Beiträge von Petronia Arria

    Arria wiegte nachdenklich den Kopf.


    "Trotzdem ist nicht in Ordnung, was er mit Miriam gemacht hat. Aber du hast wohl recht. Ich kann mich nicht wirklich in das Leben einer Sklavin wie dir reinversetzen. Du musst immer schon vorher wissen, was ein Herr will und dann ist es auch nicht sicher, ob deine Dienste gut genug sind", antwortete sie und lächelte Turia dann aufmutnernd zu.

    Arria beobachtete die ganze Zeit das Wasserspiel, wie sich die helle, ja durchsichtige Flüsigkeit erhob um dann sprudelnd wieder in ihr Becken zurück zu kehren. Immer wieder nahm das Wasser diesen Weg, ergoss sich fließend, sprudelnd, schäument, um dann in sanften Wellen auszulaufen und gegen die Wände des Beckens zu stoßen, sich umkehrend wieder zurück zu kehren und bereits von neuem in die Höhe befördert zu werden.


    Die Zeit verging für das Mädchen wie im Fluge und sie merkte kaum, dass sie schon seit einer Stunde oder etwas mehr wartete. Erst als Livia herbei kam und sich mehr als nur überschwänglich entschuldigte, sah die junge Frau lächelnd auf.


    "Das macht doch nichts, Tante! Ich bitte dich, ich bin nur sehr früh aufgestanden", beschwichtigte sie, denn sie war wirklich mit dem ersten Sonnenstrahl aus dem Bett gekrohen, um sich herzurichten und schließlich zu warten. Zu spät kommen wollte sie unter keinen Umständen. "Sag, Tante, hättest du etwas dagegen, wenn uns Turia begleiten würde? Ich habe ihr versprochen, sie mit auf den Markt zu nehmen, damit sie einmal etwas anderes als die Casa sieht", fragte sie und rutschte ein wenig auf der Cline zur Seite und deutete neben sich, in der Hoffnung, Livia würde sich noch einen kleinen Moment setzen.

    Arria lachte leise und schüttelte schließlich den Kopf. Noch einmal drückte sie Turias Hände.


    "Ich werde noch ein wenig schlafen. Wenn du Ruhe vor meinem Onkel brauchst, kannst du jederzeit herkommen", bot sie der jungen Frau an.

    Arria lächelte Turia sanftmütig an und freute sich über deren für ihre Verhältnisse überschwängliche Freude.


    "Wenn ich wieder gesund bin, Turia. Aber so würde mich ein Spaziergang über den Markt bei dieser Kälte wohl umbringen", zwinkerte Arria und fast tat es ihr leid, dass sie sie noch hinhalten musste.

    Arria lächelte Turia sanft an. Sie war so schüchtern und ganz darauf bedacht, zu gefällen.


    Arria richtete sich leicht auf und legte der Sklavin eine Hand auf den Arm.


    "Natürlich, Turia. Ich würde mich sogar freuen, wenn du uns begleiten würdest. Und du bist doch auch die Vertraute von Livia, oder? Sie wird sich sicherlich ebenso freuen."

    Ehrfürchtig trat Arria in den Tempel und sah die beinahe schon allmächtig wirkende Statue des Mercurius. Sie trat auf diese zu, verneigte sich leicht vor ihr und küsste sie schließlich, so, wie sie es bei Imperiosus gesehen hatte.


    Natürlich hatte sie auch einige Opfergaben - etwas Gemüse und ein wenig Weihrauch - mit dabei. Sie ging zu dem Kohlebecken und opferte dem Gott die Gaben, ehe sie sich vor die Statue kniete und den Zipfel ihrer Tunika über ihren Kopf zog, so dass sie ungestört beten konnte.


    "Mercurius, du wachst über die Reisenden und gewährst ihnen deinen Schutz. Ich danke dir zutiefst für den Schutz, den du meinem künftigen Ehemann und deinem treuen Diener, Titus Iulius Imperiosus, hast zukommen lassen, so dass er sicher und gesund in Roma ankam. Ich bitte dich, behüte meinen Vater ebenso, auf dass er bald gesund wieder nach Tarraco kommt."


    Eine ganze Weile blieb Arria noch stehen und weilte stumm bei dem Gott ebenso wie bei ihrem reisenden Vater und ihrem Geliebten, der irgendwo weit fort von ihr in Rom war. Und sie konnte nicht zu ihm, obwohl ihr Vater und ihre Lehrerin nach Rom reisten, da sie hier ihre Aufgaben hatte. Fast war sie dazu verleitet, zu seufzen, doch dann zierte ein Lächeln ihre Lippen und sie blickte zur Statue auf.


    "Ich danke dir, Mercurius, Schutzgott der Reisenden", schloss sie ihr Gebet samt einem Blick nach rechts und küsste die Statue noch einmal, ehe sie langsam auf den Ausgang zuschritt. Sie hoffte inständig, dass Ceres ihr nicht böse war, da sie zu einem anderen Gott gebetet hatte, aber da die beiden Götter ja doch in einer gewissen Beziehung standen, hoffte Arria inständig, Ceres würde auch weiterhin ihre Schritte lenken.


    Auf dem Vorplatz blieb sie stehen und blinzelte in die Windersonne, ehe sie den Umhang enger um sich zog, die Temperaturen waren durchaus frostig zu nennne. Langsam ging sie die Treppe hinunter und machte sich auf den Nachhauseweg.

    Arria ließ sich am Morgen im Atrium nieder und beobachtete den Brunnen. Sie wartete auf Livia, mit der sie einerseits reden sollte und der sie außerdem versprochen hatte, auf den Markt zu gehen. Dummerweise war ihre Krankheit dazwischen gekommen, die sie mehrere Tage schachmatt gesetzt hatte. Doch nun war sie wieder genesen und hatte ihrer Tante auch schon ein Zettelchen zukommen lassen. Allerdings wusste sie nicht, wann diese aufstehen würde, so dass sie sich die Zeit damit vertrieb, dem Wasserspiel zuzusehen.

    "Ich werde sehen, was ich tun kann", lächelte sie und drückte ihn noch einmal an sich. "Ich wünsche dir eine gute Reise und eine angenehme Nacht, Vater", verabschiedete sie sich und wandte sich der Tür zu, um das Officium zu verlassen.

    "Dann nimm dir die Zeit", meinte sie eindringlich. "Oder muss ich, wenn du zurück bist, Valeria rufen, dass sie dir ärztlich einen Thermenbesuch verschreibt?", zwinkerte sie mit einem Schmunzeln und hoffte, ihn so ein wenig auf andere Gedanken zu bringen.

    Arria wartete mit fast stoischer Geduld ab, bis ihr Vater antwortete. Sie wusste nicht, was in ihm vorging, aber sie konnte sich vorstellen, dass es nichts angenehmes war. Und sie wollte ihm die Zeit geben, die er brauchte, um eine Antwort zu erdenken oder einfach nur seine Gedanken zu ordnen. Seine Stimme verriet ihr allerdings, dass sie recht gehabt hatte, zumindestens zum Teil.


    Vorsichtig legte Arria ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn sanft zu sich, lächelte ihn liebevoll an. Er sah auf einmal so alt aus, viel älter, als sie ihn in Erinnerung hatte.


    "Wenn es dir so viel bedeutet, werde ich es machen. Ich habe Livia ohnehin versprochen, mit ihr auf den Markt zu gehen", antwortete Arria leise und schloss ihren "armen, alten" Vater dann in die Arme, drückte ihn sanft, ehe sie ihn wieder losließ und seine Hände nahm. "Bitte genieß die Zeit in Rom und denk nicht nur an Geschäfte. Nimm dir einen Tag für die Thermen, bummle vielleicht ein wenig über den Markt. Immer nur zu arbeiten ist nicht gut, Vater", meinte sie mit einem besorgten Blick aber dennoch lächelnd.

    Arria wartete stumm ab. Ihr Vater und sie entfernten sich einfach zu weit voneinander. Er wollte sie zu etwas anderem machen, was sie war, auch wenn er immer das Gegenteil beteuerte und sie wollte es seinetwegen machen, was ihm aber auch wieder nicht gefiel, weil er es ja eigentlich nicht wollte.


    Arria vermutete fast, dass ihr Vater nun endlich in Rage geraten würde, hielt er sich doch seit Wochen zurück, aber auch diesmal behielt er Fassung, wandte sich nur ab. Langsam und zögernd erhob sich Arria und trat neben ihn an das Fenster, die Arme nicht verschränkt, sondern die Hände lediglich vor sich übereinander gelegt.


    "Vater? Ich weiß, dass meine Worte hart sind, aber die deinen sind es nicht minder. Einerseits sagst du, ich solle mich nicht verändern, andererseits verlangst du gerade das. Ich weiß, dass du - wie wohl jeder Mann - gerne einen Sohn hättest, Vater, und genau deswegen bin ich wohl, wie ich bin. Ich bin weder eine echte Tochter noch werde ich je eine Sohn sein können. Nein, Vater, sag nichts, lass mich ausreden", meinte sie schnell, da sie fürchtete, ihr Vater könnte ihr widersprechen wollen. Dennoch wollte Arria ihre Gedanken, den Blick derweil in die Ferne gerichtet, aussprechen. "Ich bin nie wie eine gute, liebe, brave Tochter erzogen worden, deswegen bin ich sie jetzt nicht. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht weiß, was du von mir erwartest, Vater, nur ist es schwer, nach einundzwangzig Jahren sein Verhalten zu ändern. Du willst, dass ich mit Livia rede, damit sie mir sagt, was sich gehört? Das brauche ich nicht, Vater, ich weiß es so. Nur musst du mir auch die Zeit geben, die ich brauche, um mein gesamtes Verhalten zu ändern. Es ist wahrlich nicht leicht", fuhr sie fort. Langsam wurde ihr Mund trocken und sie hatte keine Ahnung, wie ihr Vater reagieren würde, wenn sie fertig war. "Ich bitte dich, Vater, lass mir ein wenig Zeit, mich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Ich habe mich noch nicht einmal richtig in Tarraco eingelebt, kenne gerade Mal Valeria und Helena und soll schon eine andere sein, als ich bin. Ich verspreche dir, wenn du aus Rom zurück bist, bin ich die, die du haben willst", schloss sie ihre Ausführungen und holte ihren Blick aus der Ferne hinter dem Fenster zu ihrem Vater zurück. "Aber trotz allem bist du mein Vater und als diesen liebe ich dich."

    Arria biss die Zähne zusammen und antwortete gar nicht erst. Sie sollte ihr Wsen nicht ändern, natürlich, aber ihr Verhalten. Nur ihr Verhalten war nun einmal Teil ihres Wesen.


    "Du brauchst mir keine Anstandsdame zur Seite stellen, Vater, schon gar keine Tante von mir. Ich weiß durchaus, wie ich mich benehmen soll", antwortete sie und dachte an die inzwischen verkrustete Wunde an ihrem Becken. "Du brauchst dir wirklich keine Gedanken machen, dass ich dir Schande bereiten könnte oder dergleichen. Und wenn ich es doch machen sollte, steht es dir immer noch frei, mich aus der Gens zu verbannen. Nein, Vater, ich will nicht, dass du beteuerst, wie sehr du mich liebst und dass du das nicht könntest. Du hast die Patria potestas über mich, es steht dir frei, mich zu verbannen, wenn ich der Gens nur Schande bereite. Aber ich kann dich wirklich beruhigen, ich weiß, wie man sich verhält, nur will ich es nicht immer unbedingt. Und diesen Willen zu ändern ist Livia sicher nicht die Richtige. Aber ich lasse mich gerne von ihr belehren, wenn es dir so viel bedeutet."

    Arria nickte leicht. "Ich habe ihm erst kürzlich einen Brief geschrieben. Ich habe eigentlich nichts neues zu berichten. Wenn du ihm triffst, dann kannst du ihm sagen, dass ich ihn sehr vermisse, aber leider nicht mitkommen konnte", antwortete Arria und blickte ihren Vater dann verwirrt an. "Mit Livia? Und worüber?"

    "Ich bin die einzige Comentaria in Tarraco und damit wie geschaffen dafür. Und Valeria hat ja noch die Arbeit an der Schola am Hals, außerdem ist sie schwanger. Die ganzen neuen Schüler müssen mit nach Rom, um den Eid abzulegen", erklärte Arria.


    "Soll ich irgend etwas während deiner Abwesenheit machen?"

    Arria blickte ihn einen Moment an. Wie gerne würde sie mitfahren und Imperiosus sehen. Sie versuchte, sich sein Gesicht vorzustellen, wenn er sie vor der Tür stehen sah, dann jedoch musste sie den Kopf schütteln.


    "Die Pontifex wird in einigen Tagen ebenfalls nach Rom reisen und bat mich, während ihrer Abwesenheit ihr Officium zu übernehmen und die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Ich kann sie nur schwer abweisen, so gerne ich Imperiosus auch sehen würde."

    Arria zuckte mit den Schultern.


    "Ja, du hast wohl recht. Es ist egal, Vater. Ich werde mich wieder meinen Schriften widmen", antwortete Arria. "Helena wartet immer noch auf die Texte über Ceres und Mercurius", fügte sie erklärend hinzu. Irgendwie schien sie niemand zu verstehen, so dass sie versuchte, die Gedanken beiseite zu schieben.