Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Ein leichter Schauder durchzog Gracchus und er musste sich beherrschen, sich nicht zu schütteln. Er mochte die Christen nicht, er tolerierte sie, aber er mochte sie nicht. Was sein Bruder getan hatte, war ihm noch heute suspekt, und er bedauerte es nicht im Geringsten, dass er schon lange nichts mehr von Animus gehört hatte.


    "Nichts liegt mir ferner als dem Christentum beizutreten, dies kannst du mir glauben. Gibt es Neuigkeiten von Animus? Ich habe nur irgendwann einmal gehört, dass man schon lange nichts mehr von ihm gehört hat. Und wie geht es meiner Schwester? Sie ist also noch immer hier in Roma?"


    Nachdenklich legte Gracchus die Fingerspitzen aneinander. "Du magst recht haben, ein Opfer könnte nicht schaden. Ich werde dem Apollon eine Gabe darbringen. Es war von Anfang an dumm, sich in diese Handelsgeschichten einzumischen. Aber dass es so enden musste..." Die Erinnerung an einen Tag im Mai drängte sich in Gracchus Gedanken. Damals war alles noch in Ordnung gewesen. Und Sciurus noch am Leben. Der herzige kleine Sciurus mit den rosigen Wangen und dem kindlichen Lächeln.


    "Ein Sklave? Ein großzügiges Angebot, welches ich gerne annehme. Ich hoffe doch, dass ich in Rom etwas passendes finden werde. In den Provinzen findet wird oft nur das Rohmaterial angeboten und es widert mich an, wenn ich einen Sklaven erst noch formen und züchtigen muss. Nein, wenn ich schon etwas für ihn bezahle, so sollte er zumindest soweit sein, dass er mich versteht und meinen Anweisungen folge leisten kann."

    "Ich bin der Sohn des Vespasianus, dessen Vater Flavius Romulus war, was diesen wiederum ebenfalls zu meinem Großvater macht. Demnach bist du wahrlich mein Cousin."


    Es war doch ein wenig seltsam, zur Familie zurückzukehren und einen Fremden vorzufinden. Welch Überraschungen die Parzen immer wieder für ein jeden bereit hielten. Doch die Familie verband, ob nun bekannt oder nicht, und was nicht war, das konnte ja noch werden.


    "Zuletzt weilte ich in Nicopolis, jedoch nur kurze Zeit." Genau genommen hatte er sich noch nichteinmal in der dortigen kleinen Villa einrichten können, bevor er wieder fluchtartig aufgebrochen war. "Zuvor war ich lange Zeit auf Creta gewesen. Nach langen Studien beschloss ich zum Zeitvertreib in Waren zu investieren, Getreide aus Aegytpus, Gewürze aus dem Osten. Doch es schien, dass ich mich mit den falschen Personen angelegt hatte und alles war wie verflucht. Zuerst brannte ein Nebengebäude ab, dann schied meine Köchin dahin." Ganz sicher war sie vergiftet worden. Gracchus holte tief Luft und seufzte.


    "Das Getreide faulte und die Gewürze schmeckten fad. Nachdem ich meinen treuen Sklaven im Garten mit einem Messer im Rücken fand, verließ ich Creta und setzte mich nach Nicopolis ab. Doch dort war es nicht besser und ich beschloss, dem Land gänzlich den Rücken zu kehren." Er wischte sich mit der Hand über die Stirn. Keine Nacht hatte er seitdem mehr ruhig geschlafen und er hoffte nur, dass die Götter ihm in Rom mehr gewogen waren.

    Er nahm den angebotenen Platz an und setzte sich.


    "Ich kam zurück aus Griechenland, wo es in letzter Zeit," Gracchus zögerte kurz, fuhr dann jedoch mit fester Stimme fort, "nicht ganz so gut für mich gelaufen ist."


    Er dachte an Sciurus und wurde dabei fast wehmütig. Er war der beste Sklave gewesen, den er je besessen hatte, und nun lag er irgendwo unter der Erde und verrottete langsam. Nichteinmal, als er als Kind seinen filigran verzierten Knochenwürfel verloren hatte, hatte er solch ein Gefühl des Verlustes verspürt.


    "Für den Anfang würde es mir reichen, wenn ich im Haus meiner Kindheit wieder ein Zimmer bekommen könnte." Er deuted mit der Hand einen Bogen an, der die ganze Villa einschließt.

    Gracchus war der alten Sklavin gefolgt und hatte unauffällig die Villa gemustert. Es sah nicht so schlimm aus, wie die Sklavin vermuten ließ, und dies machte ihm neue Hoffnung. Kindheitserinnerungen stiegen in ihm auf. Die Zeit in dem großen Atrium, welches in seiner beruhigenden Stille oft wie ein sakraler Raum auf ihn gewirkt hatte, sein kleines Zimmer, die Stunden mit dem Hauslehrer, der den Kindern Grammatik, Rhetorik und Naturwissenschaften eingebläut hatte, der alte Griechisch-Lehrer, den sie immer verhöhnt hatten und noch einiges mehr.


    Er wartete, bis die Sklavin ihm 'erlaubte', in das Arbeitszimmer des Hausherren einzutreten. Soweit er gehört hatte, leitete sein Cousin Secundus Flavius Felix die Familie, auch wenn Gracchus keine Ahnung hatte, woher dieser Cousin gekommen war. Er konnte sich zwar erinnern, dass es laut den Erzählungen irgendwo in der Familiengeschichte einen Onkel Corvinus gegeben hatte, doch er selbst hatte ihn nie kennen gelernt und auch nichts davon gerhört, dass dieser einen Sohn hatte.


    Als die Sklavin aus dem Zimmer kam und ihm sogar die Tür offen hielt, trat Gracchus ein. Der Mann, den er erblickte, war um einiges älter als er und recht attraktiv.


    "Salve. Secundus Flavius Felix, nehme ich an? Mein Name ist Manius Flavius Gracchus."

    Bei den Göttern, es war schlimmer, als er gedacht hatte. Diese alte Vettel war nicht nur steinalt und urhässlich, sie dirigierte ihn auch noch herum, als wäre er irgendein Angehöriger des Pöbels. Dies konnte nur eines bedeuten, die Familie war tatsächlich so tief gesunken, dass sie sich keine angemessenen Sklaven leisten und auf dieser minderwertigen Ware sitzen bleiben musste.


    Mit ernster Mine folgte Gracchus der Alten.

    Skeptisch musterte Gracchus das runzlige Gesicht, zumindest das, was er davon sah. Der schrecklicher Gedanke kam ihm in den Sinn, dass seine Familie in Rom bereits so verarmt war, dass sie sich keine jungen, kräftigen Sklaven mehr leisten konnte.


    Doch er ließ sich von seinem Schrecken nichts anmerken, und herrschte das Türwesen an: "Flavius Gracchus, bring mich zum Herrn des Hauses!"

    Er kam nach langer Zeit zurück zur Villa seiner Familie. Zu lange Zeit. Jahre waren vergangen, so viel geschehen. Er hatte so viel gesehen, so viel erlebt und dennoch fühlte er sich in diesem Augenblick unendlich leer.


    Die Villa hatte sich sehr verändert, äußerlich zumindest. So wie er. Mit mulmigem Gefühl stieg er aus der Sänfte, drückte den Trägern ein paar Sesterzen in die Hand und scheuchte sie mit einem Wink davon. Da stand er nun, nichts als einen Reisesack neben sich, der Saum der Toga voll Staub. Nachdem sein Sklave Sciurus auf Kreta dahingeschieden war, welch eine Tragödie, hatte er sich noch nicht wieder einen neuen gekauft. In Hinblick auf die Märkte in Rom wollte er abwarten, dort sollte ein regelrechtes Überangebot an fähigen Sklaven herrschen.


    Zögernd stand er vor der Villa und starrte nur stumm den Eingang an. Er war in Rom, in Sicherheit und doch fürchtete er sich vor dem, was kommen würde. Und es widerte ihn an, dass er, Manius Flavius Gracchus, selbst an die Tür seiner Familie klopfen musste. Doch es blieb ihm nichts übrig, und so klopfte er schließlich an.

    Zitat

    Original von Secundus Flavius Felix
    Oh, nochmal Zuwachs. Willkommen in der Familie, Gracchus!


    Wie bist du mit mir verwandt?


    Vielen Dank!


    Bruder, Cousin, Neffe, Onkel. Mir ist es ganz egal. Nur für einen Großvater bin ich vielleicht etwas zu jung.