Zimmer | Sica

  • Frisches Stroh und saubere Decken bildeten ein kleines Nachtlager in einer Ecke des Raumes. Weitere Einrichtungsgegenstände fehlten. Gut versteckt befand sich in diesem Raume auch ein großer Stapel Dokumente, welchem Sica sich vor allem des Abends regelmäßig in intensivem Studium widmete.

  • Gemütlich lag Sica auf seinem schönen Lager und las im Codex Iuridicalis. Es war doch interessant, was die Herren Senatoren über die Zeit so an Paragraphen zusammenbrachten. Im Schein der Öllampe las er Seite um Seite. Ein interessanter Absatz weckte seine Neugier.


    (1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von 1 bis 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 200 bis 500 Sz. bestraft.


    Er legte die Dokumente beiseite und lehnte sich auf seiner sauberen Decke zurück. Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.

  • Nachdem Sica Konon in seinen Stall zurückgebracht hatte, wollte er dort ursprünglich noch auf Mia warten. Er entschied sich aufgrund der schmerzhaften Verletzung jedoch anders und ging in sein eigenes Zimmer zurück. Dort stillte er die Blutung von Mias Biss und verband sorgfältig seine Hand. Währenddessen dachte er sich interessante Möglichkeiten aus, wie er sich dafür an ihr rächen könnte.
    Im Anschluss wandte er sich wieder dem großen Dokumentenstapel zu. Heute war die Vorlesung dieses Rechtsverdrehers an der Reihe. Sica stellte eine kleine Öllampe auf und las. Lange brütete er über dem langen Text und prägte sich die dort erklärten Begriffe ein. Am Ende des Abends war er zu dem einzig möglichen Schluss gekommen. Der Autor dieses Geschwafels musste sich während dem Schreiben unentwegt den guten italienischen Wein zugeführt haben. Sica trank noch einen Schluck Wasser und legte sich dann schlafen.

  • Sica war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass es einige Dinge gab, die der Mensch lieber nicht definieren und in Begriffe fassen sollte. Seite um Seite der Vorlesung zum Cursus Iuris hatte er schon gelesen. Einiges war ihm nun klarer geworden, einiges war ihm noch immer ein Rätsel. Er ging jedoch zuversichtlich davon aus, dass sich zum Ende der Lektüre das meiste halbwegs erklären würde.


    Nun legte er seine Unterlagen beiseite und lehnte sich auf seinem Lager zurück. Die Wunde an Sicas Hand war schon beinahe wieder verheilt. Glücklicherweise war sie nicht allzu tief gewesen. Hoffentlich hatte dieses Biest von einer unnützigen Sklavin keine Krankheiten oder soetwas. Er nahm den Verband ab und begutachtete die Bisswunde. Sie schien nicht entzündet zu sein. Mias Glück. Sica verband die Wunde wieder.


    Seine Gedanken drifteten ab und er dachte über seine Situation in dieser Villa nachzudenken. Die Sklaven kannte er mittlerweile. Doch über seinen Herrn hatte er bislang wenig herausgefunden. Allem Anschein nach war dieser nicht verheiratet. Sica erinnerte sich an einen ehemaligen Besitzer, welcher sich stets einige Lustknaben hielt. Ob Senator Flavius Felix auch derartige Vorlieben hatte? Bislang hatte Sica nichts derartiges beobachten können. Frauen gingen jedoch auch nicht wirklich ein und aus, um ihm zu Diensten zu sein. Er würde seine Augen wohl weiter offenhalten müssen um die Schwächen der anderen Hausbewohner genau einschätzen zu können.

  • Sica war erleichtert, dass er diesen beiden Frauen nicht länger Gesellschaft leisten musste. Die eine erschien ihm hässlicher als die andere mit ihrer jeweils gebräunten Haut und den harten Gesichtszügen, die sich schon zu tiefen Falten eingegraben hatten. So zog er sich zufrieden in sein Zimmer zurück. Der Herr hatte ihn daran erinnert, dass die Prüfung bald bevorstand. Nachdem vorerst ohnehin nicht viel Arbeit in der Villa anlag, setzte er sich wieder an seine Unterlagen. Er wandte sich der Vorlesung des Magister Iuris zu und las interessiert.


    ...
    Sie sollen aber nicht das Blaue vom Himmel in das Recht hineindeuten, das Ziel einer juristisch korrekten Interpretation kann nur sein, das Gesollte und damit den Willen des rechtssetzenden Organs zu ermitteln. Bedenken Sie diesen letzten Satz immer! Auch wenn etwas anderes Ihnen gerechter vorkommt.
    ...

  • Sica legte die letzte Seite des Kommentars beiseite und ließ sich dann auf sein Lager fallen. Am nächsten Tag würde er seinem Herrn bescheid geben, dass er bereit für die Prüfung sei. Er sinnierte noch eine Weile über den Inhalt des letzten Absatzes und fiel dann spät in der Nacht in einen tiefen Schlaf.

  • Sica, ausgerechnet. Dem ging ich in letzter Zeit eigentlich am Liebsten aus dem Weg, aber Befehl war Befehl.
    Ich klopfte an die Tür, öffnete sie zugleich und sah Sica kurz an.
    "Der Herr will Dich sofort in seinem Arbeitszimmer sehen. Du sollst Dich beeilen!"

  • Wortlos erhob sich Sica von seinem Lager. Er hatte sich eine kleine Auszeit gegönnt. Die Sklavin keines Blickes würdigend ging er an ihr vorbei und in aller Ruhe zum Arbeitszimmer seines Herrn.

  • Arrogantes Arschloch, dachte ich bei mir und eilte los den Wein zu holen, den ich wenig später ins Arbeitszimmer brachte.

  • Direkt nach dem Gespräch mit der einfältigen Sklavin suchte Sciurus Sica auf. Turda war anscheinend ohnehin nicht im Haus und wenn doch, dann konnte sie warten. Doch aufkeimender Widerwille sollte beseitigt werden, noch ehe er sich zu einem ernsthaften Problem wandelte.


    So klopfte Sciurus an die Tür des Vilicus, denn auch ihn hatte er bei der Suche nach Turda in den übrigen Räumlichkeiten der Villa nicht gesichtet.

    ir-servus.png

    VILICUS - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

    Einmal editiert, zuletzt von Sciurus ()

  • Sica saß an seinem Schreibtisch und machte sich Notizen auf ein paar Wachstafeln. Er hatte sich für sein Zimmer mittlerweile einiges an Möbeln besorgt, so dass es in gewisser Weise kaum schlechter ausgestattet war als die Zimmer der Herrschaften. Allein die Dekoration fehlte hier gänzlich. Sämtliche Möbel waren schlicht, funktional und ohne jegliche Verzierung, aber von guter Qualität. Als es plötzlich klopfte ließ er schnell und unauffällig einen Teil der Tafeln in einem dafür vorgesehenen Versteck am Boden verschwinden. Diese Notizen waren nicht für die Augen der anderen Bewohner dieser Villa bestimmt. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und blickte zur Tür.


    Herein.

  • Er öffnete und trat ein. "Es ist etwas geschehen." Sciurus schloss die Tür. "Eine Sklavin des Herrn Felix sitz in der Sklavenkammer und heult vor sich hin. Ein dummes, blondes Ding. Laut der Weisung des Herrn Furianus sollte sie in der Küche arbeiten,wo sie nach ihren Angaben mit dir zusammen traf."


    Die nächsten Worte drehten Sciurus beinahe die Zunge im Halse herum, so sehr widerte ihn das Geschehene an. "Sie war anscheinend nicht arbeitswillig, denn anschließend suchte sie Hilfe bei Herrn Furianus, der sie beschützen wollte." Er musste an sich halten, das Wort nicht auszuspucken. "Den Sinn ihres weiteren Gebrabbels habe ich nicht verstanden, aus irgendeinem Grund hielt sie es bei dem Herrn nicht mehr aus und zog sich daraufhin in die Kammer zurück. Sie berichtete mir überdies, dass sie erst vor kurzem aus der Villa geflohen war."


    Sciurus bedachte Sica mit einem festen Blick. Der Vilicus war für die Sklaven des Herrn Felix verantwortlich und auch wenn Sciurus selbst ihm nicht unterstand, Unruhen würden letztlich auf den gesamten Sklavenhaushalt zurückfallen, das Eigentum des Gracchus mit einbezogen. "Ich werde nicht dulden, dass ein fehlgeleitetes Exemplar den reibungslosen Abaluf in diesem Haus durcheinander bringt, ganz egal, in wessen Besitz es ist."

  • Sica hörte Sciurus zu und starrte ihn dabei verärgert an. Er hatte eine ähnliche Entwicklung der Sklavin geahnt. Doch dass sie sich gleich in solchem Maße als unbrauchbar erweisen würde, übertraf seine Erwartungen. Auch wenn er sie von vornherein als widerlich schwach empfunden hatte, schien sie noch weniger Rückgrat zu besitzen als er gedacht hätte. Sica erhob sich von seinem Stuhl und ging einige Schritte umher. Die Angelegenheit würde Maßnahmen erforderlich machen.


    Das wird sie büßen.


    Der Satz war keine Drohung, sondern eine Feststellung. Er sah Sciurus an und überlegte, ob er diesen in seine Pläne mit einbeziehen sollte. Der Sklave machte einen nützlichen Eindruck und schien weniger dumm als so manches andere Exemplar. Eine engere Zusammenarbeit könnte Sica vielleicht auch außerhalb des Haushaltes lukrative Geschäfte ermöglichen. Er entschloss sich dafür.


    Ohne Zweifel ist es dringend erforderlich, dass die Sklavin ihre gerechte Strafe erhält und darüber hinaus in den Genuss einer Erziehungsmaßnahme kommt.


    Sica lächelte kurz und humorlos. Er hob die Vitis seines Herrn auf und sah sie nachdenklich an.


    Den Sohn meines Herrn werden wir aus der Angelegenheit heraushalten. Er muss vor der Dummheit von zuviel Milde bewahrt werden und scheint durch die Reize der Sklavin ohnehin fehlgeleitet zu sein. Du wirst mir dabei helfen.


    Er hielt inne und sah wieder zu Sciurus auf.


    Ihre Züchtigung soll die Sklavin demütigen und sie lehren was es heißt, sich der Gewalt unseres Herrn zu widersetzen. Ihr Körper ist hingegen einigermaßen unversehrt zu lassen, damit der Sohn des Herrn seine Triebe an ihr ungehindert weiter ausleben kann. Was hältst du von Brutus?


    Brutus war ein besonderes Exemplar aus dem Haushalt der Villa. Er war numidischer Herkunft, groß und muskulös. Meist begleitete er einen der Herren als Leibwächter oder wurde zu körperlich anstrengenden Aufgaben jeglicher Art herangezogen. Unter den Sklaven war er jedoch vor allem für seine Gerissenheit bekannt. Er war nicht sonderlich intelligent, legte aber eine außerordentliche Rücksichtslosigkeit an den Tag. Sica hatte ihn mittlerweile unter Kontrolle, doch nach wie vor war Brutus für die Art und Weise bekannt, wie er fehlgeleitete Sklavinnen auszupeitschen verstand. Für diese Aufgabe war er überaus gut ausgestattet.

  • "Brutus." Sciurus nickte langsam. Er kannte Brutus und dessen Vorliebe. Ließ man ihn gewähren und seiner übermäßigen Energie ein Ventil, so war der Sklave für vieles zu gebrauchen. Ventile fand sich meist von selbst, doch Sciurus war überaus froh, keines davon zu sein. "Ich bin sicher, er ist dieser Aufgabe gewachsen."


    Er dachte über einige Formen der Erziehung nach. Er selbst war nicht ganz unbedarft in diesen Dingen, hatte bereits viele Sklaven brechen und noch mehr sterben sehen, denn er war unter einem strengen Sklavenmeister zu dem geworden, was er heute war. "Ich werde dir helfen, wo ich kann. Meine Kentnisse beziehen sich jedoch eher auf langwierige Methoden, welche einen schlechten Sklaven mit Wissen seines Herrn formen. Kurzfristige Maßnahmen führen allzu oft zur Unbrauchbarkeit. Das vordergründige Ziel sollte es daher sein, den Herrn von der Notwendigkeit zu überzeugen oder ihr auszutreiben, den Herrn zu belästigen."

  • Sica legte die Vitis wieder beiseite. Für die betreffende Sklavin erschien ihm die des Brutus ohnehin weitaus passender. Er setzte sich wieder und bot Sciurus ebenfalls einen Stuhl an.


    Dann ist es beschlossen. Es ist wichtig, dass Brutus die Sklavin äußerlich nicht beschädigt. Anderenfalls wären zu diesem Zeitpunkt ernsthafte Probleme mit dem Sohn des Herrn zu erwarten. Welche langwierigen Methoden würdest du in diesem Fall vorschlagen?

  • Sciurus nickte ernst. Dass der Sohn des Herrn die Sklavin anscheinend als Liebesspielzeug hielt, machte es nicht einfach.


    "Zuerst muss ihr soziales Gefüge zerstört werden, so denn sie überhaupt eines besitzt. Die anderen Sklaven des Hauses müssen wissen, in welcher Position sie steht, und was ihnen selbst blüht, wenn sie sich mit dem dummen Ding einlassen. Es geschieht leider immer wieder, dass an sich gute Sklaven in solchen Fällen glauben, für irgendeine diffuse Idee einstehen zu müssen."


    Er blickte an eine leere Wand hinter Sica und dachte nach. "Ihr Lager sollte aus der Sklavenkammer entfernt werden. Wer keine Arbeit leistet, verdient auch keinen Schlafplatz. Dies ist auch der Ansatz, welchen wir gegenüber den übrigen Haushaltsangehörigen vertreten sollten. Womöglich könntest du beim Verteilen der regulären Aufgaben dezent fallen lassen, dass dies Arbeit ist, welche das dumme Ding nicht erledigt hat."

  • Sica nickte nachdenklich und machte sich diverse gedankliche Notizen.


    Ich werde das veranlassen. Kümmere du dich um ihr Lager in der Sklavenkammer. Informiere die anderen Sklaven von den einschneidenden Strafen, die ihnen blühen, falls sie einen Wiederaufbau des Lagers zulassen. Brutus werde ich persönlich instruieren, damit er unser Vorhaben auf keinen Fall durch eine übertriebene Bestrafung vereitelt. Er wird nicht erkennen lassen, dass wir oder die Strafe irgendetwas damit zu tun haben. Ich werde ihm da spezielle Anweisungen geben. Von meiner Seite aus wäre damit alles geklärt. Hast du noch ein Anliegen?

  • "Nein, dies wäre alles. Ich werde mich darum kümmern." Er nickte Sica noch einmal zu, stand dann auf und verließ den Raum. Eines Tages würde er seinen Herrn ebenfalls um eine eigene Kammer bitten, doch noch war er dazu nicht bereit, auch wenn nicht mehr viel Zeit blieb. Nach der Hochzeit seines Herrn mit der Claudia befürchtete Sciurus an Einfluss auf seinen Herrn zu verlieren. Es würde einiges an Geschick von ihm abverlangen, seine Position weiterhin zu sichern.

  • Aus der Unterkunft der Sklaven kommend begab sich Sica direkt in sein Zimmer und sichtete dort die erbeuteten Schriftrollen. Eine nach dem anderen öffnete er und untersuchte sie nach verräterischen Notizen. Er fand nichts dergleichen, sah sich jedoch zu einem leisen, anerkennenden Pfiff veranlasst. Hannibal hatte auf seinem Lager tatsächlich einen kleinen Schatz gehortet. Die Schriftstücke enthielten verschiedenste geschichtliche Abhandlungen, unter anderem über die punischen Kriege und die Diktatur des Marius. Des weiteren fand er Abschriften von Ciceros Werken, juristische Texte, eine Beschreibung von Plinius über den Untergang von Herkulaneum, und sogar eine Abschrift von Aristoteles. Zufrieden rollte Sica eine nach der anderen wieder zusammen und verstaute sie an ihrem jeweils korrekten Platz in seiner eigenen Sammlung. Ohne eine Kopie für sich selbst zu behalten, würde Sica diese Werke ganz sicher nicht wieder herausgeben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!