Ein Ausritt zu zweit

  • Ja, jetzt konnte er sie richtig erkennen. Es war Valeria und sie lächelte, während er spürte, wie sie ihm immer wieder übers Gesicht und die Haare strich. Aber sie sah sehr besorgt aus, hatte Tränen in den Augen und Bahnen auf ihren Wangen zeugten davon, dass sie geweint hatte.


    Ihr Hand hatte sich auf seine gelegt und hielt sie fest. Er fühlte sich so sicher in diesem Moment und weit entfernt von einer Ohmacht und der eisigen Dunkelheit. Er blinzelte gerade, als Valeria ihren Kopf senkte. Er fühlte nur noch, wie sich ihre Lippen kurz berührten, dann hob sie ihren Kopf schon wieder.


    War es nur eine zufällige Berührung gewesen? Der am Boden liegende Mann war zu müde, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Es hatte ihm zumindest gut getan, was immer es auch gewesen war. Valeria war da, er war nicht allein. Das war alles, das in diesem Moment überhaupt noch von Bedeutung war.


    Dann sprach sie. Wie gut es tat, ihre Stimme zu hören. Er schluckte abermals, um die Kehle zu befeuchten und zog abermals die Augenbrauen zusammen, als er versuchte sein linkes Bein aufzustellen. Er keuchte, als er dann sprach.


    "Das... musst du gerade... sagen."


    Er verzog schmerzvoll das Gesicht. Was war nur gewesen? Er sah noch Valeria neben sich, Alfidias Kopf, ein Zucken. Dann waren seine Erinnerungen verschwunden. Nichts. Ein Loch im Gedächtnis.

  • Valeria musste kurz auflachen, als Maximian schon wieder Scherze machte. Es schien ihn nicht so schlimm erwischt zu haben, wie sie geglaubt hatte. Die Götter waren gnädig gewesen; und dafür schickte Valeria ihnen ein Stoßgebet gen Himmel. Sie streichelte ihm weiterhin beruhigend über den Kopf und lächelte ihn warm an. Die Tränen versiegten langsam.


    Dann sah sie sein schmerzerfülltes Gesicht und bemerkte, wie er versuchte, ein Bein anzuwinkeln.


    "Geht es? Wo tut es dir weh, Maximian?"


    Sie befürchtete wirklich, dass etwas gebrochen war. Besonders, weil einer seiner Arme so seltsam verdreht dalag und er ihn bisher nicht bewegt hatte.


    Und da kam ihr auch schon der nächste Gedanke ind Gedächtnis. Wie sollten sie denn nach Hause zurück kommen, wenn Maximian nicht mehr reiten konnte oder sich Nigidius nicht finden ließ?
    Sie sah bedrückt drein, als sie nicht weit entfernt das Knacken trockener Äste hörte. Nun, wenigstens würden sie sich um Nigidius keine Gedanken machen müssen. Der stand nämlich mittlerweile schnaufend neben Alfidia im Geäst.

  • Er konnte nicht sagen, ob das Bein gebrochen war. Es tat nur höllisch weh, wenn er sich nun bewegte. Vielleicht war es auch einfach der Rücken, der den Aufschlag weniger gut überstanden hatte. Mit viel Kraft schaffte Maximian es dann schließlich auch, das erste Bein anzuwinkeln.
    Als er dann wieder die Augen öffnete, waren sie matt. Er war unendlich müde und hätte seine Lider gerne für ein paar Momente geschlossen. Er suchte Valerias Blick, was ihm irgendwie schwer fiel, dann stöhnte er entkräftet und erwiderte mit rauer Stimme:


    "Die Beine sind in Ordnung. Der Arm..."


    Maximian versuchte den Kopf zu drehen, aber da waren Valerias Hände, die ihn festhielten. Er versuchte den Teil des Körpers, der vor dem Sturz noch wie sein Arm reagiert hatte, zu heben, erzielte dadurch aber nur einen stechenden Schmerz.
    Wieder musste er die Augen zusammenkneifen und ließ sie nun auch zu. Er wusste ja nun, dass Valeria bei ihm war. Wenn er sie schloss, würde sie dadurch nicht verschwinden. Und dennoch spürte er immer noch den Griff der Kälte, der nachließ, aber in seinem Kopf noch mehr als gegenwärtig war.
    Ging es ihr gut? Er hatte nicht viel von ihr sehen können. Ihren Kopf, um genau zu sein, und der sah unversehrt aus. Seine Hand, die vorhin an ihrer Wange geruht hatte, hatte sie ihm wieder auf die Brust gelegt. Er suchte ihre Hand, wollte sich absichern, dass er nicht wieder davondriftete.


    "Wie geht es dir? Und... was ist passiert?"

  • "Ruh dich am besten etwas aus", meinte Valeria sanft, während sie ihn beständig weiter streichelte.


    Sie hatte nicht einmal eine Decke dabei, die sie ihm überlegen oder unter dern Kopf schieben konnte. Und Maximian schien wirklich einen ziemlichen Schlag gegen den Kopf bekommen zu haben, wenn er sich nicht mehr daran erinnerte, was passiert war. Nahe seinem Gesicht fasste sie kurz zusammen, was gewesen war.


    "Alfidia hat gescheut..es muss eine Schlange gewesen sein. Sie ist durchgegangen und du hast versucht, mir zu helfen. Du hast es dann auch geschafft, allerdings hat sich dein Pferd dabei erschrocken und...naja, Nigidius ist mit dir durchs Gebüsch. Dabei musst du gestürzt sein."


    Sie sah lächelnd dabei zu, wie er nach ihrer Hand tastete und legte ihre sanft auf die seine. Sachte fuhr sie mit dem Daumen über Maximians Haut. Valeria seufzte leise.


    "Ich bin so froh, dass es dir soweit gut geht", flüsterte sie ernst und drückte seine Hand.
    "Wir müssen sehen, was wir mit deinem Arm machen und wie wir dich nach Hause bekommen."

  • Maximian hielt die Augen geschlossen. Wahrscheinlich hätte er nun sowieso nicht mehr die Kraft gehabt sie zu öffnen. Er hörte ihr zu, was vorgefallen war und nach und nach kamen auch die Bilder zurück. Da das jedoch wieder nochmal erschöpfend auf ihn wirkte, versuchte er die Bilder nicht erst hervorzurufen.
    Allmählich verschwamm Valerias Stimme. Er fühlte ihr warme Hand und wusste, dass sie nicht von seiner Seite weichen würde. Ja, er fühlte sich geborgen und war sich sicher, dass nichts mehr passieren würde.


    Schließlich war ihre Stimme nur noch ganz weit entfernt. Die Schmerzen im Arm und im Rücken ließen nach und die Gedanken verflogen. Er sah noch einmal Julia vor seinem inneren Auge, dann schlief er ein.

  • Von seiner Seite weichen würde sie wahrlich nicht. Schließlich war es ihre Schuld, dass ser hier lag und sie Alfidia nicht wieder unter Kontrolle hatte bringen können. So rutschte sie lediglich in eine bequemere Position und streichelte Maximian weiterhin.


    Während sie so dasaß, betrachtete sie sein Gesicht, das trotz des jugendlichen Alters schon kleine Fältchen um Augen und Mund aufwies. Die Lachfältchen, die ihm sein unwiderstehliches Lächeln gaben und sein Lachen zu dem machten, was Valeria so sehr anzog. Sie fuhr diese Konturen seines Gesichts mit ihrem Zeigefinger nach, gelangte an sein Kinn, wo bereits wieder einige Stoppel standen. Valeria lächelte leicht und fuhr nun seine Augenbrauen nach, den Haaransatz und seine Lippen. Sanft blickte sie auf ihn hinab, seufzte.


    Ob sein Arm wohl gebrochen war? Nun, so wie er dort lag, musste es so sein. Valeria besah sich ihre nähere Umgebung. Die Sonne stand nicht mehr so hoch wie noch am Mittag und schickte ihre Strahlen nun schräg in den Wald, was durch die grünen Blätter hindurch ein geschecktes Muster aus Hell und Dunkel ergab. Später, wenn Maximian wieder erwacht war, würde sie ihm helfen, seinen Arm in eine Schlinge zu legen. Die Beschaffung der Schlinge würde keine großen Probleme machen, denn schließlich hatte sie noch immer das blaue Tuch um ihre Schultern.


    Zärtlich sah sie auf ihn hinunter, wie er so da lag. Sie wusste nicht, wie lange sie so neben ihm kauerte und einfach nur auf ihn herab sah. So vieles ging ihr durch den Kopf. War es richtig, dass sie ihn geküsst hatte, selbst, wenn es nur flüchtig war? Hatte sie damit zu viel von sich verraten? Von ihren Gefühlen? Nun, so musste es wohl sein....weshalb sonst hätte sie ihn wohl küssen sollen? Vielleicht erinnerte er sich auch gar nicht mehr, wenn er aufwachte. Doch sollte sie dann froh sein oder unglücklich? Was würde er sagen, wenn er sich erinnerte? Was über sie denken? Sie schauderte, fuhr weiterhin mechanisch über seinen Handrücken.


    Ihr Blick war auf Maximian gerichtet, schien aber durch ihn hindurch zu gehen und auf das Innerste seiner Seele zu blicken.
    Und das, ohne auch nur einen Hauch zu erkennen.

  • Maximian träumte lauter wirres Zeug. Er sah sich mit Kindern in Valentia auf einem Feldweg spielen oder wie Viola ihm eine Ladung Schnee ins Gesicht pfefferte. Auch sah er Meridius, wie er ihn zur Begrüßung in den Arm und Martinus, der ihm Anweisungen gab, während Maximian stolz seine Anweisungen ausführte. Und dann sah er Gesichter von jüngsten Ereignissen, irgendwie alle miteinander verworren. Margarita aus Rom, die mit ihm redete, aber auch Mummia, die gänzlich aus Käse bestand. Und als er gerade Valerias Gesicht vor Augen hatte, ein fürsorgliches, warmes Gesicht, schlug er seine Lieder auf. Da war sie.


    Einen Moment lang schien sie noch gedankenverloren geradezu durch ihn hindurchzusehen, doch dann schien sie aus ihren Tagträumen gerissen. Er zeigte ein Lächeln, spürte, dass sie über seinen Handrücken strich und konnte nicht anders, als sich einen Moment lang pudelwohl zu fühlen.


    "Guten Morgen."


    Dass er sich damit ziemlich in der Tageszeit und auch sonst geirrt hatte, fiel ihm nicht auf denn sogleich versuchte er sich aufzurichten. Es misslang kläglich. Immerhin hatte er den Kopf anheben können und festgestellt, dass er noch genauso wie vorher dalag. Außer, dass sein Bein, das vorhin noch angewinkelt gestanden hatte, nun wieder lag.
    Und wie er so den Kopf aufrecht erhielt, ging ein Stechen von einer Schläfe zur anderen. Nicht gut, dabei würde er so oder so aufstehen müssen.
    Den Kopf noch einmal sinkend lassen, sah er hinauf zu Valeria.


    "Habe ich lange geschlafen?"

  • Valeria musste an sich halten, um ihm nicht ein verständnisloses 'Guten Morgen??' an den Kopf zu werfen. Schließlich war er auch auf den Kopf gefallen. Wer wusste, was noch alles nicht mehr so war wie zuvor. Statt diesen ungläubigen Worten also lächelte sie nur zurück.


    Als er sich aufrichten wollte, drückte sie ihn sanft wieder zurück und schüttelte den Kopf.


    "He....nicht so stürmisch. Du bist immerhin vom Pferd gefallen und knapp an einem großen Stein vorbei. Beweg dich langsam. Wie geht es deinem Arm? Schmerzt er noch immer?"


    Sie lächelte und deutete nickend auf seinen Arm, ehe sie ihn wieder ansah und sich gleichzeitig mit einer Hand das Tuch von den Schultern angelte. Dann erst, als das blaue Tuch halb auf, halb neben ihrem Schoß lag, beantwortete sie ihm die Frage.


    "Nein, du hast nicht lange geschlafen", sagte sie sanft, während sie weiterhin mit dem Daumen über seinen Handrücken strich.
    "Ein, vielleicht zwei Stunden."


    Nun, da Maximian wieder bei Bewusstsein war, wurde Valeria wieder nervös in seiner Gegenwart. Ihre Hände wurden langsam kalt und sie begann, sich wieder Gedanken um den Kuss zu machen.
    Sie sah weg.

  • Maximian wandte seinen Kopf dem Arm zu, der immer noch recht unfreundlich dalag. Es sah wirklich nicht gut aus. Die Finger bewegen. Ja, das sollte er als erstes versuchen. Nun gut.
    Er nahm all seinen Mut zusammen, fixierte seine Hand und hielt sogar die Luft an, während er versuchte, seine Finger zu regen. Aber außer mfürchterlichen Schmerzen regte sich da nicht viel. Immerhin, der Zeigefinger zuckte kurz, was jedoch nicht ausreichte, um den Schmerz niederzukämpfen.
    Maximian wandte den Kopf wieder Valeria zu und fing erst dann wieder an zu atmen. Wenn er nur nicht gelegen hätte, dann hätte immernoch die zweite Hand helfen können. So aber war er auf Valeria angewiesen. Er schüttelte leicht den Kopf und versuchte den Schmerz herunter zu schlucken.


    "Er ist scheinbar wirklich gebrochen."


    Dann beobachtete er, wie die junge Decima sich ihr Schultertuch abnahm und es halb über ihren Schoß breitete. Er hatt keinen blassen Schimmer, was das nun sollte, ließ sie aber machen.
    Sie sagte ihm, dass er nicht lange geschlafen hatte. Das war gut. Immerhin hatte sie die ganze Zeit bei ihm sitzen müssen und das auf dem Boden. Gut, er war warm, aber keine Frau saß gerne auf dem Waldboden.


    Sie wendete ihren Kopf ab. Suchte sie die Pferde? War das da gerade ein Schnaufen eines der Tiere gewesen? Oder machte sie sich Gedanken, wie sie allein es schaffen sollte ihn nach Tarraco zu bringen?
    Mit einem Mal fühlte Maximian sich sehr schlecht. Die arme Valeria musste sich ziemlich hilflos fühlen - schließlich würden sie weit und breit keine Hilfe finden und ob er sich auf einem Pferd würde halten können, war die nächste Frage. Den Kuss hatte er nach wie vor vergessen, genauso wie er jegliche Orientierung los war und nicht einmal mehr genau sagen konnte, ob sie nur ausgeritten waren oder ob sie tatsächlich bei Aurelius und Mummia gerastet hatten.


    Er hob den Kopf wieder an, nicht ohne erneut das Ziehen von einer Schädelseite zur anderen Schädelseite zu vernehmen. Er ignorierte es so gut er konnte und kniff nur angestrengt die Augenbrauen zusammen, als würde er direkt in die Sonne sehen.
    Er machte sich Sorgen. Valeria war eine zarte Frau und er wollte keine allzu große Last für sie sein. Da er aber nicht wusste, wo sie sich befanden und wie spät es war, fürchtete er, dass es auf nichts anderes hinauslaufen würde.


    "Wie weit sind wir schätzungsweise von Tarraco entfernt?"

  • Valeria nickte nur stumm und knotete nun zwei der vier Enden des Tuches zusammen und bastelte so eine Schlaufe, die sie beiseite legte. Sie sah, wie Maximian sich mühte und seufzte leicht. Dann stand sie auf, klopfte sich die Tannennadeln und den kleinen Schmutz von der Kleidung und sagte:


    "Ich weiß nicht, wie weit es bis Tarraco ist", gab sie ehrlich und bedauernd zurück.
    "Zu Fuß wird es ein Gewaltmarsch werden. Ich helfe dir jetzt, dich hinzusetzen."


    Und damit trat sie hinter ihn und ging in die Knie. Behutsam schob sie beide Hände unter seinen Rücken und hob ihn langsam an. Wie sia zurück nach Hause kommen sollten, war ihr noch immer ein Rätsel. Sie mussten entweder zu Mummia und Aurelius zurück oder aber reiten.

  • Er nickte und wartete darauf, dass sie ihn unterstützte, dann versuchte er sie größtmöglich mit dem gesunden Arm zu unterstützen, indem er sich damit vom Boden abstieß. Waren das Schmerzen! Er kniff die Augen zusammen und biss die Kiefer aufeinander, sodass er auch ja keinen Ton von sich geben konnte. Ein Glück, dass Valeria ihn nicht sehen konnte. Wohlmöglich hötte sie ihn wieder zurückgedrückt und er hätte nach Tarraco robben müssen.
    Schließlich saß er auch. Zwar schräg, aber er saß. Er hatte immer noch die Lider aufeinandergepresst, denn er spürte, dass ihm ganz und gar schwindelig wurde. Und tatsächlich: Als er jetzt die Augen öffnete, drehte die Welt sich. Sogleich schloss er die Augen wieder, genoss aber einen Moment noch die Ahnlehnung an Valeria, die ihn immer noch stützte.


    "Es geht, danke."


    Er hielt sich mehr oder weniger gut aufrecht in seiner Sitzposition und winkelte nun auch wieder ein Bein an. Zumindest das klappte ohne dass er Hilfe brauchte. Dann öffnete er auch wieder die Augen, doch immer noch vollzogen Bäume, Boden und Himmel einen schwindelerregenden Tanz. Was soll's, dachte der junge Decimus sich. Er hatte Schmerzen, er wusste nicht, wie Valeria ihn hier wegschaffen könnte und es drehte sich ihm alles. Passte doch alles wunderbar.

  • Valeria hielt ihn noch eine Weile fest, selbst als er schon saß. Sie genoss das Gefühl, ihn einfach zu berühren. Doch beinahe sofort wurde sie sich bewusst, dass solche Gefühle in diesem Moment fehl am Platze waren. Valeria richtete sie wieder auf und trat mit besorgter Miene neben Maximian. Sie hockte sich an seine Seite und nahm das verknotete Tuch auf, das noch immer dort lag. Sie hängte es ihm um den Hals, ließ ihre Hand auf seiner Brust ruhen und sah ihm in die Augen.


    "Das wird jetzt weh tun, aber wir müssen den Arm dort in die Schlinge bekommen", sagte sie ernst.


    Maximian sah nicht gut aus. Er würde es so nicht bis Tarraco schaffen, geschweige denn auf Nigidius klettern können. Valeria beschloss, mit ihm zurück zu Mummia und Aurelius zu gehen. Etwas anderes fiel ihr in diesem Moment nicht ein.

  • Valeria setzte sich neben ihn und sah ihn einfach nur an. Dann legte sie ihm ihr Tuch um den Hals und ließ ihre Hand auf seiner Brust ruhen. Eine Berührung, die ihm unverhofft gut tat, denn er wusste, was nun auf ihn zukommen würde. Er setzte seine andere Hand, mit der er sich am Waldboden abstützte, nocheinmal sicher nach, blinzelte Valeria, die sich vor seinen Augen hin und her zu biegen schien, noch einmal zu und nickte dann mit einem missglückten, schiefen Grinsen, während sein linker Arm an seiner Seite herabhing, als würde er gar nicht zu ihm gehören.


    "Ist gut."


    Er sah ihren besorgten Blick und versuchte sich darauf zu konzentrieren, dass er seinen Schmerz unter Kontrolle behielt, würde Valeria nun seinen Arm in die Schlinge legen.

  • Irgendwie schien er nicht ganz da zu sein, denn sein Blick driftete immer mal wieder zur Seite und schien irgendwie...an ihr vorbeizusehen, ganz so, als stünde hinter Valeria noch jemand, den Maximian anvisierte. Valeria zuckte leicht mit den Schultern und griff dann äußerst behutsam nach Maximians Arm. Schnell und mit gekonnten Bewegungen knickte sie ihn am Ellbogengelenk ein. Maximian entfuhr ein Keuchen und Valeria glaubte regelrecht zu sehen, wie er eine Spur blasser wurde und noch einige Schweißperlen mehr auf seine Stirn traten. Ihr tat es leid, dass sie ihm weh tun musste, doch sie konnte es nicht verhindern, wollte sie ihm helfen. Mit einer schnellen Bewegung schob sie seinen verletzten Arm in die Schlaufe, die sie mit einer Hand auf hielt. Maximian stöhnte herzerweichend auf vor Schmerz. Valeria rutschte ein Stück näher und nahm ihn kurzerhand locker und soweit sie das konnte in den Arm.


    "Ist gut....es ist vorbei..." murmelte sie wie zu einem kleinen Kind, während sie Maximian immer und immer wieder über das Haar fuhr und ihn mit der Umarmung gleichzeitig stützte.

  • Bis in den kleinen Zeh reichte der Schmerz, den die Bewegung seines Armes verursachte. Und auch wenn Valeria sich beeilte und den Arm schnell in die Schlinge gelegt hatte, war es Maximian, als würde er wieder ohnmächtig werden müssen. Es wurde ihm schwarz vor Augen und jeglicher Bezug zur Realität schien vom Schmerz durchtrennt zu werden, bis es vorbei war und er Valerias Stimme dicht an seinem Ohr hörte und fühlte, dass er gehalten wurde. Noch eine Weile lang puckerte der Arm schmerzhaft, dann legte er sich dieses beißende Gefühl beinahe gänzlich. Maximian atmete tief ein und aus und wollte gar nicht die Augen öffnen.


    Dann ließ er den Kopf ein Stückchen sinken und seufzte. Das war geschafft. Und auch wenn es ihm nun danach war, sich wieder hinzulegen und die Augen zu schließen, zwang er sich Aufbruchsstimmung zu heucheln und nickte, während Valeria sich von ihm entfernte.


    "Erinnere mich das nächste Mal daran, dass wir unsere Pferde aneinanderketten."


    Seine Stimme war alles andere als kräftig. Sie zitterte leicht und er wirkte weiterhin ziemlich matt. Es zehrte so vieles an seinen Kräften. Das Pochen im Kopf war angeschwollen, den Arm konnte er auch bei jeder noch so kleinen Bewegung unangenehm schmerzend wahrnehmen.
    Immerhin, die Beine funktionierten, und ehe Valeria noch etwas einwenden konnte, zog Maximian den gesunden Arm aus seiner stützenden Position, lehnte sich leicht und stöhend zur Seite und versuchte sich so beinahe vor Entkräftung zitternd ohne Hilfe aufzurichten.

  • Valeria betrachtete mit hochgezogener Augenbraue seine heldenhaften Einzelkämpfer-Bemühungen. Sie seufzte und schüttelte den Kopf.


    "Du wirst es nur schlimmer machen, wenn du dir nicht helfen lässt", sagte sie und half ihm aufzustehen, indem sie seinen gesunden Arm fasste und ihn leicht hochzog. Valeria sah sich nach den beiden Pferden um, wo Maximian gerade schon drauf zu sprechen kam. Sie standen etwas abseits friedlich beieinander und grasten.


    Maximian stand mehr schlecht als recht nun vor ihr, sein Arm in der imrpovisierten Schlinge.


    "So kannst du nicht reiten", entschied die junge Decima.
    "Wir nehmen die Pferde und gehen zurück zu Mummia und Aurelius. Kann ich dich einen Moment hier allein lassen? Ich will die Pferde holen."

  • Man, war der Kopf weit von der Erde entfernt, stand man auf seinen zwei Beinen. Es schwindelte ihm ungeheuerlich, als hätte er seit mehreren Tagen nicht mehr wirklich gegessen und nur wenig getrunken.
    Freilich hatte er sich helfen lassen - allein hätte er auch auch kaum vom Boden hoch geschafft. Die Schwerkraft wirkte wesentlich anziehender als normalweise, hatte Max das Gefühl.
    Wackelig hielt er sich auf den Beinen. Seine Augenbrauen waren immer noch düster in die Augen gezogen, seine Gesichtsfarbe war eher bleich denn irgendetwas anderes. Er nickte.


    "Ja, ich denke schon."


    Moment. Wer war die, die hinter Valeria auf einmal auftauchte? Und die andere da? Hatten sich zufällig zwei Spaziergängerinnen hierher verirrt? In ein Waldstück, weit abgelegen vom nächsten Ort oder einer Straße? Kaum möglich.
    Er musste sich täuschen. Dann ging Valeria auch schon los und er versuchte ihr hinterher zu sehen, was nicht ganz einfach war, denn schließlich verschwand sie in drei verschiedene Richtungen.
    Max hob seine gesunde Hand und hielt sie sich vor die Augen. Sein Rücken schmerzte unheimlich, der Kopf fühlte sich an, wie als wäre er aus Brei. Ohne, dass er es bemerkt hatte, taumelte er einmal nach vorn und links, konnte sich aber irgendwie vor dem Umkippen fangen.


    Zurück zu Mummia und Aurelius. Der Weg war weit, das wusste Maximian noch, und allein die Vorstellung ließ die Knie weich werden. Nein, solch einen Sturz hatte er noch nie gehabt.
    Er nahm die Hand vom Kopf und versuchte zu gehen, um sich die Stelle noch einmal genauer anzusehen und Valeria entgegen zu kommen. Aber seine Schritte waren klein und wackelig, dass es kaum etwas bringen durfte.

  • Valeria war rasch zu den beiden Pferden geeilt und band Alfidia nun mit ihren Zügeln an Nigidius' Sattel fest. Dann führte sie den Hengst zurück zu Maximian, der ihr zittrig und auf gummiartigen Beinen entgegen kam. Sie bewunderte fast seinen Sturkopf.
    Mit der einen Hand hielt sie die Zügel, mit der anderen bugsierte sie Maximians gesunden Arm um ihren Kopf herum und stützte ihn beim Gehen.
    Gemeinsam wankten sie nun zurück durch den Wald. Ihnen stand ein Fußmarsch bevor, der für jemandenen, der gut zu Fuß war, sicher eine Stunde gedauert hätte. Mit Maximian im Schlepptau waren es allerdings gute zwei Stunden, wenn nicht sogar länger.


    "Wir gehen nur so schnell, wie du kannst", sagte Valeria leise, Maximian weiterhin stützend und ganz die perfekte Krankenschwester.
    "Und wenn dir etwas weh tut oder du eine Pause machen möchtest, dann sagst du Bescheid. Und keine Heldenspiele!" fügte sie hinzu und sah Maximian von der Seite aus an.


    So gingen sie eine ganze Weile nebeneinander her. Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen, doch dunkel würde es noch lange nicht werden. Nur kühler. Valeria fröstelte etwas, doch das wärmende Tuch hing um Maximians Hals. Allerdings konnte sie das ja nun wirklich auch einmal aushalten.


    Bald entschied Valeria, dass es erst einmal genug für Maximian war. Er war immer langsamer geworden und stützte sich mehr und mehr auf sie. Sie mochte zwar zierlich sein, doch schwach war sie nicht, daher machte es ihr kaum etwas aus. Nun fragte sie ihn, ob er rasten und vielleicht etwas Käse essen wollte.

  • Maximian hatte das Angebot einer Rast zwar widerwillig aber doch noch dankend angenommen. Matt ließ er sich von Valeria gestützt dem Boden entgegensinken. Seine Beine schmerzten, fühlte es sich doch so an, als hätte sie Berge von Marmor tragen müssen. Sein Kopf hatte unter jedem Schritt innerlich gebebt und die Hölle heraufbeschworen, je länger sie gelaufen ware. Er sah erschöpft aus, hatte unzählige winzige Schweißperlen auf der Stirn und konnte schließlich kaum mehr die Augen offen halten.


    Doch er wollte und er musste - es nützte alles nichts. Valeria hielt ihm ein Stück vom Käse hin, doch selbst den lehnte er müde dankend ab. Sein Magen würde sich drehen, so wie die Welt sich drehte und auf rückwärtsgegessenen Käse hatte er nun wirklich keine Lust.
    Er sprach kaum, um Kräfte zu sparen, während sie da saßen. Der Weg musste noch weit sein, dabei wog jetzt schon jedes seiner Glieder mehr, als jemals hätte allein tragen können.


    Was wäre geschehen, wenn Valeria nicht bei ihm gewesen wäre, wenn die Schlange im Unterholz Nigidius erschreckt hätte und Maximian hier draußen gestürzt wäre, ohne dass noch jemand bei ihm war?
    Nicht auszumalen... Und vor allem unnötige Energieverschwendung, mahnte Max sich und nickte Valeria mit einer erneuten Glanzleistung an gesammelter Kraft zu.


    "Lass und weitergehen, so kommen wir nie ans Ziel."


    Valeria half ihm wieder auf und wieder liefen sie eine ganze Weile. Doch schon bald wurde Maximian sehr langsam. Seine Hände waren ebenso bleich wie sein Gesicht, das von kalten Perlen des Schweißes benetzt war. Sein Atem ging schwer und der Kopf schaukelte bald hin und her.
    Und er wusste, wenn er sich jetzt Ruhe gönnte, würde er einschlafen. Die Dunkelheit würde sie dann überfallen und sie müssten in der Schwärze der Nacht ihren Weg suchen.


    Valeria war bei ihm. Er verließ sich auf sie, zehrte an ihren Kräften und war ihr so dankbar, ohne es jetzt wissen zu können. Ihretwegen musste er jetzt durchhalten. Ihretwegen setzte er weiterhin Fuß vor Fuß, auch wenn das bloße Grad allmählich wie der größte Widerstand wirkte, wenn es gegen seine Sandalen stieß.

  • Endlich waren sie nun bei Mummia und Aurelius angekommen. Inzwischen war es nun wirklich beinahe stockfinster geworden. Valeria hatte sich mit ihrer Zeitrechnung gehörig verschätzt.
    Auf dem Hof brannte noch Licht und man sah Gestalten drinnen umherwandern.


    "Schau, wie haben es gleich geschafft", sagte Valeria zu Maximian. Auf dem Weg hierher hatte sie ihm immer wieder Mut gemacht und ihn angespornt, weiterhin einen Fuß von den anderen zu setzen, auch, wenn er immer langsamer geworden war und schließlich nur noch mühselig dahinschlich.


    Valeria und Maxmian waren nun mehr wenige Meter von der Tür des Wohnhauses entfernt und Valeria rief leise aber energisch nach Mummia und ihrem Gatten. Maximian hing mehr auf ihr, als dass er selbst stand; und Valeria hielt ihn einfach fest. Da tat sich auch endlich die Tür auf und Mummia kam hinaus.


    'Wer macht denn zu solch später Stunde so einen....Maximian! Aurelius, schnell!' Mummia hatte die Situation sehr schnell erfasst und lief erschrocken auf Maximian und Valeria zu.


    "Er ist gestürzt. Ich glaube, sein Arm ist gebrochen", erklärte Valeria besorgt der runflichen Bäuerin. Diese nickte geschäftig und stützte Maximian soweit sie es konnte, ohne seinen lädierten Arm zu berühren, von der anderen Seite.


    'Kinder, Kinder, ihr macht Sachen... Aurelius!!!' rief sie. Aber ihr Mann kam auch schon aus dem Haus. Er brauchte einen Moment länger, um die Situation zu erfassen, ehe er auf Valeria zu schritt und ihr unverständliche Dinge murmelnd die beiden Pferde abnahm und fort führte. Valeria sah besorgt zu Maximian. Er sah gar nicht gut aus.
    Mummia und sie würden ihn hineinbringen, damit er sich ausruhen konnte.

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