Die frische Luft tat mir gut, und ich atmete tief durch. Es war schon fast Frühling und die Sonne strahlte mir ins Gesicht.
Gestüt Aurelia
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Beim Gestüt angelangt, beauftragte ich sofort einen Stallknecht, mir ein Pferd zu holen.
"Ich möchte die junge Stute, die wir erst kürzlich aus Ägypten erworben haben."
Lächelnd drehte ich mich meinem Onkel zu.
"Sie ist vielleicht noch etwas unbändig. Ein junges Tier, sehr edel, sanft und feurig zugleich. Wenn mich nicht alles täuscht, ist sie knapp dreijährig."
Alsbald traf der Stallknecht mit besagter Stute ein. Ich ließ mir die Zügel geben, wohl wissend, dass mich - und nicht nur mich - jedes Pferd, wenn es das wollte, mit Leichtigkeit davon schleifen könnte, aber nicht der kräftigere Körper führte in einer Pferdeherde, sondern der stärkere Charakter, die größere Klugheit, die bedeutendere Dominanz.
Meiner Stärken bewusst, tätschelte ich dem schönen Tier den weißen Hals.
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"Oh, ist das ein schönes Pferd."
Auch wenn ich mir nicht traue, das Pferd zu führen. Ich finde es schön.
Pferde sind so groß. Da habe ich viel zu viel Furcht.
Einmal habe ich auf einem Pferd gesessen und war froh, wieder auf der Erde zu stehen. -
Wohlwollend betrachtete ich dieses prächtige Tier. Es war würdig, in diesem Gestüt gehalten zu werden. Irgendwie erschien es mir, als gäbe es eine versteckte, unsichtbare verbindung zwischen meiner nichte und diesem unbändigen Tier. Und ich war mir sicher, sie würde es keinen Augenblick aus den Augen lassen.
"So, meine Damen, da wir nun ein schönes Pferd gefunden haben, wäre es wohl möglich, daß wir nun endlich unseren Ausflug beginnen könnten?"
Ich versuchte, betont streng zu schauen, aber es war mir durchaus bewusst, daß es nicht gelang. Und das hatte ich auch in keiner Weise vor.
"Licinia, bist Du nicht einmal geritten? Wäre es nicht eine schöne Abwechslung, wenn Du nun ein Stückchen zu Pferde neben uns herreiten würdest?"
Ich griente sie an und musste mir mein Schmunzeln verkneifen, denn ich pflegte gerne die ernsten Gesichtszüge zu kultivirern.
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„Das war ein Scherz, oder?“
Ich blickte meinen Onkel an und war dabei in Teilen irritiert und dann wieder erschrocken.
„Dies Stutchen ist nicht zugeritten. Und einmal ganz abgesehen davon, es ist auch noch viel zu jung, um seinen Rücken mit einem Gewicht zu belasten. Ich trete dafür ein, Pferde erst mit vier Jahren einzureiten. Alles andere zählt für mich unter „pure Ausbeutung der Geschöpfe“, die uns die Götter anvertraut haben.“
Während der Unterhaltung tänzelte die junge Stute munter um uns herum. Es war ihr wohl langweilig, hier zu warten bis sich die Menschen geeinigt hatten. Wollten die beiden nicht vom Führstrick eingewickelt werden, würden sie sich bücken müssen oder zurücktreten oder wie auch immer der Situation entgehen.
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"Dein Stutchen hat ein sehr einnehmendes Wesen, ich möchte fast sagen, sie fesselt mich direkt."
Während meiner kleinen Ausführung versuchte ich, mich aus der "Gefahrenzone" zu begeben. Doch schien es dem Pferd wohl zu gefallen, mit dem Strick meinen Oberkörper zu umschlingen. Und im Stillen fragte ich mich schon, ob es eine gute Wahl war, mit meiner Familie und einem Pferd unterwegs sein zu wollen. Doch meiner Nichte schien es zu gefallen."Im Augenblick beutet das Geschöpf der Götter mich aus."
Denn es begann an meiner Tunika zu zupfen und lange Speichelfäden zierten meinen teuren Stoff, während ich noch versuchte, Herr des Führstrickes zu werden.
"Wenn einer von Euch nun lachen sollte, dann setzt es etwas."
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Amüsiert verfolgte ich die Befreiungsversuche meines Onkels. Natürlich half ich ihm kein bisschen, ich hätte mich ja sonst um das Vergnügen gebracht. Die Lippen fest aufeinander gepresst, die Augen vor Anstrengung aufgerissen, versuchte ich vergeblich mein Lachen zu unterdrücken, doch leider zuckten die Schultern verdächtig. Der Spaziergang würde sicher lustig werden.
„Ich habe mich verschluckt“, sagte ich zu meiner Entschuldigung. Mit einem auffordernden Zungenschnalzer lockte ich die Stute, die es sogleich gut meinte und lostrabte …
Sim-Off: Speichelfäden? Das ist ein Pferd und kein Bullmastiff.
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Sim-Off: Meine Tunika spricht eine andere Sprache
Ich fühlte mich zeitweilig wie einst Laokoon, doch gelang es mir, mich dieser Gefahr zu erwehren. Ich kannte meine Nichte viel zu gut, als das ich ihr das Verschlucken auch nur ansatzweise geglaubt hätte.
Mein Blick wandte sich zu Licinia, und ich war auf ihre Reaktion gespannt. Meiner Nichte schenkte ich eine erhobene Augenbraue meinerseits und ein dezentes Kopfschütteln.
"Bei einem Kunden solltest Du vielleicht einen Zaun zwischen Pferd und Mensch aufstellen lassen." Mürrisch wischte ich die verbleibenen Souvenirs dieses Stutchens von meinem Kleidungsstück. Ohne daß meine Nichte es mitbekam, zwinkerte ich Licinia zu.
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Zunächst musste ich die junge Stute zur Rasson bringen. Mit zwei schnellen Schritten stand ich plötzlich vor ihr und versperrte den Weg.
„So ja nun nicht, meine Liebe. Ich gebe das Tempo vor und keineswegs du“, rügte ich streng. Ich ließ sie eine Weile stehen, bevor ich zur Seite trat und den Spaziergang fortsetzte. Sobald die Stute Anstalten machte, an mir vorbeizuziehen, hob ich warnend die Hand mit dem Führstrick und machte ihr die untergeordnete Stellung klar. Zwar versuchte sie diesen Wink einige Male zu ignorieren, aber mein Wille war seit jeher hart und Konsequenz kein bloßes Wort. Immer wieder wies ich sie in die Schranken, bis sie endlich aufgab, ihre Stärke an mir zu testen. Erst danach wandte ich mich konzentrierter meinem Onkel zu.
Die Aktion mit der Stute hatte mich wieder ernsthafter werden lassen. Dennoch warf ich ihm einen Blick zu, der nicht ganz den Anflug eines Lächelns verbarg. Er versuchte immer, streng zu sein, aber ich hatte bereits als kleines Mädchen herausgefunden, dass er dazu bei mir nicht in der Lage war. Allerdings wusste ich nicht, ob ihm diese Tatsache klar war. Wohlweislich sagte ich ihm das nie, sondern war bemüht, ihn nicht allzu sehr herauszufordern, denn ich wollte ihn ja nicht verärgern. Auf Onkel Cicero war immer Verlass. Er war da, wenn man ihn brauchte und er setzte sich immer für das ein, was mir richtig erschien.
„Wo wollen wir langgehen?“, fragte ich interessiert und blickte mich bereits nach einer Herausforderung um.
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"Da fällt mir etwas Gutes ein. Kennst Du das Tal, westlich von hier? Die langgezogene Senke, wo in der Mitte der große Bauernhof steht, und wo am Ende der steile Hügel mit den drei Zypressen ist? Lasst uns doch dahin gehen. Eine Überraschung erwartet Euch dort."
Verschmitzt sah ich meine Nichte an. Ob sie darauf kommen würde, das dieses dort der Bauernhof ist, den ich kürzlich erwarb? Aber das Beste konnt sie noch nicht ahnen.
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Ich versuchte seiner Beschreibung zu folgen, schüttelte aber alsbald den Kopf.
"Leider bin ich in Mantua kaum dazu gekommen, durch die Umgebung zu streifen. Bisher kenne ich nur den Weg zum Amphitheater, die Hänge, die hinter unseren Anwesen ansteigen, die Straße zum Markt und zur Curia und natürlich diejenige, die zum Kastell führt." Ich lächelte verwegen. Genau diese Straße hatte ich als erstes kennen gelernt, es war vor mehr als einem Jahr.
"Ach ja, das Gasthaus von Mantua kenne ich außerdem noch", sagte ich lachend, denn es fiel mir in diesem Zusammenhang wieder ein. Ich seufzte. Es war eine wunderbare Zeit damals gewesen und ich gestand mir ein, dass ich sie vermisste.
"Ich lasse mich gern von dir führen und besonders dann, wenn Überraschungen am Ende auf mich warten."
Unternehmungslustig zwinkerte ich Licinia zu. Das war doch einmal was. -
So machten wir uns also auf den Weg. ich nahm den Platz in der Mitte ein, meine Nichte schritt rechts. Ganz außen trottete das Stutchen mit. An meiner Herzensseite, da ließ ich Licinia gehen. Und es war ein gutes Gefühl.
Innerlich platzte ich förmlich vor Vorfreude, den beiden Lieben an meiner seite meine Überraschungen zu nennen, wobei ich denke, das Deandra sie mehr interessieren würde. So manches Mal wollte ich schon, noch bevor wir unser Ziel erreichten, meiner Spannung Luft bereiten, doch biss ich mir wiederholt auf die Lippen, und ich amüsierte mich köstlich über mein Spiel.
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Immer wieder suchte mein Blick den meines Onkels. Ich fand es höchst seltsam, dass er sich so unentwegt auf die Lippen biss. Ob ihn wohl die beiden Frauen an seiner Seite so nervös machten? Wie sollte das wohl erst aussehen, falls er einmal eine potentielle Heiratskandidatin treffen würde? Ich malte mir das Bild in allen Farben aus und schmunzelte permanent vor mich hin, als wir durch diese lange Senke schritten.
Hier und da entdeckte ich Frühjahrblüher und jedes Mal rief ich aus: „Seht doch mal!“
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Ich lasse die beiden reden und höre nur zu.
Deandra zeigt immer wieder kleine Blüten und sie steckt mich an, weitere zu suchen.
Auf die Überraschung bin ich gespannt. Etwas zum auspacken wird es wohl nicht sein. -
Dem kecken Blick meiner Nichte nach zu urteilen, brütete sie wieder irgendwelche Gedanken aus. Wie zwei kleine Mädchen, die erstmals eine Blumenwiese sehen, dachte ich mir still schmunzelnd.
Da der Weg zu dem besagten bauernhof nicht weit war, benötigten wir gerade einmal fünfzehn Minuten. Die Talsenke würde von sanft aufsteigenden Hügeln gesäumt, und markant stieg der spitze Berg empor, der von den Zypressen gekrönt war.
Ein Weg führte durch das gesamte Tal und durchschnitt die Felder. Leider lag das Land brach und Eile war geboten, um in diesem Jahr noch die Saat zu legen.Auf der linken Seite war das Anwesen zu sehen. Ein übertriebener Name, denn es war lange unbewohnt und in marodem Zustand. Auf der rechten Seite lag eine große Stallanlage, die wesentlich besser in Schuss war."Seht her, ihr zwei Hübschen. Meine Überraschung für Euch."
Ich zeigte mit einer ausladenden bewegung auf das, was nun uns gehörte. Ich war mir bewusst, meine vorlaute Nichte würde erneut eine spitzfindige Bemerkung über den Zustand finden.
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Eine schöne Gegend, genau das liebte ich an Mantua. Naturverbunden war ich von jeher und so genoss ich die Stille, die nur von ersten Werbegesängen einiger Vögel oder dem Abbrausen meiner Stute unterbrochen wurde. Ein leichtes Lächeln hielt sich unvermindert auf meinem Gesicht, bis schließlich jene Überraschung in unser Sichtfeld rückte.
„Eine schöne Grünfläche“, sagte ich schließlich, weil ich zunächst nicht wusste, ob ich lachen oder erstaunt sein sollte.
„Ich finde es gut, dass uns nun weitere Ländereien gehören“, fügte ich nach einer Weile hinzu. „Der Stall ist auch hübsch.“ Ich kam ins Stocken … "Beabsichtigst du darin zu wohnen?" Pure Skepsis lag in Stimme und Blick.
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"Hättest Du Onkel Eugenius solch eine Frage gestellt, der hätte sie Dir mit dem Stock beantwortet."
Demonstrativ erhob ich mein Kinn und ging stolz auf den Stall zu. Dieses Spiel werde ich auskosten, meine liebe kleine Nichte. Du hast ja noch gar keine Ahnung. Und so wandte ich mich dann an sie mit den Wortren:
"Seht Ihr die Boxen für die Pferde? Die werden zusammengezogen, es wird alles eins. Dort können wir dann essen."
Ich musste all meine Kraft zusammennehmen, damit ich nicht laut zu lachen anfange. Zum Glück waren die Kinder hinter mir, so dass sie meinen kapaunroten Kopf nicht sahen.
"Kommt, Ihr Lieben. Schaut es Euch von innen an. Seht ihr den Heuhaufen, dort hinten rechts in der Halle? Das wird ein besonderer Platz. Dort werde ich nur mit Euch sitzen."
Die beiden mussten mich für verrückt halten. Ich hätte gerne ihre Gesichter gesehen, doch dann hätten sie mein Spielchen erkannt. So konzentrierte ich mich weiterhin darauf, alles in ernste Töne zu verkleiden.
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Zunächst dachte ich bei den "zusammengezogenen Boxen" an einen Laufstall, aber dann erwähnte Titus das Einnehmen von Mahlzeiten. Abwehrend ruckte mein Kopf zurück, ich blieb stehen und blickte Licinia verwirrt mit großen Augen an.
Schließlich setzte ich mich wieder in Gang, während ich protestvoll Luft durch die Lippen blies. In einer Abwehrhaltung, größer konnte sie nicht sein, setzte ich einen Fuß in das Gebäude und äugte mit gerümpfter Nase um die Ecke. Wie verabscheute ich alte Gemäuer. Alles war eklig, es gab Spinnweben, von den Bewohnern dieser Netze ganz abgesehen, altes Holz muffelte, es kam zumeist wenig Licht in die Räume, die Stimmung, die diese dunklen Balken ausstrahlten, war erdrückend. Alles Alte stieß mich ab, ich schüttelte mich.
"Ähm, Onkel, ich war noch nie ein Liebhaber alter oder rustikaler Einrichtung und du erwartest jetzt hoffentlich nicht von mir, dass ich in Begeisterungsstürme ausbreche. Ich liebe es hell, neu und edel. Ebenso wie unsere Villen sind, aus Naturstein mit großen Fenstern, du weißt schon ... Oder lässt du alles abreißen und baust neu?"
Hoffnung flammte auf.
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Es war herrlich, ich feixte mir die ganze Zeit einen und nur schwer konnte ich meine Ernsthaftigkeit beibehalten. Mit trockener Mine sah ich sie an.
"Es ist ein Schmuckstück. Sie, dort drüben, wo die Balken herunterfielen und der haufen Schutt ist. Dort werden wir beide sitzen und reden können.
Komm, wollen wir schon einmal probesitzen?
Und Du Licinia, ich denke Du wirst dort an der Wand einen Stammplatz finden. Da hinten meine ich, wo das Loch in der mauer ist. Sieht es nicht gar wie ein Fenster aus?"
So, das müsste genügen, schließlich wollte ich meine Familie ja nicht fliehen sehen.
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„Ne, also nicht mit mir.“ Abwehrend hielt ich die Hände, ein Schauder nach dem anderen durchlief meinen Körper, ich wollte nur noch weg.
„Boah.“ Alle Härchen standen mir zu Berge und auf der Haut formten sich winzige Hügel, einer dicht am anderen. „Bloß weg. Das ist nichts für mich.“
Fluchtartig verließ ich den Bau und hielt draußen erst in sicherem Abstand an.
‚Was war nur in meinen Onkel gefahren?’ Kopfschüttelnd drehte ich mich um.
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