Das Reisen war eine der vielen Beschäftigungen, die einem wichtigen Mann neben der Verantwortung aufgebürdet wurden. Und diese Beschäftigung versuchte der ein oder andere durch Lesen, Eigenstudium oder einem reizenden Gespräch zu überbrücken. Für gewöhnlich auch Furianus. Doch am heutigen Tage war er emsig damit beschäftigt die Zahlen, Vermerke und Bücher über sein neues Anwesen, an welchem er zwar schon immer, seit seiner Geburt, Anrecht hatte, sich jedoch nie die Gelegenheit ergab jenes zu inspizieren.
Der Komfort in solch einem Reisewagen war nicht gerade solcher Art, die man als wichtiger Mann gewohnt war, doch aus der Pflicht hatte Furianus schon oft eine Tugend gemacht. So war der hölzerne Reisewagen, bewusst schlicht gehalten, um allfällige Blicke nicht noch provokant auf sich zu ziehen. Der Neid war eine Errungenschaft des Erfolges und so hatte auch er lernen müssen, solcherlei Fehler zu meiden. Wäre er noch in seiner stürmischen Jugend, wäre er die alte Pflasterstraße auf seinem schwarzen Hengst entlang geritten. Einem jungen Alexander gleich hätte er erhobenen Hauptes und noch weiter nach oben gereckter Nase die Ländereien begutachtet, wäre durch Eleusis geritten, um seine Ankunft zelebrieren zu lassen. Jedoch gehörte dies der Vergangenheit an. Irgendwann war es einem auch langweillig sich an solch einer Präsentation zu ergözen.
Die Tugend aus der Pflicht zu machen bestand darin, dass er seinen Reisewagen üppig polstern ließ. Nicht nur die Sitzbank, sondern alles, bis auf die Holzdecke, welche durch eine Luke viel Licht in das Innere hinein ließ. So schien die Sonne des Ra, der Quell des Lebens, unermüdlich in sein kleines, gepolstertes Reich hinein, während er sich liegend den Büchern widmete. Wenn das Ruckeln und das Hüpfen aufgrund der Straßenverhältnisse und der bescheidenen Leichtigkeit der Räder nicht wäre, hätte er sicherlich seiner Müdigkeit freien Lauf lassen können. Doch dazu kam es nicht.
Das künftige Anwesen, so schien es den Büchern nach, das Elternhaus in Rom mehr als zweimal verschlingen zu können. Die Fläche an brauchbarem Land war erstaunlicherweise sehr groß und die Finanzierung des Anwesens ruhte ebenfalls auf den Erträgen aus eben diesem Land. Es wurde viel angebaut, Diversifikation war also auch hier kein Novum. Das war gut, denn diese Art der Nutzung präferierte er selbst seit Jahren immer mehr. So hatte man wenigstens stets einige Sicherheiten parrat. Nicht, dass er dies nötig hatte, verfügte er doch über ein weitreichendes Vermögen, über das auch nur er bestimmten konnte, doch das Wissen um eine gewisse Wirtschaftlichkeit war ihm ein ernstes Anliegen. Alles sollte sich im Leben rentieren und Prasserei, so hatte er es schon früh gelernt, führte niemals zum Erfolg.
Außerdem las er einst von Cicero, dass Sparsamkeit der Quell des Reichtums sei. Und das verinnerlichte er, wo er nur konnte.
Weitere Angaben versetzten ihn in eine geradezu kindliche Vorfreude. Das Anwesen hatte einen direkten Zugang zum See und einen eigenen Strand. Er würde es abends, wenn die Sonne unter ging, zu genießen wissen. Zwar kein sentimentaler Charakter, erinnerte er sich doch gerne an seine Jugend und die vielen schönen Stunden in Achaia genau zu dieser Uhrzeit. Es würde Erinnerungen wecken, Kraft geben und ihm das Gefühl von Heimat geben, welches er stets auf Reisen zu missen schien.
Es ratterte, polterte und plötzlich kam der Wagen zum Stehen. Die kleine Holztür zum Reisewagen ging auf und ein junger Sklave verbeugte sich leicht, als der Senator irritiert in dessen Gesicht blickte.
"Wir sind angekommen, Dominus. Die Landvilla Flavia am Hadrasee", sprach er geradezu feierlich aus und der Senator nickte leicht, ließ sich die Sandalen bringen, anziehen und verstaute die Bücher in einer Ledertasche, welche der junge Sklave ihm hinterher zu tragen hatte. Den Gehstock in der Hand, hievte Furianus zuerst die Füße, dann den gesamten Körper aus dem Reisewagen und erstarrte.
Es war eine Idylle, die er sich niemals hätte ausmalen können. Die Wehrmauer, so würde er sie von nun an nennen, war nur noch ein kleiner Strich am Horizont und verschwand Richtung Süden gar. Das Land schien riesig und das Anwesen selbst war eines der größten Latifundien, die er je gesehen hatte. Wahrlich, hier hätten sich Kaiser wohlgefühlt.
Die Sklaven, welche das schlossartige Anwesen in Stand hielten, postierten sich in drei hintereinander Stehenden, langen, Reihen vor der großen Eingangstreppe. Sie alle waren der Größe nach ausgerichtet worden, die Kleinsten zum Schluss. Alte Männer in hiesigen Gewändern, meist Glatzköpfige und braun gebrannte Bedienstete, sowie junge Griechen mit lockigen Mähnen und drahtigen Körpern. Die Sklavinnen hatten ganz eigentümliche Trachten, wie er nebenbei bemerkte, jedoch umso schönere. Die Buben und Mädchen drückten schließlich die Sklavenhaltung wider, die hier wohl geändert werden musste. Es waren Mischlinge, manche etwas dunkler, andere etwas helleren Teintes, doch alle sehr hübsch anzusehen. Der Sklavenzucht hatte er sich nie sonderlich gewidmet, fand die Thematik aber an sich sehr interessant und würde wohl mit dem ältesten der Sklaven sprechen müssen, welche Eigenschaften ein ägyptischer Sklave, ein Grieche oder ein Mischling der beiden Völkergruppen aufzuweisen hatte.
So begab er sich, auf seinen Gehstock gestützt, in die Villa und würde sich zunächst, nach einem erholsamen Schlaf, die Räumlichkeiten ansehen und danach seine neuen Ländereien inspizieren.
Auf den Strandspaziergang freute er sich jedoch schon jetzt.