Beiträge von Lucius Flavius Furianus

    Das Gespräch wurde ein wenig delikat, das versprach er sich schon nach dem ersten Augenblicke, aber als dann noch ein Flavius Piso seinem eigenen Verwandten geradezu in den Rücken fiel, ohne jeglichen Gespür für die politische Intention dessen Aussagen, hätte wohl ein jeder zum rhetorischen Schirlingsbecher gegriffen. Aber den Göttern sei Dank gab es noch die andere Sorte von Männern, welche anstatt einen Schritt zurück zu machen, lieber noch einen vor gingen.
    "Zweifelsohne mag Tarquinius Superbus nicht bar jeder Schuld und Fehlern gewesen sein - wie wohl kein König, Kaiser oder anderweitiger Mann in ähnlicher Position sein könnte. Zweifelsohne entbehrt die Schändung der eigenen Mutter jeglichen Erklärungen unserer aller tiefsten Aversionen darüber. Und zweifelsohne gab es gute Gründe für die Absetzung des Königs.
    Aber, Herrschaften, man könnte dies alles wiederum etwas differenzierter betrachten. Denn wenn Superbus die Rechtmäßigkeit seiner Macht dadurch verlor, indem er billigend das Vergießen des Blutes freier Römer in Kauf nahm, so hätte ein Caius Iulius Caesar, welcher den Rubicon überschritt, oder gar ein Augustus, welcher in Actium gegen seine Landsleute focht, wie auch jede andere Persönlichkeit unserer Geschichte, ob Kaiser oder Konsul, niemals ein Anrecht auf jegliche Macht jemals besessen. Und was sich der Plebs unter Missetaten und Verfehlungen des Herrschers vorzustellen hat, wurde mitunter auch durch feurige Reden der Widersacher gebildet.
    Und wenn Sextus Tarquinius seine Mutter aufgrund einer Missdeutung des Orakels hin befleckte und der liebende Vater seinem Sohne verzeihen konnte, so legitimiert die Verfehlung - besser gesagt diese Schandtat - keinen Mann dazu den Vater für die Fehler des Sohnes hin verantwortlich zu machen und somit zu stürzen. Wie viele Konsuln hätten infolge dieser Begründung von ihren Ämtern zurück treten oder gestürzt werden müssen?"
    , während er sprach, wechselte sein Blick von Quarto zu Piso und wieder zurück.
    Ein letzter Schluck noch, bevor er diese Thematik ad acta legen wollte.
    "Die Meinung darüber, was falsch und was richtig ist, ob es sich um Hochverrat oder eine Heldentat handelt, diese Meinung wird durch uns selbst und wenn nicht unmittelbar durch unseren freien Geist und Verstand, so doch durch die Geschichte und dadurch durch die Federn ihrer Verfasser gebildet. Eine Meinung gibt es nicht, es gibt nur die allgemein akzeptierte, die primäre - und neben ihr existieren noch unzählige."
    Darauf kam es ihm an. Auch wenn sie hier und heute keine Zusagen hinlänglich einer Allianz mit den Aeliern würden erreichen können, so dürfte die Gens Flavia durch diesen Schritt niemals in den Augen der Öffentlichkeit etwas Verräterisches annehmen. Man war loyal, loyal den herrschenden Gegebenheiten und dem eigenen Stand gegenüber. Keinem Kaiser. Flavius Furianus schon gar nicht.
    "Wir sind hier alle in diesem Raum auf einem gewissen Niveau der politischen Versiertheit, so dass ich wohl kaum erwähnen muss, mit welcher Absicht unser Freund, Aelius Quarto, diesen kleinen Diskurs einführte. Dieser Name wird an diesem Abend wohl häufiger fallen, so dass ich mich nicht geniere ihn sogleich vor dem Hauptgang in den Mund zu nehmen. Der derzeitige Praefectus Urbi, Senator Vescularius Salinator, hat durch die Absenz des Kaisers von Rom eine beachtliche Machtfülle sich aufbauen können. Und auch wenn ich Gerüchten nur ungern Glauben schenke, so wird gesagt dir missfällt dies, Aelius. Das kann ich mir, wenn ich ehrlich bin, in deiner Position auch gut vorstellen. Du bist der Bruder des Kaisers und gewillt die Machtfülle in der Familie zu halten.
    Es verwundert mich jedoch zutiefst, dass die politisch gegebene Möglichkeit dies zu beseitigen, von dir wie auch vom Kaiser, scheinbar noch nicht durchgeführt worden ist. Dem Reiche fehlt ein Caesar, ein legitimer Nachfolger, welcher als des Kaisers Bruder durchaus du sein könntest, Aelius."

    Sein Blick ruhte auf dem des aelischen Oberhauptes.

    Zitat

    Original von Marcus Valerius Mercurinus
    "In Ordnung. Also Lucius Flavius Furianus und Claudia Catilina, sine manu und per usum."
    bestätigte der Scriba knapp, obwohl er noch immer etwas angefressen wegen der unfreundlichen Art der beiden Patrizier war. Dann notierte er sich alles und meinte knapp
    "Dann wünsche ich noch eine Ehe. Valete."
    Damit war die Audienz beendet und das nächste glückliche Paar durfte eintreten.


    Verwundert hob der Flavier die Augenbraue ob der gar so fehl von allem zeremoniell verabschiedeten Eintragung. Ein wenig mehr Glanz hätte er sich durchaus gewünscht. Dazu müsste er wohl häufiger spenden. ;)

    Der Flavier hörte den Ausführungen des Aeliers so zu, wie er es sollte - er nahm nicht alles ernst. Auch wenn dies eine Einleitung sein sollte, so würde es der Aelier hier und heute nicht leicht haben, entschied Flavius Furianus, sondern würde sich anstrengen müssen.
    "Und diese Freunde sind ihm dann eine starke Stütze, wenn sie untereinander einig sind und wenn sie kein Zwist entzweit.", hallte es in des Flaviers Kopf. Ja, solche Freunde mochte ein Kaiser gerne, doch solche Freunde gingen niemals in die Annalen der Geschichte ein. Es sind die Freunde, die durch Verrat, Rebellion und andere krasse Gegensätze zur kaiserlichen Politik auffallen und einer Erwähnung in den Geschichtsbüchern für bedürftig befunden werden. Diese Freunde, von denen der Aelier sprach, waren gute Marionetten und ihre Arbeit, ihre Aufopferung und ihr Fleiß, das alles geriet schneller in Vergessenheit als der letzte Held im Amphitheater irgendwo im tiefsten Hinterland des Reiches.
    Aber leicht würde er es ihm nicht machen und so lächelte der Flavier kurz und pflichtete Quarto nickend bei.
    "Wahre Worte, Senator Aelius. Gerade solche Männer sind die Stützen eines Kaisers, die Grundpfeiler des Konstrukts.", erwähnte er, während er sich ein Stück Leber präparierte und am Ende genüsslich im Gaumen verschwinden ließ.
    Er nahm noch einen Schluck, bevor er fortfuhr: "Du sprichst recht negativ von Männern, die Verrat in sich tragen. Natürlich, für einen Kaiser stellen diese Männer eine wahre Bedrohung dar, doch ich finde, dass man es differenzierter durchaus sehen sollte.
    Nehmen wir den ersten Konsul der Republik, nehmen wir diesen berühmten Iunius. War er es nicht, welcher durch Hochverrat an seinem König die Monarchie stürzte? Es war Hochverrat, fürwahr, eine schreckliche Handlung und entbehrte jeglicher Moral und Ehre. Doch wurde jener Iunius bestraft? Ging er als Hochverräter und geächteter Mann in die Annalen unserer Geschichte ein? Die Tatsache, dass wir diesen - solch eine Formulierung möge man mir in diesem freundschaftlichen Kreise erlauben - Verräter heute als Helden bejubeln, stützt sich auf eine einfache Gesetzesmäßigkeit. Nämlich die, dass der Sieger die Geschichte schreibt und der Verlierer sich der herrschenden Meinung, und das ist eben die des Siegers, beugen muss. Dieser eine Hochverrat schaffte die Monarchie ab und läutete ein großes Zeitalter ein, in welchem das Römische Reich durch die Milde der Götter zu der Weltmacht wurde, die es heute noch ist."

    Er nahm noch einen Schluck und lächelte kurz.
    "Für den König mag es schlecht ausgegangen sein, doch Rom hätte man so nicht vortrefflicher helfen können. Und wie wir alle wissen, so wurde eben jener Iunius, der kein guter Freund seinem König war, durchaus belohnt. Schließlich war er der erste Konsul und für den Rest seines Lebens ein honorabler und machtvoller Mann. Die ganze Gens zehrt noch heute von dem Lichte dieses einen Mannes, der im Grunde ein Verräter war."
    Vielleicht war dies zu scharf formuliert, so dass der Senator fürchten musste seine Gäste schon vor dem Hauptgang zu vergrämen. So holte er lächelnd mit den Armen aus.
    "Aber, wie ich schon sagte, man muss alles differenzierter sehen. Dieser damalige Verrat wurde mit Blut erkauft, römischem Blut, und so etwas ist wiederum - jedenfalls nach meiner Ansicht - grauenvoller als ein Hochverrat. Das ist das verwerfliche an der Macht, man hat mit ihr alles, außer sauberen Händen."
    Hoffentlich relativierte dies das doch recht Konträre, welches er von sich hatte gelassen. Quarto würde es verstehen, dass die Flavier und insbesondere Furianus ihm nicht gleich ein Silbertablett servieren würden - natürlich im übertragenen Sinne, schließlich war das Besteck, mit dem sie aßen, durchaus ihren Silberling wert. ;)

    Obgleich die Intention seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war, jeglichem politischen Konstrukt entbehrte, konnte sich Flavius Furianus ein kleines Lächeln nicht verkneiffen. "Vertraute in Rom", wiederholte er noch ein weiteres Mal in seinen Gedanken, um sich an dieser Köstlichkeit noch einmal zu erfreuen. Dann räusperte er sich.
    "Nun ja", begann er nichtssagend und streckte den Arm nach einer Portion der kredenzten Speise, ehe er im Plauderton, ohne einen Aelier mit seinem Blick zu streifen, fortfuhr "ich hoffe nur, dass der Kaiser der guten Vertrauten schon bald nicht mehr bedarf."
    Vielleicht war dies doch ein wenig zu spitz formuliert und triefte geradezu vor Mehrdeutigkeiten, aber nun war es ja gesagt.
    Die kurze Pause, die dadurch entstand, nutzte der Flavier sogleich, um seinen Becher empor zu heben. Man musste nach solchen Worten den Gästen gegenüber ein gewisses Entgegenkommen erbringen.
    "Trinken wir auf die Gesundheit unseres geliebten Kaisers. Möge er schnell gesunden."
    Ein freundliches Lächeln streifte die beiden Aelier und verharrte auf dem Gesicht des Quarto. Diesen Mann verstand der Flavier bis zum heutigen Tage nicht. Er war quasi die rechte Hand seines Bruders und stand doch in einem beachtlichen Schatten. In einem Schatten, den der Preafectus Urbi erfolgreich über den Aelier warf. Blind schien der dreimalige Consul nicht, schließlich wäre er nicht hier, um alte Fehden beiseite zu schaffen und Allianzen zu seinen Gunsten zu schmieden. Aber die Taktik erschien für Flavius Furianus zu defensiv, er hätte es mit mehr Elan getan, er hätte den Praefectus Urbi so bald wie es nur ging um das Amt und dann das Leben gebracht. Es war nur eine Frage der Zeit, davon ging der Flavier aus, bis entweder der Kaiser oder sein offizieller Vertreter in der Stadt verstarb. Wer wem dazu behilflich sein würde - nein -, behilflich sein musste, das wusste der Senator auch schon.

    Ein kleines Lächeln streifte die Züge des Senators, als Gracchus seine doch desolate Situation diese Information betreffend glorreich zum Ausdruck brachte. Einen Schluck lang ließ er den Vetter, welcher eigentlich sein Onkel war, noch warten, ehe er ansetzte: "Nun denn, womöglich mögen diese Wände doch dicker sein als angenommen.", schließlich hatte selbst sein enger Freund Durus in der an ihn und seine neue Gattin formulierten Einladung um diesen neuen Umstand gewusst. Gracchus schien wohl doch nicht in der rechten Verfassung zu sein.
    "Ich habe, als ich an meiner schweren Krankheit in Athena laborierte, Claudia Catilina zur Ehefrau genommen. Du weißt, dass ich mich erfolglos an einer Braut aus tiberischem Hause versucht habe, doch der Götter Wink war durch zwei gescheiterte Verlobungen doch recht eindeutig, so dass ich mich für diese Gattin entschied. Wobei wir, wenn ich recht informiert bin, derzeit noch keine familiäre Bindung zu den Tiberiern halten. Dieser Umstand muss, trotz unserer freundschaftlichen Bande, umgehend durch eine familienpolitische Maßnahme aus der Welt geschafft werden."
    Ein recht eindeutiger Blick streifte den jungen Piso. Hoffentlich wusste dieser, dass nun gewisse Erwartungen seine privaten Eroberungen betreffend geboren wurden. Die gewisse Grenze, politische Schritte für die Familie und die eigene Karriere zu gehen, wurde nunmehr überschritten. Flavius Furianus würde auch noch weitere private Opfer des Piso erwarten. Nicht nur der Gesang musste ersterben, nun war es auch die Liebe, welche in einer gezielten Bahn zu einer Gattin aus tiberischem Hause folgen musste. Wobei man von Liebe sowieso nicht zu spechen pflegte. Man war schließlich Patrizier.
    "Ihr werdet sie kennen lernen, eine bezaubernde Frau und gute Gattin. Die Gebärfreudigkeit hat sie durch zwei Söhne aus der ersten Verbindung schon unter Beweis gestellt. Ein Valerius aus der patrizischen Linie war einst ihr Gemahl, jung wurde sie ihm versprochen, er war schon damals ein Greis und vor einigen Jahren schon haben die Götter ihn zu sich geholt.", erklärte er und ließ bewusst offen, welchen Status die beiden Valerier, Catilinas juvenale Söhne, in des Senators Leben würden einnehmen. Sie zu adoptieren kam ihm noch nicht in den Sinn, obgleich ihn seine neue Gattin latent dazu drängte. Dessen war er sich sehr wohl bewusst, doch solange er keinen Erben hatte, würde er kein anderes Blut akzeptieren wollen - geradlinig wollte man sein, solange man es noch konnte und das Alter seine Lenden nicht zur Gänze in die Knie zwang. ;)

    Flavius Furianus wartete die Abstimmung ab. Es würde wohl eine glatte Wahl sein, obgleich er noch nicht wusste, warum sein Freund ihn in diesem Amt sehen wollte. Durus war wie prädestiniert dazu.
    Der Senator überlegte, ob er sich pro forma melden wollte, beließ es jedoch bei einer neutralen Gestik.

    Seine Animosität hinlänglich weiblicher Launen drang zu ihr glücklicherweise nicht vor. Ein Lächeln wusste dies zu überspielen.
    Er war heute jedoch, zu seiner eigenen Verteidigung, einfach zu schwach, um sich physisch in jedwede Richtung betätigen zu können. Und das, woran sie dachte, war keine leichte Aufgabe für einen Mann in seinem Zustand. Zumal war es recht früh am Tage und eine gewisse Restenergie wollte er sich für den bevorstehenden Tag zugestehen.
    "Leider ist dein eigentliches Zimmer noch nicht bezugsfertig. Ich hoffe, Liebste, du kannst es mir nachsehen - ich will ja, dass alles in einem perfekten Zustand ist und habe kurzerhand alles erneuern lassen. Deine verfrühte Anwesenheit, bei all meiner Freude darüber, erschwert dies noch zusätzlich.
    Ein Gästezimmer steht jedoch immer bereit. Du jedoch sollst dich keineswegs als Gast hier fühlen. Es ist dein Heim nun."
    , hörte er sich sagen.
    Flavius Furianus schien wirklich weich geworden zu sein.

    Flavius Furianus aß nur zaghaft, schließlich war hier die Speise nicht der primäre Blickpunkt seines Interesses. Vielmehr suchte der Senator nach einer Gelegenheit von den Floskeln weg hin zu den wirklich brisanten Gesprächsthemen kommen zu können. Und er fand eine.
    "Fortuna sei Dank, dass mein Vater einst einen guten Koch aus Oberitalia erstehen konnte. Just eine Woche nach dessen erstem Einsatz bemerkte es wohl die ganze Villa, welch hervorragende Eigenschaften da erworben wurden.", gab er erst einmal von sich, um dann überzuleiten. "Aelius Quarto, dass sich alle in deinem Hause bester Gesundheit erfreuen, habe ich schon vernommen. Leider dringen Nachrichten über den Gesundheitszustand unseres geliebten Kaisers recht selten bis zu unserem Hause vor. Kannst du uns, als sein Bruder, denn in dieser Sache illuminieren? Mir scheint, wir stehen diesbezüglich noch alle in einem recht dunklen Schatten."
    Und er ließ seinen Becher mit verdünntem Wein nachfüllen. Es war heute recht warm im Speisesaal. Das nächste Mal musste er dies ansprechen.

    Senator Flavius folgte dem Sklaven in den Garten, wo er den alten Zensor treffen sollte.


    Kurz richtete der Flavier seine Toga und schritt dem Sklaven bedächtig nach. Agrippa erblickend, hellte sich seine Mimik spürbar auf.


    "Salve, Senator Matinius. Ich danke dir für deine Zeit.", begrüßte er den alten Mann.

    "Ich begrüße die umfangreiche Ausarbeitung des Consuls, wie auch die Vorschläge meiner Vorredner.", meldete sich schließlich der Flavier zu Wort.


    "Nichtsdestotrotz habe ich ebenfalls einige Anmerkungen vorzubringen.
    Ich bin ebenfalls ein Befürworter einfacher Formulierungen und eines schlanken Gesetzestextes, doch meiner Meinung nach sollte das Prozedere des Opus Publicium näher erläutert werden.
    Wenn wir in §54 Abs. I davon sprechen, dass das Opus Publicium als Ersatz für eine uneinbringliche Geldstrafe anwendbar ist, so stellt sich mir die Frage, da aus §52 Abs. II das Opus als unentgeltlich definiert, wie der Verurteilte seine Existenz aufrecht erhalten soll.
    Meiner Meinung nach ist hier ein gerichtliches Abwägen anzuwenden. Dies kann wiederum ein Praetor nicht, da der Verurteilte zum Opus herangezogen wird, eben weil er keine finanziellen Mittel zur Begleichung besitzt, jedoch auf der anderen Seite sich selbst versorgen muss, während er seine Schuld durch das Opus entrichtet.
    Das impliziert eine Unterversorgung, gar überhaupt keine, der Verurteilten.


    Wir sollten abwägen, ob ein Römer seiner Existenz beraubt werden darf, weil er einen anderen zuvor geschädigt hat, und dadurch letztendlich selbst zum Tode verurteilt wird, da seine Grundversorgung nicht gewährleistet ist.


    Entweder wir definieren die Versorgung der zum Opus Publicium heran gezogenen Verurteilten oder wir gestatten ihnen ein Grundmaß an Vermögenswerten."


    Wobei natürlich eine Definition der "Knechtschaft" in seinen Augen weniger aufwändig sein sollte als nun ein immer wieder zu verändernder Rahmen des Freivermögens.

    Das Gespräch verschob sich glücklicherweise wieder zu den Bagatellen hin. Umso froher war der Flavier darum.
    So trank und degustierte er munter weiter, sich die Speisen querbeet hindurch probierend. Die Tiberia jedoch, sie ließ ihn zweigeslohne nicht in Ruhe und da die beiden anderen Herren wohl zu abgelenkt erschienen, nahm sich Flavius Furianus ihr schlussendlich an. :D


    "Weder das eine noch das andere.", entgegnete er knapp und bald darauf zeichnete sich ein Lächeln ab.
    "Für solcherlei Zerstreuung habe ich schlichtweg keine Zeit, Tiberia Septima. Derzeit gibt es sehr viel Bewegung in der innerstaatlichen Politik, welcher ich natürlich unbedingt folgen und gar mitgestalten muss. Dazu ist mein Name zu wichtig, um anderen Interessen nachzugehen.", dass man dies auch anders handhaben konnte, bewies sein Vetter, der eigentlich sein Onkel war, jeden Tag aufs Neue, indem er mehr Zuhause oder in den Tempeln verkehrte als in seiner Pflichterfüllung als Senator nachzugehen.
    "Außerdem nehmen mich meine medicii völlig ein. Wenn ich einige Herzschläge Freizeit mir abgewinnen kann, schwärmen sie sofort aus und verordnen mir Bewegung. Und hast du schon einmal versucht in ständigem auf- und abgehen einem literarischen Meisterwerk zu folgen? Eine sehr mühselige Arbeit ist das und letztendlich ist man umso enttäuschter.", beantwortete er anschließend ihre eigentliche Frage und musste wiederum einen anderen Leitfaden finden, nachdem er den ihrigen abrupt abgerissen hatte.
    "Mich würde auch interessieren, ob es in Rom mehr Möglichkeiten der Zerstreuung gibt als in Tarraco? Schon alleine, weil ich einst hiesiger Proconsul war und mir diese Thematik wärend meiner Amtszeit durchaus am Herzen lag."
    Natürlich gab es damals wichtigere Metiers wie die Infrastruktur oder die Miliz, aber als Proconsul erkannte man meist schnell, dass Möglichkeiten der Zerstreuung überlebenswichtig waren, um das Volk bei Laune zu halten.

    Mit einem ebenso unscheinbaren, jedoch aufrichtigen, Lächeln, begrüßte der Flavier den Senator.


    "Salve, Octavius Victor. Die Art meines Besuches, wie du dir wohl vorstellen kannst, ist politischer Natur.", entgegnete er freundlich und begab sich zusammen mit dem Gastgeber zur angedeuteten Klinengruppe.


    "Ich weiß nicht mehr, wann ich zum letzten Mal hier gewesen bin. Es müssen Ewigkeiten sein." In letzter Zeit ertappte sich der Flavier gar zu oft, wie er in alten Erinnerungen schwelgte. Wurde er gar alt? Er vertrieb diesen Gedanken sofort.

    "Ich habe wohl den rechten Zeitpunkt gewählt, vernehme ich doch süß klingende Worte in flavischen Ohren.", vernahm die Runde am anderen Ende des weitläufigen Speißesaales, denn indess war auch Senator Flavius Furianus erschienen und rief ihnen vielmehr zu, als dass er sprach.
    Gut gelaunt, in eine Toga mit markantem Purpurstreifen gekleidet, setzte er seinen Weg in recht zügigem Tempo fort. Dass er noch vor wenigen Minuten seine hämmernden Kopfschmerzen los geworden war und ob seines noch nebenher stets üblen Lungenleidens auch am liebsten im Bett geblieben wäre, merkte man ihm nicht an.


    "Entschuldigt meine Verspätung, ich hatte noch zu tun.", entschuldigte er sich kurz und unzureichend. Die Schwäche, er sei krank, würde er in dieser Runde sicherlich nicht erwähnen. Da erschiene er erst gar nicht. Und ob die Luft hier gut war oder nicht, das überließ er der Selbsteinschätzung der aelischen Gäste. Schließlich waren ihre Senatoren nicht permanent verpflichtet politische Zwangspausen an Kurorten einzulegen, weil sie gerade noch dem Fährmann entkommen sind.


    "Senator Aelius, ich begrüße dich sowie auch deinen Begleiter. Aelius Archias, wenn ich recht informiert bin? Senator Lucius Flavius Furianus ist mein Name.", sprach er zuerst Quarto und anschließend den anderen Gast an. Vorher hatte er sich die Namen, in Geistesgegenwart, von einem der Sklaven sagen, die hier doch ein wenig zuhören konnten. Diesen Archias kannte er jedoch nicht, der Jüngling war wohl politisch nicht besonders aktiv noch tat er sich anderweitig hervor.
    Und da alle einen Becher in der Hand hielten, wurde auch dem Flavier einer gereicht, der sogleich einen recht minimal anmutenden Teil den Göttern opferte und den Rest in die Höhe reckte.
    "Auf das gute Essen, einen angenehmen Abend und den erfreulichen Besuch.", stieß er mit an und nahm einen kräftigen Schluck.

    Die flavische Augenbraue wanderte stetig gen Himmel, je weiter sein Vetter ausführte. Hinter diesem kleinen Spiel der Mimik verbarg sich etwas gravierenderes.
    Bisher nahm der flavische Senator an sein Vetter, der eigentlich sein Onkel war, hätte mit Leiden ihres sozialen Umfeldes zu kämpfen, Leiden, die eine Person in diesen Kreisen interessant zu machen vermochten, kleine Leiden der Profilierung - Markenzeichen. Doch so ein Ausmaß hatte er nicht erwartet.
    Zudem erbrachte die Äußerung an sich, ein Eingestehen physischer Ohnmacht, mehr an Verwunderung mit sich. Die flavische Familie war nach außen hin sicherlich stark, in sich gefestigt und dadurch an Ansehen reich beschenkt - doch auch sie waren ein Löwenrudel. Und in so einem Rudel hatte es mitunter fatale Folgeerscheinungen mit sich, wenn einer der Leistungsträger, eines der Rudeltiere, eine gravierende Schwachstelle zugab.
    In den Augen des Flaviers war sein stets bewundernswerter Vetter, der eigentlich ein Onkel war, binnen weniger Sekunden zu einem Mann abgewertet worden, dessen Macht und Ansehen innerhalb der Familie nun recht leicht angreifbar war. Der Stärkere würde den Schwächeren ablsösen müssen, obgleich der Stärkere, wie er sich in dieser Skizze sah, selbst mit einer Krankheit zu kämpfen hatte. Einen Flavius Piso sah man noch nicht als Konkurenz an.
    "Diese Offenbarung überrascht mich doch sehr, Vetter.", reagierte er daher eher ein wenig zurückhaltend.
    Wenn Gracchus wirklich solch eine Bedrohung für das Ansehen der Familie, gar Rom selbst in einem der höchsten Ämter darstellte, so musste dies verhindert oder zumindest hinten angestellt werden. Bis zur vollständigen Genesung - wenn sie denn irgendwann kommen sollte.
    "In solch einem hohen Amt, sei es als Flamen Dialis oder Rex Sacrorum, ist ein Scheitern ausgeschlossen. Wenn du, laut deiner Selbsteinschätzung, nicht hierzu bereit bist, so muss ich das wohl akzeptieren, wenngleich es mich nicht erfreut."
    Und damit entsagte er Piso die Unterstützung. Er würde Gracchus nicht in ein Amt drängen, welches jener blamabel ausfüllen sollte. Nicht um das Ansehen seines Vetters war er hierbei besorgt, sondern eher um das der gesamten Familie - somit auch um das seine.
    Er musste sich wirklich vielmehr der Familie widmen, nahm er sich vor und begann sogleich.
    "Gibt es die Familienpolitik betreffend noch wichtige Informationen, die auf keinen Fall vorenthalten werden sollten?
    Die meine Vermählung betreffend dürfte nun wohl schon im ganzen Hause kursieren. Nocht etwas anderes?"

    Und in diesem Augenblick verfluchte der Flavier heute erschienen zu sein und diesem Weib zu gefallen. Prompt sprach sie seine kleine Notlüge aus. Hoffentlich nahm Durus das nicht zu ernst und glücklicherweise, nach ein paar scheuen Blicken in die Runde, schien man Tiberia Septima wohl nicht gehört zu haben.
    Zum Glück segneten die Götter das Weib mit einer dünnen und hohen Stimme, sowie das männliche Gehör mit einer Neigung zu tiefen Tönen. Den Göttern sei Dank!


    So stopfte er sich eine weitere Weintraube in den Mund und blickte ab und an in das üppige Dekolettee der Tiberierin. Die neue römische Mode kam ihm dabei entgegen, denn laut den neusten Aussagen seiner Schneiderin war die Jugend heutzutage etwas freizügiger, als zu seinen Zeiten. Aber das hieß wiederum auch nichts, auch damals hatte man Spaß.


    Die Spieße wiederum quitierte der Flavier keines Blickes, denn als sie diese genüsslich in ihren Mund einführte, musste der Flavier gedrungener maßen eher an Lanzen denken. Dies entbehrte jeglichen Gedanken an die Köstlichkeit, rief vielmehr ein anderes Verlangen hervor. Man nannte es Wollust.
    "Ich werde diesem Ratschlag gerne folgen.", erwiderte er mit einem ebenso undurchdringlich süffisanten Lächeln und bemerkte zum ersten Mal, dass ihm recht warm wurde. Es musste am Wein liegen, dem er in letzter Zeit doch recht oft gefrönt hatte. Eine lästige Eigenschaft vor Frauen etwas Mut antrinken zu müssen. Besonders in Gegenwart solcher Exemplare.
    Ruhig nahm er einen der Spieße und ließ die einzelnen Fleischstücke auf seinen Teller gleiten. Er würde es ihr sicherlich nicht gleich tun, nahm er sich vor. Er war schließlich, durch seine Vorstellungskraft verstört, schließlich ein Mann mit Stolz.


    "Was hat denn eine so junge und bildhübsche Dame in Rom den ganzen Tag lang zu tun? Ich hoffe der Onkel sorgt für genug Zerstreuung."


    Sicherlich hatte sie die. So, wie sie mit ihm umzugehen pflegte. Sämtliche Sklaven würden ihm wohl recht viel von ihr erzählen können. Langsam verfestigte sich ein Bild in seinem Kopf, welches alles andere als dem der römischen Matrone entsprach.

    Schlussendlich schien man seinen Ausführungen folgen zu können, befand der Flavier.
    Eigentlich, wenn man nur näher hinzusehen vermochte, hatte die Gens Flavia von einem Aelius Quarto sicherlich genug zu fordern - aber ob ein Aelius Quarto die Gens Flavia unbedingt brauchte, das war dahin gestellt. Jedenfalls sah es Lucius Flavius Furianus nicht anders, als unter den günstigsten Umständen - den günstigsten für ihn.
    Eine Allianz mit Quarto, ein darauf aufbauendes Consulat und eine etwaige Berufung seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war, würde einen weiten Sprung auf der Leiter des patrizischen Stolzes bedeuten. Mehr Macht war damit ebenfalls einher gehend, so dass dies insbesondere für Furianus ein großer Anreiz war.


    "Aber wir können es heute Abend ruhig bei etwaigen Andeutungen belassen. Nichts Konkretes. Das kann man immer noch, vertraulich, bei einem Besuch in der aelischen Residenz vollziehen - natürlich nach eingehender Beratung.", sagte er schlussendlich aus seinen Gedanken gerissen. Außerdem war er, soweit er sich erinnern konnte, noch niemals in den privaten Gemächern der Aelier umher gewandert. Das sollte man ändern, wenn man schon einen politischen Bund schloss.


    Auf die Argumente seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war (und damit meinte er ausschließlich den namnes Gracchus), erwiderte der Flavier nur ein nichtssagendes Nicken, befand aber einige Herzschläge später, dass dies durchaus wert war ausgeführt zu werden.


    "Der Götter Wille ist unergründlich, lieber Vetter. Sieh nur mich an, vor jüngst zwei Jahren war ich noch vollauf gesund und nun leide ich wie ein Gebrechlicher."
    Außerdem hatte die römische Gesellschaft weitaus hinreichende Erfahrungen mit Mitteln und Wegen gesammelt etwaige Konkurenten still udn heimlich aus dem Weg zu schaffen. Auch ein Furianus schreckte vor solcherlei niemals zurück.
    "Ob du oder sonstwer das Amt gebührend auszufüllen vermag, nun, dies kann man differenzierter betrachten. Und deine Ansicht mag Rom nicht teilen, Vetter. Wenn es dich braucht, du für der Götter Sprachohr befunden wirst, so wirst du dies mit Demut tragen, wie wir alle. Die Frage nach Besten stellt sich hierbei nicht."
    Und wenn er Gracchus dazu zwang. Aber dies vermied er zu sagen.
    Ein wenig stur schien der Vetter schon zu sein. Man schubste ihn und das einzige, was man nur erwarten konnte, war ein Schritt in die richtige Richtung. Doch eines sturen Esels gleich, bewegte sich ein Flavius Gracchus in keinerlei Himmelsrichtung. Und einen Flavius Furianus, der oft mit dem Wind ging, störte dies ungemein.

    Überrascht blickte der Flavier seinen Freund an. Er war gerade kurz in Gedanken gewesen und der scharfe Riss aus dem Munde des Durus irritierte ihn ein wenig. Kurz blickte er ihn an, bevor er sich leise räusperte.


    "Es wäre mir eine Ehre, so denn ich das Vertrauen der Brüder hierfür erhalte."


    Er selbst war überrascht von seinen Worte. Eigentlich sah er Durus auf diesem Amte, doch jener schien etwas vorzuhaben. Der Flavier vertraute darauf und ging auf den Köder ein.

    Der Flavische Senator verfolgte ebenfalls diesen glücklichen Tag mit einem Becher Wein in der Hand, angelehnt an eine der zahlreichen Säulen des Hauses, beobachtete den Hergang der Zeremonie.
    Schon zuvor hatte er die Gelegenheit gehabt samt der Grazie von Gattin, die er ja nun einmal hatte, das Brautpaar abzufangen und seine Glückwünsche zu entrichten. Eine Verbindung zu den Aureliern war für Durus sicherlich ein politisch wertvoller Zug. Bei den Flaviern war es jedoch, wie die Heiratspolitik es nun einmal ergab, schon recht egal, für welche Familien sich die Jungen entschieden. Wichtige Bande bestanden zu allen. Auch wenn der tiberische Zweig durch Anheirat bisher ausgelassen worden ward, obwohl sich Flavius Furianus redliche Mühe gegeben hatte.
    So stand der Senator, seine Gattin war wohl irgendwo entschwunden, nippend und mit einem leichten Lächeln auf den Zügen.