Arria blieb dort an das Fenstersims gelehnt und blickte ihrem Vater nach. Sie hatte seine Worte noch im Ohr und seine Blicke, die Wut in seinen Augen und seinen Fäusten. Immer wieder hatte sie in den letzten Tagen und Wochen seine wechselnden Gefühle zu spüren bekommen und sie hatte oft keine Ahnung, was sie falsch gemacht hatte. Ihr Vater fragte sie die einen Sachen und wollte doch keine Antwort auf diese Frage haben, sondern auf eine völlig andere, die er nicht gestellt hatte.
Langsam wankte sie zur Tür, schloss sie. Warum auch sollte sie offen stehen und jeder sehen, wie es ihr ging? Jeder die Enttäuschung in ihrem Gesicht sehen, die ihr sogar die Tränen in die Augen trieb? Als die Tür endlich geschlossen war - der Weg vom Fenster dorthin schien ihr unendlich lang und schwer - schlürfte sie zum Tisch und ließ sich in einen Korbsessel fallen. Die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie die Worte ihres Vaters wieder und wieder hörte.
Hatte sie denn jemals gesagt, dass sie Alessa einen Respekt entgegen bringen wrüde? Ihr Vater hatte sie doch nur gefragt, ob sie Alessa als Mutter ansehen könnte und sich mit ihr anfreunden. Und darauf hatte sie ehrlich geantwortet. Aber ob sie ihr Respekt entgegenbringen würde... Sie würde sie als die Frau ihres Vaters akzeptieren und sie würde sie sicherlich nicht bekämpfen, immerhin freute sie sich für ihren Vater, dass er endlich eine Frau gefunden hatte, in die er sich scheinbar verliebt hatte, aber was hatte das mit seinen vorherigen Worten zu tun? Eigentlich doch nichts und dennoch keifte er sie an und war wütend auf sie, obwohl sie nichts gemacht hatte, außer ehrlich zu sein.
Abermals seufzte sie und spürte, wie sich eine Träne aus ihrem Auge löste und ihre Wange entlang rann, doch sie bewegte sich nicht wirklich, sondern blieb still sitzen, schluchzte auch nicht.
Jeder sagte ihr immer, sie solle ihren Vater doch verstehen und er wolle doch nur das Beste. Immer wieder wurde ihr gesagt, sie solle sie selbst sein. Aber letztendlich war das doch nicht, was man von ihr erwartete und wollte. Sie sollte lächeln, sollte nett sein, sollte immer freundlich jeden begrüßen und sonst ihren Mund halten. Ihre Ehrlichkeit war nicht mehr gefragt, denn warum sonst war ihr Vater schon wieder wütend, obwohl sie nichts gemacht hatte, außer seine Fragen - und die bezogen sich nun einmal nicht aufs bloße Respekt entgegen bringen - ehrlich zu beantworten? Und überhaupt... Warum sagte man ihr, sie solle sie selbst sein, wenn es doch nicht das war, was man wollte?
Eine weitere Träne löste sich aus ihrem Auge und befeuchtete die zweite Wange ebenfalls. Sie biss die Zähne zusammen. Ein Gedanke kam wieder auf, den sie schon mehr als einmal gehabt hatte. Sie könnte einfach abreisen, einfach nach Rom fahren und zu Imperiosus gehen. Vielleicht würde er sie verstehen. Sie seufzte abermals. Wie sehr wünschte sie sich jetzt, dass Imperiosus bei ihr wäre! Es war so unbeschwert, so schön an seiner Seite gewesen, die Sonnenuntergänge, die Spaziergänge am Strand, es war so unglaublich und wunderschön gewesen.
Aber gleichzeitig wusste sie, dass es definitiv keine Lösung war, denn immerhin unterstand sie nach wie vor der Patria Potestas ihres Vaters und das würde sich auch erst ändern, wenn sie verheiratet war.
Langsam hob Arria den Kopf, schluckte schwer und trocknete ihre Wangen. Ja, sie würde ihren alten Schluss wieder aufnehmen, würde nur noch etwas sagen, wenn sie gefragt wurde und dann nur das sagen, was ihr Gegenüber von ihr hören wollte. Aber so ohne weiteres würde sie sich nicht daran halten können, zu anders war ihr Charakter, zu ausgeprägt ihr Temperament. Irgendwie musste sie sich daran erinnern können.
Sie erhob sich, blickte sich um und suchte nach etwas, was dazu dienen könnte. Es musste etwas sein, das immer an ihrem Körper war, das sie immer spürte und daran erinnerte. Ihr Blick blieb auf dem Tonkrug hängen. Lange blickte sie ihn an, ehe sie ihn nahm, in die letzte Ecke zurückzog und ihn vorsichtig und möglichst leise zertrümmerte. Eine kleine Scherbe legte sie auf den Schreibtisch, die restlichen räumte sie zusammen und verstaute sie in einer Schublade, so dass es nicht auffallen würde, was sie getan hatte. Auch ein großes Geräusch hatte es nicht gegeben und sie war wirklich froh darüber.
Sie nahm sich noch ein Tuch aus der Truhe, setzte sich wieder an den Tisch. Ihre Gedanken waren irgendwo weit weg. Sie nahm nicht mehr wirklich wahr, was sie tat, aber sie öffnete ihre Tunika, so dass ihre Hüfte freilag. Sie stand neben sich, beobachtete als Außenstehende, was ihr Körper gerade tat. Und ihre Hand griff nun nach der Scherbe, suchte die schärfste Kante, zog sie schließlich mit einer schnellen Bewegung über ihre Haut. Erst der kurze, sie durchzuckende Schmerz holte sie zurück in die Wirklichkeit. Ein dünner Blutfaden lief über ihre Haut und schnell tupfte Arria mit dem Tuch eben dieses rote, verräterische Blut ab. Sie drückte kräftig auf die Wunde, bis die Blutung gestillt war. Dennoch klaffte ein Schnitt offen. Sie seufzte leicht, zog sich wieder normal an, prüfte, ob auch kein Blut hervor trat und versteckte dann die Scherbe, ehe sie sich an die Arbeit machte, bis sie schließlich von Turias Klopfen unterbrochen wurde.
Sim-Off:Jetzt kommen die Posts vor Varus mit Turia...
Arria ist jetzt nicht mehr in ihrem Cubiculum sondern im Garten bei Cinna! - Anfragen nach Arria bleiben also unbeantwortet.