• Nanu? Was hatte er denn so schlimmes gesagt? Früher war dominus Cotta doch nicht so empfindlich und mißmutig gewesen? Na, das mußte ja eine fürchterliche Reise gewesen sein. Auch Maron blickte so grimmig drein. "Natürlich. Dann schlage ich das triclinium vor. Es ist gut durchlüftet, die Tür steht ohnehin meistens offen. Die Liegen sind bequem und dort kann Dir problemlos serviert werden." Leone ging nun einfach vor, da Cotta ja auf seine bisherigen Aufforderungen, einzutreten, nicht reagiert hatte.


    Als er das atrium betrat, erwischte er natürlich den tropfnassen Bengel. Na, den konnte er schlecht zu Corvinus schicken. "Zieh Dich um. Sofort!", zischte er dem Jungen zu, dann wandte er sich abermals an Siv. "Laß das mit dem Zimmer Dina oder sonstwen machen. Geh besser Du zu dominus Corvinus und berichte ihm von der Ankunft von dominus Cotta. Und dann sorg für den Imbiß, ja?" Er selbst führte Cotta und Maron nun zum triclinium.

  • Das allerliebste Kätzchen hätte dem Thraker gehörig die Krallen gezeigt, hätte es gewusst, was dieser über es dachte. So aber musterte Siv die Neuankömmlinge nur so unauffällig wie es ihr möglich war. Der eine, edler Gekleidete war schmaler, und er schien etwas erschöpft zu sein, der andere dagegen war groß und muskulös, und weder die Hitze noch die Reise, die sie augenscheinlich hinter sich hatten, hatten sichtbare Spuren bei ihm hinterlassen. Nur eines hatten sie gemeinsam – aus beiden Gesichtern strahlten ihr grüne Augen entgegen, so grün wie der Wald, oder die Weiher, die versteckt darin lagen, gespeist von unterirdischen quellen und so tief, dass man selbst an klarsten Tagen mit Blicken nicht tiefer vorzudringen vermochte als ein paar Armlängen. Cadhla hatte ebenfalls solche Augen gehabt, und Siv ertappte sich dabei, wie sie sich einmal mehr nach der Keltin sehnte, nach ihrer Gesellschaft, ihrem Verständnis und ihrer stillen Akzeptanz, ohne dabei selbst schwach zu wirken – oder Siv den Eindruck zu geben schwach zu sein.


    Stumm ließ die Germanin die Worte an sich vorbei rauschen, und erst als Leone sie kurz angebunden ansprach und auf das Zimmer hinwies, reagierte sie tatsächlich. Zum ersten Mal seit langem zeigte sich wieder etwas von ihrem alten Wesen – nicht die zurückgezogene Art, mit der sie stillschweigend und nur nach außen scheinbar ungerührt alles an sich hatte abprallen lassen. Mit einer etwas unwilligen Bewegung ruckte ihr Kopf zur Seite, zu dem Ianitor. "Ich mach ja schon", murmelte sie halblaut auf Germanisch, mit einem störrischen, fast schon unwirschen Unterton. Sie wollte sich gerade nach einem der Gepäckstücke bücken, die die Sänftenträger inzwischen zur Tür gebracht hatten, als der Römer erneut das Wort ergriff, und das in einem Tonfall, bei dem sich alles in ihr sträubte. Ihre Augen blitzten, als sie ihn kurz ansah, und sie presste die Zähne aufeinander, um den bissigen Kommentar hinunter zu schlucken, der ihr auf der Zunge lag. Als ob sie nicht schon längst wüsste, wie die Herrschaften gerne bedient zu werden wünschten. In diesem Moment stellte Siv fest, dass die letzten Wochen bei allen Schwierigkeiten, die es für sie gegeben hatte, bei aller Zurückweisung, die sie erfahren musste, und nicht zuletzt bei aller anstrengender Arbeit zumindest doch etwas Gutes gehabt hatten: sie hatte kaum jemals jemanden bedienen müssen – es gab immer irgendetwas Anstrengenderes und vor allem von den anderen weniger Bevorzugtes zu tun, was ihr aufgehalst wurde, und Corvinus hatte sie ohnehin nicht sehen wollen. Unter letzterem hatte sie gelitten und tat es noch, aber im Übrigen waren ihr die meisten Arbeiten lieber denn Römer zu bedienen – vor allem wenn es eines der Exemplare war, um den es sich bei diesem Aurelier offenbar handelte, wenn seine Worte irgendeinen Rückschluss zuließen. Und Siv gehörte nach wie vor nicht zu den Menschen, die einem ersten Eindruck leicht die Chance gaben, sich zu ändern. Vielleicht wäre das Impluvium zu reinigen doch die bessere Wahl gewesen.


    Sivs Blick flog kurz zu dem Sklaven, der so dicht bei dem Römer stand, als ob er bereit wäre ihn jeden Moment zu stützen. Hätte sie gewusst, dass der Aurelier krank war, hätte sie vielleicht mehr Verständnis aufgebracht, so aber kamen alte Vorurteile über Römer wieder in ihr hoch. Sie machte eine kleine Bewegung mit der linken Schulter, die ein simples Kreisen, aber auch ein leicht unwilliges Achselzucken hätte sein können, dann nickte sie. "Ja. Ich werde kümmern für dich." Diesmal war ihr Tonfall beherrscht und ließ im Gegensatz zu den winzigen Anzeichen ihrer Körpersprache so gut wie nichts von dem merken, was in ihr vorgehen mochte. Dann schnappte sie sich zwei der Gepäckstücke und setzte gerade dazu an, die Neuankömmlinge aufzufordern ihr zu folgen, als Leone ihr das Wort abschnitt. Ohne das Gesicht zu verziehen, trat die Germanin daraufhin einen Schritt zurück und ließ den Männern den Vortritt, bevor sie ebenfalls im Haus verschwand.

  • Das kürzlich geführte Gespräch mit meinem Onkel völlig außer Acht gelassen, ließ ich alles vorbereiten, um die flavische Vila zu verlassen. Ich hatte die ganze Oranisation Ylva überlassen. Sie sorgte dafür, daß eine Sänfte, inclusive Träger bereit stand, sie hatte meine Garderobe herausgesucht und sie war es auch, die eine Kleinigkeit besorgen sollte, die ich meinem Gastgeber als Dank für seine Einladung überreichen wollte.
    Unter einem Vorwand verließ ich denn auch die heimatliche Villa. Außer Ylva und mir wußte niemand, wohin mich mein neuerlicher Ausflug hinführen sollte. Selbst die Träger ließ ich noch im Unwissen. Sobald ich die Villa verlassen hatte, sollten sie erfahren, wohin es ging.
    Hätte mich jemand nach meinem Ziel gefragt, so hätte ich geantwortet, daß es eine Freundin war, die ich zu besuchen gedachte.


    Ich war mit meiner Sklavin vollauf zufrieden. Sie hatte sich einmal mehr alle verfügbaren Beine ausgerissen, um meinen Anforderungen vollkommen gerecht zu werden. Auch die Zusammenstellung meiner Kleidung entsprach meiner vollsten Zufriedenheit. Ich trug eine azurfarbene Tunika, die aus mehreren Lagen eines dünnen feinen Stoffes bestand. Jede einzelne Lage des Stoffes wäre für sich durchsichtig gewesen, doch die Gesamtheit der übereinanderliegenden Lagen ließ dies nicht mehr zu. Dezente, mit einem Goldfaden versehenen Stickereinen waren überall daran angebracht und rundeten so das prachtvolle Gewand ab.
    Den goldenen Schmuck, in den einige tropfenförmige Aquamarine eingelassen waren, hatte Ylva passend zur Tunika ausgesucht.
    Das "kleine" Mitbringsel, welches sie besorgen sollte, hatte sie verpacken lassen. Zwei Sklaven mussten es hinter meiner Sänfte hertragen, da die Ausmaße des Geschenkes doch etwas größer ausgefallen waren, als geplant.
    Nun war die Strecke zur aurelischen Villa nicht sonderlich weit. Daher dauerte es nicht lange, bis sich meine Sänfte ihrem Ziel genähert hatte.
    Ich schickte Ylva voraus, auf daß sie mich an der porta anmelden konnte. Dies tat sie ohne weiteres. Schließlich war es nicht das erste Mal, daß ich sie zur Villa der Aurelier geschickt hatte.
    Sie klopfte dreimal an und wartete. Derweil hatte sich meine Sänfte der porta so genähert, daß sie für den aurelischen ianitor ersichtlich sein mußte.

  • Heute war wieder einmal so ein Tag. Und dabei war der Tag noch nicht mal sonderlich alt. Trotzdem wusste Leone schon, dass heute einer der Tage war. Genau. Einer der Tage. Einer von denen, die er am liebsten ans Ende der bekannten Welt getreten hätte. Um dann nie wieder davon zu sprechen. Und dann zu vergessen.


    Angefangen hatte es ganz früh, heute morgen. Leone war in den Garten gegangen, was er öfter tat in der Früh, bevor er an die Porta ging, um dort seinen Dienst zu versehen. Sich ein bisschen die Beine vertreten und die frische Luft und die Sonne dort zu genießen, dazu kam er sonst in der Regel nicht. Und wer war da, wo er seinen Fuß hinsetzte? Eine Biene. Eine Biene! Die ihn prompt gestochen hatte! Dass er sehen konnte, wie das kleine Tier jämmerlich verging, hatte ihm kaum Genugtuung bereiten können, hatte er doch gleichzeitig noch den Stachel in seiner Fußsohle gespürt und ihn kurz darauf herausgezogen. Danach war er in die Küche gehumpelt, wo Niki allerdings nicht nur Hilfe in Form einer Zwiebel für ihn parat gehabt hatte, sondern auch jede Menge Spott - während Dina ihm 'hilfreiche' Ratschläge von Rollo weitergab, unter anderem den Kommentar: "Ein Mann trägt sowas mit Fassung!", während sie gleichzeitig über Nikis Sprüche kicherte. Nein. Eindeutig nicht sein Tag. Auch wenn der Bienenstich das einzige war, was ihm bisher passiert war.


    Wenigstens war es bisher ruhig gewesen, was bedeutete, Leone konnte seinen Fuß etwas hochlegen. Gerade als er aber Hoffnung zu schöpfen begann, dass dieser Tag doch noch eine gute Wendung nahm in Form von keinem Besuch, klopfte es an der Tür. Der Ianitor murmelte mürrisch etwas vor sich hin, dann setzte er eine gequält-gutgelaunte Miene auf, humpelte zur Tür und öffnete sie. Vor sich erblickte er eine blonde Sklavin, die er schon ein paar Mal gesehen hatte, im Hintergrund näherte sich eine Sänfte. "Ylva, richtig?" Als Ianitor lernte man schnell, sich Gesichter und Namen zu merken, wenigstens von denen, die öfter kamen. Die Sklavin vor ihm gehörte zu einer Flavierin, wenn er sich richtig erinnerte, die erst vor kurzem Aurelia Minervina besucht hatte. "Möchte deine Herrin zu Aurelia Minervina?"

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    Ylva mußte nicht lange warten, was ihr sehr entgegen kam. Schließlich wußte sie um die Ungeduld ihrer Herrin. Der Ianitor öffnete sogleich die Tür. Zu iher Überraschung wußte er sogar noch ihren Namen, was ihr sehr schmeichelte. Beinahe wäre sie sogar rot geworden, doch dann fragte der Nubier schon nach dem Zweck des flavischen Besuchs.
    "Aurelia Minervina?" fragte die Sklavin unsicher. Ihre Herrin hatte ihr lange genug eingebläut, mit niemandem über das wahre Ziel der Flavierin zu sprechen. Doch dies war der aurelische Ianitor und dem durfte sie doch sicher über die wahren Besuchsabsichten ihrer Herrin informieren. Unschlüssig sah sie sich noch einmal zu der Sänfte um. Celerinia konnte sie nun keinesfalls fragen. Sie würde vor Wut explodieren. Also traf sie eine eigene Entscheidung, was ein sehr ungewohntes Gefühl in ihr hervor rief.
    "Ähm, nää,... ähm isch mein, nein! Meine Herrin wünscht, den Herrn Aurelius Corvinus zu besuchen," antwortete sie schließlich schüchtern. "Sie wird bestimmt schon erwartet," fügte sie noch schnell hinzu.

  • Es war einfach herrlich, wieder in Rom zu sein! Die vielen Menschen aus allen möglichen Ländern, der Lärm, das fröhliche oder auch einfach nur lebhafte Treiben in den Straßen. Nunja, der Gestank, der stellenweise doch recht übel war, kam Ursus ärger vor als früher. Und doch konnte selbst dieser seine Freude über die Heimkehr nach Rom nicht trüben. Der Tag neigte sich schon dem Ende zu, als die Reisegruppe endlich vor der Villa anhielt. Einer der Begleiter eilte zur Porta, um anzuklopfen, während Ursus sich gemächlich aus dem Sattel gleiten ließ und erst einmal etwas vom Reisestaub von sich abklopfte. Dann trat er gemächlich auf die Tür zu, von der er annahm, daß sie sich jeden Augenblick öffnen würde.


    Ein wenig flau im Magen war ihm ja schon. Was war in der Zwischenzeit wohl alles geschehen? Seit der Brief von Corvinus Rom verlassen hatte, war viel Zeit vergangen. Fhionn war sicherlich inzwischen tot. Ein Verlust, der unnötig gewesen war. So unglaublich unnötig. Ursus fragte sich, wie die anderen Sklaven mit dieser Situation umgehen mochten. War das Verhältnis zwischen den Bediensteten und der Familie nun so getrübt, daß sie das Vertrauen zueinander verloren hatten? Er hoffte nicht. Bisher war er stolz darauf gewesen, daß die Aurelier ihre Leute anständig behandelten und sich auf sie verlassen konnten. Auch wenn jeder von ihnen ein wenig merkwürdig war und seine kuriosen Eigenheiten hatte, waren sie doch immer verläßlich und in gewisser Weise Teil der Familie gewesen. Wie mochte das jetzt wohl aussehen?

  • Leone musterte die Sklavin vor ihm, während er seinen gleichermaßen juckenden wie schmerzenden Fuß am Türstock rieb – wodurch der Juckreiz nicht nachließ, der Schmerz aber stärker wurde. Er unterdrückte einen Fluch, während Ylva erst verunsichert reagierte und dann das Anliegen ihrer Herrin vortrug. Das ließ ihn sogar für kurze Zeit den Bienenstich vergessen. Hatte die Sklavin vor kurzem nicht noch anders geredet? Für einen Moment zeigte sich auf seinem Gesicht ein halb verdutzter, halb grübelnder Ausdruck, in Folge dessen unter anderem seine linke Augenbraue nach oben wanderte und seine Unterlippe sich etwas vorschob. Dann normalisierte sich seine Miene wieder, und er zuckte die Achseln, als wäre er zu dem Schluss gekommen, dass es egal sei. Kurz sah er zu der Sänfte, die inzwischen vor der Villa zum Stillstand gekommen war, dann nickte er der Sklavin vor sich zu. "In Ordnung. Ich werde dafür sorgen, dass dominus Corvinus benachrichtigt wird. In der Zwischenzeit denke ich, ist es das Beste, wenn deine Herrin im Atrium wartet." Immerhin wusste Leone nicht, was Corvinus vorhatte, wenn er die Flavia denn tatsächlich erwartete.



    /edit: Leone hat den Link vergessen ;)

  • Solange Ylva noch mit dem Ianitor zu tun hatte, nutzte ich die Zeit dazu, um mit Hilfe eines kleinen Handspiegels mein Äußeres noch einmal zu überprüfen. Das Letzte, was ich zu solch einem Anlaß gebrauchen konnte, war eine zerstörte Frisur oder verschmierte Schminke. Glücklicherweise war alles noch so, wie es sein sollte.
    Langsam wurde ich ungeduldig. Warum dauerte das nur solange? Hoffentlich bediente sich meine Sklavin diesmal einer zivilisierten Sprache. Irgendwann einmal musste es sie doch begreifen, was ich ihr ständig predigte. Ob meine Tunika auch richtig saß? Und das Geschenk? War es zu mickrig oder gar zu protzig. Vielleicht gefiel es ihm ja gar nicht! Hoffentlich hatte Ylva nicht alles zerstört, indem ich sie losgeschickt hatte, um etwas angemessenes zu besorgen.
    Ich spürte meinen rastlosen Herzschlag. Nur nicht zappelig werden, sagte ich mir. Sei erhaben, wie einst Cleopatra vor Iulius Caesar.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte Ylva an meine Sänfte zurück und berichtete mir. Dann half sie mir beim Entsteigen der Sänfte. Bevor ich zur porta schritt gab ich den beiden Sklaven, die mein bescheidenes Mitbringsel trugen, einen Wink, damit sie uns folgten.
    Es war ein erhebendes Gefühl durch die porta zu schreiten. Ob ich schon am Ziel meiner Träume war, konnte sich womöglich heute schon entscheiden. Zumindest war dieser Besuch ein weiterer Schritt dahin.

  • Solch ein Sklavenleben war wirklich ein Graus! Erst wenige Tage zuvor war der aurelische Ianitor von einer Biene gestochen worden. Das Gifit des Insekts hatte ihn den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht gequält. Heute war es einmal mehr einer seiner Zähne, der ihn den letzten Nerv raubte. Der durchdringende Schmerz marterte ihn schon seit den frühen Morgenstunden, als er aufgestanden war und sich für seinen Dienst vorbereitete. Der Schmerz hatte ihn jeglichen Appetit geraubt, da die geringste Berührung mit dem Zahn die reinste Tortur war. So kam es, daß Leone an diesem Tag noch so gut wie gar nichts gegessen hatte. Nun kam zu den elenden Zahnschmerzen auch noch ein knurrender Magen hinzu. Daher war es auch nicht sehr verwunderlich, warum er heute nicht gerade bester Laune war.
    Jetzt klopfte es auch noch! Wer erdreistete sich? Doch es half alles nichts. Mit einer Hand seine Backe haltend, öffnete er schließlich die Tür einen Spalt weit.
    "Was gibt´s?" fragte er mürrisch und kurz angebunden. Eigenartig, sein Gegenüber kam ihm schon etwas bekannt vor. Es mußte aber schon eine Weile her sein, seit er den Sklaven gesehen hatte. Hätte er vielleicht die Tür etwas weiter geöffnet, wäre ihm sicher auch der aurelische Heimkehrer nicht entgangen.

  • Nanu? Die Tür wurde nur einen Spalt breit geöffnet, die Frage klang mürrisch und abweisend. Hier war ganz offensichtlich einiges nicht in Ordnung. "Salve, Leone. He, Du kennst wohl keine Leute mehr...", beschwerte sich der Sklave - völlig zu recht. Doch da wurde er schon von Ursus beiseite geschoben.


    "Na, was ist das denn für eine Art, mit Besuchern zu sprechen, Leone? Kein Gruß, kein richtiger Blick, mit wem Du es eigentlich zu tun hast?", fragte Ursus erstaunt, denn normalerweise war der Nubier doch von ausgesuchter Höflichkeit. "Ich hoffe doch wohl, Du hast nicht vor, mich vor der Tür stehen zu lassen." Das war keine Frage, sondern fast schon so etwas wie eine Rüge, dem Tonfall nach zu urteilen. Ursus hatte im letzten Jahr durchaus gelernt, seiner Stimme einen gewissen Nachdruck zu verleihen. Das Militär war eben doch für die eine oder andere Erfahrung gut.

  • Der Nubier hielt seine Backe, als ob er so etwas seine Schmerzen lindern konnte. Doch nichts dergleichen geschah. Ganz im Gegenteil! Urplötzlich wurde der Sklave, der ihn so vertraut angesprochen hatte, zur Seite geschoben und der leibhaftige dominus Ursus stand vor ihm! Ach herrje! Auch das noch! Ein Schreck durchzuckte den Körper des Nubiers.
    "Oh, ähm, dominus Ursus!" Er räusperte sich verlegen. "Wie schön! Oh, äh, nein! Ich meine, ich habe nicht vor, dich vor der Tür stehen zu lassen! Bitte tritt ein!" Der Ianitor riß augenblicklich die Tür weit auf, damit der dominus mit seinen Begleitern eintreten konnte. Schnell winkte er noch einen Sklavenjungen herbei, den er damit beauftragte, dem dominus eine Erfrischung zu bringen und eine der Sklavinnen damit zu beauftragen, das cubiculum des Aureliers herzurichten.

  • Na, so ganz so groß schien die Freude ja nicht zu sein. Ursus musterte den Nubier kopfschüttelnd. Wenigstens eilten nun endlich Sklaven herbei, um die Pferde abzuladen und zu versorgen. Die Hand an der Wange zeigte schon deutlich, was mit Leone los war. Auch wenn das keine Entschuldigung für unhöfliches Verhalten war, so war es doch wenigstens ein Grund, ein verständlicher noch dazu. Zahnschmerzen konnten einem das Leben schon schwer machen. "Hast Du Zahnweh, Leone? Da ist Wärme aber nicht gut, das solltest Du eher kühlen. Und noch besser ist es, wenn Du den kranken Zahn ziehen läßt." Es gab doch immer jemanden im Haus, der sich mit so etwas auskannte. Leone mußte nur etwas sagen.


    Ursus betrat nun die Villa und atmete tief durch. Endlich wieder daheim. So gut es ihm in Germanien auch gefallen hatte und so kurzweilig die Reise dank der Gesellschaft von Sedulus gewesen war, so war es doch ein gutes Gefühl, wieder zuhause zu sein.

  • Nach einigen weiteren Stunden auf dem Wagen, die nach der wochenlangen Schifffahrt kurz wie Minuten schienen, erreichten wir schliesslich Rom, die Hauptstadt der Welt. Danach folgte ich - unter meiner Würde, aber was sollte man tun - zu Fuss dem Verwalter meines verstorbenen Vaters, Blandus.
    Die Stadt stank und sie war überfüllt von Gesindel, Bettlern, Sklaven. Doch das war mir ziemlich egal, auch wenn ich reichlich mit meinen gut trainierten verachtenden Blicken um mich werfen musste. Dies war Rom! Ich war da! Und so schnell würde mich niemand mehr hier weg kriegen. Dies war die Stadt, die ich zu meiner Heimat machen würde. Dies war der Ort an denen meine Vorfahren gelebt hatten, dies war der Ort an dem das Leben stattfand. Und von nun an, würde ich endlich mitten drin stecken.
    Die Villa Aurelia hatte nach aussen hin kaum Fenster, wie fast alle Stadthäuser, doch sie sah recht stattlich aus, sicher liess es sich hier gut leben - mindestens so gut, wie auf der Villa rustica in Achaia.
    Blandus klopfte.

  • Seitdem der böse Zahn, der ihn wochenlang gequält hatte, endlich gezogen worden war, ging es Leone wieder gut. Das merkten nicht nur seine Mitsklaven, nein das entging auch nicht den Besuchern der Villa, die nun wieder stets freundlich und zuvorkommend begrüßt wurden. So würde es auch nun wieder sein. Der Ianitor reagierte sofort auf das Klopfzeichen und öffnete die porta.
    "Salve! Was kann ich für dich tun?" fragte er den Mann, der vor der Tür stand. Natürlich war ihm auch gleich die junge Dame aufgefallen, die etwas hinter ihm stand. Er lächelt auch ihr freundlich zu.

  • Ich erwiderte das Lächeln nicht. Sklaven, die einer Herrin zulächelten, das war nicht nur anmassend sondern auch absolut unangebracht. Oder etwa nicht? Tatsächlich kamen leichte Zweifel in mir hoch, doch ich vertrieb sie, wie üblich, indem ich mich nach aussen hin abschottete und unverwandt und scheinbar mies gelaunt das Haus anstarrte. Doch innerlich war ich aufgeregt und freute mich darüber, endlich angekommen zu sein. Aber das musste dieser Sklave natürlich nicht merken.
    Blandus antwortete ihm: "Melde Deinem Herrn Aurelius Corvinus die Ankunft der Aurelia Laevina. Sie wird erwartet."
    Ich war mir nicht sicher, ob ich tatsächlich erwartet wurde, immerhin war nicht besonders klar gewesen, wann wir in Rom ankommen würden, aber mit einiger Genugtuung nahm ich zur Kenntniss, dass auch Blandus, der vor wenigen Jahren frei gelassen worden war, den Sklaven als Untergebenen sah.

  • Was ist denn mit der los, dachte sich Leone nur. Selbstverständlich behielt er aber seine Gedanken für sich und kümmert sich in erster Linie nur um ihren Begleiter. "Oh, willkommen! Bitte tretet doch ein. Ich lasse sofort nach einem Sklaven schicken, der den dominus informiert und der domina eine Erfrischung bringt. Ihr werdet sicher müde von der Reise sein." Nichts konnte den ianitor heute aus der Ruhe bringen, nicht mal ein hochnäsiger Freigelassener, der ihn von oben herab behandelte. :D
    Leone rief einen Sklavenjungen herbei, der die Dame und ihren Begleiter vorerst einmal ins Atrium geleitete.

  • Na, immerhin würde ich eine Erfrischung kriegen. An den Erfrischungen für Gäste konnte man schon viel über die Gastgeber erfahren, hatte mein Vater einmal gesagt. Blandus war sicher müde, aber ich war vor allem aufgeregt und gespannt auf Corvinus und die anderen. Vielleicht fand ich ja hier sogar eine Freundin, nach der ich mich so lange gesehnt hatte. In Rom war alles möglich...
    Blandus nickte und wir folgten dem ianitor ins Atrium.

  • Die Sonne war längst untergangen und die Nacht brach herein.
    Zwei Männer, die eine gebundene junge Frau hinter sich herzogen, gingen die Straße entlang. Einer der beiden trug eine Fackel mit sich, um sich und seinem Begleiter den Weg zu leuchten. Es geschah nicht alle Tage, dass ihr Weg sie in eine solch noble Wohngegend führte. Wer hier ein Häusschen sein Eigen nennen konnte, der hatte für den Rest seines Lebens ausgesorgt.
    Die junge Frau folgte den beiden Männern widerstandslos. Es hatte keinen Zweck, sich zu sträuben. Widerstand zu leisten bedeutete nur, sich Schmerzen einzuhandeln. Außerdem war sie froh, endlich aus dem Dreckloch zu entkommen, in dem sie die letzten Tage, als sie noch in der Gewalt des Sklavenhändlers war, verbracht hatte.
    In der Dunkelheit konnte man die Umrisse einer großen Villa erkennen. Das musste die Lieferadresse sein. Der Mann mit der Fackel, sah noch einmal auf seiner tabula nach. Ja, das war die richtige Adresse!
    Er ging auf die Tür zu und klopfte dreimal. Der andere Mann mit der Sklavin im Schlepptau, blieb unweit hinter ihm stehen. "Wenn wir die los sind, gehen wir noch einen trinken. Zum Glück war das die letzte für heute!" sagte er zu seinem Partner. Der Andere blieb bei dem Gedanken daran aber eher pragmatisch. Solange er seine Aufgabe noch nicht erledigt hatte, war an Freizeit nicht zu denken. "Erst bringen wir das hier über die Bühne und dann können wir überlegen, was wir machen." Arbeit war eben Arbeit und die musste man so gut, wie möglich verrichten. Er wollte es noch weit bringen, um vielleicht eines Tages sein eigenes Geschäft zu haben. Wenn man es richtig anstellte, konnte man reich werden, im Sklavenhandel.

  • [Blockierte Grafik: http://img353.imageshack.us/img353/7029/sklave1ph0.jpg]
    Es musste wohl gerade der Moment gewesen sein in dem Leone, der Ianitor der Villa, sein wahrscheinlich verdientes Abendessen eingenommen hatte, als der die Chargen des Tranquillus mit der neuen Sklavin ankamen. Der Ersatz-Ianitor in diesem Moment war Trautwini. der wie immer nur wenig sprach: "Salve, was wollt Ihr?" und sich dabei vor den beiden sinistren Typen auf, die nun nicht gerade wie gern gesehene Gäste der Aurelier aussahen. Erst als er die Frau hinter den beiden sah, begann er zu begreifen, dass dies wohl die Sklavenausträger waren, die den Grund für das "Gerücht des Tages" brachten. Die Sklavin, die Aurelius Orestes erstanden hatte und die mindestens 10 Sprachen konnte, darunter auch Germanisch - was ihn natürlich. "Ah ihr bringt die neue Sklavin des Dominus Orestes. Ich lasse ihn holen." Dann schaute er sich um und fand, was er suchte einen Sklavenjungen, dem er sagte: "Hol den Dominus Orestes, seine Anschaffung ist da."


    Glücklicherweise kam in diesem Moment auch Leone zurück, so dass Trautwini die "Herren" selbst ins Atrium geleiten konnte. "Leone, übernimm Du wieder, ich bringe die 'Herren' ins Atrium. Sie bringen unseren Zuwachs". Und zu Nuala und auf Germanisch sagte er: Du hast einen Riesenglück, dass Du hier gelandet bist.. Dann wandte er sich zum Gehen.

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