Einst schrieb ein kluger Kopf, dass auch in einem goldenen Gefängnis die Vöglein nicht zwitschern. Und das taten sie fürwahr recht selten.
Flavius Furianus erholte sich langsam von der Schwelle des Todes, an welcher er nach seinem Gefängnisaufenthalt recht oft zu stehen schien. Die Lunge schmerzte und er spuckte Schleim. Auch wenn dieser Umstand von verschiedenen Medici als gut befunden wurde, denn der Körper reinige sich selbst und die Körpersäfte seien nicht im Einklang, war doch der Nebeneffekt des rastlosen Hustens eine Qual sondergleichen.
Zum Glück war man als alte Adelsfamilie schon oft mit der Tatsache konfrontiert worden das Vermögen weitläufig zu zerstreuen und sich darüber den gleichen Wohlstand zumindest für einige Dekaden erhalten zu können. Seine Behausung war komfortabel - ein am Hang liegendes Gebäude, welches der ehemalige Senator sofort luxuriöser ausbauen ließ. Schließlich waren die Baleares ein paar schäbige Inseln mit Schäferdörfern. Und er, als gesellschaftlich Aussetziger, konnte oder vielmehr wollte nicht mit den paar Honoratioren dieser von allen Göttern verlassenen Gegend verkehren. So blieb er abgeschieden und vertrieb sich die Zeit mit Spaziergängen, den Episteln seiner Spitzel und Boten in und rund um Rom - und schürrte seinen Hass auf den Emporkömmling, welcher sich auch gleich Rex hätte nennen können.
Gerne wäre er noch in der körperlichen Verfassung von dieser Insel zu fliehen, sein Vermögen zusammen zu scharren und mehrere Legionen auszuheben, welche er als Legat hätte gegen den Vescularius in die Schlacht geführt. Ja, alleine ander körperlichen Verfassung mangelte es! Elendige Körper, sie sind schneller von Befall als der unsterbliche Genius. Aber die Götter darum zu beneiden wäre auch schon frevelhaft.
So aß er seine Trauben, welche er Stück für Stück von den Ästchen zwirbelte und sinnierte darüber nach, was kommen mochte. Für Rom, seine Familie, seine Kinder vor allem. Seine Zeit schien schon um, doch eine neue würde kommen. Was sie bereit hielt wusste niemand und die wenigstens reisten heutzutage nach Delphi, um gläubig den Orakelspruch zu empfangen, welcher ihr Handeln prägen sollte. Nein, das war nicht für einen Flavius Furianus. In seiner Freiheit ließ er sich nicht einschränken. Bis auf die Tatsache, dass er vogelfrei wäre, wenn er die Insel verlassen sollte. Der goledene Käfig.
Es gab Tage, da wollte er sich in die Schlucht stürzen. Einen Spaziergang antäuschen, die Sklaven wegschicken und dann frei wie ein Vogel den ehrenvollen Tod an den Klippen wählen. Oder ganz klassisch in ein Gladius fallen lassen, obgleich er auch kein aktiver Solat mehr war. Doch hatte man als Römer jemals die Freiheit auch mal nicht Soldat sein zu müssen? Sie alle waren Miles und würden es bleiben.
Und doch, es gab Tage, da kam seine kleine Tochter, die schon ihre ersten Schritte wagte, mit einem Lächeln auf ihn zu. Seine Gattin, welche sie regelmäßig mitbrachte, um dem Vater die Entwicklung seines Kindes nicht zu enthalten, war auch ein triftiger Grund nicht an das Elysium zu denken. Genau so wie der Rest der Gens, Freunde, Klienten - und vor allem schon Rom zuliebe.
Der Krieg, Brüder gegen Brüder, würde Rom wieder intern schwächen. Auch wenn er richtig war, um eine neu angebrochene Schreckensherrschaft zu unterbinden, er war dennoch falsch. Das Reich würde, egal wie es ausging, geschwächt daraus hervor gehen. Die Grenzen würden überrannt werden, ein paar Gebiete vor allem im Nordwesten und im Osten des Reiches würden den Feinden anheim fallen und die römische Zivilisation von den Barbaren geschändet. Und doch, man musste dies in Kauf nehmen. Eher dies als den Tod Roms durch den giftigen Biss einer einzigen Schlange, welche aus ihrem Sumpf empor gekommen bis zum ewigen Marmor des Palastes und zubiss, als der göttliche Regent schlief. Und nun saß sie selbst, spitzzüngisch, fett ob der Beute und zynisch mit der Krone des Reiches.
Nein, man musste sie ausmerzen - und ihre ganze Sippschaft. Flavius Furianus hatte Geld, auch wenn keine reale Macht mehr, doch sollten die richtigen Männer gewinnen, er würde eine Hetzjagd sondergleichen nach den Verrätern starten. Alle, die dem jetzigen Kaiser nahe standen oder begünstigt waren, alle würde er auch auf eigene Kosten bis zum Tartaross jagen.
Langsam wurde es Zeit ins Bett zu gehen. Ein kleiner Schluck verdünnten Weines und dann ließ sich der vormals strahelnde Consul von zwei Sklaven als einfacher Peregrinus, der er nun war, zum Schlafgemach stützen.