Arria wartete stumm ab. Ihr Vater und sie entfernten sich einfach zu weit voneinander. Er wollte sie zu etwas anderem machen, was sie war, auch wenn er immer das Gegenteil beteuerte und sie wollte es seinetwegen machen, was ihm aber auch wieder nicht gefiel, weil er es ja eigentlich nicht wollte.
Arria vermutete fast, dass ihr Vater nun endlich in Rage geraten würde, hielt er sich doch seit Wochen zurück, aber auch diesmal behielt er Fassung, wandte sich nur ab. Langsam und zögernd erhob sich Arria und trat neben ihn an das Fenster, die Arme nicht verschränkt, sondern die Hände lediglich vor sich übereinander gelegt.
"Vater? Ich weiß, dass meine Worte hart sind, aber die deinen sind es nicht minder. Einerseits sagst du, ich solle mich nicht verändern, andererseits verlangst du gerade das. Ich weiß, dass du - wie wohl jeder Mann - gerne einen Sohn hättest, Vater, und genau deswegen bin ich wohl, wie ich bin. Ich bin weder eine echte Tochter noch werde ich je eine Sohn sein können. Nein, Vater, sag nichts, lass mich ausreden", meinte sie schnell, da sie fürchtete, ihr Vater könnte ihr widersprechen wollen. Dennoch wollte Arria ihre Gedanken, den Blick derweil in die Ferne gerichtet, aussprechen. "Ich bin nie wie eine gute, liebe, brave Tochter erzogen worden, deswegen bin ich sie jetzt nicht. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht weiß, was du von mir erwartest, Vater, nur ist es schwer, nach einundzwangzig Jahren sein Verhalten zu ändern. Du willst, dass ich mit Livia rede, damit sie mir sagt, was sich gehört? Das brauche ich nicht, Vater, ich weiß es so. Nur musst du mir auch die Zeit geben, die ich brauche, um mein gesamtes Verhalten zu ändern. Es ist wahrlich nicht leicht", fuhr sie fort. Langsam wurde ihr Mund trocken und sie hatte keine Ahnung, wie ihr Vater reagieren würde, wenn sie fertig war. "Ich bitte dich, Vater, lass mir ein wenig Zeit, mich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Ich habe mich noch nicht einmal richtig in Tarraco eingelebt, kenne gerade Mal Valeria und Helena und soll schon eine andere sein, als ich bin. Ich verspreche dir, wenn du aus Rom zurück bist, bin ich die, die du haben willst", schloss sie ihre Ausführungen und holte ihren Blick aus der Ferne hinter dem Fenster zu ihrem Vater zurück. "Aber trotz allem bist du mein Vater und als diesen liebe ich dich."