Das Gefühl von Freiheit

  • Ihn schien es auch ein wenig zu bedrücken. Vielleicht... sollte ich... Ich sah ihn an. Ich rang mit mir. Ich fasste immer zu schnell vertrauen, zu schnell schloss ich Menschen mehr oder minder stark in mein Herz. es geschah schon wieder, dass ich hoffnungslos begann zu vertrauen, dabei kannte ich ihn nicht länger als eine Stunde...


    Als ich meinen Vorschlag machte, schien er sehr erfreut zu sein. Und als er begann zu sprechen prustete ich plötzlich los. Erheiterung erfasste mein Herz und ich hatte wenige Sekunden vor seinem verblüfften Gesichtsausdruck realisiert, wie sich das Pferdchen zaghaft aber garantiert von seinem Besitzer entfernte. Ich sah dem "Schwarzen" hinterher. Armer Maximian. Ich grinste ihn an.


    "Wenn unsere beiden sich so gut verstehen wie wir, dann brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wahrscheinlich wird dein Schwarzer dann mit Skadi gemeinsam hierher kommen. WENN sie sich denn so gut verstehen. Ansonsten hast du entweder nachher keinen Atem mehr oder ganz gewaltiges Pech! Aber... Hey, wir haben noch ein anderes Pferd. Notfalls müssen wir auf Jagd gehen"


    Ich zwinkerte ihm fröhlich zu und beobachtete wie der Schwarze tatsächlich zu Skadi lief und sie beiden sich vorsichtig kennenlernten. Skadi wich immer ein wenig zurück, doch ich hatte das Gefühl, dass es weniger ängstlich, sondern eher neckisch von ihr gemeint war. Und nach nicht allzu langer Zeit tollten die beiden ausgelassen auf den Wiesen herum. Es war ein herrlicher Anblick. Die wehenden Männern, die fließdenen Bewegungen und diese Freude, die die beiden beim Spielen ausstrahlten. Ich sah aus den Augenwinkeln zu Maximian.

  • Maximian hörte das Lachen neben sich und sah gleichzeitig dazu, wie der Schwarze lief und lief und sich schließlich zu Julias Pferd gesellte. Den würde er nie einholen, dachte Maximian und verschränkte mit gequältem Blick die Hände im Nacken. Sowas konnte auch nur ihm passieren. Das war wie mit der Horde Kinder, die er einmal hatte beaufsichtigen sollen. Alles lief gut, bis eins der kleinen frechen Wiesel ein tolles Spiel entdeckt hatte - ich lauf weg und gucke dann, wie der dumme Onkel sich anstellt - und alle anderen Kinder es ihm nachäfften. Er seufzte und wandte sich mit seinem zerknirschten Blick Julia zu, die äußerst amüsiert wirkte. Naja, wenn man mal vergaß, dass das nicht sein kostbares Pferd war, sondern Hungaricus kostbares Pferd und dass dieser sich das so sicherlich nicht vorgestellt hatte... Erfreut würde er wohl auch eher weniger sein, wenn Max ohne den großen Vierbeiner heimkehrte.


    Ja, ließ man das alles außen vor und drückte dann noch mehr als ein Auge zu, dann konnte man der Situation wirklich etwas unglücklich witziges abringen.


    So lachte auch Maximian los, während Julia ihm kess die Aussichten, die ihn erwarten würden, wenn er das Pferd nicht erwischte, darlegte. Erst war sein Lachen leiser Natur, als würde sein Körper von einem leichten aber lautlosen Erdbeben erschüttert, aber schließlich wuchs es zaghaft an, bis es richtiggehend herzhaft erfrischend war.
    Mit einem Schnaufen ließ er die Arme vom Nacken gleiten, nachdem er sich den frust aus den Gliedern gelacht hatte, und lief wieder zurück zu Julia, die vorher noch ein ganzes Stückchen entfernt gestanden hatte, weil er dem Schwarzen ja hinterhergelaufen war.


    "Na gut, soll er seinen Spaß haben... Ich gönne es ihm."


    Er zog eine widersprüchliche Grimasse, dann stellte er sich an Julias Seite und sah ebenfalls zu den Pferden, die sich immernoch sehr vorsichtig beschnupperten. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und sah Julia bedauernd aber doch irgendwie schelmisch an.


    "Ich fürchte, aus dem gemeinsamen Reiten wird so schnell nichts. Dabei hätte es mich sehr interessiert, welches der beiden Pferde schneller ist."


    Auch er zwinkerte nun. Es war doch echt zum Mäuse melken - aber immerhin hatte sich so die Stimmung wieder wie von alleine gebessert und die beiden konnten sogar zusammen lachen. Maximian fiel auf, dass Julia ein sehr schönes Lachen hatte - ein Lachen, das er gerne häufiger hören würde, so angenehm und zum Mitmachen anregend wie es war.

  • [sim:off] Na dann viel Spaß beim Melken :D [/sim:off]


    Ich beobachtete ihn nachdenklich. Was sollten wir jetzt tun? Von meinem Lachanfall hatte ich mich gerade eben so erholen können und inzwischen fand ich die Situation gar nicht mehr so urkomisch wie noch eben gerade. Eher im Gegenteil, Maximian tat mir eher leid. Ich war ihm einige wenige Schritte entgegen gekommen und blieb wieder stehen, als ich sah, dass er auch auf mich zukam.


    „Wir könnten es einmal so versuchen, dass ich Skadi herrufe. Sie hört auf mein Pfeifen, so unglaublich es auch klingen mag. Ich weiß nur nicht, ob dein Pferd dann auch tatsächlich mitkommen wird. Oder ist das vielleicht zu riskant?“


    Was sollten wir nur tun, wenn wir sein Pferd nicht fangen würden. Sicherlich würde er einen Heidenärger bekommen und ich fühlte mich in diesem Fall schuldig, denn ich konnte doch sehen, wie sich das Pferd von ihm begann zu lösen.


    „Aber was sollen wir tun, wenn mein Plan misslingt? Mir würde kaum mehr einfallen, als das Pferd ziehen lassen, denn wenn einer von uns reitet um das deine zu fangen, hätte deines im Gegensatz zu meinem keine Last zu tragen!“


    Wenn Flavius uns hier so sehen könnte, würde er Magenschmerzen vor Lachen bekommen. Wir standen wie zwei begossene Wachhunde (Pudel gabs noch nicht :D) hier herum und beobachteten die beiden Pferde, die wahnsinnig viel Spaß zu haben schienen.

  • Ja, was sollten sie dann tun? Maximian sah einmal in die Richtung, aus der er gekommen war und verzog ungläubig das Gesicht. Also wenn er den ganzen Weg, den er zuvor geritten war, zu Fuß gehen musste, dann wünschte er sich festes Schuhwerk und gute Pflege in Rom. Er würde bis zum Abend noch nicht angekommen sein, zumal er bis hierher in hohem Tempo geritten war. Und der Wunschtraum von einer fürsorglichen Behandlung in Rom konnte er sich wohl auch komplett abschminken... Ihn würden viel mehr Vorwürfe erwarten, eine Standpauke von Hungaricus, eine von Mercator... Von allen möglichen Leuten.


    So zog der Junge Mann nur seine Schultern kurz hoch und blickte, nicht minder über das Schlamassel amüsiert, zu Julia.


    "Einen Versuch ist es wert, meine ich. Eine Verfolgung wäre aussichtslos und vom Herumstehen kommt er auch nicht zurück. Ich fürchte, wir haben gar keine andere Wahl als dein Kunststück auszuprobieren."


    Mit reichtlich skeptischer Miene fügte er noch hinzu, während er sich innerlich immer wieder und wieder einen unachtsamen Narren schalt:


    "Vielleicht klappt es ja doch und er trottet deiner Stute hinterher. Schlimmer als es ohnehin schon ist, kann es eh nicht kommen."


    Er machte sich auch erstmal gar keine Gedanken darüber, was sie machen konnten, wenn der Schwarze dem Pfeifen nicht Folge leisten würde. Dafür musste er zu viel an die Konsequenzen seiner Unachtsamkeit denken... Nein, noch hatte er nicht den Gedankenblitz gehabt, dass Julia ihm ja noch mit ihrer Stute aushelfen könnte.

  • Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. Einen Versuch war es durchaus wert. Also steckte ich mir meine Finger in den Mund und stieß so einen lauten Pfiff aus. Skadi hob schon einmal den Kopf, das beruhigte mich ein wenig. Bei einem zweiten Pfiff kam sie unglaublicherweise angelaufen und blieb in der Nähe von mir stehen.


    Doch wir hatten Pech. Der Schwarze lief ein gutes Stück mit ihr, doch als er erkannt hatte wo es hingehen sollte blieb er stehen und prustete unwillig. Ich sah ihn verzweifelt an und überlegte fieberhaft wie man ihn anlocken könnte. Also bückte ich mich und pflückte das saftigste Gras was man um diese Jahreszeit finden konnte und drehte mich mit dem Rücken zum Schwarzen, auf dass er herkommen mag. Da ich nichts sehen konnte drehte ich meinen Kopf leicht herum. Er sah interessiert herüber und ist auch schon einige Schritte herangekommen. Ich begann schon, mir Hoffnungen zu machen...


    ...da schien er die Falle zu erkennen und schüttelte demonstrativ stur die flauschige Mähne und lief davon: Weiter weg als er noch vor wenigen Minuten war. Ich schmiss das Gras angesäuert auf den Boden. Als Skadi dass sah kam sie sanftmütige Stute heran und schob ihren Kopf unter meinem Arm hindurch und frass das Gras. Ich konnte mir ein schwaches Lächeln abringen und ging zurück zu Maximian.

    "Ja, das war dann also nichts... Tut mir leid, dass ich ihn noch weiter verscheucht habe. Ich verstehe das nicht. Entweder ist das Tier ganz besonders intelligent oder ganz besonders misstrauisch. Nun gut, wir können es jetzt auch nicht mehr ändern. Ich könnte dich auf meiner Skadi mitnehmen, wenn wir nicht zu schnell reiten und hin und wieder eine Pause einlegen, müsste es gehen! Aber was machen wir dann mit ihm hier? Lassen wir ihn hier? Oder wollen wir morgen noch einmal mit anderen hierherkommen und nach ihm suchen?"


    Ich sah Maximian fragend an. Das hatte ich ja schön versaut. Nur meinetwegen würde er nun mächtig Ärger bekommen. Und ich habe mich auch noch darüber halb tot gelacht. Ich seufzte tief, wusste auch nicht so recht was wir nun tun sollten. Skadi würde den Rückritt sicherlich auf vorgeschlagene Art mitmachen und vermutlich würden Maximian und ich auch keine Probleme miteinander bekommen. Doch was würde dann mit dem Schwarzen?

  • Maximian beobachtete mit ahnungsvoller Miene und sah dann auch promt kommen, was er befürchtet hatte. Das schwarze Tier ließ sich von der einfallsreichen Pferdekennerin nicht täuschen und suchte das Weite, das nun, da kein anderes Pferd mehr stoppen konnte, ziemlich weit war. Nein, das Pferd zu kriegen was unmöglich - er würde jedes Spiel vorher erkennen und rechtzeitig die Flucht antreten.
    Der junge Decimus seufzte und schüttelte dann den Kopf, während er den Blick wieder auf Julia ruhen ließ.


    "Warum tut es dir leid? Es war meine Unachtsamkeit... Ach, was soll's. Gekriegt hätten wir ihn so oder so nicht."


    Maximian machte eine wegwerfende Bewegung in Richtung des immer noch laufenden schwarzen Pferdes, dann trat er langsam und miut ausgestreckter Hand auf das Pferdchen von Julia zu, das genüsslich das Gras aus ihrer Hand fraß.
    Es war bestimmt ein kräftiges Tier, das sie beide aushalten würde, doch erstmal konnten sie ja noch ein Stückchen laufen. Dabei wusste er nicht einmal genau, ob er verlangen konnte, dass Julia ihm half. Er tat nebensächlich, als er unauffällig nachhakte.


    "Den müssen wir wohl hier lassen... Auch wenn es seinem Besitzer nicht gefallen wird. Aber vielleicht sind es nur ein paar Stunden, die er hier sein wird. Wenn es sein muss, reite ich mit seinem Besitzer wieder hierher, um ihn zu holen. Es ist ein gutes Stückchen bis nach Rom... Ich will dir nicht zur Last fallen - den Weg könnte ich auch gehen."


    Aus dem Augenwinkel sah Max die junge Frau fragend an, dann ging er einmal um das Pferd herum und besah es sich scheinbar ziemlich genau. Das tat er auch, wobei er aber auch hin und wieder zu Julia schielte.
    Und in diesem Moment, als er auf der anderen Seite des Pferdes angelangt war, fing er sich an zu freuen auf die Zeit, die sie so beide noch zusammen miteinander verbringen würden. Insgeheim wäre er später dem Schwarzen sogar zu Dank verpflichtet gewesen...

  • Eigentlich fand ich es gar nicht so schlimm, dass das Tier weggelaufen ist. Man kann es später immer noch holen und so musste ich nicht allein sein. Ich begann das alleinsein zu verabscheuen, denn wenn die Gesellschaft entsprechend ist gibt es nichts schöneres als Gespräche oder einfach nur die Gegenwart des Anderen zu spüren. Lächelnd beobachtete ich Skadi beim kauen.


    "Ich habe sie damals völlig allein angefunden, damals in Germanien. Ihre Mutter starb bei der Geburt und ich habe sie mit Ziegenmilch großgezogen. Daher kommt diese enge Bindung. Ihr Brüderchen ist auch direkt bei der Geburt gestorben. Skadi dürfte jetzt 5 Jahre alt sein. Sie ist ein schönes Tier, nicht wahr?"


    Ich bemerkte sehr wohl, wie er mich manchmal musterte, doch ich sprach ihn nicht darauf an. Im Gegensatz zu diesem schnöseligen Patrizier damals, der mich bei den Ludi ansprach, machte er es nämlich distanziert. Und ohnehin war er viel offener und eben ganz anders. Es gefiel mir, mich mit ihm zu unterhalten und bei ihm war ich auch nicht abgeneigt beobachtet zu werden.

    "Mir würde es absolut nichts ausmachen, dich bis nach Roma mitzunehmen. Und selbstverständlich können wir auch hin und wieder zu Fuß gehen. Ich habe es gar nicht eilig nach Hause zu kommen, denn dort ist niemand, die sind alle in Germanien soweit ich weiß. Und dann bin ich doch lieber hier in der freien Natur als in irgendwelchen Wänden eingepfercht wie ein junger Löwe im Kolosseum."


    Und in Gedanken begann sich langsam ein tollkühner Plan zusammen zu fügen. Da ich das eingesperrtsein ohnehin nicht leiden konnte, würde ich vielleicht heute nacht losreiten und eine kleine Treibjagd veranstalten. Wenn ich alleine und mit Skadi hier wäre würde der Schwarze sicherlich eher Vertrauen fassen.

  • Maximian hörte sich die Geschichte der Stute an und nickte dann, als er wieder bei Julia angekommen war. Dass ihr Pferd ausgesprochen schick war, hatte er schon vorher festgestellt. Er warf einen abwertenden Blick zu "seinem" Schwarzen und räusperte sich.


    "Das ist sie. Und intelligenter als der Holzkopf dort."


    Dabei musste er wieder grinsen. Holzkopf passte wirklich vorzüglich zu dem Tier, das seinem Reiter davongelaufen war und ihm somit ordentlich Äger bescherte. Aber nicht nur Ärger, was wiederum das Gute an der Sache war.


    "Na gut, wenn du es mit mir aushälst, dann würde ich mich freuen über deine Begleitung."


    Er lächelte und schüttelte dabei leicht den Kopf, während er vorsichtig die Stüte am Hals tätschelte. Sie hatte ein wunderbar weiches Fell, das angenehm zu berühren war.


    "Eigentlich habe ich vor all den Menschen davonlaufen wollen, als ich mir den Holzkopf schnappte. Und jetzt kann ich es mir schon nicht mehr vorstellen den Weg alleine zurückzulegen. Vor allem nicht allein zu Fuß."


    Er wandte den Kopf zu Julia und lachte dabei leise und zwinkerte. Nein, er mochte ihre Anwesenheit gerne und freute sich wie gesagt über die Zeit, die er mit ihr verbrachte. So hatte er die Gelegenheit das sonderbare Mädchen besser kennenzulernen, was ihn unheimlich reizte. Sie war anders, sie war... sie war nicht so aufgedreht wie die jungen Frauen, denen er bislang immer begegnet war. Nur Viola mochte da noch eine Ausnahme machen. Max seufzte bei dem Gedanken an Viola - dass sie auch immer wiederkehren mussten und ging ein paar Schritte.


    "Na dann. Wollen wir?"

  • Ich musste lachen, es prustete einfach aus mir heraus. Die beiden kamen mir wirklich komisch vor. Und Holzkopf traf vor allem das Pferd. Es war wirklich ein Holzkopf. Wenn es nun Maximians Tier gewesen wäre hätte ich gesagt "Wie der Herr so das Geschehr" aber dann musste des Tieres wahrer Herr wohl der Holzkopf (Sorry Hungi :D)sein. Ich schüttelte lachend den Kopf.

    Achherje, dass kann wirklich noch heiter werden! Also Humor besitzt du, das muss man dir lassen! Warum sollte ich es also mit dir nicht aushalten? Solange wir Spaß miteinander haben ist es doch so oder so in Ordnung!


    Ich war gerne mit ihm zusammen, das konnte ich schon jetzt feststellen. Wenn jeder in der Gens Decima so war, dann Erbarmen mit der Frauenwelt. Ich konnte mich noch zu gut an Meridius erinnern, auch mit ihm konnte man sich prima unterhalten. Und ich wusste auch noch von den Nachwirkungen des Gespräches, als ich wieder in Confluentes war. Wie hatte mich meine Brüder damals gewarnt, aber sie hatten Recht gehabt. Das war nur eine Schwärmerei, sonst wäre ich nicht so schnell darüber hinweggekommen. Und nun stand ich vor seinem Sohn, eine seltsame Situation.

    Na dann wollen wir doch gleich einmal aufbrechen, wir haben auch unterwegs noch genügend Zeit zum plaudern. Und der Weg wird lang genug sein. Ich bin sehr lange unterwegs gewesen als ich im Galopp herkam und nun werden wir mindestens die doppelte Zeit verbrauchen.


    Und hoffentlich ruhig noch ein wenig länger. Ich begann die Dunkelheit beinahe zu hassen, ich war nicht mehr gerne alleine. Sicherlich würde man auchmal seine ruhigen Minuten brauchen, doch ich brauchte auch einmal wieder Spaß! Und vorallem richtige Unterhaltungen, tiefe Unterhaltungen.

  • Maximian schmunzelte über Julias Entgegnungen und schritt an ihrer Seite langsam voran. Also machten sie sich auf den Weg nach Rom - und er war weit, aber er würde wohl schnell vergehen. Sowas passierte immer genau dann, wenn man eine schöne Zeit hatte; die Zeit raste und ehe man sich versah, war sie vorüber. Aber nun blieb erstmal Zeit zum Genießen - und sie waren ja wirklich noch weit von Rom entfernt.


    "Na dann mal los."


    Irgendwie schien das Schmunzeln auf seinem Gesicht zu einer Art Daueranstrengung für die darunterliegenden Muskeln. Aber es tat herrlich gut, weshalb der junge Mann nur noch einen flüchtigen Blick auf das schwarze Pferd war, das munter vor sich hergraste.
    So liefen sie eine Weile schweigsam nebeneinander her und ließen das Waldstück, an dem sie sich begegnet waren, langsam aber sich hinter sich. Er lief schlendert, hatte einem Strauch ein paar Blätter abgerissen und spielte damit nun herum.


    "Was magst du denn noch so, außer auszureiten und dabei gerissene Holzköpfe mit ihren unachtsamen Reitern zu treffen?"


    Auch hierbei schmunzelte er wieder. Ob es auf seinem Gesicht festgewachsen sein würde, wenn sie Rom erreicht hatten?

  • Nun... Da gibt es nicht besonders viel über meine Tätigkeiten zu erzählen. Wann immer es meine Zeit erlaubt verbringe ich diese draußen im Freien und schnappe frische Luft. Ich reite sehr viel aus, erst vor wenigen Tagen war ich in Ostia. Doch ich muss sagen die Route die ich heute geritten bin hat mir bislang am Besten gefallen. Sie war so unbefleckt und man wurde nicht durch irgendwelche Leute aufgehalten, die einem im Weg stehen und es war auch kein lautes Hufgeklapper zu vernehmen.


    Ich musste an meine Flucht in den Wald von Confluentes denken. Das war auch eine seltsame Zeit, die Stunden die ich dort zubrachte. Erst dort fand ich wieder richtig zu mir, zumindest zu meinem Willen. Ich war nun nicht bei der Sybille gewesen, aber das sollte mir nichts ausmachen. Wahrscheinlich hätte sie mir etwas über die Zukunft aussagen können, doch mit einem beschwerlichen Weg dorthin, wie zum Beispiel, dass ich mich eigenständig ändern müsse. Und das war mir inzwischen auch klar geworden, ich konnte nicht immer darauf warten, dass die glücklichen Umstände auf mich zuflogen.


    Was mache ich noch? Man kann sagen, dass ich weitaus mehr als die Hälfte meines Lebens mit tiefsinnigerem Nachdenken verbracht habe. Ich meine, der Mensch denkt ja immer, doch über anderes. Emotionale Gedanken, wenn du verstehst was ich meine. Und ich reite sehr gern auch bei Nacht aus. Vorallem wenn es geschneit hat. Dann ist die Luft so klar und der Himmel mit Glück frei von jeglichen Wolken. In Germanien schneit es auch absout jeden Winter, dadurch reite ich natürlich noch viel lieber aus.


    Ich sah zu ihm, diese Frage stellte ich mir schon ein wenig länger.


    Und warum bist du noch einmal nach Rom gekommen? Ich hatte eigentlich vor zum Orakel zu gehen, doch vermutlich hätte es mir nicht viel mehr sagen können, als was mir in meinem bisherigen Leben auch schon gezeigt wurde..

  • Maximian lauschte Julia, wie sie erzählte, was sie sonst noch so trieb. Offensichtlich war sie ein wohl eher ruhiger Mensch, der vor allem Stille um sich herum brauchte, wenige Menschen. Da genoss sie lieber das Zusammensein mit einem Tier, ihrem Pferd. Weil es nicht redete? Weil sie ihm blindlinks vertrauen konnte? Weil sie nichts zu befürchten hatte?
    Ihm war auch aufgefallen, dass die Strecke, die er zurückgelegt hatte, eine sehr unbefahrene oder -berittene war. Aber genau so hatte er sich das auch vorgestellt, eben ohne andauernd entgegenkommende Menschen, die einen nur wieder aus den Gedanken rissen. Hungaricus hatte sie ihm empfohlen, die Strecke... Wenn der wüsste.
    Als sie geendet hatte zu berichten, sah er sie an und lächelte. Seine Stirn lag aber in lustigen Falten.


    "Ein Haus ist wohl wirklich kein Platz für dich. Jedenfalls nicht auf Dauer."


    Dann erinnerte er sich an die letzten Tage vor seiner und Mercators Abreise nach Rom. Er fühlte wieder die Magenschmerzen in sich aufkommen, die Angst, den Raum zu betreten, in dem Viola aufgebahrt war und die Einsamkeit, wenn er abends allein in seinem Cubiculum gelegen hatte und resümierte, dass wieder ein Tag verstrichen war, an dem er nicht zusammen mit der jungen Frau gelacht hatte.
    Und die Magenschmerzen wurden doller, weil er bei diesen Gedanken beinahe den Atem angehalten hatte. Als er es nun merkte, seufzte er und fixierte einen Punkt irgendwo weit vor ihm im Walde.


    "Mein Beweggrund dafür war einfach die Neugier. Schon immer wollte ich Rom einmal besuchen, so viel hörte man selbst im Dorf, wo ich gelebt habe, davon. Dann bekam mein Großonkel vom Kaiser einen Brief, dass er zum Ritter geschlagen werden solle."


    Eine kleine Lücke ließ er, die der Lücke in seinem Herzen zu ähneln schien, ehe er weitersprach. Auch wenn es schmerzte, wusste er, dass er Julia vertrauen konnte. Er hatte nur noch kein Wort darüber verloren, seitdem er Viola damals dort in der Casa Decima hatte liegen sehen, deshalb war das nun nicht wirklich leicht. Abermals seufzte er schwer.


    "Kurz zuvor war jemand gestorben - eine Person, die mir nahestand. Es schien, als wäre meiner Familie diese Gelegenheit zurecht gekommen, denn sie schickten mich mit nach Rom, bevor ich am Trauermarsch teilnehmen konnte. Naja, ich habe mich aber auch auf Rom gefreut, so ist das nicht. Auf das Orakel unter anderem. Aber auch auf die Märkte, den Circus..."


    Tjaaaa... Damit hatte er einen Teil der Wahrheit preisgegeben, aber so geschickt, dass man nicht unbedingt daraus schließen konnte, wer der oder die Gestorbene war. Er wollte nicht gefragt werden, wer es war. Er hatte ihren Namen so lange nicht mehr ausgesprochen und wollte es auch nicht tun, denn er fürchtete, dass der Schmerz dann aus ihm herausbrechen würde.

  • Ich hatte nach meinen letzten Worten die ganze Zeit über geschwiegen. Mit einem Lächeln, doch als ich seine Trauer bemerkte, schwand dieses Lächeln. Ich hatte nicht zu ihm gesehen, sondern immer darauf geachtet wo ich hintrat. Aber sie hatte es gespürt, wie ich schon vieles spürte. Ich bekam Mitleid mit ihm, was auch immer vorgefallen war. Warum er traurig war, wusste ich nicht. Noch nicht.


    Ich merkte schon allein daran, dass etwas nicht stimmte, da seine Stimme leiser wurde. Und als ich zu ihm sah wirkte er abwesend. Sein Kopf war zwar nicht gen Boden geneigt, jedoch der Blick verlor sich im Himmel. Die Sonne stand schon etwas tiefer, ich schätzte die Zeit auf späten Nachmittag. Und mein Blick ging wieder zu dem bedrückten Maximian.


    Da plötzlich sprach er, er sagte mir, was ihn bekümmerte. Ich schüttelte den Kopf, ich hätte es mir doch denken können. Ich hätte lieber nicht nachfragen sollen. Auch wenn wir bald wieder würden lachen können, ihn würde es von nun an sicherlich wieder ein wenig länger beschäftigen. Doch andererseits war ich auch sehr froh, dass er offen mit mir sprach. Das gab mir das Gefühl, dass er mir vertraute. Und so beschloss ich, nicht nachzufragen wer gestorben war, denn wenn er es hätte sagen wollen, so hätte er es von sich aus gesagt.


    Ich drehte meinen Kopf einmal um. Der Schwarze, wie auch ich ihn inzwischen liebevoll nannte, graste noch immer friedlich auch der Weide. Es stellte einen schönen Anblick da und ich hatte das gute Gefühl, dass es kein langer Akt werden würde, wenn ich des Nachts herkomme und ich fangen werde. Klammheimlich werde ich das Tier in seine Stallung zurückbringen. Sein Herr und Maximian werden dann gewiss große Augen machen.


    Ich wandte den Blick wieder nach vorne und da fiel mir ein Sprichtwort ein, dass da lautete "Sieh nach vorn und nicht zurück"! Es war viel leichter gesagt als getan, denn meine Erinnerungen riefen sich bei der traurigen Geschichte Maximians von selbst wieder wach. Die Schreie, das Prasseln des Feuers. All diese Geräusche waren fest in meinem Kopf verankert und ich wusste nicht ob sie jemals auch nur verblassen würden.


    Wir selbst sind ein Spiegelbild der Vergangenheit!


    Ich wusste nicht wo ich diesen Spruch schon einmal gehört hatte oder ob ich es überhaupt jemals getan hatte, doch ich murmelte ihn leise vor mich hin. Eher für mich als für Maximian gedacht und wahrscheinlich hatte er es auch gehört. Ich wandte mich ihm mit einem Lächeln zu. Es war ein unsicheres Lächeln und ich versuchte die Situation ein wenig zu erleichtern.


    Verzeihung, doch es ist mir gerade einfach so eingefallen. Und wenn ich da so drüber nachdenke stimmt das. Was in der Vergangenheit geschah beeinflusst unsere Zukunft sehr stark. Doch wie könnte man diesem Inhalt ein Sprichwort für die Zukunft bringen? Es liegt an uns dieses Spiegelbild so anzupassen, dass es uns gefällt?


    Komische Worte welche ich die ganze Zeit hervorbrachte und ich schüttelte lächelnd den Kopf. Ich überlegte ob ich diesen Spruch nicht sogar zu einer Art Leitspruch für mich machen sollte, doch ich sollte nicht immer zurück, sondern auch vor blicken. Der kleine Valentin mit dem Schwert, verzweifelt nach mir Ausschau haltend. Da plötzlich wird er angegriffen und er entschwindet meinen Blicken während ich fortgezerrt wurde. Ich seufzte, sollte endlich aufhören daran zu denken. Zumindest für heute abend.

  • Leise vernahm er Julias Worte, als wären sie gar nicht für ihn bestimmt gewesen - nur so vor sich hergeredet. Aber er hatte sie verstanden, war die Natur doch ruhiger, als das Ohr es von den Städten, in denen es sich sonst Tag ein und Tag aus zurechtfinden musste, kannte.


    Aber stimmte es? Waren wir selbst Spiegel unserer Vergangenheit? Oh ja, es stimme so sicher wie Maximian immer noch der Junge vom Land war. Das war zwar seit einigen Wochen schon Vergangenheit, doch wäre er heute hier gewesen, wenn er in einer Stadt geboren wäre und nie ein anderes Leben als das eines Stadtbewohners geführt hatte? Nein, sehr wahrscheinlich nicht. Denn dann hätte er sicherlich nicht erkannt, was die Natur alles herzugeben bereit war, weil er gar keine Augen für sie gehabt hätte.
    Er war also der Spiegel seiner Vergangenheit - merkwürdig, wenn man sich das vorstellte. Wenn man also den Schlüssel besaß, zu diesem verborgenen oder auch sichtbaren Spiegel, dann müsste man durchaus etwas ändern können - so wie sich auch die Natur veränderte oder Kinder aufwuchsen.


    Irgendwie spendete dieser Gedanke und damit Julias Worte ungemein Trost, auch wenn man dafür wirklich zwischen den Zeilen ihres Gesagten gründeln musste. Doch das beide stark im Denken waren, hatte sich während ihrer knapp einstündigen Begegnung ja bereits herauskristallisiert.
    Ein Wort jedoch störte ihn. Dieses "Anpassen".


    "Hmhm... Man sollte sich so verhalten, wie man sich selber gerne sieht. Das klingt schwierig und ist es bestimmt auch. Ich... habe es noch nie versucht. Aber wenn ich es tun würde, wüsste ich, dass ich nicht alleine bin. Dass es bestimmt ein paar Menschen gibt, die mir dabei unter die Arme greifen würden."


    Der Unterton, der während diesen Worten mitschwang, hatte eine ganz bestimmte Bedeutung. Er hatte natürlich nicht vergessen, dass Julia gesagt hatte, sie hätte eine schwierige Kindheit gehabt. Für ihn hatte es sich beinahe so angehört, als würde sie vor etwas davonrennen. Vielleicht hielt sie sich auch häufig selbst den Spiegel vor und sah etwas, das sie nicht sehen wollte. Vielleicht versuchte sie sich anzupassen, ihre Vergangenheit zu verdrängen. Dabei sah Maximian eine Gefahr für ihre Persönlichkeit, ihre Seele.
    Die Bedeutung des Untertones war also Vertrauen, das er ihr spenden wollte. Außerdem versuchte er sich vorsichtig vorzutasten, um das, was seiner neue Freundin immerzu wieder einen Schatten auf das Gesicht trieb, zu verstehen.
    So hatte er auch, als er geendet war, seinem Kopf erstmals von dem Punkt in der Ferne losreißen können und zurück zu Julia wandern lassen. Er sah nicht ernst oder gar traurig drein - seine Züge umspielte sogar ein ansatzweise erkennbares Lächeln.


    Verrückt, wenn man sich das überlegte. Gerade eben hatte er noch seiner Freundin Viola nachgetrauert, was ihn in den letzten Wochen doch reichlich häufig für mehrere Stunden wenn nicht gar ganze Tage gefesselt gehalten hatte, und nun konnte er fast schon wieder Lächeln und die Gedanken an Viola waren wie weggewischt.
    Um ehrlich zu sein verwirrte es den jungen Mann ein wenig. Woran hatte es nun genau gelegen? An den Worten, die Julia gesagt hatte oder nur schon daran, dass sie bei ihm war, als er das erste Mal überhaupt den Tod der ihm nahestehenden Person ausgesprochen hatte?

  • Sim-Off:

    *keuch* Verdammte Erkältung, ich habe für deinen Text 8 Minuten zum lesen gebraucht, weil mein Kopf durch die Gegend flog *gg*


    Ich nickte bei seinen Worten. Ja, er hatte schon recht. Was er wohl genau mit seinen Worten ausdrücken wollte? Die waren doch bestimmt ein wenig hintergründig... Ich sah ihn an und lächelte. Und ich sah wieder weg, sah über die ebene. Der Weg vor uns war sehr schmal und kaum benutzt, viele Tiere befanden sich auf ihm und huschten herum. Hier eine Ameise, da ein Grashüpfer...


    Ja... Doch...


    Ich wusste nicht ob ich einfach ehrlich heraussprechen solte. Es waren die Gedanken die mich schon seit Wochen plagten, gar Monaten und mit denen ich noch nicht einmal mit Flavius sprechen könnte, da ich ihn nicht mehr gesehen hatte. Doch warum sollte ich es nicht sagen, wenn es mir schon auf den Lippen lag. Ich würde einfach mein Herz sprechen lassen, so schwer fiel es mir nicht, da es schon immer eng mit meinem Verstand zusammenarbeitete. Bei den meisten arbeiteten ja beide immer getrennt.

    Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich wirklich bin und wer ich wirklich bin. Es ist ein stetiger Gefühlswechsel und gegen den kann ich nichts unternehmen. Es ist immer wieder anders und ich weiß nicht mehr wohin mit meinen Fragen und der Suche nach Antworten. Und niemand anderes als ich selbst könnte antworten, denn niemand kennt mich besser. Doch woher bekomme ich die Antworten, wenn nicht einmal ich selbst sie kenne?


    Ich sprach von inneren Konflikten, sprach von Dingen über die ich nichts wusste. Mein Kopf formte meine Gefühle in Worte um, ohne dass ich ihren tieferen Sinn verstand. Würde ich dies einmal tun? Wohin würde es mich führen wenn ich über Dinge sprach die ich selbst nicht einmal weiß? Ich sollte Maximian nicht mit derartigen Dingen belasten, sicherlich litt er noch genug unter dem Verlust dieser Person.


    Das Leben kann schon seltsam sein, nicht wahr? In dem einen Moment noch weint man und im nächsten Moment lacht man. Wie ich als dein Schwarzer davongelaufen ist! Man weiß niemals was das Schicksal für einen bereit hält, doch vielleicht ist es auch besser so! Vielleicht würde man das Leben schneller aufgeben wenn man von schlimmen Dingen der Zukunft wüsste als wenn man es hinter sich hat. So geht die Qual schneller um als wenn man noch vor dem schlimmen Geschehnis trauern würde. Und Leute wie ich machen es sich durch das viele Sinnieren noch schwieriger durch das Leben zu schreiten!


    Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Was sprach ich nur. Bei mir konnte man von sprechen, dass Lebenserfahrung vorhanden war. Doch belastete diese Erkenntnis nicht nur? Ich fühlte mich manchmal so unendlich alt, dabei war ich gerade einmal Ende 17. Mein Körper war jung und frisch, doch mein Geist fühlte sich so oft ausgelaugt mein Herz oft so unendlich schwer. Doch wer verlor schon seine Eltern im Kindesalter und wurde in eine völlig fremde Gegend mitgeschleppt?


    Und warum konnte ich selbst bei so schönen Momenten nicht diese traurigen Gedanken fernhalten? Wollten sie mich zum sprechen bewegen? Oder wolten sie mich zur Verzweiflung treiben? War ich nicht selbst für mein Handeln, Tun und Denken verantwortlich? Wollte ich am Ende dass es mich erdrückte? Ich musste etwas dagegen tun, doch nur was?

  • Maximian konnte die vielen Fragen, die aus Julia herausquollen, nicht, wie er gerne gewollt hätte, beantworten. Noch weniger durfte sie aber von sich erwarten, dass sie sich diese Fragen alle allein beantworten musste. Das konnte kein Mensch, denn um zu wissen, wer man war, brauchte man Menschen um sich herum. Man musste mit ihnen lachen und mit ihnen weinen, um über sich zu erfahren, und dass das ein eher langwieriger Prozess war, stand außer Frage.
    Aber... konnte es denn wirklich sein, dass ein Mensch sich selber nicht kannte? Vielleicht war man unsicher und unzufrieden mit sich und konnte häufig nicht nachvollziehen, warum man etwas oder wie man es tat. Aber war es wirklich möglich, dass man nichts über sich wusste? Nein, das glaubte Maximian nicht. Er hielt es eher für wahrscheinlich, dass man einfach nicht gelernt hatte, in sich hineinzuhören und sich als Menschen zu betrachten. Vielleicht hatte man jahrelang unter psychischem Druck gelebt und gelitten, was einem das auch nahezu unmöglich gemacht hatte. Wurde einem Jahre gestohlen, egal auf welche Weise, dann musste es hinterher unweigerlich so sein, als würde man aus einem Koma erwachen. Aber dass man sich nicht kannte, konnte man so dann nicht sagen. Man hatte es vielleicht vergessen, was einen ausmachte. Verdrängt, verborgen gehalten, um sich zu schützen. Aber es war alles da.


    Er wandte den Kopf zu Julia und sah sie einen Moment lang schweigend und eindringlich an. Auch verlangsamte er seinen Schritt, bis er schließlich stehenblieb.
    Er überlegte gar nicht erst, was er im Begriff war ihr zu sagen. Er musste es sagen, vielleicht half es. Vielleicht würde Julia eines Tages daran denken und wieder zu sich finden können. Allein das war Grund genug.


    "Ja, das Leben kann seltsam sein. Es kann aber auch grauenhaft sein, wiederum erfreulich und belebend. All das kann dazu führen, dass man sich verschließt. Vor anderen, vor sich - um sich zu schützen oder die anderen. Man schläft nur noch, isst und wandert umher, ziellos und allein, und sucht nach jeder Menge Antworten. Aber du kannst nicht von dir erwarten, dass du sie alle findest. Vielleicht ein paar von ihnen, aber gewiss nicht alle."


    Max machte an dieser Stelle eine kleine Pause und sah Julia mit zusammengekniffenen Augen an. So wie sie dastanden, schien ihm die Sonne direkt in die Augen, sodass er beinahe nur ihren Umriss wahrnehmen konnte. Was sie wohl dachte? Vielleicht glaubte sie, dass sie es mit einem Spinner zu tun hatte und lachte insgeheim über ihn. Oder aber sie wollte nicht hören, was er sagte, und er erkannte es nicht. Nun hatte er aber schon angefangen, also würde er weitermachen. Er machte einen Schritt auf sie zu - doch besser sehen konnte er sie dadurch nicht. Aber er ging trotzdem nicht weiter.


    "Wie viel Zeit haben wir jetzt miteinander verbracht. Eine Stunde, vielleicht zwei? Und ich sage dir, allein die ersten Augenblicke haben mir sehr viel über dich erzählt, ohne dass du es bemerkt hast. Und jetzt, nach 2 Stunden, habe ich ein Bild von dir, das diese ersten Eindrücke bestätigte. Du bist nicht nur eine Person, der ich zufällig unterwegs begegnet bin. Du bist ein freundlicher Mensch, einer, der gerne lacht und mit der Natur verbunden ist, die keine Fragen stellt, auf die du Antworten suchen musst. Du liebst deine Brüder, auch wenn du dich manchmal versuchst von ihnen loszusagen, um deinen Wünschen nachzugehen. Du bist feinfühlig, nicht nur den Menschen gegenüber, und besitzt einen klareren Verstand, als mancher Senator. Auch weißt du mit schwierigen Situationen umzuegehen, bist hilfsbereit und... Ich könnte noch mehr aufzählen. Was ich damit aber sagen will, ist, dass manche Antworten vielleicht direkt vor deiner Nase stehen und du sie nur annehmen brauchst."


    Immer noch konnte Maximian das Gesicht der jungen Frau nicht erkennen, sie wahrscheinlich aber seines. Er sah sie aufrichtig an, keinesfalls feindselig oder berechnend.
    Nun hatte er also seine Karten ziemlich offen dargelegt. Wie sehr er hoffte, dass er sich damit nicht zu weit vorgewagt hatte. Und als er noch aufrichtig und vorsichtig zugleich in Iulias Gesicht sah, das er nicht erkennen konnte, wurde ihm mit einem Mal klar, dass er sie bereits in sein Herz geschlossen hatte. Mehr noch als das...

  • Sim-Off:

    Nicht wundern wenn dieser Post sich seltsam anhört, bin grade wegen Beethoven in kuschliger Stimmung :)


    Ich lauschte aufmerksam jedem seiner Worte. Er sprach sehr angenehm und es war angenehm ihm zuzuhören. Und vorallem schien er ganz genau zu wissen was er sagte, das fand ich bewundernswert. Er war sich dem Inhalte seiner Worte vollkommen bewusst. Und es waren wahre Worte, vielleicht sollte ich aufhören auf alle Fragen Antworten zu suchen... Vielleicht sollte ich einfach so viele wie möglich zu beantworten versuchen und solche die ich nicht schaffe beantworten sich vielleicht während meines weiteren Lebens.


    Ich war in Gedanken versunken, so merkte ich gar nicht, dass Maximian langsamer wurde. Erst als auch Skadi stehen blieb schrak ich aus meinen Gedanken aus. Sie sah Maximian an und stieß ein leises Wiehern aus. Da kam er auch schon ein paar Schritte auf mich zu. Ich lächelte ihm entgegen. Er sah mich ernst und beinahe beschwörend an, während er sprach.


    Und auch hier behielt er bei jedem seiner Worte Recht. Versuchte ich mich von meinen Brüdern loszusagen? Es war gut möglich, vermutlich deshalb weil ich endlich lernen wollte ein wenig eigenständiger zu sein. Und wenn es brenzlig wurde suchte ich doch wieder ihren Schutz auf. Aber dazu war Familie schließlich da, um immer einander zu helfen und eine Zugehörigkeit zu haben. So war es zumindest in meinem Leben immer gewesen.


    Ich würde gar nicht einmal sagen, dass ich einen solch klaren Verstand habe. Und das mit den schwierigen Situationen ist so eine Sache. Wenn sie emotional schwierig sind dann schaffe ich es nicht sie zu bewältigen. Ich... werde dir einfach einen Teil dessen schildern, was mir damals wiederfahren ist. Ich habe bislang nur mit meinem Bruder drüber gesprochen und ich weiß nicht warum ich ausgerechnet mit dir drüber sprechen werde... Doch ich denke nicht, dass es falsch ist und selten haben mich meine Gefühle betrogen!


    Hatte ich das tatsächlich gesagt? Und hatte ich das wirklich ernst gemeint? Nun hatte ich es ausgestoßen und ich konnte es nun nicht mehr einfach für mich behalten, es wäre unfair ihm gegenüber. Doch was bewegte mich dazu ihm das anzuvertrauen? War es wieder einmal mein Herz? Was hatte es auszusagen, dass ich mit ihm sprechen wollte? Ich nahm mir ganz fest vor, nicht zu weinen und sah ihm in die Augen, verankerte mich fest in ihnen um nicht den Halt zu verlieren.


    Nun... Ich bin im freien Germanien geboren und habe dort mit meiner Familie gelebt. Wir haben auf dem Land gelebt und zu den Ampsivariern gehört, hatten eine recht große Sippe. Es war ein herrliches Leben, du kannst es dir ähnlich wie deines vorstellen. Mit dem Unterschied, dass wir noch abgeschiedener waren und keinen Anschluss ans römische Imperium hatten. Doch unser Stamm lag mit einem anderen im Streit und so kam es, dass wir überfallen wurden. Alles brannte alles stand in Flammen, meinem alten Vater wurde ein Schwert durch die Brust gestoßen, als er sich den Gegnern als ein wahrer Mann stellte. Meine Brüder waren damals noch so jung... und...


    Meine Stimme wurde ein wenig schriller ich sah alles wieder so lebhaft vor mir als wäre es erst eben gerade geschehen. Ich sah wie mein Vater mit einem leeren Blick niederging, wie mein Bruder Flavius tapfer kämpfte obwohl auch er noch nicht die Erfahrung im Kampfe hatte. Ich sah wie meine Mutter von mehreren Männern angegriffen wurde....


    als ich von hinten aufgenommen wurde und laut begann zu schreien... Valentin sah zu mir, er wollte mir helfen, wollte mich retten, doch jemand kam ihm zuvor, forderte ihn zum Zweikampf... der stets friedfertige Junge Valentin...


    Plötzlich bemerkte ich, wie mir die erste Träne die Wange runterrollte... Ich hätte es nicht erzählen dürfen und ich würde auch kein Wort weiter sagen. Ich würde dieses Geheimnis eines Tages mit ins Grab nehmen. Selbst Flavius würde niemals die volle Wahrheit, die grausamen Details meiner Geschichte kennen. Mein Blick ging starr an Maximian vorbei, ich blickte ins Nichts, sah nur noch Flammen, hörte Todesschreie... Warum...

  • Als Julia damit begann ihn - oder sich? - darauf vorzubereiten, dass sie etwas über ihre Vergangenheit erzählen würde, hatte Maximian fast widersprechen wollen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie eine schwere Vergangenheit hatte und er hatte mit seinen Worten nicht bezwecken wollen, dass sie nun erneut daran erinnert werden sollte. Woran auch immer. Anscheinend wollte sie es ihm aber erzählen... konnte er ihr da noch einfach so seine Ohren Versagen? Nein, das hätte er sich nicht erlauben können. Zum einen sollte sie erzählen, was sie loswerden wollte, damit es ihr vielleicht irgendwann besser gehen könnte. Zum anderen aber hatte er es irgendwie auch darauf angelegt - nicht gezielt, aber doch in seinen Worten mitschwingend - weshalb er nun keinen Rückzieher machen konnte. Und er wollte es auch nicht mehr.


    Also hörte er sich an, was Julia berichtete, während sie dastand, unbeweglich und versteift wie eine Statue. Der erste Teil ihrer "Geschichte" war durchaus nicht schwer zu ertragen - allemal vielleicht der bittere Unterton, der sich nach und nach in Julias Stimme mischte. Man konnte Heimweh an diesen Ort, das Dorf in Germanien, von dem Julia erzählte, in ihrer Stimme mitklingen hören und so wie sie es beschrieb, musste dieser Ort wirklich wunderschön gewesen sein.
    Der junge Plebejer ertappte sich dabei, wie er sich zu Julias Worten ein Bild ausmalte. Er sah ein Dorf in Germanien, er sah ein kleines Mädchen, ihre Brüder und ihre Eltern.
    Doch das Bild verfinsterte sich selbst für Maximian, als Julia auf den Streit zwischen den beiden Sippen zu sprechen kam und schließlich von dem Überfall berichtete. Mit den Worten, die das Schicksal ihres Vaters beschrieben, verschwand das Bild vor Maximians Augen gänzlich, denn er erkannte, dass Julia begonnen hatte am ganzen Körper zu zittern.
    Dann folgten nur noch Satzfetzen, zerstückelte Teile Julias Erinnerungen, gedruckst unter Aufbringung sämtlicher Kräfte. Maximian schluckte und fühlte sich gar nicht gut in seiner Haut. Das hatte er nicht gewollt. Betreten und nicht wissend, was er nun tun sollte, senkte der junge Mann kurz den Kopf und als er ihn wieder hob, hatte Julia gerade mit dem Schicksal ihres Bruders geendet. Eine einsame Träne rann über ihre Wange und immer noch schien sie den Blick unbeirrt auf Maximian zu richten; dass sie an ihm vorbeisah, konnte er wegen des Gegenlichtes nicht erkennen.


    Sich selber einen unsensiblen Narren scheltend, seufzte Maximian leise und trat mit langsamen Schritten zu Julia. Dort erst erkannte er, dass der jungen Frau eine Träne über die Wange rollte. Zögernd hob er eine Hand und wischte die Träne mit dem Daumen beiseite. Seine Hand ruhte noch einen Moment, so kurz wie ein Augenschlag, neben ihrem Gesicht, dann sank sie herab. Ein zwei Tippelschritte ging er zurück, dann sah er sie mit zerknirschter Miene an.


    "Das... Das wollte ich nicht. Du bist mir nicht schuldig... aus deiner Vergangenheit zu erzählen."


    Er senkte kurz den Blick, dann hob er ihn wieder - und er war immer noch so bedröppelt wie vorher. Arme Julia. Was sie erlitten hatte, musste einem Alptraum gleichkommen. Es war nur allzu offensichtlich, wie sehr es sie schmerzte. Maximian wollte schon nicht mehr wissen, was man ihr angetan hat. Nicht, wenn es bedeutete, dass sie erneut darunter litt. Dann war er wohl der letzte, der es hören sollte. Einer ihrer Brüder könnte sie sicherlich trösten, weil er eventuell besser nachempfand, was sie durchgemacht hatte.
    Wieder seufzte er leise. Er wusste immer noch nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Julia tat ihm leid, so viel stand einmal fest.

  • Es war ein seltsames Gefühl als er mir die Träne aus dem Gesicht wischte... Mit dieser Geste hatte er mich aus meiner Traumwelt geholt und ich lächelte ihn beinahe dankbar an. Ihn schien das auch ziemlich verlegen zu machen, wahrscheinlich da er so nah kam. In diesem Moment blieb kurz die Welt stehen, scheinbar auch für ihn, bevor er sich wieder ein Stückchen entfernte.


    Ich schloss nachdenklich meine Augen, drängte das Geschehen vor meinen Augen wieder in mein Unterbewusstsein zurück. Ich versuchte wieder langsamer zu atmen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mein Atem stoßweise ging. Warum fesselten mich meine Erinnerungen immer so sehr? Warum war ich so an die Vergangenheit gebunden?

    Ich... ähmm... Mach dir bitte keine Sorgen, ja? Lass uns über etwas anderes sprechen.. Ich... ich wollte dich nicht belasten. Danke dass du mir zugehört hast, aber wechseln wir lieber das Thema... Ich...


    Ich errötete ein klein wenig... Ich hatte ihn sicherlich ziemlich in Verlegenheit gebracht, als ich einfach begann zu erzählen. Es war ein wenig egoistisch gewesen. Und vorallem war es schwierig wieder auf die Füße zurückzufinden wenn man halbwegs in einer anderen Welt war. Und das war ich auch noch, nachdem ich geweckt wurde.


    "Ich.. denke... wir sollten weitergehen... Findest du nicht auch?"


    Meine Worte klangen noch immer ein wenig gestottert und gerade um meine Verlegenheit zurückzustecken wollte ich weitergehen. Ich war erleichtert dass ich verlegen anstelle von traurig wurde, das war schonmal ein guter Anfang für fröhliches weitergehen.

  • Da hatte er nun den Salat. Weil er sich so missverständlich ausgedrückt hatte, musste Julia nun denken, dass es ihn nicht so sehr interessierte, was sie auf dem Herzen mit sich trug. Sie war offensichtlich ein klein wenig verlegen und sah sich gezwungen, aus der Situation wieder herauszukommen. Max seufzte wieder einmal in sich hinein und berührte Julia ganz kurz und sanft am Arm.


    "So war das nicht gemeint. Du belastest mich nicht, ganz im Gegenteil. Ich höre dir gerne zu und... würde dir gerne helfen. Ich meinte nur, dass du nicht glauben sollst mir irgendetwas über deine Vergangenheit erzählen zu müssen, nur weil ich dir etwas über meine erzählt habe. Aber ja, lass uns weitergehen. So kommen wir nie an."


    Maximian versuchte ein verqueres Schmunzeln, dann ging er wieder neben Julia her. Ihre Schritte vermischten sich mit dem Getrappel von Julias Pferd, das gutmütig neben ihr herlief. Maximian hatte das Gefühl, dass es ihn irgendwie mochte.
    Dann sah er sich kurz um und erkannte, dass der Schwarze schon außer Sichtweite geraten war. Maximian hoffte, dass das Tier vor Wölfen verschont blieb und auch kein zufälliger Passant seine Chance witterte an ein hübsches Pferd zu gelangen. Uh, Hungaricus...
    Die Sonne hatte sich weiterhin dem Horizont zugeneigt, der Abend kam unaufhaltsam. Die Stille durchschneidend sah Max zu Julia.


    "Sollten wir nicht schonmal ein Stückchen reiten? Schließlich müssen wir Skadi zwischendurch Verschnaufspausen gönnen und es wird bereits Abend."

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