Beiträge von Lucius Flavius Furianus

    Die Bagage war nicht allzu groß, nur das Nötigste in zehn Truhen. Ächzend kamen die Wägen, gezogen von Eseln und Pferden, zum Stehen. Eine einfache Sänfte überholte diese und kam von der Mitte zur Spitze des Trosses gewankt. Ein Sklave sprang voraus und kündigte den Senator an.


    "Lucius Flavius Furianus wünscht in das Haus seiner Familie einzukehren.", sprach er dem Ianitor in das gelangweilte Gesicht, ehe dieser geöffnet hatte.

    Lange waren ihm dieser Anblick und diese Treppen verborgen geblieben. Lange, doch nicht für ewig sollte es sein.
    Mit schweren Schritten, gestützt auf einen Zedernstock und zwei Sklaven, schritt der Senator die Treppen empor. Seine Gesundheit hatte ihm die letzten Jahre gewaltig zugesetzt, doch nicht vollends der alten Kraft beraubt. Schnaubend erreichten sie das Portal, welches mit mehr Gardisten bewacht wurde, als er es gewohnt war - aus gutem Grunde, wenn man sich die Wirren der letzten Jahre vor Augen führte.


    "Salvete, Senator Lucius Flavius Furianus erbittet ein persönliches Gespräch mit dem Kaiser.", sprach einer der Sklaven den Gardisten an.
    Der Senator nickte bedächtig. Man hatte ihn wieder in den alten Status erhoben, seinen Halbmond trug er stolz am Knöchel und der Purpurstreifen war wieder da. Als Entrechteter war er hierher gereist, nun schien alles in Ordnung. Fast alles. Er wollte Rache, Rache jenen, die profitierten, Rache an jenen, die sich durch das korrupte System Salinators empor krakelten wie die Würmer im Regen.

    Grimmig saß er auf einem orientalischen Diwan, welchen er jüngst auf dem Markt erstanden, und betrachtete sein Selbst im blutroten Wein in der Schale vor ihm. Er war alte geworden. Gebrechlich. Vielleicht auch ein wenig introvertiert.
    Er bekam keinen Besuch, niemand von Rang und Namen, alte Freunde, waren hier gewesen. Selbstverständlich verstand er den Umstand seiner derzeitigen Situation. Auch er würde zu keinem Freund in diese trostlose Gegend reisen. Und doch, ein wenig Hoffnung hatte er immer gehegt. Schließlich war er nicht irgendwer, sondern Consular, Patrizier, ein mit Orden und Statuen übersätes Abbild des perfekten Römer! Nun ein Rechtloser.


    Er hielt in der anderen Hand eine Mitteilung seines Sekretärs. Der Emporkömmling ist gefallen, Rom schien wieder ein Hort zu sein, wo man sich mit goldenem Halbmond am Knöchel zeigen durfte. Vielleicht auch darob sollte. Vermutlich kehrte alsbald die Selbstverständlichkeit und das Selbstbewusstsein eines jeden Patriziers zurück. Oder doch nicht?


    Die größte aller Fragen war jedoch, wo sein Platz nun sein mochte. Er, der hier verbannt vor Langeweile eher krepiert wäre als von seinem Lungenproblemen. Selbstverständlich musste sein Name rein gewaschen werden, wie auch der aller anderen zu Unrecht Verbannten Konkurrenten des toten Emporkömmlings.


    Wollte er Rache, Genugtuung? Das war eine gewichtige Frage. Schließlich wäre das noch sein verbliebener Strohalm der Motivation, um wieder in den heiligen Hallen des Senates zu sitzen und diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die für die Katastrophe der letzten Jahre - und vor allem sein Schicksal - mit verantwortlich waren! Und er würde noch weiter gehen. Alle Speichellecker, alle Nutzniesser, sie alle würde er öffentlich anprangern und sie alle würde er jagen. Jagen bis zum bitteren Ende. Genugtuung war für ihn zweierlei Dinge: Entweder sie hängen am Galgen, sind im Kolosseum und sterben oder sie werden bis zum Schluss in einem dunklen Carcer dahin vegetieren. Seine Münze hatte zwei Seiten und beide waren hässlich für Salinator-Sympathisanten.


    Aber er hatte eine Tochter, Familie, seinen Namen. Wollte er sich wirklich für niedere Beweggründe wie Rache und Genugtuung die letzte Lebenskraft aus dem Leibe leiern? Er musste an die Zukunft der Familie denken. Doch wie sah sie aus?


    Auf diese Fragen hatte er noch keine Antwort. Lies aber schon die Anweisung verlauten den groben Haushalt aufzulösen und ein Schiff anzumieten. So oder so, er musste nach Rom und seinen Namen rehabilitieren!

    Die Zeit war Muße und doch Qual. Menschen konnten sich nie festlegen - auch er. Damals hatte er stets zu wenig Zeit und verfluchte sie, nun hatte er zu viel und verfluchte dies ebenfalls. Die alten Schriften zu lesen, nun ja, das tat er schon während er noch ein kleiner discipulus war. Nun ermüdete auch dies. Spaziergänge waren mithin strapaziös, da die hispanische Sonne unaufhörlich zum Verweilen und Dösen einlud. Fischzucht war auch schon aus der Mode. Ihm fehlten auch die Bewunderer, derer es hier schon gar nicht gab. Auf den Baleares schien man Fische eher essen als züchten zu wollen.


    Also setzte er sich auf die weitläufige Terasse mit einem fernen Blick zur See und ließ sich Papyrus, Stilus and Siegelwachs holen. Politik war stets ein treuer Freund und dieser erforderte reale Freunde und die Pflege derer.


    Ad Senator Matinius Agrippa
    Provincia Italia
    Roma
    Casa Matinia



    L. Flavius Furianus s.d.


    wie lange währt denn dieser Alptraum noch, mein Freund? Sage es mir.
    Ich komme nicht umhin mich in dieser Einöde meiner Verbannung an dich zu erinnern. Republikanische Werte waren es, die uns einst schöne Gespräche ermöglichten und der Usurpator ist es, über den ich sprechen möchte.


    Sage mir, Freund, wie ist dein Eindruck von ihm? Ist er schon, wie bei diesen Homini Novi recht übrlich, dem ausschweifenden Leben anheim gefallen? Die Götter mögen ihn lange genug durch Orgien und sondergleichen ablenken, ehe er durchstochen oder seine Leber Schaden nimmt!


    Wie geht es dir nach dem Umsturz des Räudigen? Man hört du seist auf deine Güter zurück und führst das Leben eines aufrechten römischen Gutsherrn. Dazu möchte ich dich beglüclwünschen, war es doch schon immer - und vor allem seit Cicero - eine Pflicht jedes guten Römers der Mutter Erde seine Aufmerksamkeit zu schenken. Politik sind Worte, Taten sind Rauch in der Mühle der Zeit, doch die fruchtbare Mutter Erde, welche uns durch ihren Schoß stets prächtig nährte, besteht noch Jahrtausende!
    Hier gibt es leider wenig, was ich dem Schoß abringen kann. Es wachsen schon Südfrüchte, doch ist dies nicht die einzige Grundlage römischer Küche - und wird es hoffentlich auch nicht in ZUkunft.
    Für Viehaltung bin ich auch schon zu alt. Der Gestank, Fäkalien und dann der Geräuschpegel von Schweinen, Ziegen, Schaafen und anderem ist mir nun doch zuwider - ich brauche Ruhe.


    Wie geht es deinen Kindern? Ich hoffe, dass sie die Umbrüche unserer Zeit zu nutzen wissen und durch den allgemeinen Kompetenzmangel auf jeglicher behördlichen Ebene ihr Schicksal ergreifen! Zwar funktioniert das Klientelsystem heutzutage recht einseitig zugunsten der Emporkömmlinge um den Emporkömmling herum, doch sind die alten Stricke noch immer fest und nicht jeder Dienstposten durch einen auf Linie gebrachten Novus besetzt worden. Ein Vetter ist sehr erfolgreich in Achaia - zwar nur Provinzialebene, doch heutzutage schon etwas handfestes geworden. Zögere nicht zu fragen, wenn der Kontakt hergestellt werden soll, mein Freund!


    Nun denn, das Leben eines Verbannten hat auch noch eine gewisse Richtschnur. Ich muss nun meine Leibesübungen machen und Kräuter einnehmen. Du weißt ja, um meine Gesundheit war es nie recht gut bestellt. Ich hoffe du bist da anders.


    Mögen die Götter dich und die deinen Schützen! Auf bald, gehab dich wohl!


    gez.


    Lucius Flavius Furianus

    Einst schrieb ein kluger Kopf, dass auch in einem goldenen Gefängnis die Vöglein nicht zwitschern. Und das taten sie fürwahr recht selten.
    Flavius Furianus erholte sich langsam von der Schwelle des Todes, an welcher er nach seinem Gefängnisaufenthalt recht oft zu stehen schien. Die Lunge schmerzte und er spuckte Schleim. Auch wenn dieser Umstand von verschiedenen Medici als gut befunden wurde, denn der Körper reinige sich selbst und die Körpersäfte seien nicht im Einklang, war doch der Nebeneffekt des rastlosen Hustens eine Qual sondergleichen.


    Zum Glück war man als alte Adelsfamilie schon oft mit der Tatsache konfrontiert worden das Vermögen weitläufig zu zerstreuen und sich darüber den gleichen Wohlstand zumindest für einige Dekaden erhalten zu können. Seine Behausung war komfortabel - ein am Hang liegendes Gebäude, welches der ehemalige Senator sofort luxuriöser ausbauen ließ. Schließlich waren die Baleares ein paar schäbige Inseln mit Schäferdörfern. Und er, als gesellschaftlich Aussetziger, konnte oder vielmehr wollte nicht mit den paar Honoratioren dieser von allen Göttern verlassenen Gegend verkehren. So blieb er abgeschieden und vertrieb sich die Zeit mit Spaziergängen, den Episteln seiner Spitzel und Boten in und rund um Rom - und schürrte seinen Hass auf den Emporkömmling, welcher sich auch gleich Rex hätte nennen können.


    Gerne wäre er noch in der körperlichen Verfassung von dieser Insel zu fliehen, sein Vermögen zusammen zu scharren und mehrere Legionen auszuheben, welche er als Legat hätte gegen den Vescularius in die Schlacht geführt. Ja, alleine ander körperlichen Verfassung mangelte es! Elendige Körper, sie sind schneller von Befall als der unsterbliche Genius. Aber die Götter darum zu beneiden wäre auch schon frevelhaft.
    So aß er seine Trauben, welche er Stück für Stück von den Ästchen zwirbelte und sinnierte darüber nach, was kommen mochte. Für Rom, seine Familie, seine Kinder vor allem. Seine Zeit schien schon um, doch eine neue würde kommen. Was sie bereit hielt wusste niemand und die wenigstens reisten heutzutage nach Delphi, um gläubig den Orakelspruch zu empfangen, welcher ihr Handeln prägen sollte. Nein, das war nicht für einen Flavius Furianus. In seiner Freiheit ließ er sich nicht einschränken. Bis auf die Tatsache, dass er vogelfrei wäre, wenn er die Insel verlassen sollte. Der goledene Käfig.


    Es gab Tage, da wollte er sich in die Schlucht stürzen. Einen Spaziergang antäuschen, die Sklaven wegschicken und dann frei wie ein Vogel den ehrenvollen Tod an den Klippen wählen. Oder ganz klassisch in ein Gladius fallen lassen, obgleich er auch kein aktiver Solat mehr war. Doch hatte man als Römer jemals die Freiheit auch mal nicht Soldat sein zu müssen? Sie alle waren Miles und würden es bleiben.
    Und doch, es gab Tage, da kam seine kleine Tochter, die schon ihre ersten Schritte wagte, mit einem Lächeln auf ihn zu. Seine Gattin, welche sie regelmäßig mitbrachte, um dem Vater die Entwicklung seines Kindes nicht zu enthalten, war auch ein triftiger Grund nicht an das Elysium zu denken. Genau so wie der Rest der Gens, Freunde, Klienten - und vor allem schon Rom zuliebe.


    Der Krieg, Brüder gegen Brüder, würde Rom wieder intern schwächen. Auch wenn er richtig war, um eine neu angebrochene Schreckensherrschaft zu unterbinden, er war dennoch falsch. Das Reich würde, egal wie es ausging, geschwächt daraus hervor gehen. Die Grenzen würden überrannt werden, ein paar Gebiete vor allem im Nordwesten und im Osten des Reiches würden den Feinden anheim fallen und die römische Zivilisation von den Barbaren geschändet. Und doch, man musste dies in Kauf nehmen. Eher dies als den Tod Roms durch den giftigen Biss einer einzigen Schlange, welche aus ihrem Sumpf empor gekommen bis zum ewigen Marmor des Palastes und zubiss, als der göttliche Regent schlief. Und nun saß sie selbst, spitzzüngisch, fett ob der Beute und zynisch mit der Krone des Reiches.
    Nein, man musste sie ausmerzen - und ihre ganze Sippschaft. Flavius Furianus hatte Geld, auch wenn keine reale Macht mehr, doch sollten die richtigen Männer gewinnen, er würde eine Hetzjagd sondergleichen nach den Verrätern starten. Alle, die dem jetzigen Kaiser nahe standen oder begünstigt waren, alle würde er auch auf eigene Kosten bis zum Tartaross jagen.


    Langsam wurde es Zeit ins Bett zu gehen. Ein kleiner Schluck verdünnten Weines und dann ließ sich der vormals strahelnde Consul von zwei Sklaven als einfacher Peregrinus, der er nun war, zum Schlafgemach stützen.

    Der ehemalige Senator wurde auf ein Schiff gebracht, welches in Ostia lag und recht häufig im Monat nach Palma aufbrach - ein Versorgungs- und Handelsschiff. Es war nicht seine luxuriöse Yacht, mit der seine Frau nun hoffentlich irgendwo sicher angekommen war, nein, es war ein einfaches Boot, welches den letzten Platz nutzte, um dort irgend eine Vase, Tücher oder Sondergleichen unter zu bringen.
    Die Klienten erkauften ihm, durch das Feilschen mit den Prätorianern, einen guten Platz, eine eigene Kajüte. Der schwarzen Garde war es ohnehin egal, sie beaufsichtigten die Fahrt und wenn der Patrizier den Sand der Insel betrat, war er nicht ihr Problem, denn wenn er sie verließ war er ohnehin vogelfrei und konnte von jedem getötet werden.
    Langsam, auf seinen Medicus gestützt, setzte man den gebrochenen Mann auf das improvisorische Bett, welches ein wenig nach Wein roch. Ruhe hatte man ihm verschrieben. Doch welche äußere Ruhe konnte er an den Tag legen, wenn es in ihm stürmte? Stürmte ob der ihm widerfahrenen Ungerechtigkeit und Pein, stürmte ob des Meuchelmörders, der auf dem Thron saß, stürmte ob des geliebten Roms, welches zweifelsohne würde einem Bürgerkrieg bevorstehen. Das, was Rom niemals genützt hatte und es auf ewig schwächen wird - der Kampf der Brüder, der sinnlose Kampf von Römer gegen Römer. Und wozu das alles? Um die Selbstgeltung eines Homo Novus zu befriedigen. Eigenhändig würde er ihn erwürgen!
    Flavius Furianus spann ballte seine Hand zur Faust, die Fingerknochen wurden weiß und der Arzt verstand auf einem Male, dass seine Aufzählung von Kräutern gerade weit weg war, nur nicht in den Ohren des verstoßenen Consulars.
    Das Schiff stach in See und die Zukunft war ungewiss. Natürlich würde er nicht als armer Bettler leben - er hatte überall seine Schätze, auch wenn alles konfisziert worden war. Irgendwo würden seine Klienten etwas zusammen tragen, seine Frau war in weiser Vorsicht fast überall als Eigentümerin eingetragen wollen und das Netz seiner Kontakte, Freunde und Gönner - insbesondere in hispanischen Gebiet - war endlos. Das alles war peripher, denn er dachte nur an einen Mann und dieser musste sterben.

    Ein Sklave kam an die Porta Aeliana und überbrachte einen Brief mit einem Siegel, welches kein Wappen trug.


    Ad
    L. Aelius Quarto
    Domus Aeliana



    Aelius,


    ich möchte dir, unter schwerster Not meines misshandelten Körpers, die Pflicht erweisen wenigstens auf diesem Wege meine Trauerbekundungen über den Tod deines Bruders zu überbringen. Die Sitten unseres Landes verlangen persönliche Bekundungen, doch wie ich nicht mehr Bürger dieses Landes bin und just mein Schiff in die Verbannung erwarte, so entschuldige mir diesen Frevel.


    Auch wenn sich unsere Familien nicht nahe standen, so standen sie doch den Idealen dieses Reiches, auch wenn es andere Auffassungen gab, sehr nahe. Und mit diesen Idealen, Aelius, würde ich niemals brechen. Ich wasche meine Hände in Unschuld und hoffe, dass du den Verleumdungen um meine Person, die nun in die letzte Provinz des Reiches getragen werden, keinen Glauben schenkst.


    Mögen die Götter den, welcher Unglück über unser geliebtes Rom brachte, lehren, dass Hochmut und Frevel an den Göttern und Bürgern dieser Stadt niemals ungestraft bleiben wird. Mögen sie dich und deine Familie schützen, dafür werde ich beten. Denn wenn er mir auch alles nahm, meinen Glauben wird er mir niemals nehmen. So, wie er mir meine Rache nicht nehmen wird.


    Auf ein baldiges Wiedersehen, werter Freund.
    L. Flavius Furianus

    Der ehemalige Consular, seinen Titeln, Rechten und Pflichten enthoben, war schwer gezeichnet von der Tortur der Kerkerhaft und damit einher gehenden Folter. Seine Klienten warteten vor den Toren der Castra auf diesen, welcher von zwei Milites der Garde gestützt vor die Tore gebracht worden war. Seine Augen waren leer und sicherlich zwei digiti nach hinten eingefallen, er humpelte und die Atmung war unglaublich schwer. Gleich vor Ort wurde er in eine schlichte Sänfte gelegt, welche ihn in ihrem eigentümlich wakelnden Tempo gen den Toren der Stadt brachte, umring von zahlreichen Klienten und Protegees sowie einigen Milites der Praetorianergarde. Schließlich wurde er an die Balearen verbannt. Ein unwirklicher Ort, unzivilisiert und dreckig - aber dennoch nicht so demütigend wie die völlige Enteignung, der Entzug all seiner Meriten und Verdienste, des hart erkämpften Status des Consulars. Doch dies nicht genug, sie nahmen ihm seinen Ring, sein Purpur und den kleinen Halbmond, welchen ein Patrizier am Knöchel trug. Er war nichts, er war nicht einmal ein Bürger - ein Niemand, ein Peregrinus.
    Der innere Schmerz darob überwog die physischen Torturen. Teilweise wünschte er den Tod, doch nur der in ihm geschürrte Hass gegenüber dem Emporkömmling, welcher sich nun anmaßend Kaiser nannte, bündelten seine Lebenskräfte.
    Vor den Toren der Stadt sattelte man auf eine geschlossene Kutsche um, in welcher der Arzt ihn notdürftig versorgen konnte. Die offenen Stellen wurden gereinigt und verbunden, die Atmung wurde mit einem Getränk aus Kräutern und Opium ruhiger gestellt und das Liegen, auch wenn es sehr holprig einher ging, war noch angenehmer als der kahle Stein im Carcer.
    Vor den Toren seiner ehemaligen Villa rustica wollte man ihn wiederum nicht einlassen, ehe ein ehemaliger Klient, denn die meisten wandten sich öffentlich aus Kalkül von ihm ab, ein Eques namens Sartorius Marcus, allen ehemaligen Sklaven seines Patrons mit dem Tod drohte. Es war nicht mehr sein Haus.
    Ein paar Sklaven eines Klienten huschten in die Villa rustica und sammelten mit Hilfe der ehemaligen flavischen Sklaven notdürftig Kleidung, Papyrus, sehr persönliche Gegenstände und ein wenig Geld, was die Sklaven ihrem alten Dominus zur Verfügung stellten - es war ohnehin seine Privatschatulle gewesen, die sie öffneten. Die Prätorianer monierten sich ob der langsamen Verfrachtung des Consulars auf ein staatliches Getreideschiff und riefen zur Eile, so dass sich nur eine halbe Stunde später drei Wagen voller Hab und Gut, welches man ihm doch aufgrund seiner Stellung zugestand, in Richtung Ostia in Bewegung setzten. Während dem ganzen Prozedere sagte der schwer angeschlagene und ehemalige Senator kein Wort, er brauchte die Energie, um sich am Leben zu halten.
    Sein Rom, sein Ideal, es war tot. Wie auch bei ihm der Körper, so exisierte nur eine Hülle von dem, was es einmal war. Und innen wohnte ein Despot, von Raserei und Wut getrieben.
    Ein treffender Vergleich.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca
    Mein Potitus? Was der Flavier nicht wissen konnte war, dass der Kerl auch bei den Truppen nicht gerade ein Idol war, aber die nunmal ihre Befehle auszuführen hatten, ohne wenn und aber..
    "Dann fangen wir doch mal bei der Wahrheit an Senator, erzähl mir mal genau was und wann du von der Ermordung unseres Augustus erfahren hast.", sagte Seneca ernst und trat nochmal nach, "Und zügle deine Wortwahl, der Stand eines Patriziers hat hier drin keinerlei Bedeutung mehr.", ein wenig einschüchtern konnte man ja schonmal, auch wenn Seneca eigentlich keinen kranken alten Mann foltern wollte, so würde es wohl letztendlich darauf hinauslaufen wenn der Kerl nicht irgendwas brauchbares vorzuweisen hat..


    Der Flavier schnaubte.
    "Leider nicht mehr, als auf den Straßen Roms zu hören war. Er und seine gesamte Familie wurden vergiftet. Ein elender Tod, wenn man mich fragt. Nicht seiner würdig - zumindest war der Mörder recht feige.
    Wann genau das alles passiert sein soll weiß ich nicht. Gerüchte haben die Eigenheit keine genaue Zeit angeben zu können. Und sind an sich recht vage."


    Ja, mehr war da nicht. Und nun saß er. Ein Umstand, der ihn mehr als nur wütend stimmte. Diese Tölpel sollten lieber Salinator erdolchen, anstatt hier ehrbare Bürger festzuhalten. Was war bloß aus der alten Garde geworden, die noch selbst den geeignetsten Bewerber zu küren vermochte?
    Zumindest war hier kein leiblicher Erbe vorhanden.

    Der Flavier verschränkte die Arme vor der Brust - eine Abwehrhaltung.
    "Die einzige Information, die du erhalten wirst, ist die Wahrheit. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich deinem Dienstherrn in Rom, dem Homo Novus, welcher mich hier festsetzen ließ, am liebsten den Hals umdrehen würde, ist dies mein einziger militanter Gedanke. Von der Ermordung weiß ich nichts. Ich finde es auch töricht von den vermeintlichen Attentätern, wenn es nicht dein Potitus war, eben diesen nicht gleichzeitig aus dem Weg gebracht zu haben.
    Für mich ist das die einzige Erklärung für die Mitschuld des Homo Novus. Niemand anderes hat es initiiert - er war es. Und wenn hier in Rom noch einige über einen Funken Verstand verfügen, werden sie das auch zusammenzählen können. Spätestens bei dessen Krönung, denn er steht sicherlich im Testament, welches er persönlich von den Vestalinnen abholen ließ. Ein wenig verdächtig, nicht wahr?"
    , brabbelte der Senator lakonisch.
    Was hatte er zu verlieren? Da konnte er seine Gedanken gleich mitteilen und das Grundgerüst für das legen, was er auch unter Folter würde sagen können. Es war Logik. Es war wie Wahrheit.

    Es war augenscheinlich so, dass er aus diesem Verließ nicht rauskommen würde. In seiner desolaten Situation blieb dem Flavier jedoch nichts anderes übrig, als abzuwarten. Während dessen sponn seine Fantasie verschiedene Szenarien des Grauens und Leides für den Homo Novus, der es gewagt hatte die gewohnte Ordnung zu durchbrechen. Durchbrechen würde man ihm auch seine Beine, die Arme und irgendwann auch das Genick. Mit einem kleinen Dolch würde Furianus ihm Wunden zufügen. Keine lebensbedrohlichen - sie sollten nur schmerzen.
    Irgendwann, aus seinen Fantasien gerissen, wurde das Schloss umgedreht und ein stämmiger Wächter öffnete jene.
    "Still, ich habe Nachricht.", brummte dieser Leise und steckte Furianus hastig einen kleinen Fetzen Papyrus zu.
    Dieser versteckte es sofort unter seiner Toga, die er schließlich nicht ablegen würde, genau so wie seine Würde, den Senatorenring und alle Insignien seines Standes. Jedenfalls nicht freiwillig.
    Der Senator nickte kurz und der Wächter verriegelte wieder das nasse Gefängnis des Flaviers. Im dumpfen Kegel der untergehenden Sonne entrollte Flavius Furianus das Stück in einer Ecke seiner Zelle, stets darauf bedacht es nicht allzu sehr durchblicken zu lassen.


    Patronus,
    wir sind bereit. Wir haben Männer und Geld organisiert, sobald du die Castra auch nur für einen Augenblick verlassen solltest, sind wir bereit.
    Marcus Scribonius


    Ein graziles Lächeln schmückte das Gesicht des Flaviers. Ja, er hatte treue Verbündete, die sich nicht scheuten auch für die Wahrheit gegen die Staatsgewalt zu agieren. Er war nicht erpicht auf einen Tummult oder gar körperliches Gerangel, doch auf der anderen Seite war es sehr töricht hierher ohne Widerstand hergekommen zu sein. Er glaubte ein wenig Würde und Ehre bei dem Novus entdecken zu können, doch darauf hoffte er nicht mehr im Geringsten.
    Dieser wollte den Thron um alle Preise dieser Welt und der Flavier war ein geringer im Vergleich zu dem, was der Novus alles in die Wege hatte geleitet.
    Flavius Furianus blieb jedoch nichts anderes übrig als abzuwarten. Abzuwarten und sich still zu verhalten..
    Das Papyrusstück schluckte er sofort runter. Weniger Indizien, weniger Gefahr.

    Unverhohlen grinste der Schurke. In Furianus stieg die Wut. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte diesem Abschaum eigenhändig den Kopf zerschlagen. Doch in Ermangelung alter Kräfte und durch jahrelange Selbstdisziplin in der Würde eines Senators und Consulars war diese Vorstellung nur eine Vorstellung. Statt dessen ballte er seine Faust zusammen, ehe sich die Knöchel weiß färbten und nickte ruhig.
    "Auch du wirst gerichtet werden. Und es wird mir eine Freude bereiten dich sterben zu sehen, ob nun hier oder in einer anderen Welt.", sagte er, als der Novus durch die Tür schritt. Vielleicht hatte dieser ihn gehört oder nicht, das war Furianus gleich. Er hatte keinerlei Respekt vor diesem Mann.

    "Das einzige Geständnis, welches ich dir werde ablegen können,", fing er an und fokussierte den Novus mit zornigem Blick, ", ist jenes, dass du und deine Brut niemals die Kaiserwürde an euch halten werden könnt. Kaisermörder haben in Rom eine kurze Lebensspanne und es ist nur eine Frage der Zeit, wann dich die Götter für deine Greueltat werden richten!"


    Es war das eine einen Usurpator, unter dessen Joch das Volk litt, aus dem Weg zu schaffen - aber eine ganz andere die gesammte Familie mitsamt einem schwachen Kaiser, der sowieso das Zeitliche hätte bald verlassen sollen, zur Strecke zu bringen. Solch eine Tat traute er im gesamten Imperium nur einem Mann zu. Einem, der in seiner jetzigen Position am meisten davon profitieren konnte.

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus stutzte. Zuerst über die Freundlichkeit, dann über die Dreistigkeit! Novus! Das nannte er ausgerechnet ihn! "Du scheinst ja sehr genau Bescheid zu wissen über den Tod des Kaisers." Und vor allem hatte er eine blühende Phantasie! "Aber Spaß beiseite. Wir wissen wohl beide, dass du nicht deshalb hier einsitzt, weil ich Angst davor habe, dass du mich als Hochverräter enttarnst, sondern ganz im Gegenteil!" Wahrscheinlich war es besser, er kam direkt mit den Neuigkeiten! "Dein alter Freund Tiberius Durus hat sich einem Verhör dadurch entzogen, dass er sich mitsamt seiner Familie umgebracht hat. Nicht gerade ein Offenbarungseid der Unschuld, wirst du zugeben müssen. Dein Familiare Flavius Gracchus und Flaccus haben sich ebenfalls davongestohlen. Ich glaube nicht, dass ich ausgerechnet diese Leute ausgewählt hätte, um mit ihnen Valerianus anzugehen..." Er trat einen Schritt auf Furianus zu. "Das wäre wohl eher deine Kragenweite!"


    "Ich weiß nicht mehr, als das, was man von der Straße hörte.", entgegnete er unbeeindruckt und lehnte sich zurück.
    Die wietern Worte des Novus hagelten jedoch auf ihn nieder wie tausend Messerstiche. Durus und seine gesamte Familie tot?! Furianus blieb still, er musste sich beherrschen. Apathisch blickte er auf den Boden. Warum wurde er nicht eingeweiht? Schließlich war Durus stest sein bester Freund. Aber warum wählte er den Freitod? Er ein Kaisermörder? Er war zwar Durus, aber kein Iunius Durus, und der Kaiser kein König. Zumindest nicht vom Namen her.
    Flaccus und Gracchus geflohen? Er konnte es nicht glauben. Diesen Flaccus hatte er zwar recht kurz gesehen, doch auch auf den ersten Blick schien er nicht zu solch einer Tat fähig - geschweige denn sein Vetter Gracchus! Niemals Gracchus, dafür war dieser zu zart, zu sehr er selbst. Ein Intellektueller, eine zarte Gestalt. Sie mussten wohl mit Geld ausgeholfen haben. Oder sind einfach so davon geflohen, um sich der Pein des Carcers zu entziehen.
    Furianus blickte auf und schaute dem Novus herausfordernd ins Gesicht.
    "Nicht jeder setzt sich so einer Pein aus, Novus. Ich bin alt, ob ich hier dahin scheide oder auf meinem Krankenbett ist mir gleich. Auch ich hätte mir mein Schwert in die Brust rammen können - ob schuldig oder unschuldig, wir beide wissen, dass man hier nur äußerst selten rauskommt.
    Jungen Männern, wie meinen Vettern, ist das Leben zu kostbar, als es hier zu beenden. Es ist nur natürlich und rational, dass diese fliehen. Jeder weiß, wie du zu uns Patriziern stehst und es war mehr als absehbar, dass du Männer des öffentlichen Lebens aus unseren Familien wirst beseitigen wollen. Ob an meinen Händen Blut klebt oder nicht, wir beide wissen, dass in solchen Notsituationen Säuberungen leichter von der Hand gehen."
    , Flavius Furianus erhob sich, "Und jeder, derm sein Leben lieb und teuer ist, wäre ein Narr, wenn er sich nicht deinen Fängen entzogen hätte."
    Ein leichtes Grinsen fiel auf seine Lippen.
    "Ein kluger Schachzug von dir. Du beseitigst den Kaiser und jene, die dir im Wege stehen und keiner fragt großartig warum und wie. Ich weiß auch schon, wie du dich verteidigen wirst. Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen, nicht wahr? Das wird dein Sprüchlein sein, wenn das Volk erfährt wie viele ehrbare Männer Roms durch deine Hände starben."

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus wandte sich endlich seinem letzten Gefangenen zu. Er hatte ihn einige Zeit lang schmoren lassen, aber letztlich war es doch wichtig, aus irgendwem irgendetwas herauszubekommen! Mit einer Fackel in der Hand betrat er den dunklen Raum. "Flavius, einen wunderschönen guten Tag! Wie geht es dir?" fragte er und grinste.


    Als er die ersten Schritte vernahm, setzte sich Furianus auf und nahm etwas von dem Kraut, was der Arzt als schmerzmildernd beschrieben hatte. Wenn nun der Novus mit seinen Folterknechten kam, wollte der Flavier es ihnen nicht leicht machen. Und vor solchen Mitteln griff er auch nie zurück, wenn er ein paar Minuten länger in das Gesicht des Mannes lächeln konnte, welcher im Begriff war ihn zu zerstören.
    Schnell kaute er darauf rum und schluckte es tief hinunter, ehe die Tür aufgesperrt wurde und dumpft zurückschnellte.


    "Ach, naja, nicht so gut wie dir.", grinste er zurück, doch dann verzog sich seine Miene und er blickte dem Mann voller Abscheu ins Gesicht.
    "Dein selbstgefälliges Grinsen kannst du dir bei dieser Gelegenheit auch abgewöhnen, Novus. Wenn erstmal bekannt ist, dass du mit dem Mord am Kaiser so wenig zu tun hast wie der Soldat mit dem Gladius, wirst du an meiner statt hier sitzen. Diesen Tag zu erleben ist mein nächstes Ziel - und ich bin sehr zielstrebig, musst du wissen."

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca
    Von der Landvilla der Flavier kommend, hatte Seneca den Senator Flavius Furianus in den Carcer geführt. Aufgrund des gesundheitlichen Zustands des Mannes, hatte er dafür gesorgt, dass er nicht die modrigste und dunkelste Zelle des Gebäudes bekam, aber wirklich lange konnte man es hier drin wohl auch nicht aushalten..


    "Nun gut Senator, bald wird das erste Verhör stattfinden, bis dahin verbleibst du hier.", sagte Seneca zu dem Flavier, als er ihn die Zelle führte. Wo sollte er auch sonst hingehen fragte sich Seneca innerlich, "Ich lasse dir etwas Wasser hier.", ein wenig Mitleid besaß auch Seneca noch, und stellte dem Mann einen Krug mit Wasser, sowie einen Becher in die sonst karge Zelle, "Falls du irgendetwas weißt, so teile es den Männern beim Verhör am besten gleich mit, das mildert die Strafe, und auch deinen Aufenthalt hier.", schob Seneca knapp hinterher, bevor er die Zelle auch schon wieder verließ, und den Senator sich selbst, und der leere überließ.


    Der Flavier nickte stumm und betrat die Zelle. Karg, dunkel, nicht einladend - so, wie man sie sich vorstellte.
    Dann schmiss er sein zugeschnürrtes Mitbringsel voller Lacken, Seife und anderer Kleinigkeiten und drehte sich um.


    "Ja, auch wenn ich etwas wüsste, würde ich hier wohl nicht eher rauskommen bis ich schon vor mich dahin vegetiere. Nun ja, dann warte ich mal auf das Verhör und sinniere derweil, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist hier lebend entlassen zu werden.", ein leichtes Lächeln zeigte sich auf seinen Zügen. Der Optio konnte für diese Situation schlichtweg genau so zur Verantwortung gezogen werden wie er selbst, nämlich gar nicht. Also warum grollen?
    Er setzte sich auf den Stein, der Bett sein sollte, und seufzte auf. Mehr konnte man hier ehe nicht tun als warten.