und freundlich, mit einem gewissen Stolz.
    Als er hörte, dass Varus noch gar nicht mit Balbus gesprochen hatte, hob er kaum sehbar die eine Augenbraue hoch. Na ja, keine Zeit. „Gut, dass du es noch machen willst.“, meinte er dann neutral und unverbindlich, bevor seine Aufmerksamkeit auf eine Notiz gelenkt wurde. „Was steht denn auf der Notiz?“, fragte er neugierig nach. „Sicherlich müssen da die Briefe aus Syrien und Asia erwähnt sein.“, mutmaßte er, bevor er sich daran machte, den Annaeer über die jüngsten Aktivitäten der Kanzlei aufzuklären. „Also, vor allem haben wir Leute in den ordo senatorius erhoben. Alles Klienten des Aelius Quarto, übrigens. Zudem gibt es des Öfteren Empfange von mehr oder weniger wichtigen Leuten, denen du, statt des Kaisers, eine Audienz geben musst. Und natürlich gibt es allerlei Privatpost an den Kaiser zu erledigen. Keine Sorge, das meiste erledigt mein Officium. Du bekommst nur wichtige Briefe und Audienzen, wobei ich deinen Terminkalender verwalte.“, informierte Piso den Annaeer.

  • Ich winkte ab. "Nein, ich denke, ehe ich im Dunkeln tappe, wird ein Besuch beim Praefectus Praetorio am besten sein."
    Zwar hatte dieser als mein Vorgänger mir eine Notiz hinterlassen doch wollte ich auch so mich mal bei ihm vorstellen.


    Als nächstes erkundigte sich der Flavier nach der Notiz von meinem Vorgänger. "Genau richtig, dort geht es um die Legaten von Asia und Syria. Dort muss ich sicher zum Praefectus Urbi."


    Dann gab mir Piso noch einen kleinen Ausflug in die Arbeit der Kanzlei und was sein Officium für mich bearbeiten würde.
    "Ich nehme an, der Terminkalender ist noch leer?" meinte ich grinsend mit dem Gedanken im Hinterkopf, das dies nicht mehr lange so sein wird.

  • „Mhm.“, bestätigte Piso nur und nickte. Varus würde sicher bald zu Balbus gehen.
    „Genau, du musst zu Vescularius Salinator, um dies zu regeln.“ Einen warnenden Blick warf Piso Varus zu. Der Flavier war der Letzte, der Salinator vertraute. Nun, es lag an Varus, seine eigenen Erfahrungen zu machen.
    Als die Sprache auf den Terminkalender des Annaeers kam, grinste Piso zurück. „Bisher schon. Aber mach dir bloß keine Sorgen. Ich habe in meinem Officium schon mehr als genug Briefe herumliegen. Den Bittstellern werde ich jetzt wohl nach und nach Termine zuteilen. Also, Arbeit wirst du schon noch haben.“ Er lächelte weiterhin. „Hast du sonst noch Fragen für mich?“

  • "Dann werde ich das gleich als nächstes erledigen." Das war jetzt zu Anfang eine Menge an Lauferei doch sobald es sich eingependelt hat würde alles seinen geregelten Ablauf haben.


    Soweit schien Piso auch alles geregelt haben. "Wenn ich von Balbus und dem Praefectus Urbi zurück bin, werde ich mich um die Arbeit hier kümmern. Ansonsten brauche ich dich vorerst nicht mehr."
    So bekam Piso einen groben Ablaufplan und konnte sich somit weiter seiner Arbeit widmen.

  • Piso nickte kurz angebunden. Das mit dem Praefectus Urbi war schon ein Krampf. Er residierte in den Castra Praetoria, da musste man sich die Füße wundhatschen. Wäre der Kaiser da, wären es nur ein paar Schritte bis zur Residenz des Kaisers... aber er war ja nicht hier, um des Kaisers Entscheidungen zu kritisieren. Innerlich wünschte er dem neuen Procurator viel Glück bei seinen Unternehmungen.
    „Gut, dann fange ich gleich damit an, deinen Terminkalender vollzuschreiben.“, meinte Piso. „Heute lasse ich dich noch aus. Morgen fängt der Spaß dann richtig an. Und du weißt, wenn es irgendwelche Fragen gibt, komm zu mir.“, offerierte er. „Dann mache ich mich einmal an die Arbeit. Und nochmals, willkommen in der Kanzlei.“, waren seine Abschiedsworte, bevor er wieder in sein Officium zurückging.

  • "Gut, mache das." Meinte ich zu Piso, als dieser im Begriff war, wieder an seine Arbeit zu gehen. "Ich bin dann erst einmal in der Castra Praetoria aber sobald ich zurück bin, kannst du mich mit Terminen überschütten." Meinte ich noch abschließend weniger Ernst gemeint.
    "Vale Flavius."
    Das nochmalige Begrüßen beantwortete ich mit einem Nicken und einem Lächeln. Na mal sehen, was auf mich zukommt, dachte ich und blickte nochmals auf die Tabula, die meinen nächsten Termin bestimmte.

  • Ein gewissenhafter Notarius brachte einen Brief zum Procurator, sodass jener ihn bearbeiten konnte.


    Imp Caes Aug C Ulpius Aelianus Valerianus - Palatium Augusti - Roma - Regio Italia - Provincia Italia


    EPISTVLA CONSVLIS
    ANTE DIEM VII KAL DEC DCCCLIX A.U.C.
    (25.11.2009/106 n.Chr.)


    Consul M' Tiberius Durus Imp Caes Aug C Ulpio Aeliano Valeriano s.p.d.


    Ich schlage hiermit als Termin für die Wahlen des kommenden Jahres die ersten beiden Tage der Compitalia, ANTE DIEM III NON IAN DCCCLX A.U.C. (3.1.2010/107 n.Chr.) und PRIDIE NON IAN DCCCLX A.U.C. (4.1.2010/107 n.Chr.) vor. Bei beiden Terminen handelt es sich um Diei Comitiales, darüber hinaus liegen sie im vierten Fünftel meiner Amtszeit.


    Ich bitte Dich, diesen Termin zu bestätigen, sodass ich ihn veröffentlichen kann.


    gez.
    M' Tiberius Durus


  • Einige Zeit später tauchte kopfschüttelnd ein anderer gewissenhafter Notarius auf und holte den fälschlich abgegebenen Brief wieder ab, handelte es sich dabei schließlich um eine schriftliche Anfrage, für die sich die Abteilung des Procurator ab epistulis verantwortlich zeichnete.

  • Ich erhob mich hinter meinem Schreibtisch. "Salve Senator, einen Termin?" Fragte ich etwas erstaunt. Hatte der Flavier etwa einen Termin für mich ausgemacht, ohne mich darüber zu informieren?
    "Also über einen Termin hat man mich nicht informiert aber nimm doch bitte Platz. Übrigens, mein Name ist Annaeus Varus."
    Ich sinnierte kurz und kam zu der Überlegung, das anscheinend der Bruder meines Patrons eben mein Officium betreten hatte.

  • Etwas irritiert nahm ich den Platz an und erzählte dabei über meinen gestrigen Besuch hier.


    "..... doch, sei es, wie es sei, danke, dass du dir dennoch Zeit nimmst, Annaeus.
    Es geht um die Eintragung einer Societas, die sich in Mogontiacum zusammengeschlossen hat. Man hat mich, als ein in Rom lebendes Mitglied, gebeten, dies zu erledigen und man hat mir gesagt, ich wäre bei dir richtig!?"

  • Sicherlich war es kein Problem, diese Angelegenheit zwischenrein zu schieben.


    "Gut, davon habe ich leider nichts erfahren aber das können wir jetzt auch nicht mehr ändern. Um was für eine Societas geht es genau, erzähle mir etwas davon."


    Interessiert blickte ich zu dem Vinicier und erwartete ein paar greifbare Fakten.

  • "Nun, das ist bedauerlich, aber ich denke, wir werden das auch so hinbekommen....."


    und gleich übergab ich ihm die Schriftrolle



    Societas Commercii Mogontiaciensis


    (1) Die Societas Commercii Mogontiaciensis ist eine Gesellschaft zur Erhöhung der Gewinne seiner Socii. Tätigkeiten der Socii außerhalb der Societas werden nicht berührt.
    (2) Entscheidungen dürfen nur mit der Zustimmung aller Socii getroffen werden. Jede Handlung kann durch das Veto eines Socius unterbunden werden.
    (3) Für die Investitionen der Societas hat jeder Socius 500 Sesterzen vorzuhalten, die auf gemeinsamen Beschluss verwendet werden können.
    (4) Die Gewinne und Verluste der Socii werden entsprechend ihrem Anteil an den gesamten Einlagen geteilt. Niemand ist jedoch verpflichtet, mehr als 500 Sesterzen zu investieren.
    (5) Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt nur durch einstimmigen Beschluss aller Socii. Ebenso können einzelne Socii durch einstimmigen Beschluss der übrigen Socii ausgeschlossen werden. In diesem Fall ist dem ausgeschlossenen Socius jedoch auch sein Anteil am Gesellschaftskapital auszuzahlen.
    (6) Jeder Socius ist zu jeder Zeit berechtigt, seine Mitgliedschaft zu beenden und seinen Anteil am Gesellschaftskapital einzufordern.
    (7) Zur Verwaltung einzelner Geschäfte können Procuratores bestimmt werden. Diese sind allen Socii weisungsgebunden und haben, sofern sie nicht zugleich Socii sind, keinerlei Mitspracherecht innerhalb der Societas. Ihre Bestimmung erfolgt durch einstimmigen Beschluss aller Socii.
    (8 ) Als Vorsitzender entsprechend der Lex Communitatis § 2 (3) fungiert ein Socius res gerens. Er vertritt die Societas gegenüber dem Staat. Allgemein haften jedoch sämtliche Socii juristisch entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftskapital. Darüber hinaus besitzt der Socius res gerens keine Sonderrechte, sondern hat die übrigen Socii jederzeit über alle Entwicklungen der Societas zu informieren.


    M Petronius Crispus



    Lucius Hadrianus Iustus


    Tullia Maestrale


    Gaius Terentius Primus


    Servius Artorius Reatinus


    Marcus Vinicius Lucianus



    "Es geht um einen wirtschaftlichen Zusammenschluss, aber sie selbst... Socius res gerens sollte Petronius Crispus werden."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!