Der Consul hielt sich aus dieser Debatte bisher zurück. Zwei Herzen schlugen nun in seiner Brust. Eines war das seiner Herkunft, sein Name, alles, was er bisher mit sich in Verbindung brachte wollte Decimus Livianus alles Mögliche - und Unmögliche - vorwerfen, um jenen Affront in dieser Debatte nieder zu schmettern. Das andere Herz jedoch, sein neues Amt als Consul, konnte dies nicht zulassen. Er wurde gewählt und sein Kollege wie auch er selbst führten nun quasi den Senat, präsidierten in moralischer wie in funktioneller Hinsicht über diesen. Und der moralische Aspekt hielt Flavius Furianus vor einer hitzigen Debatte ab.
Dennoch musste er sprechen.
"Senatoren, Patres conscripti!", fuhr er dann dazwischen, um sich lautstark Gehör zu verschaffen. Mitnichten war der Senat heute still, denn diese Debatte war eine Hitzige.
"Ich frage mich derzeit, Senator Decimus, was du mit deinem Ansinnen zu erreichen suchst.", fuhr er dann in ruhigerem Tone fort und stützte das Kinn auf der Hand ab.
"Warst es nicht du, der in seiner Rede um das Consulat die Rolle des Senates stärken wollte? Wenn ich mich recht entsinne, so hast du Senator Vescularius Salinator recht stark angegriffen - ob berechtigt oder nicht werde ich nicht werten. War deine Intention nicht ein starker Senat hinter dem Kaiser?", eine Pause folgte, in welcher ein Kollege die Stimme erheben wollte, der Consul diesen jedoch mit einer Geste zügeln musste, da er nicht zu Ende war.
"Und nun, Senator Decimus?", Flavius Furianus erhob sich und schritt gemächlich in die Mitte der Halle.
"Was ist seine Politik, Senatoren? Was will dieser Mann?! Zuerst möchte er den Senat stärken, möchte diesen an des Kaisers Seite enger wissen, hetzt gegen den Praefectus Urbi. Und nun? Nun will er den Senat entzwei reissen, versucht einen Keil zwischen uns zu treiben in einer Zeit, in der er selbst einen starken Senat fordert! Was ist das für eine Strategie, Senator Decimus, was ist das für eine Politik?!", seine Stimme erhob sich.
"Ich werde das nicht zulassen! Uns allen sollte klar sein, dass diese Debatte ein Politikum ist, und nichts anderes! Persönliche Fehden sollten unter deiner Würde sein, Senator Decimus, doch anstatt dessen greiffst du nicht nur die Patrizier an, sondern ebenfalls Frauen, unterstellst einigen patres die Steuerflucht, weil du jene in der Heiratspolitik einiger Gentes siehst?! Was soll das nun?!", und er war recht in Rage.
"Ich sage Euch, patres, hört nicht auf diesen Mann! Warum er uns nun in zwei Lager spalten will, in Lager, die damals einen Bürgerkrieg in Rom fochten, weiß ich nicht, doch aus dieser Debatte entnehme ich nichts, was diesem Verhalten eine logische Erklärung geben sollte!"
Eine weitere Pause folgte und er ging nun auf die Reihen der Praetoren zu, wo der Decimus selbst saß.
"Weißt du, Decimus Livianus, dass Patrizier auch einige Verpflichtungen - ich nenne sie so, denn als Nachteile möchte ich sie nicht diffamieren - besitzen? Tiberius Durus nannte schon die Arbeit in den Collegien, welche der pax deorum, dem Frieden zwischen uns und den Göttern, dienen. Möchtest du, dass wir diese niederlegen, möchtest du dies selbst machen, oder sollen die Götter von alleine, ohne Opfer und Zuwendung, weiterhin die schützende Hand über Rom halten? Oder möchtest du dies gar in Münzen, in welchen du ja hier schon länger argumentierst, aufwiegen? Ich könnte mit denken, dass eine gewisse Entlohnung für diese Arbeit so manchen Patrizier erfreuen könnte.
Möchtest du denn auch, wenn die Steuerbefreiung aufgegeben wird, die Ritterämter den Patriziern zugänglich machen? Ich möchte sehen, wie dir die Eques dafür danken!
Und den Aufwand, welchen du mit der Beseitigung der wirtschaftlichen Beschränkungen der Patrizier in unserem geltenden Recht hättest, müsstest du dann auch konsequenterweise aufbringen!", ein diffizieles Lächeln war auf seinen Zügen, denn so recht konnte er es sich nicht vorstellen.
"Also möchtest du den Kaiser, welchen du mit einem gespaltenen Senat so stark zur Seite stehen willst, mit dieser Forderung behelligen, wenn ich dich recht verstehe?", und er wand sich von ihm kopfschüttelnd ab, denn der Mann konnte nicht ernsthaftig so etwas wollen. Kaum einige Tage zuvor appellierte er an den Senat stark zu sein und nun war er der Hervorheber eines Zwists innerhalb der Reihen. Als Consul konnte es der Flavier nicht zulassen, als Patrizier hatte er persönliche Interessen. Doch er war nicht fertig mit ihm.
"Patres conscripti!", erhob er dann seine Stimme.
"Schaffen wir Gleichheit unter uns allen! Ich wollte dies zwar nicht in dieser Zeit zum Anstoß bringen, doch Senator Decimus Livianus lässt mir keine Wahl.", und nun würde er das erklären, was seit Monaten in seinem Kopf umherging.
"Schaffen wir Gleichheit, indem wir die Gracchenreform neu einführen!", nun war es raus, nun hatte er die direkte Richtung gegen den Vorschlag des Decimers eingeschlagen.
"Es wäre falsch unseren Reichtum zu mehren, so wie es Senator Decimus Livianus fordert! Er will eine Steuerreform und warum, für wen? Wenn ich mich recht entsinne, gehört er zu den größten Ländereibesitzern des Reiches. Was will er also mit der Steuerreform, will er Gleichheit oder will er eine weitere Differenzierung?
Ich sage Letzteres! Und warum? Weil es kaum Patrizier gibt, die in solch hohen Ämtern sitzen, um die Erträge aus Grundbesitz zu erhalten, die solchen Männern wie Senator Decimus Livianus Monat für Monat ganz alleine zufliessen! Zeige man mir einen Patrizier, der so viele Erträge aus seiner Steuerfreiheit zieht wie ein Matinius Agrippa! Zeige man mir jemand, der mehr verdient - und zwar nach Abzug der ach so hohen Steuern - als Germanicus Avarus mit seinem Grund und Boden! Zeige man ihn mir, sofort!
Patres conscripti, was wir hier haben ist nicht die Forderung nach Gleichheit, sondern die Forderung nach einer Abspaltung nach oben! Das Volk jauchzt, während gewisse Männer ihren Reichtum von Jahr zu Jahr in das Unermessliche zu mehren wissen!", er drehte sich um, gestikulierte und setzte rhetorische Fertigkeiten ein, um seine Rede zu untermauern.
"Ich will nicht Decimus Livianus verurteilen, ich will ebenfalls nicht Matinius Agrippa oder Germanicus Avarus ihre Meriten streitig machen - ich will bloß eine Gleichstellung, wie sie Decimus Livianus fordert! Jedoch keine gefühlte Gleichstellung, sondern eine reale!
Und es sind nicht nur diese Männer, über welche ich hier reden könnte. Es gibt auch Männer unter den Eques, unter dem einfachen Volk, ja sogar unter den Peregrini und Freigelassenen, welche ein Vermögen besitzen, über das ein noch so reicher Patrizier ohne Steuerlast nur träumen könnte!
Patres conscripti, hört mich an! Während uns Einnahmen aus Kriegszügen fehlen, die östlichen Provinzen, wie auch Germania, unter der ständigen Bedrohung unserer Feinde stöhnen und Aufstände wie jene in Hispania Unmengen von Staatsgeldern verschlingen, mehren diese Männer ihre Vermögen in´s Unermessliche! Es ist ein Zyklus, eine Spirale, die sich immerfort nach oben dreht, während der Reichtum des Volkes, der einfachen Bürger, in einer ähnlichen in´s Bodenlose drückt!
Ich fordere somit eine Beschränkung des Grundbesitzes auf einen monatlichen Ertrag von 800 Sesterzen aus Grund und Boden für den Einzelnen. Und eine Beschränkung von 1.000 Sesterzen der Einnahmen aus Grund und Boden für eine Familia!
Das, und nur das, patres conscripti, wäre eine reale Gleichheit im Senat und darüber hinaus! Ein Einschnitt, der auch mir persönlich weh tun würde, denn ich besitze mehr als diese Freigegrenze und doch, dies wäre Gleichheit!"
Und mit diesen Worten begab sich Flavius Furianus auf seinen curulischen Stuhl.
edit: Fehlerteufel und einiges bearbeitet. 