• Eine golden silberne bemalte Kugel rollt über den Marmorboden. Das Geräusch ist zuallererst leise. Eine unbedeutende Irritation in der Kulisse aller Töne. Dem Plätschern von Wasser. Den Schritten der Sklaven in der Fern. Dem Zwitschern von Vögeln. Dem Gurren von Tauben auf dem Dach. Die Kugel erreicht das Atrium und rollte am Wasserbecken vorbei. Stetsfort auf den netten Mann vom Kundendienst zu. Die Kugel prallt gegen sein Schuhwerk. Und bleibt liegen. Ruhig und unschuldig.


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    Kinderleichte Schritte nähern sich dem Atrium. Am Gang bleiben sie stehen. Nero blinzelt neben einer Wand ins Atrium hervor. Versteckt sich im Schatten und betrachtet die beiden Besucher mit Argusaugen. Seine Murmel glänzt leuchtend vor den Füßen. Er will sie zurück haben. Das ist ein Geschenk seines Onkels und er liebt die Murmeln über alles. Sie entstammen wohl einem Grab oder einer versunkenen Stadt. Nero weiß es nicht mehr so genau. Der Junge presst die Lippen zusammen. Zu einem schmalen Strich in seinem Gesicht. Versucht die beiden Besucher einzuschätzen. Nein. Sklaven sind sie nicht. Nero rafft seine kleine Gestalt und stolziert in das Atrium hinein. Seine Finger spielen an der blauen Tunika, die er trägt. Ein goldfarbener Gürtel hält sie gerafft. Vor dem Mann vom Kundendienst bleibt Nero stehen. Er legt seinen Kopf in den Nacken. Um den Mann betrachten zu können. Ernst und stumm sieht Nero ihn an. Schließlich und endlich bricht Nero das Schweigen.
    "Ihr wohnt nicht in der Villa."
    Eine eindeutige und offensichtliche Feststellung. Nero weiß das. Aber er weiß auch. Fragen werden eher beantwortet, wenn man selber Informationen gibt.
    "Ich wohne in der Villa."
    Nero mit seinen gerade sechs Jahren ist vom Wuchs kleiner als seines Altersgenossen. Zierlicher. Darum meidet er auch den anderen Jungen in der Villa. Fürchtet von ihm verprügelt zu werden.
    "Darf ich meine Murmel haben?"
    Nero fragt sich. Sind das vielleicht Medici? Der Eine könnte der Medicus sein. Und der Andere sein Gehilfe. Nero hasst alle Medici. Sie piksen ihn. Schröpfen ihn. Geben ihm widerliche Dinge. Und verbieten ihm die leckeren Sachen. Süßes darf er nicht essen. Aber er stiehlt es sich heimlich aus der Küche. Ein Daumen gelangt in seinen Mund. Versunken nuckelt er daran. Selbstvergessen. Denn seine Mutter straft ihn deswegen. Er ist viel zu alt dafür.




  • Ennius Cerealis hatte die Murmel erst bemerkt, als sie an seinem Fuß anschlug. In Gedanken versunken blickte er sie erst einen Weile an und wollte sich dann gerade bücken, um sie aufzuheben, als ein kleiner Junge das Atrium betrat. Der nette Mann vom Kundendienst sah ihn freundlich an und lächelte. "Ja, wir wohnen nicht hier in der Villa. Wir sind nur zu Besuch. Wir kontrollieren die Wasseranschlüsse." Die Erfahrung des Kundendienstlers sagte ihm, dass das als Vorstellung meistens reichte. Namen merkten sich Kinder selten, aber dafür regten schon die einfachsten Aussagen meistens zu Nachfragen an. "Natürlich darfst du deine Murmel wiederhaben. Wenn du hier wohnst, ist dies schließlich dein Haus." Ennius Cerealis gab der Murmel einen ganz leichten und vorsichtigen Stoß mit der Fußspitze, so dass sie langsam auf den Jungen zurollte. Der Lehrling schien weniger Freude an Kindern zu haben und blickte währenddessen absichtlich desinteressiert in eine andere Richtung.

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    In einer schnurgeraden Linie rollt die Murmel zu dem jungen Nero zurück. Hurtig bückt sich der Junge und ergreift die Murmel. Sein Daumen ist weiterhin in seinem Mund. Nachdenklich mustert er die Männer. Keine Medici. Das war eine gute Nachricht. Seine Mundwinkel heben sich deutlich.
    "Die Wasseranschlüsse?"
    Genuschelt sind die Worte des Jungen. Denn der Daumen verhindert eine klare Sprache.
    "Warum kontrollierst Du die?"
    Nero fragt sich niemals nach dem Wasser. Wo es herkommt. Wer es in die Häuser bringt. Und warum es immerzu fließt.
    "Kannst Du sie auch heil machen?"
    Jetzt zieht er doch den Daumen aus dem Mund. Denn dem kleinen Nero ist etwas eingefallen. Er ergreift die lederne Tasche, die an seinem Rücken baumelt und zieht das Lederband auf. Die Murmel verschwindet darin und gesellt sich zu seinen kleinen runden Kameraden. Eine kleine Kiste kommt hervor. Aus hellem Buchenholz gemacht und hauchdünn. Goldene Schlangen sind darauf gemalt und goldene Riegel halten sie verschlossen.
    "Kannst Du das auch heil machen?"
    Nero öffnet die Kiste, die nicht größer als seine Hand ist. Er dreht sie um und hebt sie zu dem netten Mann vom Kundendienst hinauf. Ein Sommergoldhähnchen ruht in dem Behältnis. Der winzig zierliche Vogel mit dem goldenen Scheitelstreifen auf dem dunklen Köpfchen ist tot. Der filigrane Hals ist gebrochen. Die fragilen Beine zertrümmert.
    Erwartungsvoll sieht der Junge zu Ennius hinauf. Seit einer Stunde trägt Nero den Vogel mit sich rum. Zu einem Medicus wollte er ihn zuerst bringen. Aber dann kam ihm in den Sinn. Der Vogel ist kein Mensch. Tiere sind Dinge. Und Dinge werden nicht von Medici heil gemacht.
    "Weißt Du, wie er singt? Wenn er lebt? Ich weiß es."
    Nero strahlt. Er spitzt seine Lippen.
    "Zü zi zi zi zi zi zi zi zirrr."
    Er pfeift leise zwischen seinen Lippen hindurch.
    "Schön singt er. Er heißt Regulus ignicapillus. Wo kommt das Wasser her?"




  • "Ja, wenn ein Wasseranschluß kaputt ist, kann ich ihn auch reparieren", erklärte Ennius Cerealis mit ruhiger Stimme. "Ist euer Wasseranschluß denn kaputt?" Das war immerhin einen naheliegende Frage, denn wie sollte der Junge sonst darauf kommen, dass man den Anschluß in ordnung bringen müsste. Wenig später wusste der nette Mann vom Kundendienst dann aber, woher der Gedanke des Jungen kam, denn offenbar sorgte er sich um seinen Vogel. Nach einem kurzen Blick war Ennius Cerealis klar, dass er da wohl nicht helfen konnte. Aber solche Situationen waren dann doch eher selten, so dass er sich seine Worte gut zurecht legen musste. "Nein, tut mir leid, dabei kann ich dir leider nicht helfen. Du musst einen Medicus für ihn finden." Die Frage, was mit dem Vogel denn passiert war, hätte ihn zwar brennend interessiert, aber den Jungen wohl nicht glücklicher gemacht. Und auch wenn er ihn anstrahlte, als er vom gesang des Vogels erzählte, konnte er ihm keine Hoffnung machen. Zum Glück wechselte der Junge gleich wieder zurück zum Wasser. "Das Wasser kommt aus einem großen, langen Rohr. Da fließt es an einem Ende rein und am anderen Ende heraus. Da wo es heraus kommt ist Rom. Und da wo es hinein fließen soll ist eine Quelle, in den Bergen."

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    Enttäuscht sieht Nero in das Kästchen. Der Sklave im Garten konnte ihm auch nicht helfen. Der die Blumen schneidet und das Laub fegt. Der Mann für das Wasser kann Nero ebenso nicht behilflich sein. Deutlich hat er das gesagt. Nero kräuselt seine Nase. Er kaut auf seiner Unterlippe herum. Ein Medicus kann den Vogel nicht ganz machen. Anklagend hebt Nero die Kiste hoch. Offeriert noch mal den Anblick des kleinen Wesen.
    "Ein Medicus kann da auch nichts machen. Wo soll er ihn pieksen? Wo das Blut wegnehmen? Der Vogel ist zu klein. Der macht ihn nur noch mehr kaputt."
    Altklug nickt der Junge. Das Kätschen wird zu geklappt.
    "Gibt es denn einen Vogelmedicus?"
    Vorsichtig stellt Nero die Frage. Denn Erwachsene mögen es nicht. Wenn Nero tut, als ob er es besser weiß. Die Erwachsenen wollen es wohl immer genauer wissen als ein Junge. Bedachtsam steckt Nero die Kiste in seine Tasche zurück. Er knotet sie zu und rückt sie auf den Rücken. Die Murmeln klimpern leise bei der Bewegung. Die Hände sind frei. Der Daumen wandert zurück in den Mund. Gedämpfte Schmatzgeräusche ertönen. Wenn Nero an seinem Daumen nuckelt.
    Grübelnd sieht Nero zu dem Wassermann hinauf.
    "Und wer tut das Wasser in die Berge? Bekommt jedes Haus seinen eigenen Berg? Wo liegt unser Berg? Ist das weit? Kann ich ihn sehen? Wie kommt das Wasser aus dem Berg?"
    Reichlich genuschelt. In einem Wasserfall aus Wörtern plätschern die Fragen hervor. Ernsthaft und aufmerksam blinzeln die dunklen Augen nach oben.
    "Soll ich Dir den Wasseranschluss zeigen?"
    Nero will schon nach der Hand des Mannes greifen. Um ihn zu führen. In die Villa hinein. Da fällt ihm ein. Seine Mutter will nicht, dass er mit fremden Männern spricht. Nero denkt einen Moment nach.
    "Ich bin Nero. Wie heißt Du?"
    Wenn er den Namen kennt. Dann ist der Mann kein Fremder mehr.




  • Diesmal brauchte sich Ennius Cerealis die Worte nicht genau zurecht zu legen. "Ja, es gibt bestimmt auch einen Vogelmedicus hier in Rom!" Davon war er tatsächlich überzeugt. Wenn man mit etwas Geld verdienen konnte, dann gab es immer jermanden, der es tat. An einem kleinen Jungen mit einem kleinen Vogel konnte man vielleicht nicht reich werden, aber in Rom gab es bestimmt reiche Leute, die auch für ihre Vögel nur das beste wollten. Da dem Vogel aber abzusehen war, dass ihm nicht mehr zu helfen war, wollte er den Jungen nicht unnötig durch die Gegend schicken. Ansonsten hätte er ihm womöglich den Tipp gegeben, es bei den Hütern der kapitolinischen Gänse zu versuchen.


    Nachdem der Junge den Vogel wieder sorgfältig weggepackt hatte, kam er auf das Wasser zurück und der nette Mann vom Kundendienst musste schmunzeln. "Nein, es bekommt nicht jedes Haus einen Berg. Aus einem Berg kommt viel Wasser, das reicht für mehrere Häuser." Einen Moment überlegte er, an welcher Leitung die Villa hängen müsste. "Euer Berg ist gar nicht so weit weg. Man kann ihn nicht von hier aus sehen, aber man kann hingehen. Die Quellen im Berg machen die Quellgötter. Dann kann das Wasser heraus und wir müssen nicht verdursten. Dafür sollten wir ihnen sehr dankbar sein. Das Wasser aus den Quellen ist nämlich besser als das Wasser vom Regen." Dem Jungen dürfte der Unterschied wohl bisher kaum aufgefallen sein, weil er nämlich den meisten Menschen nicht auffiel. Aber sowas hatte Ennius Cerelias noch nie daran gehindert, andere Menschen für die Vielfalt des Wassers zu begeistern. "Ich heiße Cerealis. Du hast einen berühmten Namen, weißt du das?"

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    Freudig strahlen die Augen des Jungen. An einen Vogelmedicus hat er zuvor nicht gedacht. Nero weiß schon. Der Vogel ist tot. Aber ein Ding kann repariert werden. Ein Mensch bleibt tot. Soweit geht die Erfahrung des Jungen. Ein Sklave ist indes auch ein Ding. Nero saugt an dem Daumen. Er denkt nach. Können Sklaven auch wieder heil gemacht werden?
    Er will die Frage stellen. Seine Mutter kann er so etwas nicht fragen. Sie lächelt. Schüttelt den Kopf über seine seltsamen Fragen und tätschelt ihm den Kopf. Dann widmet sie sich erneut anderen Angelegenheiten. Eine Antwort erhält er nicht. Seinen Onkel kann er all das fragen. Der kennt sich mit der Welt aus. Aber der ist nicht hier. Nero vermisst ihn oft. Fühlt sich bei seiner Mutter immer alleine gelassen.
    Es wird genuckelt. Es wird sinniert.
    "Alle Dinge kann man wieder heil machen. Oder?"
    Auch die Erklärung mit dem Wasser. Die gefällt Nero. Er späht nach oben. Verstehend. Ein Berg ist groß. Da passt wohl ganz viel Wasser hinein. Das mit dem Wasser vom Himmel. Das leuchtet Nero nicht ein. Stumm überdenkt er die Worte von Cerealis. Einen Moment später kommt schon die nächste Frage.
    "Warum ist das Wasser der Quellgötter besser? Das Wasser vom Himmel kommt doch von Jupiter. Und der ist doch mächtiger als die Götter. Er ist doch der Vater der Götter. Oder?"
    Geschichten lauscht Nero sehr gerne. Manche Dinge kann er sich gut merken. Andere vergisst er schnell wieder. Sein Onkel spricht anders von den Göttern. Als seine Mutter. Nero verwechselt darum gerne die Geschichten.
    Nero bejaht die Frage. Mit einem schnellen Nicken.
    "Meine Mutter hat mich so genannt. Aber ich heiße nicht Nero Claudius. Sondern Nero Fabius. Vielleicht heiße ich mal Nero Claudius. Denn mein Vater ist tot. Menschen kann man nicht mehr heil machen. Wenn sie tot sind. Meine Mutter hat deswegen große Angst. Ist es schlimm tot zu sein? Weißt Du das? Meine Amme hat gesagt. Man geht von einer Welt in die Andere."
    Nero findet Gefallen daran. Sich mit dem Mann vom Kundendienst zu unterhalten. Der ist freundlich zu ihm. Und beantwortet alle Fragen. Ohne zu lachen. Oder ihn abzuwimmeln.
    "Cerealis? Es ist mir eine Pläsiiieer. Dich kennen zu lernen."
    Artig ist die Verbeugung. Seine Mutter hat Nero dazu dressiert. Auch zu der Wortwahl. Sie strahlt beglückt auf. Wenn er sich so benimmt. Und dann erhält Nero Liebeszuwendungen von ihr. Er lernt aus dem Grund schnell. Was sie glücklich macht.
    "Dann darf ich Dich in die Villa führen. Sollen wir den Wasseranschluss jetzt suchen gehen? Um zu sehen. Ob er heil ist."




  • Der kleine Junge machte dem netten Mann vom Kundendienst richtig Spass. Er schätzte ihn auf gute fünf Jahre und dafür stellte er schon ganz schön schlaue Fragen. Seine eigene Tochter war schon älter und aus dem Alter der einfachen Kinderfragen hinaus. "Alle leider nicht. Es gibt Dinge, die kann niemand mehr reparieren." Der tote Vogel gehörte zweifellos dazu, aber ebenso zum Beispiel die kostbaren Kristallbecher, aus denen er und sein lehrling neulich in der Villa Aurelia zu trinken bekommen hatten. Wenn die runter gefallen wären, wären sie auch unwiederbringlich zerstört gewesen.


    "Ja, da hast du Recht, Iuppiter ist der Vater aller Götter. Und er macht auch den Regen. Aber hast du schonmal ein Feuer gesehen? Ein Feuer qualmt. Qualm ist grau und schmutzig. Und der Qualm geht nach oben. Wie soll von da oben sauberes Wasser kommen?" Für den Hausgebrauch reichte eine solche Erklärung aus und auch gegenüber Erwachsenen hätte Ennius Cerealis nicht viel mehr erzählen können. "Im Berg passiert dem Wasser aber nichts. Da bleibt es sauber."


    Dann kam der Junge auf den Tod zu sprechen.Ein schweres Thema, nicht nur für einen kleinen Jungen, sondern auch für den netten Mann vom Kundendienst. Vor allem, wenn man auf Hausbesuch im Atrium stand und eigentlich die Zeit mit einer netten Plauderei verbringen wollte, bis der Hausherr oder sein Verwalter erschien. "Das mit deinem Vater tut mir Leid. Aber du hast wieder Recht. Man geht in eine andere Welt. Due Unterwelt. Und weißt du, was zwischen unserer Welt und der Unterwelt ist? Genau, Wasser. Deswegen gibt man einem Toten eine Münze mit, damit er den Fährmann bezahlen kann. Sonst kommt man nicht auf die andere Seite."


    Mit dem Jungen durchs Haus ziehen wollte Ennius Cerealis dann aber in jedem Fall nicht. Er kannte sich hier selber nicht aus und der Junge machte auch nicht den Eindruck, als hätte er ihn zielstrebig führen können. "Bist du denn im Moment alleine zu Hause?"

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    Verwirrt sieht Nero den Mann vom Kundendienst an. Er glaubt fest daran. Dass man alles heil machen kann. Wenn eine Vase zu Bruch geht. Am nächsten Tag steht sie wieder auf ihrem Sockel. Wenn ein Vogel tot ist. Dann hat er im Käfig bald darauf einen Neuen. Den Gleichen. Nero ahnt nicht. Dass es Sklaven sind. Die das Zerbrochene mit einer Xerokopie austauschen. Einem Imitat ersetzen. Oder einen neuen Vogel kaufen. Nur Sklaven. Die Schadhaften. Die Toten. Sie kommen nicht zurück. Nachdenklich lutscht Nero an seinem Daumen. Sklaven sind Dinge. Also kann man wahrhaftig nicht alles heil machen. Nero nickt verstehend.
    "Das stimmt."
    Huldvoll ist sein Einverständnis. Aber er will es doch heraus finden. Warum der Vogel heil wird. Wer das macht. Einen Vogelmedicus hat er noch nie in der Villa gesehen.
    "Gibt es einen Vogelgott?"
    Ganz hat Nero das nicht aufgegeben. Denn er spürt. Hier kann er auf den Grund des Sees kommen. Von Unverständnis und ungeklärten Fragen. Cerealis führt ihn.


    Auch die folgende Erklärung leuchtet Nero ein. Der Rauch ist Schuld.
    "So ist das? Ach so."
    Ein Murmeln. Ein Daumenlutschen. Nero saugt seine Lippen in den Mund. Wölbt sie nach vorne. Und zurück das Spiel.
    "Weil der Qualm nach oben geht. Kann man deswegen noch Luft holen? Und wie bekommen die Götter Luft? Sie wohnen doch oben. Atmen Götter?"
    Nero nimmt auf dem Fußboden Platz. Denn er mag nicht mehr stehen. Seine Beine über kreuzen sich. Die Tasche legt er neben sich auf den Marmorboden. Die Murmeln klimpern. Der Kasten klappert. Nero liebt schaurige Geschichten. Der Ianitor in Alexandria hat sie ihm erzählt. Vom bösen Hund am Eingang der Unterwelt. Bis hin zu Pluto. Von dem Sänger. Der in die Unterwelt ging. Und dort nach seiner Frau gesucht hat. Genüsslich erschaudert Nero. Bei der Erwähnung des Fährmannes.
    "Kommt das Wasser von der Unterwelt auch aus einem Berg? Kann man mit einem Boot dorthin fahren? Warst Du schon mal dort? Kommen Vögel auch in den schönen Garten?"


    Nero merkt. Seine Fragen sind vielleicht dem Mann nicht Recht. Denn seine Mutter stört sich daran. Wenn er zu viel fragt. Die Antworten des Mannes erscheinen Nero wie ein Schatz. Golden und silbern glänzende Murmeln. So schön ist die Auskunft.
    "Frage ich Dich zu sehr?"
    Treuherzig blinzelt Nero nach oben. Er nimmt sogar den Daumen aus dem Mund. Ein Lächeln hilft oft. Das hat Nero gelernt. Deswegen zeigt er ein Nämliches.
    Nero schüttelt den Kopf.
    "Nein. Die Sklaven sind noch da. Und Mama. Mein Onkel ist weg. Mein Großvater ist vielleicht auch da. Er ist krank. Meine Amme schläft. Der Gärtner ist noch da. Sonst weiß ich nicht. Wartest Du auf jemanden?"




  • "Ja, es gibt auch einen Vogelgott", konnte der nette Mann vom Kundendienst bestätigen. Schließlich gab es für alles einen Gott, sogar einen für's Unkraut jäten. Ihm fiel zwar gerade kein Name ein, aber er war sich sicher, dass es im Zweifelsfall sogar mehrere für verschiedene Vögel geben würde. Aber das Thema wechselte schnell genug, um nicht darüber nachdenken zu müssen. "Doch, man kann noch atmen. Nur ganz direkt im Qualm nicht. So schlimm ist es nicht, auch nicht für die Götter." Ennius Ceralis schaute sich um, irgendwo im Atrium stand doch bestimmt eine Öllampe in einer Nische. Leider entdeckte er keine. "Hast du schonmal eine Öllampe beobachtet? Wenn man die in eine Nische stellt, wird die Nische schwarz. Das kommt vom Russ, das ist so ähnlich wie Qualm. Aber trotzdem kann man noch atmen, wenn man neben einer Lampe steht."


    Die Sache mit der Unterwelt war da fast einfacher zu klären. "Nein, der Fluß bleibt in der Unterwelt. Wenn ich schonmal dort gewesen wäre, dann wäre ich nicht zurück gekommen. Von dort kommt niemand zurück." Außer natürlich diverse Helden, aber die Geschichten kannte der Junge vielleicht schon oder würde sie später sicher kennenlernen. Als der Junge sich hinsetze, musste Ennius Cerelias noch weiter nach unten gucken. Nicht, dass er selber besonders groß gewesen wäre, aber der Junge war eben klein. Aber er konnte sich ja schlecht jetzt neben ihn auf den Boden hocken. "Sicher warte ich auf jemanden. Auf jemanden, der das Wassergeld bezahlt."

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    Heilfroh wirkt der Junge am Boden. Einen Anhaltspunkt hat Nero nun. Eine Eingebung ebenso. Womöglich würde Nero doch noch auf des Rätsels Lösung kommen. Zufrieden schiebt er die Tasche mit dem toten Vogel näher an sich heran. Später würde er dem auf den Grund gehen. Aber dafür würde er in das Zimmer seiner Mutter schleichen müssen. Wenn sie in der Stadt ist. Oder im Garten verweilt. Aber am Besten außer Haus. Und erneut keine Lust verspürt. Ihn mit zu nehmen auf einer ihrer Erkundungsgänge. Die sie unternimmt, um ihre Fadheit zu bekämpfen. Neros dringende Fragen indes sind geklärt. Zufrieden lächelt er und steckt den Daumen zurück in den Mund.
    Groß sieht Nero den netten Mann über sich an. Denkt nach. Auch seine Augen suchen nach einer Öllampe. Gleichfalls entdeckt er keine. Mit einem Finger fängt er an. Auf dem Boden zu malen. Nachdenklich und nur imaginäre Bilder.
    "Ich weiß nicht so genau. Ich habe mir so was nicht so sehr angesehen."
    Er bekennt dies schließlich kleinlaut. Verlegen. Er kaut an seiner Unterlippe herum. Das hat er von seiner Mutter übernommen. Und lutscht abwechselnd weiter an seinem Daumen. Viele Dinge entgehen Nero. Nicht alles erregt seine Aufmerksamkeit. Wenn er auch voller Wissensdrang ist. Der Eifer sprüht aus seinen Augen. Wenn er ein Rätsel zu lösen vermag. Was ihn beschäftigt. Was ihn umgibt. Und doch ist er nur sechs Jahre alt. Dennoch ist Nero etwas verschämt. Denn vielleicht hätte er das wissen müssen.
    "Aber es ist gut. Wenn die Götter atmen können. Ohne sie sind wir verloren. Das sagt meine Mutter immer."
    Dann muss es wohl so sein. Befindet Nero. Aber manches Mal wundert er sich schon. Über das, was seine Mutter sagt. Denn es widerspricht sich häufig. Aber Nero widerredet nicht. Würde er auch bei dem netten Mann vom Kundendienst nicht wirklich tun. Aber dessen Antworten klingen plausibel.


    Nero legt den Kopf zur Seite. Der Sänger ist doch zurück gekommen. Nero ist sich hinwieder darüber nicht ganz sicher. Es ist schon ein Jahr her. Dass der Ianitor die Geschichte erzählt hat.
    "Niemand? Oh."
    Das findet Nero schade. Denn wie soll man wissen, wo man hingeht. Und besonders, was man mitnehmen soll.
    Nero merkt. Der nette Mann hat nichts zu der Frage der Fragen gesagt. Ob sie ihn stören. Aber auf wen er wartet. Jemand, der ihm Geld gibt. Nero denkt nach. Dann nickt er ernsthaft.
    "Das verstehe ich. Für gute Dinge muss man zahlen."
    So hat er es gehört. Oftmals erlebt. Nero erhebt sich. Nimmt die Tasche über die Schulter. Würdevoll versucht er zu wirken. Ernsthaft ist er. Sodann strahlt er glücklich.
    "Ich kann Dir das Geld für das Wasser geben."
    Mit einem Nicken unterstreicht er die Bereitschaft.
    "Ich habe Geld gespart. Sehr viel Geld."
    Nero hebt die Finger. Scheint mit ihnen etwas ab zu zählen. Sogar der Daumen wird zu Rate gezogen. Dann senkt er seine Händchen erneut.
    "Ich habe zweihundert Sesterzen. Reicht das?"
    Wohlgemut strahlt Nero. Sieht den netten Mann erwartungsvoll an.




  • Fast hätte der nette Mann vom Kundendienst mit dieser Antwort gerechnet, nicht jedoch mit der Summe, die ihm der kleine Junge dort anbot. "Du hast schon so viel Geld?" fragte er daher ehrlich erstaunt. Der Haushalt der Claudier schien reicher zu sein, als man im Moment in der Öffentlichkeit mitbekam. Da sollte es dem Jungen ja problemlos möglich sein, sich gleich mehr als einen neuen Vogel zu beschaffen. Wobei Ennius Cerealis zugegebenermaßen keine Ahnung hatte, ob das eben ein ganz besonders ausgefallener Vogel gewesen war und ob der möglicherweise sehr teuer war. "Das ist sehr nett, dass du das anbietest. Aber es muss der bezahlen, dem das Haus hier gehört." Das war zwar nicht ganz richtig, denn es konnte auch dessen Verwalter oder Ehefrau oder sonstwer bezahlen, solange er glaubhaft machte, dass er in vertretung des Hausbesitzers handeln durfte.

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    Mit geschwellter Brust richtet sich Nero auf. Stolz ist er. So viel Geld gespart zu haben. Nero weiß. Erwachsene können nicht mit Geld umgehen. Seine Mutter nicht. Sein Onkel nicht. Es zerrinnt ihnen zwischen den Fingern. Wie Sandkörner. In Alexandria hat seine Mutter ihn fragen müssen. Wo er das Geld aufbewahrt. Damit sie überhaupt noch eine Reise bis nach Rom machen konnten. Natürlich hat Nero nicht alles seiner Mutter gegeben. Er weiß. Dann ist es sofort weg. In Rom hat er die Schachtel aufgefüllt. Zum Teil mit Münzen von seinem Großvater. Es ist erstaunlich. Wie spendabel Erwachsene werden. Wenn man lieb und artig ist. Ihnen aufmerksam zuhört. Immer lächelt. Das Geld braucht Nero. Um die Sklaven zu bestechen. Die auf ihn aufpassen sollen. Auch, damit er die Medizin nicht immer nehmen muss.
    "So viel Geld habe ich. Alles selber gespart. Ich passe gut auf das Geld auf."
    Fröhlich lächelt Nero. Das Geld will er holen. Er fühlt sich dadurch flügge. Erwachsen. Das machen die großen Leute. Er nun auch. Aber der nette Mann will sein Geld nicht haben. Warum nur?
    "Dem das Haus gehört?"
    Groß sind die Augen von Nero. Enttäuscht fühlt er sich. Er denkt nach. Dann strahlt er alsbald. Ein weiteres Mal.
    "Da musst Du Dich nicht sorgen. Du hast doch selber gesagt. Das ist mein Haus. Also von mir. Nero. Als Du mir die Murmel zurück gegeben hast. Ich kann Dir das Geld sonach geben."
    Nero greift vertrauensvoll nach der Hand des Mannes.
    "Und danach? Spielen wir ein wenig? Oder zeigst Du mir? Wo das Wasser raus kommt?"





  • Eine ordentliche Portion Scharfsinn und Aufmerksamkeit kann der nette Mann vom Kundendienst dem Jungen wirklich nicht absprechen. "Das ist wohl war. Aber trotzdem solltest du dir dein Geld für etwas anderes aufheben. Um das Wasser kümmern sich die Erwachsenen." Eine schlüssige Erklärung dafür zu finden, war diesmal nicht ganz so einfach. Es war einfach so. Auch wenn es Ennius Cerealis letztlich völlig egal sein konnte, woher das Geld stammt, welches er in der Kasse verbucht. "Nein, leider kann ich danach nicht mit dir spielen. Ich muss danach weiter arbeiten. Es gibt ja noch mehr Häuser hier in der Straße."

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    Aller Illusionen beraubt ist er. Darum lässt Nero die Hand sinken. Dabei die Hand von dem Mann des Kundendienstes los lassend. Er kaut auf der Unterlippe herum. Ehe er seinen Daumen zurück in den Mund wandern lässt. Nero weiß nicht, was ihn mehr enttäuscht. Die Tatsache, dass er nicht zahlen darf. Oder dass der nette Mann nicht mit ihm spielen darf. Keine Zeit hat. Wie immer, denn die Erwachsenen sind oft beschäftigt. Kinder scheinen ihnen lästig zu sein.
    "Du willst mein Geld nicht? Weil ich zu klein bin?"
    Nero versteht es nicht. Aber wenn ein Erwachsener das nicht will. Dann will er nicht. Nero widerspricht da lieber nicht.
    "Ah so."
    Ein Murmeln. Gekniggt sieht der Junge aus. Schritte nähern sich. Das Rascheln von Gewändern. Zwei Frauen treten in das Atrium. Eine Sklavin. Eine Claudia. Die Claudia trägt ein rotes Gewand. Die Sklavin. Mit der dunkleren Haut. Und den exotischen Gesichtszügen. Sie trägt eine blau silbernes Gespinst. Was bis zu ihren Knien geht.
    "Nicht der Garten. Fatigant."
    Benohé hat erneut eine schwere Aufgabe. Callista langweilt sich.
    "Die Märkte?"
    Energisch schüttelt Callista ihren Kopf.
    "Stupide."
    Callista erspäht ihren Sohn. Ehe sie das Atrium durchquert. Sie stockt und bleibt stehen. Erst da erblickt sie die beiden Männer, die so ganz und gar nicht in Callistas Reminiszenzen passen. Callista wendet sich zu Benohé um.
    "Wer ist das?"
    Benohé muss nicht lange nachdenken. Die beiden Männer sind ihr unbekannt.
    "Ich weiß es nicht, Herrin."
    Callista wirkt beruhigt. Nicht verärgert, dass es ihrer Sklavin nicht möglich ist. Die Namen der beiden Männer zu nennen. Oder ihre Intention. Wofern kann es kein Verwandter sein, den Callista nicht präsent hat.


    Callista streckt sich. Würdevoll schreitet sie auf die beiden Männer zu.
    "Salve. Bist Du der Medicus?"
    Callista hat einen vorgestern ein bestellt. Noch hat sich der dreiste Hellene nicht zeigen lassen. Aber ein Medicus muss bald nach ihrem Jungen sehen. Die Reise war sicherlich sehr anstrengend für ihn.
    Nero verzieht das Gesicht. Als er das Wort hört. Medicus. Er presst die Lippen aufeinander. Ombrage steigt in ihm auf. Aber der Mann ist zu nett. Um ein Medicus zu sein. Er wirkt nicht so. Als ob er Nero rein legen will. Es wäre indes nicht das erste Mal. Dass ein Medicus das bei Nero versucht. Immerhin weiß Nero es sehr gut. Sich zu verstecken. Und erst heraus zu kommen. Wenn der Medicus wieder weg muss.
    "Nein, Mater. Das ist der Wassermann. Er will gucken. Ob das Wasser aus dem Berg kommt."
    Tadelnd ist der Blick von Callista. Nero verstummt, ehe er noch etwas anfügen kann. Seine Mutter mag es nicht. Wenn Nero sich in Gespräche einmischt, die Erwachsene führen. Darum überrascht es ihn nicht. Was sie ihm sagt. Außerdem zieht sie ihm den Daumen aus dem Mund.
    "Gehe auf Dein Zimmer, Nero."
    Nero nickt stumm. Treuselig sieht er zu dem Mann vom Kundendienst hoch.
    "Danke schön."
    Verbunden fühlt sich Nero. Für alle schönen Antworten, die er erhalten hat. Er lächelt.
    "Vale."
    Sodann dreht er sich um. Verlässt das Atrium.
    "Dann schickt Dich der Curator Aquarum?"

  • Der nette Mann vom Kundendienst sah dem Jungen an, dass er enttäuscht ist. Aber er weiß auch, dass Kindern sowas häufiger passiert und dass sie es meist genauso schnell wieder vergessen, zumindest wenn es vorher auch nur eine spontane Idee war. "Nein, nicht weil du zu klein bist", widersprach er daher nur sanft.


    Dann bemerkte er die beiden Frauen, die das Atrium betreten und auf sie zu kommen. Kurz blickte er sich um, was sein Lehrling gerade trieb, der an der ganzen Unterhaltung mit dem Jungen kein Interesse gehabt hatte. Als der Jungen ihn dann der Dame vorstellte, die offenbar seine Mutter war, musste Ennius Cerealis schmunzeln und zustimmend nickend. "Vale, ich habe zu danken für die nette Unterhaltung", verabschiedete er sich von ihm, bevor er sich dann wieder voll und ganz seiner Arbeit widmete. "Richtig, wir sind im Auftrag des Curator Aquarum unterwegs, um die Wasseranschlüsse zu kontrollieren, Fragen zur Wasserversorgung zu beantworten und das Wassergeld zu erheben. Mein Name ist Ennius Cerealis." Er ging davon aus, dass die Dame sich selber vorstellen würde und fragte daher ersteinmal nicht weiter nach ihrem Namen.

  • Säkular und profan ist das. Den Wasseranschluss kontrollieren und das Geld dafür in Empfang nehmen. Callista ist durchaus klar, dass solche Dinge im Leben vorkommen. Das Leben und der Komfort müssen geregelt sein. Selten muss sich Callista hinwieder damit auseinander setzen. Allzeit stürzt es Callista in eine Malaise. Auch Callista weiß nicht, wo der Wasseranschluss ist. Similär ihrem Sohn beißt sie sich auf die Unterlippe.
    "Den Wasseranschluss inspizieren?"
    Callista sieht zu Benohé.
    "Weißt Du, wo sich dieser befindet?"
    Benohé nickt. Callista lächelt erleichtert. Unverzagt kann sie sich Ennius Cerealis zu wenden.
    "Salve. Mein Name ist Claudia Callista. Ich bin die Cousine des Hausherrn."
    Die formelle Begrüßung holt Callista nach. Unschlüssig ist sie indes. Über das Prozedere.
    "Möchtest Du Dir zuerst den Wasseranschluss ansehen? Oder das Geld entgegen nehmen?"
    Nicht gänzlich weldfremd ist Callista. Aber in dieser Hinsicht unbedarft. In Alexandria geht das alles anders von statten. In Rom hat Callista nicht länger als einige Wochen verbracht. Zudem kümmert sich sonst ein Hausverwalter darum. Glaubt Callista zumindest.

  • Die Verwandtschaft zwischen Mutter und Sohn waren nicht zu übersehen, denn auch die Dame biss sich beim Nachdenken wie der Junge auf die Unterlippe. Eine Angewohnheit, die die Dame ziemlich jung und auf gewisse Weise auch attraktiv wirken ließ. Was allerdings auch daran liegen konnte, dass Ennius Cerealis bei seinem Beruf viel mit Menschen zu tun hatte und deshalb einen geübten Blick für interessante Menschen hatte. Hilfsbereit griff seine Hand in die umgehängte Ledertasche und zog eine der informativen Wachstafeln hervor. "Der Anschluß wird nicht sicher nicht lange verstecken können", scherzte er, doch die zweite Frau schien ohnehin Bescheid zu wissen, so dass der nette Mann vom Kundendienst nur kurz nachschaute, welche Rohrgröße er denn zu erwarten hatte. "Ja, einmal sehen muss ich den Anschluß in jedem Fall, bevor ich eine Abrechnung erstelle. Es wird nur abgerechnet, was auch nachweislich vorhanden ist."

  • Ein Nachdenken offenbart es Callista. Säkular ist das Anliegen des Mannes. Aber es reiß sie aus der desolaten Monotonie heraus. Vermag ihren Tag zu erhellen und mit Abwechslung zu füllen. Der Art, die sie selber nicht suchen würde. Konziliant stimmt sie die Erkenntnis.
    Wie das wohl ist? Zu Arbeiten?
    Vielleicht amüsant. Wohl eher anstrengend, Callista.
    Traun. Zudem sehr banal.
    In ihrer Vorstellung passt nicht das Bild. Was Arbeit wirklich bedeutet. Dass es notwendig ist. Denn Callista würde nie im Traum daran denken, selber tätig zu werden. Auch nur einen Sesterzen zu verdienen. Nein. Dafür waren die Männer da. Früher ihr Ehemann. Zurzeit wiederum ihr Vater.
    Lange muss Callista nicht sinnen. Ob sie nur ihre Sklavin schickt.
    "So soll es sein, werter Ennius."
    Callista gibt ihrer Sklaven ein Zeichen.
    "Meine Benohé. Führe uns zu dem Quell unseres kostbaren Nass'."
    Vergnügt leuchten Callistas Augen.
    "Wenn Du mir folgen möchtest?"


    Das Atrium verlässt Callista. Ihrer Sklavin nachfolgend. Im hinteren Teil der Villa können sie fündig werden. Der Wasseranschluss wird enthüllt. Callista betrachtet ihn. Findet ihn recht puritanisch. Callista streckt die Finger aus. Streicht darüber hinweg. Einladend deutet sie auf den segensreichen Spender. Der ihr einen Wohlgeruch und Behaglichkeit zu schenken vermag. Im warmen Bade. Oder mit dem kühlendem Wasser am Morgen.
    "Was kostet so ein Wasseranschluss?"
    Callista kann sich nicht vorstellen. Wie hoch sich der Preis für Wasser belaufen kann. Wasser gibt es überall hier in Italia. Derart kennt es Callista. In der Wüste in Ägypten ist es kostbarer. In Alexandria indes genauso reichlich.

  • "Sehr gerne folge ich, wohin auch immer der Weg führt", gab der nette Mann vom Kundendienst galant zurück und folgte zusammen mit dem Lehrling den beiden Frauen in den hinteren Teil der Villa. Meistens steckt der maßgebliche Wasseranschluß erst einmal in einem Nebenraum oder ähnlichem, so dass es ihn nicht wundert, wenn die Dame ihn bisher noch nie gesehen hat. Villen diese Größenordnung sammeln das hereinströmende Wasser meistens erst einmal und haben dann ihr eigenes Netz, das das Wasser weiterverteilt. Ganz im Gegensatz zu den einfach Häusern, bei denen die Anschlüsse wesentlich kleiner sind und der einzige Punkt, an denen im Haus Wasser zu bekommen ist.


    Als sie den Anschluß erreichen, hat Ennius Cerealis das Messwerkzeug schon in der Hand und prüft die Größe, um sie mit seinen Aufzeichnungen zu vergleichen. "Das ist ein Anschluß vom Maß vicenaria", erläutert er. "Dieser kostet 1300 Sz. im Jahr, inklusive der allgemeinen Grundgebühr."

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