• "Mir geht es ausgezeichnet, ich kann nicht klagen. Die Dinge entwickeln sich wunschgemäß. Was die Gens betrifft, fragst du den Falschen. Ich weile höchst selten in Rom, zumeist nur dann, wenn ich in der Curia Italica zu tun habe oder wie heute im Senat vorsprechen sollte."


    Claudius musterte seinen Onkel, der seinem Vater in seiner Art recht ähnlich war.


    "Ich hoffe, dir geht es ebenfalls gut?"


    So konnte immerhin Geldnot oder Krankheit Ursache für die Rückkehr des Onkels sein.

  • Curia Italia, Vorsprache im Senat? Das klang eigentlich recht viel versprechend für einen kleinen Legionscenturio. Bestimmt kam ihm da seine Abstammung zu gute. Wie dem auch war - Vesuvianus sollte er im Auge behalten. Vielleicht war dieser ein wirklicher Ausreißer aus den restlichen Tunichtguten der Familie.


    „Auch ich kann mich nicht beklagen Neffe.“


    Das er in Wirklichkeit lieber in Achaia geblieben wäre und was ihm dazu bewogen hatte nach Rom zu kommen, wollte er noch nicht Preis geben. Etwas ungeduldig ließ er seinen Blick durch das Atrium schweifen, ehe er wieder seinen Neffen fixierte.


    „Lässt dein Bruder Vitulus seine Gäste immer so lange warten?“

  • "Auch da kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben, denn erstens bin ich höchst selten hier und kenne Vitulus weniger als Pater Gentis als vielmehr als Kamerad in der LEGIO I und zweitens habe ich ihn monatelang nicht gesehen, weil mich meine Quaestur nach Hispania gerufen hatte."


    Claudius rieb sich nachdenklich das Kinn.


    "Allerdings habe ich ihn davor auch schon höchst selten zu Gesicht bekommen und kann nicht ausschließen, dass er gesundheitlich angegriffen ist. Auf jeden Fall besitzt die Gens in unserem jüngsten Bruder Constantius einen Tausendsassa, der überall seine Nase reinsteckt und sicherlich über alles bestens aufgeklärt ist. Es wäre sicher aufschlussreich, ihn zu rufen und entsprechend zu befragen."


    Bei diesen Worten konnte sich Vesuvianus ein Grinsen nicht verkneifen. Ob er allerdings zu diesem Interview bleiben würde, war noch fraglich.


    "Du bleibst jetzt für länger hier, nehme ich an?"

  • Andraste hielt sich ganz still und unscheinbar im Eck, immerhin war ihre Herrin noch nicht wieder aufgetaucht. Die Nacht hatte Andraste mit den anderen Sklaven zugebracht und saß nun wieder bei "ihrer" Harfe, auf Arria wartend. Sie kannte sich in diesem Haus ja nicht sonderlich aus und seitdem sie angekommen waren, hatte Andraste ihre Herrin nicht mehr gesehen. Also blieb die dunkelhaarige, hübsche Keltin eben ganz still an ihrem Platz, fast schon einer Statue gleich, den Kopf leicht geneigt, die Harfe betrachtend, während das hüftlange Haar offen über ihre Schultern herab floss.


    Sie hoffte, das Arria bald kommen würde. Die beiden Männer hatte sie bemerkt, hörte jedoch dem Gespräch nicht zu.

  • „Wir werden sehen. Einer eurer Haussklaven ist ja schon auf dem Weg um nach ihm zu sehen.“


    Constantius! Ja, das war einer von denen, die erst nach seiner Abreise nach Achaia auf die Welt gekommen waren. Aber er hatte sich natürlich auch über diesen informieren lassen und wusste, dass er ein kleiner unwichtiger Beamter am Kaiserhof war. Marcellus spürte wie seine Schläfen wieder zu pochen begannen und schob die Gedanken schnell beiseite um auf die letzte Frage seines Neffen einzugehen.


    „Da nimmst du völlig richtig an Neffe! Mit ein Grund, warum ich mir hier nicht gerne die Beine in den Bauch stehen möchte.“


    Er warf einen Blick zum Eingang und wunderte sich, dass die Sklaven sein Gepäck noch nicht herein gebracht hatten. Er deutete dem Sklaven neben ihm, dass er nachsehen sollte und richtete seinen Blick dann wieder auf seinen Neffen.


    „Wer wohnt sonst noch hier in der Villa?“

  • "Ein bisschen Schwung könnte der Familie nicht schaden. Seit sich Onkel Arbiter nicht mehr blicken lässt, hat mich nicht mehr viel in die Stadtvilla gezogen."


    Claudius, der eigentlich nur auf einen kurzen Sprung in das Zimmer schauen wollte, nahm nun Platz und verfluchte wieder einmal diese unhandliche Toga, die er noch immer trug.


    "Etwas Zucht und Ordnung würde ebenfalls nicht schaden, ich habe mich in letzter Zeit an manchen Gepflogenheiten gestört und mich auch deswegen komplett in die Legion zurückgezogen."


    Claudius war keineswegs auf dem Laufenden, wer alles in der Villa wohnte. Bei seinen Kurzbesuchen bekam er Gäste wie anwesende Familienmitglieder bestenfalls am Rande mit.


    "Wohnhaft oder zumindest sporadisch anwesend sind Vitulus, Constantius und ein adoptierter Iulier, von dem ich bisher nur gehört, den ich aber noch nie getroffen habe. Zwei Mitglieder der Gens sind kürzlich verstorben, einige leben in Germania."

  • Mit großem Interesse hörte Marcellus seinen Neffen zu. Auch wenn er den Ausdruck „Schwung“ für einer patrizische Familie nicht gerade passend fand, hielt er sich zurück und lies Vesuvianus weiter ausführen. Zucht und Ordnung! Ja! Das hatte diese Gens bestimmt bitter nötig! Lauter junge Menschen, die keinerlei Vorbilder in der Familie hatten - da konnte nichts Gutes dabei heraus kommen. Seine Augenbraue wanderte beim letzten Satz seines Neffen jedoch wieder skeptisch nach oben und er versuchte sein leichtes Entsetzen hinter seinen ausdruckslosen Gesichtszügen zu verbergen. Hatte er sich verhört?


    „Jemand hat einen Plebejer in unsere ehrwürdige Gens adoptiert? Habe ich das Richtig verstanden? Einen PLEBEJER?“

  • Sollte Vesuvianus wirklich der Hoffnung nachgeben können, dass mit seinem Onkel die von ihm lange vermissten, durch Arbiter aufgelebten und sogleich wieder mit ihm verschwundenen, patrizischen Wertvorstellungen wieder Einzug in die Gens nahmen?


    Lange Augenblicke sah Claudius seinen Onkel an und spürte erste Sympathie diesem Mann gegenüber. Er ließ seinen Blick Richtung Fenster schweifen, gedachte der alten Zeiten, die er bereits vorbei glaubte, die aber vielleicht doch wiederkehren würden. Mit ernstem Gesichtsausdruck blickte er sodann zu seinem Onkel.


    "Das ist nur die Spitze des Eisberges."


    Bisher hatte Claudius anderen gegenüber bestenfalls Andeutungen gemacht, dass ihn die Entwicklung der Gens massiv störte. Er hatte sich in seine Legion vergraben und war seinen eigenen Weg gegangen - politisch wie beruflich.

  • Natürlich hatte sich Marcellus einige Informationen über die Gens eingeholt, bevor er sich endgültig dazu entschlossen hatte Achaia den Rücken zu kehren und nach Rom zu kommen. Jedoch waren diese äußerst Oberflächlich gewesen und er wusste genau, dass nichts über Berichte aus erster Hand ging. Aus diesem Grund entschloss er sich auch, dieses interessante Gespräch weiter fort zu setzen und nahm ebenfalls auf einem der Korbsessel platz, die im Atrium für Gäste bereit standen.


    „Die Spitze des Eisberges meinst du! Erzähle mir mehr Neffe!“

  • Claudius' Gesichtszüge nahmen einen unwilligen Ausdruck an. Er ärgerte sich über die Verhältnisse in der Gens, hatte bisher geschwiegen oder im Höchstfall mit Vitulus Gedanken getauscht. Es war nicht seine Art, hinter dem Rücken anderer zu reden und es brauchte gewisse Überwindung, bis er es dennoch tat.


    "Es gibt Gensmitglieder, die mehr als ich informiert sind, die dir mehr sagen könnten, vor allem mit besserem Hintergrundwissen, aber vermutlich bin ich der Einzige, der die Dinge derart kritisch sieht.


    Eins steht fest und ich möchte hier keine Namen nennen: In unserem Haus gehen Plebejer ein und aus, werden förmlich von verschiedenen Gensmitgliedern dazu eingeladen. Man pflegt Kontakte zu anderen plebejischen Gentes, die für meinen Geschmack über den vertretbaren Rahmen weit hinausgehen. Ich nenne es Affinität zu Plebejern, die mich veranlasst, diesem Haus so oft es geht den Rücken zu kehren, ich gestehe, meine Augen zu schließen, denn ich habe über kein Mitglied zu bestimmen. Allein, als es um die Adoption eines Straßenmädchens ging, habe ich vehement widersprochen und ebenso, als es um die Aufnahme der Flavia Messalina ging - falls du sie kennst."


    Claudius fand es einerseits alles andere als gut, hier wie ein Waschweib zu reden, andererseits wollte er bestimmt nicht weiter ins Detail gehen und er hatte die Ausrichtung der Gens gründlich satt. Es war an der Zeit, das einmal offen zu äußern.


    "Ein Familienrat sollte einberufen werden, um vor aller Ohren die Dinge zu äußern und zu klären und nicht so wie gerade jetzt im Verborgenen. Ich scheue mich nicht, deutliche Worte zu sprechen, aber am liebsten den Betreffenden ins Gesicht."

  • Aufmerksam lauschte Marcellus den Worten seines Neffen und schüttelte nur verständnislos den Kopf. Es war also doch schlimmer, als er es erwartet hatte. Plebejer, die hier ein und ausgingen, wo einst Kaiser gewandelt waren, adoptierte Straßenmädchen,… konnte es denn noch schlimmer werden. Ernst fuhr er mit dem Gespräch fort.


    „Ich habe auch gehört, dass ein Mitglied unserer Familie in einer Auxiliaeinheit in Germanien dient. Ist das war? Ein Patrizier! Ein CLAUDIER! Mitten unter halbwilden Germanen in einer Einheit, die sogar für einen Plebejer unter seiner Würde liegt! Ich kann es gar nicht glauben!“


    Er konnte dabei seine Erbostheit und seine Verständnislosigkeit nicht mehr zurückhalten und wurde etwas lauter.

  • Clauidius konnte sich gar nicht entscheiden, ob er zustimmend nicken oder missbilligend den Kopf schütteln sollte.


    "Du hast richtig gehört. Ein Claudier bei den Hilfstruppen - ich habe diese Tatsache weitgehend verdrängt."

  • Es war also wirklich wahr! Wie sehr hatte er gehofft, dass sich zumindest diese Information als falsch heraus stellte. Ein Claudier bei den Hilfstruppen! Wir mussten ja mittlerweile das Gespött der gesamten römischen Oberschicht sein. Wie konnte sich alles so entwickeln? Hatten die Götter unsere Gens bereits verlassen? Musste Marcellus sich selbst die Schuld daran geben, weil er nicht gleich nach dem Tod seines Bruders nach Rom gekommen war um die Geschicke der Gens zu lenken und das Zepter selbst in die Hand zu nehmen? Das die hälfte der Gens überhaupt keine Beschäftigung hatte war schon schlimm genug, aber eine solche Schmach - ein Familienmitglied bei den Hilfstruppen - war nicht einfach so hinzunehmen. Marcellus lehnte sich zurück und atmete tief durch.


    „Ich stimme dir zu Neffe! Wir müssen Vitulus dazu bewegen einen Familienrat einberufen. Und am besten so schnell wie möglich.“

  • Iulianus, welcher gerade auf dem Weg ins Triclinium war und der Sklave neben ihm geschäftig die Toga richtete, trat an die Beiden heran.


    "Salvete, die Herrschaften. Titus Claudius Imperiosus Iulianus, mein Name. Dürfte ich den Ihrigen erfahren?"

  • "Schneller kann es gar nicht gehen, denn nicht nur die Familiensituation erfordert ein sofortiges Handeln, sondern ich muss auch in Bälde wieder nach Mantua zurück. Ich bin dort für den Bau des städtischen Amphitheaters als leitender Architekt verantwortlich."


    Claudius winkte einen der bereitstehenden Sklaven heran und trug ihm auf, Vitulus über das Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Er strich sich gerade nachdenklich über die Stirn, als ein für ihn Fremder das Atrium betrat, der sich aber sogleich vorstellte.


    "Salve!"


    Claudius empfand es als komisch, sich in der eigenen Stadtvilla vorstellen zu müssen, tat es dann aber doch.


    "Mein Name ist Herius Claudius Vesuvianus. Bruder des Vitulus, Sohn des Claudius Macrinius."

  • Iulianus lächelte, ob der Tatsache, dass er sich wohl zu lange in der Regia aufhielt oder doch in seinem cubiculum sutdierte.


    "Dann musst du allem Anschein nach mein Großcousin sein. Meine Mutter war Claudia Moreia, bis sie meinen Vater ehelichte. Falls ihr es nicht wissen solltet, sie ist vor einigen Jahren verstorben, wir lebten in Achaia."


    Dann blickte er den anderen Mann an. Ja, er hatte wirklich noch einiges nachzuholen.

  • Auch über diesen Mann waren einige Informationen an Marcellus herangetragen worden. Der ehemalige Plebejer, der behauptete von den Claudiern abzustammen und in die Gens aufgenommen wurde. Musternd betrachtete er den Mann, als er mit seinem Neffen sprach und hielt sich zurück. Sichtlich erleichtert sah Marcellus seinen Leibsklaven herbeieilen, hatte er ja schon befürchtet, sich selbst vorstellen zu müssen. Der Sklave verbeugte sich tief vor dem Neuankömmling und begrüßte ihn.


    „Salve! Dies ist mein Herr, der ehrenwerte Patrizier Lucius Claudius Marcellus!“


    Zögerlich deutete der Sklave mit der Hand zu Marcellus, der sich völlig Anteilslos gab.

  • Die Geschichte mit der Claudia Moreia hörte Vesuvianus zum ersten Mal und wer war jetzt der Vater? Andererseits war es nicht seine Angelegenheit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Mehr als ein "Aha" verließ daher nicht seinen Mund. Hoffentlich kam Vitulus bald, um die Angelegenheit insgesamt zu entwirren.

  • Sim-Off:

    Puh, irgendwie mochte er sich gestern nicht so recht von hier aus einloggen, nun gehts.


    Etwas gehetzt betrat Vitulus das Atrium, als er die vielen dort anwesenden Menschen sah, auch seinen lieben Bruder Vesuvianus.


    "Salve! Schön euch zu sehen."


    Jedem der Anwesenden schenkte er einen freundlichen Blick und begab sich in Richtung einer Liege. :)

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • Obwohl Vitulus und Vesuvianus in derselben Legion dienten, sahen sie sich kaum. Daher freute sich Vesuvianus, als sein Bruder erschien, stand sofort auf und ließ diesen nicht ohne ihm kräftig auf die Schulter zu klopfen vorbeiziehen.


    "Mensch, Vitulus. Mach dich nicht immer so rar. Demnächst werde ich sonst noch eine Vermisstenanzeige aufgeben." ;)


    Claudius lachte und ließ sich dann wieder in den Korbsessel fallen.


    "Es geht um ernste Themen, Vitulus. Wir müssen über die Entwicklung der Gens reden, die der Vergangenheit, aber viel wichtiger noch, die der Zukunft."

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