[Templum] Venus

Freundschaftlich tröstend legte ich meinen Arm um sie.

"So ist es häufig, man spürt, wenn einem geliebten Menschen etwas zustösst. Es tut mir um deinen Mann, ich kannte ihn zwar nicht, aber er war wohl ein guter Soldat."

Ich lächelte ihr zu.

"Der Unterschied zwischen uns beiden und Quintus ist es, das wir unseren Zorn und unsere Trauer zeigen können. Er kann es nicht, nicht mehr."

"Ich danke dir Crassus. Er war ein guter Soldat, denn auch als Offizier ließ er es sich nicht nehmen in der ersten Reihe zu stehen. Und er war ein guter Mensch, aber ein schlechter Patrizier."

lächelte ich leicht in Erinnerung an ihn.

"Ich denke du hast Recht. Quintus hat das alles in sich reingefressen und irgendwann ist schluss. Ich habe nur Angst, dass es soweit kommt, dass er keine Trauer noch Liebe mehr empfinden kann."

"Helena, tu mir einen Gefallen, nenn mich Lucius. Ich konnte den Namen Crassus nie leiden... "

Ich lächelte.

"Er hat es nicht in sich hineingefressen, es ist mehr so, als ob er alles abblockt."

Ich dachte an früher, in der Casa Rustica in Gallica... Kaum zu glauben, wie offen ich mit Helena darüber sprach.

"Sein Grossvater war genau so, gross und stolz, unfähig Gefühle zu zeigen."

Meine Gedanken wanderten in die Vergangenheit.

"Nur Manchmal, spät in der Nacht führte er Gespräche mit seinem alten Primus Pilus. Ich hab mich mal dazu geschlichen und gelauscht...."

...befand sich Valeria im Venustempel, um der Göttin zu opfern. Sie hatte Kuchen mitgebracht, Wein, Obst und Blumen. Nicht übermäßig viel von jedem, aber zusammengenommen doch schon etwas. Sie entzündete den Weihrauch und platzierte ihre Opfer auf dem Altar des Tempels, ehe sie davor niederkniete und ihren Kopf bedeckte, um zu beten.

Lautlos war ich herangeschritten, denn ich wollte sie nicht stören. Mit einem milden Lächeln im Gesicht und vor dem Bauch verschränkten Armen beobachtete ich meinen Schützling. Ihre erste Opferung war dies gewiss nicht, denn sie vollführte sie mit sicheren Handgriffen.

Im stummen Gebet hatte Valeria der Göttin für die Gunst gedankt, die sie ihr und Maximian zugedacht hatte. Sie hatte darum gebeten, ihnen auch weiterhin gewogen zu sein und darum, dass die Venus das Opfer annahm. Auch hatte sie ihr berichtet, dass sie in die Societas Veneris eingetreten war, um sich dort zu engagieren. Helenas Schritte hatte sie gar nicht erst vernommen - entweder war die Pontifex sehr leise oder aber Valeria zu konzentriert gewesen. Oder aber beides traf zu. Nun, gute zehn Minuten nachdem Helena eingetreten war, erhob sich Valeria und drehte sich herum. Da wurde sie Helena gewahr und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Mit wenigen schnellen Schritten war sie bei ihr.
"Helena"; sagte sie leise und warm, doch trotzdem wurde ihre Stimme von den Wänden des Tempels zurückgeworfen.
"Schön dich zu sehen."

Ergriffenheit hatte von mir Besitz ergriffen, als ich sie so beobachtet hatte. Sie schien voller Inbrunst zu Venus zu beten, voller Liebe. Ja, auch Venus sollte bald ein Opfer von mir erhalten, ein Dankesopfer. Es sollte nicht allzu klein ausfallen, doch zuvor würde ich Iuno's Opfer darbringen - ein großer Tempel ihr zu Ehren.

"Ja, Valeria. Es ist schon recht lang her, fern des Unterrichts."

antwortete ich leis und sanft, das warme Lächeln nicht von den Lippen bekommend. Valeria sah gut aus, und das freute mich. Und das Gebet wirkte so ehrlich.

Valeria fragte sich, woher Helena ihre gute Laune hatte. Sie legte den Kopf schief und lächelte sanft, war ganz die werdende Mutter in diesem Augenblick, die sie nun einmal war.
"Ja, da hast du wohl recht. Ich habe Venus gerade ein Opfer dargebracht", erklärte sie überflüssigerweise, denn das hatte Helena natürlich selbst gesehen.
"Ich bin in Rom der Societas Veneris begetreten, das habe ich Venus berichtet...unter anderem. Aber sag, was führt dich heute hierher? Es ist seit langem wieder ein sonniger Tag...."
Valeria lächelte und deutete auf eine kleine, mamorne Ruhebank in einer Nische.
"Setzen wir uns? Ich wollte sowieso noch mit dir reden."

"Der Societas Veneris? Ja, ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, doch ich denke ich schaffe das neben dem Pontifex nicht. Durch dieses Amt sind für mich noch soviele andere Aufgaben für mich entstanden..."

Ich seufzte und machte eine resignierte Geste. Ich beobachtete Valeria's Gesichtsszüge, unter der Schwangerschaft schien sie wirklich aufzublühen. Kaum noch Sorgen schimmerten durch ihr strahlendes Gesicht.

"Nun, da unsere Sacerdos Veneris derzeit in Rom verweilt muss ich auch ihre Aufgaben übernehmen. Durch ihre Abesenheit bin ich nun die einzige Sacerdos überhaupt in Tarraco und... Hm."

schmunzelte ich und zuckte mit den Achseln. Doch ich folgte ihrer Aufforderung und setzte mich auf die angewiesene Bank.

"Was gibt es denn?"

Valeria nickte nachdenklich, dann hatte sie einen Gedankenblitz und sah Helena aufgeregt an.

"Weißt du was? Decima Alesse weilt derzeit in Tarraco! Ich könnte sie fragen, ob sie nicht vielleicht den Dienst als Sacerdos hier fortführen will. Es würde sie ablenken, denke ich. Und das wäre gut. Ihr Verlobter ist entführt worden und es sieht nicht so aus, als sei er noch am Leben, weißt du... Sie sagt bestimmt nicht nein. Außerdem wird Didia Fausta noch länger abwesend sein, denn wie ich in Erfahrung bringen konnte, führt sie die Exkursion an, die nach Cyprus aufbricht und die Überreste der Muschel sucht, in der Venus an Land kam. Alessa hingegen wird wohl noch eine ganze Weile hierbleiben. Soll ich sie fragen?"

Valeria sah Helena fragend an und lehnte sich dann etwas zurück, die Hand in einer unwillkürlichen Bewegung auf den Bauch legend, der sich langsam zu runden begann.

"Du weißt ja, dass ich unentschlossen war, was den Wechsel von Fortuna zu Iuno anging. Ich habe inzwischen eine ganze Weile nachgedacht und bin mir sicher, dass ich Iuno dienen möchte - auch, wenn ich kürzlich zur Popa Fortunae ernannt wurde."

Ich lauschte ihren Worten mit gemischten Gefühlen, doch noch ehe ich 'nein' sagen konnte, auch nur denken konnte, hatte sich ein klares 'ja' in meinem Kopf gebildet.

"Ja, das könntest du tun! Ich kann jede helfende Hand gebrauchen und ganz besonders eine Sacerdos. Könntest du ihr ausrichten, dass sie sich in meinem Officium melden soll, falls sie Interesse hat?"

fragte ich lächelnd. Doch mein Gesicht wurde wieder ernst, verlor allerdings nichts an Wärme, als sie ihr Anliegen fortrug.

"Gut, das ist in Ordnung. Von nun an werde ich dich als Iuno Priesterin ausbilden. Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich dich vielleicht Alessa unterstelle? Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll wenn die anderen Priester erst einmal alle in den priesterlichen Stand erhoben wurden."

"Gut, ich werde sie fragen", versprach Valeria.
Was den Unterricht mit Alessa anging, war sie sich nicht sicher. Natürlich, Alessa würde sie sicherlich gern unterrichten, aber vielleicht war sie auch zu niedergeschlagen aufgrund ihres Verlusts? Valeria würde sie fragen, aber Helena gab sie folgende Antwort.

"Zuerst einmal muss sie der Bitte zustimmen, dir zu helfen. Wenn sie mich dann unterrichten würde, kann sie das gern machen. Im Endeffekt ist es mir gleich, wer mich unterrichtet - aber sag, was geschieht mit Arria? Warum ist sie zur Commentaria ernannt worden und nicht zur Popa? Und werden wir auch in Zukunft zusammen unterrichtet werden?"

Fragen über Fragen, aber Valeria interessierte es sehr. Und dann kam ihr noch eine Idee.
"Ich könnte - mit deiner Erlaubnis - auch mehr Einheiten als bisher absolvieren in der Woche, damit ich eher zur Sacerdos ernannt werde. So könnte ich dir mit den vielen Neulingen helfen", schlug sie vor und sah Helena ehrlich lächelnd an.

Ich musste leider den Kopf schütteln, als sie mir das mit der Sacerdos anbot.

"Ich bin dir sehr dankbar für dein Angebot, doch ich fürchte ich werde es ausschlagen müssen. Ich bekomme vier Schüler und habe mit ihnen genug zu tun. Sollte Alessa zustimmen, werden wir gemeinsam Arria und dich unterrichten, wobei sie allerdings den Hauptteil übernehmen müsste. Dann hätte ich mehr Zeit mich um die Schüler zu kümmern. Und wegen der früheren Beförderung zum Sacerdos - es kommt darauf an wie früh. Es liegt in der Entscheidung des Collegium Pontificium.

lächelte ich und sah kurz nachdenklich zu Boden.

"Das liegt an den Aufgaben. In deinem Falle war es ziemlich sicher, so du alles erledigst, dass du Popa wirst. Sie stand unter dem Druck, dass sie ausnahmslos alle Fragen richtig beantworten musste und nur dann Popa werden könnte... Ich habe allerdings noch einmal gebeten, dass ich sie nachprüfen darf und so wird auch sie die Möglichkeit erhalten, einen Kurs zu erstellen."

nickte ich andächtig. Doch dann grinste ich - es war wie damals, sie durchlöcherte mich wieder einmal mit vielen Fragen.

Valeria nickte.
"Das verstehe ich natürlich. Ich habe keine Ahnung, wie lange es normalerweise dauert, bis man nach seiner Ernennung zur Popa in der Regel braucht, bis man die Prüfung zur Sacerdos machen darf. Aber ich werde mein bestes tun, es nicht allzu lange herauszuzögern, damit ich dir helfen kann. Arria wird sicher das gleiche versuchen."

Was Arria anging, so nickte Valeria verstehend und meinte:
"Ah, so ist das! Ich hatte nach der Prüfung noch keine Möglichkeit, mit Arria zu reden und konnte sie deswegen nicht fragen, wie ihre Prüfung gestaltet war. Also hatte sie Fragen zu beantworten? Da hast du recht, dann war es etwas schwerer. Ich hatte ja die Möglichkeit, mir Fragen auszudenken, auf die ich auch eine Antwort wusste. Trotzdem habe ich mir ganz schön Gedanken gemacht, dass ich es nicht schaffen könnte. Aber du hast ganze Arbeit geleistet", sagte Valeria und grinste breit.

"Sag, muss ich mich selbst auch an das Collegium wenden, wenn ich von jetzt an zur Priesterin der Iuno ausgebildet werden will?"

"Nein, das werde ich machen. Ich reise ja bald nach Rom und ich denke eine zweite Reise in so kurzer Zeit liegt nicht in deinem Interesse, oder? Ansonsten bist du herzlich eingeladen, dennoch mitzukommen. Hast du den den Ius Iurandum Cultus Deorum abgeleistet?"

fragte ich. Sollte sie dies nicht, so würde mir Claudia gewiss den Kopf abreißen, hatte sie einen schlechten Tag. Ich hoffte, ich musste nicht zu den Göttern beten dass sie einen Guten hatte.

"Ich bin jedenfalls stolz auf euch beide, geleistet habt ihr beide einiges. Ich bin mir, nachdem ich eure Arbeiten durchsah, über jeden Zweifel erhaben, dass ihr es nicht auch bei der nächsten Prüfung schafft. Nicht ich, sondern ihr habt ganze Arbeit geleistet. Ich gab nur mein Wissen weiter, erfolgreich gelernt habt ihr beiden!"

antwortete ich lachend.

"Ja, den habe ich abgelegt. Und ich habe mich auch der Flaminca persönlich vorgestellt....aber ich hatte den Eindruck, dass sie nicht sonderlich begeistert war, dass ihr ihr Zeit gestohlen habe. Naja, ich hatte auch einen Vorwand, unter dem ich sie noch besucht hatte... Ich habe sie um einen weiteren Religionskurs für die Schola gebeten, nun, da wir so viele neue Priester haben."

Helenas weiter Worte rangen Valeria ein strahlendes Lächeln ab. Sie errötete sogar etwas.
"Was eine erneute Romreise angeht, so halte ich das nicht für eine gute Idee", sagte sie mit einem kurzen, aber dennoch vielsagenden Blick gen Bauch."

"Ja, genau dies habe ich ja unter Anderem auch gemeint!"

gab ich zwinkernd und ebenfalls diskret auf ihren Bauch schauend zurück. Claudia und weniger erfreut - bis heute hatte ich es von jedem gehört, mit dem ich mich unterhalten hatte.

"Aber wie meinst du das mit dem Religionskurs für die Schola? Erzähl mir näheres darüber!"

"Naja, mit Blick in die Unterlagen der Schola habe ich festgestellt, dass der letzte Religionskurs schon sehr lange zurückliegt. Ich fragte mich, ob der Mangel an Interessenten für den CD vielleicht daran liegt, dass die Bürger des Imperiums nicht sehr viel Allgemeinwissen über die Götter haben. Also suchte ich die Rektorin auf und fragte sie, wie es sich mit einem Cursus dieser Art verhielt. Scheinbar erfolgten in der Vergangenheit schon mehrere Anfragen an den CD bezüglich eines neuen Religionskurses, aber niemand erklärte sich bereit, einen zu organisieren und abzuhalten. Also bat ich dir Flaminca, sich darüber noch einmal Gedanken zu machen. Es wäre sicher auch nicht schlecht, wenn die neuen Schüler diesen zusätzlichen Kurs besuchen würde, was meinst du?"

Valeria sah Helena forschend an, sprach dann weiter.
"Ich würde ihn auch selbst abhalten...aber ich fürchte, als Popa fehlt mir dazu das nötige Wissen......"

"Nun gut, die Religionskurse waren damals aber zumeist auch zumeist für die Schüler des Cultus Deorums gedacht, dafür auch um einiges schwerer als die aktuellen Kurse. Aber auch einmal einen Kurs für die normalen Bewohner Tarracos abzuhalten, fände ich auch nicht schlecht. Und ob die Schüler dann mitmachen, bliebe ihnen überlassen."

nickte ich nachdenklich. Ja, das war fürwahr eine gute Idee.

"Meine Unterstützung hättest du auf jeden Fall!"

"Ah, das wusste ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich mich noch nicht so sehr eingelesen habe in das alte Kursmaterial..." zwinkerte Valeria und grinste.

Dann wurden ihre Augen groß und sie sah Helena erstaunt an.
"Also - du meinst, ich sollte den Kurs abhalten?" vergewisserte sie sich.