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Calpetanus war es durchaus gewöhnt, Störungen im Programm auszugleichen und das Publikum durch alle Widrigkeiten bei Laune zu halten. Ein Zwischenfall wie diese Brandrede war ihm jedoch schon lange nicht mehr untergekommen und hatte ihn in seiner Vehemenz doch sehr aus dem Konzept gebracht. Erst sein Name aus dem Mund des Flaviers setzte ihn schlussendlich wieder in Bewegung.
"Werte Zuschauer, werte Zuschauer, bitte entschuldigt diesen kleinen Zwischenfall! Selbstredend gehört der Beitrag des 'Philo von Amastris' nicht zu unserem Wettbewerb"
, proklamierte er lauthals über das Forum hinweg sobald er wieder auf der Rostra stand.
"Norius Carbo war also schon unser letzter Kandidat und damit legen wir eine kurze Pause ein, dass die Jury sich beraten kann. Genießt währenddessen die Angebote unserer Händler, hochverehrtes Publikum, oder lasst euch berieseln von den poetischen Worten des Gaius Gargonius Globulus über unsere schöne Stadt: O wie fühl' ich in Rom!"
Calpetanus trat in den Hintergrund und ein junger Bursche begann zu rezitieren, während auf den Forum die Händler begannen ihre Speisen und Naschereien anzupreisen.
"O wie fühl' ich in Rom mich so froh! gedenk' ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu späh'n, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die Stirne;
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum' ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach! hier lieg' ich und strecke nach deinen Knien die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich!
Wie ich hereingekommen, ich kann's nicht sagen; es faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergib! Laß mir des Irrtums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
Teilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstoße den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab!
'Dichter! wohin versteigest du dich?' Vergib mir! der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später,
Cestius' Mal vorbei, leise zum Orkus hinab!"*
Einige Augenblicke ließ er Stille wirken ehedem er eine Verbeugung andeutete und sich anschickte die Rostra zu verlassen.
* Dieses Gedicht stammt selbstredend nicht von Gaius Gargonius Globulus, sondern von Goethe, passt indes thematisch zu gut, um es der temporalen Unstimmigkeiten zu opfern.