Mürrisch saß Flavius Furianus auf seinem Platze und verfolgte die Regung von Purgitius Macer. Nachfragen waren es also. Verwundert blickte der Flavier um sich, schließlich schien er alleine sich an eine Senatsdebatte, vor einigen Jahren, zu erinnern, die in seiner eigenen Abwesenheit genau über dieses Thema geführt wurde. Er hatte sich damals schriftlich dazu geäußert. Vielleicht verdrängten die Herren dies ja gerne.
So erhob er sich, um weiterhin den Papagei zu spielen.
"Nun denn, gehen wir darauf ein.", begann er und erhob sich abermals, um nun in gewohnter Manier durch die Halle zu schreiten. Es würde ein langer Vortrag werden.
"Einige von euch, werte Kollegen, sehen meine Handlung mit argwöhnischem Blicke. Einige betrachten mich wohl gar als Ursupator, also werde ich dazu, abermals, Stellung nehmen.
Betrachten wir zuerst die Umstände der Angelegenheit.", dann wandte er sich in Richtung des ehemaligen Proconsuls, Matinius Agrippa.
"Mir wurde von euch, werte Kollegen, eine Provinz anvertraut, die stets als Hort der Sicherheit, als beschauliches Fleckchen Erde, als eine der treusten und ältesten Provinzen Italias galt. Und in eben dieser Provinz brach ein Aufstand sondergleichen los!", er hob drohend den Zeigefinger in die Höhe.
"Ein Aufstand, meine Herren, der den göttlichen Iulianus dazu bewog seine Praetorianer in die Provinz zu entsenden! Keine Auxilia, keine Classis, die in Hispania beheimatet, nein, SEINE Praetorianer!", ein kurzer Moment der Stille und Flavius Furianus merkte leiser an:
"In diese Provinz ward ich entsandt."
Er blieb kurz stehen und ließ die Stille danach den Raum einnehmen. Er blickte sich um, suchte Augenpaare und Gesichter ab, um dann die von ihm geschaffene Stille jäh zu durchbrechen.
"Wie soll sich da ein Statthalter verhalten? Ich selbst und auch ihr solltet euch nichts vormachen. Ich fürchtete mich vor der Situation. Es war stets, wenn auch latent, die Angst um einen weiteren Aufstand. Die Provinz war gebeutelt, die Aufständischen haben Angst und Schrecken in der von Sicherheit verwöhnten Provinz hinterlassen. Könnt ihr euch vorstelle, wie sich die Menschen fühlen, die den Krieg nur durch Worte, seine Schrecken nur durch Metaphern und Kunst bisher kannten und nun dies, hautnah, erleben?! Sie sind verstört, verunsichert.
Dann möchte ich noch das öffentliche Bild Roms gerne erwähnen. Diese Menschen sehen die Auxiliaeinheiten und die Classis Hispaniens machtlos vor den Aufständischen, sie sehen, wie der Kaiser selbst seine Praetorianer entsenden muss, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Und nun seid ehrlich zu euch selbst - würdet ihr als einfache Bauern weiterhin Rom, der Schutzmacht, vertrauen?! Ich würde es nicht und ich verstand, verstehe immer noch, wie sich die Menschen damals fühlten."
Er blieb wiederum kurz stehen und erhob seinen Finger in die Höhe.
"Und dann ziehen noch die Retter, die kaiserlichen Praetorianer, einfach ab!"
Wiederum blickte er in die Gesichter seiner Kollegen und furh fort durch die Halle zu schreiten - stets in klaren und harten Worten sprechend.
"Und diese Garde wird von einem neuen Statthalter ersetzt. Einem Mann! Vermag dieser die drohenden Konflikte, neue Aufstände, Verbrechen abzuwehren? Nein!
Mir wurde eine vom Aufstand gezeichnete Provinz hinterlassen - eine Provinz in Angst vor weiteren Unruhen, eine Provinz mit keinerlei Vertrauen in die Schutzmacht Rom!
Doch dem nicht genug, mir wurde ein - besonders im Hinblick auf die Sicherheit - rückständiger, verängstlichter, stark dezimierte und schlecht bewaffnete Sicherheitsapparat übergeben. Ich habe keine Befehlsgewalt über die Classis wie auch keine über die Auxiliareinheiten. Wie sollte ich dann als Statthalter künftig die Sicherheit einer vom Aufstand gezeichneten Provinz dauerhaft verantworten? Vergesst den Umstand nicht, werte Kollegen, in dem ich mich befand - richtet auch danach!"
Kurz blieb er stehen und dachte kurz nach. Die Fakten hatte er nicht mehr im Kopf und wenn er welche hatte, dann waren sie nur verschwommen. Er hätte sich besser darauf vorbereiten können, wenn dieser Punkt auf der Agenda gestanden hätte. Aber der Germanicus legte ja keinen Wert auf die Befolgung der Senatsregeln, so dass der Flavier alles aus dem Gedächtnis rekapitulieren musste.
"Ganz konkret musste ich also die Sicherheit der Provinz gewährleisten und zudem, im Hinblick auf den Aufstand, auch ausbauen. Denn nur so konnte ich das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Sicherheit zurück gewinnen - das kann man nur durch sichtbare Taten und nicht durch bloßes Gerede, werte Kollegen!
Ich ließ also von den jeweiligen Regionarii Bestandslisten und Kontrollen vornehmen. Dabei gingen sie recht pragmatisch vor, kennzeichneten Außenposten, Verluste, den Stand der verlorenen oder unbrauchbaren Ausrüstung - auch die, welche veraltet erschien -, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Milizen, ihren Ausbildungsstand und ihre Zahl an sich.
Die Berichte waren beunruhigend, denn die Vielzahl der Männer war schlecht ausgebildet, die Ausrüstung mehr als mangelhaft - dazu zähle ich auch die Lager und Außenposten der Milizen. Und vor allem ihre Anzahl war stark dezimiert - der Aufstand hatte hier seinen Preis gefordert. Und auch die Angst vor einem weiteren Aufstand verschreckte enige der Milizen schon jäh.
Ein weiterer wichtiger Kostenpunkt waren die Witwenrenten. Das ist der einzige Punkt, an dem ihr mir ernsthaft Fehlverhalten vorwerfen könnt.
Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dass die Frauen und Kinder der im Kampfe für das Volk unseres Reiches gefallenen Männer hungern müssen! Es ist unverantwortlich der Familie eines Milizen einen gewissen Rückhalt des Staates zu entbehren! Es ist unsere moralische Pflicht! Dafür könnt ihr mich gerne richten!, sagte der Flavier erbost in die Runde und wurde leicht rot. Das Reden war manchmal doch anstrengender, als es aussah, und der Pathos eines Sophisten machte dies nicht leichter.
"Die Mehrkosten belaufen sich also auf verschiedene Renovierungen von Außenposten, Lagern und anderweitigen Posten der Milizen, die durch den Aufstand zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen worden waren.
Ausrüstung ließ ich austauschen, wiederherstellen oder erweitern.
Den Sold der tapferen Männer hob ich, wenn auch marginal, was hier wohl vergessen wird, auch an. Es sind keine horrenden Summen geflossen. Schließlich haben diese Männer tapfer das Volk verteidigt und die Bereitschaft in die Miliz einzutreten wurde so auch immens gesteigert - schließlich hat die Provinz beachtliche Einbrüche in der Rekrutierung von Milizen verbucht, was klar auf den Aufstand zurück zu führen ist.
Und die Witwenrenten waren auch ein Kostenpunkt.
Das war alles - keine private Armee, keine Befehlsgewalt - schließlich sind die Milizen dezentralisiert über die ganze Provinz verteilt.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Miliz auch polizeiliche Aufgaben ausfüllt und die Sicherheit einer Provinz stets gewährleistet sein muss.
Dafür habe ich gesorgt, für nicht mehr und nicht minder."
Noch ein letztes Mal blickte er sich um und begab sich wieder auf seinen Platz unter den Praetoren.