Beiträge von Petronia Arria

    Arria nickte leicht. "Ich glaube, das würde auch mehr ein schleifen als ein tragen werden", grinste sie zwinkernd und zog sich kurz ihre Sandalen an, nachdem ihre Füße inzwischen wieder getrocknet waren. "Wie alt sind deine Kinder eigentlich?"

    Und schon wieder war Arria in ein Fettnäpfchen getreten. Eigentlich hatte sie Helena nicht in diese Erinnerungen und in neuerliche Traurer stürzen, sondern sie aufmuntern wollen. Auf ihre Frage hin nickte sie jedoch freudig.


    "Ja, sehr gerne! Du hast erzählt, du wollest mit ihr nach Rom, um sie der Flamince Minervae vorzustellen", lächelte Arria.

    "Du bist sehr stark, Helena, und ich bin mir sicher, dass du es schaffst", antwortete Arria mit einem Lächeln. "Und du hast doch noch deine Tochter. Sie trägt sein Blut in sich, oder täusche ich mich?", fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.

    Ein Tempel für einen Sterblichen? Die Fragezeichen standen förmlich über ihrem Kopf und ise konnte es sich nicht verkneifen, nachzufragen.


    "Ich dachte immer, Tempel wären Göttern geweiht..."


    Dennoch hielt Arria die andere Frau weiter fest und strich leicht über ihren Rücken.

    Arria warf Helena einen Blick von der Seite zu, dann blieb sie einfach stehen und zog die andere Frau stumm in ihre Arme. Sie konnte deren Schmerz irgendwie nachvollziehen, hatte sie ihn doch jahrelang bei ihrem Vater erlebt.


    "Solange du ihn nicht vergisst, wird er in deinem Herzen weiterleben, Helena."

    Arria nickte nachdenklich und lächelte dann wieder fröhlich.


    "Da hast du völlig recht, Helena. Aber manchmal ist die Stimme meines Herzens so leise, dass ich sie kaum hören kann", antwortete sie mit einem fast schon traurigen Lächeln.

    Arria blieb noch einen Moment so sitzen, dann richtete sie sich auf und ging zu ihrer Truhe, um sich einen Umhang heraus zu holen.


    "Ich werde ein wenig in den Garten gehen", murmelte sie und ging dann eilig davon, damit Turia nicht merkte, wie ihr schwindlig wurde und sie schwankte.

    Arria lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf, ehe sie die Augen schloss und mit der Hand darüber fuhr.


    "Turia... Ich habe dir keinen Befehl gebeten. Und meine Bitte war mehr eine Frage, ob du dazu Lust hättest, um ein wenig mehr von Tarraco zu sehen. Sonst bist du ja doch nur immer hier eingesperrt."

    Bei den Schilderungen des Verhaltens von Livias Mutter musste Arria unwillkürlich grinsen, unterdrückte aber ein Kichern.


    "Ich habe auch überlegt, zu den Vestalinnen zu gehen, damit mein Vater stolz auf mich ist, aber dann kam Imperiosus dazwischen", erzählte sie grinsend. "Und eigentlich fühle ich mich der Vesta auch nicht übermäßig verbunden. Sag, willst du denn in den Cultus eintreten? Und es würde mich wirklich sehr interessieren, warum dich Diana beschäftigt", erwiderte sie und lächelte ihre Tante an, ehe sie sich ihren Becher nahm und einen Schluck trank. "Was möchtest du essen, Tante? Ich werde es dir bringen", lächelte Arria.

    Arria seufzte und erhob sich, dann trat sie zu Turia und führte die Sklavin zu einem der Korbsessel, nötigte sie, sich darauf zu setzen.


    "Und jetzt erzähl mir erst einmal, was dich so sehr bedrückt, Turia", erwiderte Arria, als sie sich wieder gesetzt hatte.

    "Würdest du stören, hätte ich dich nicht herein gebeten", antwortete Arria und seufzte. "Wovor hast du so große Angst, Turia?", fragte sie und sah die Sklavin aufmerksam an.

    Arria winkte bei der Entschuldigung nur müde ab. Wenn es so schlimm gewesen wäre, hätte sich Arria schon durchzusetzen gewusst.


    "Momentan habe ich sowieso zu viel zu tun. Ich muss diese Texte über Ceres und Mercurius fertig schreiben und Marcia hat mir angeboten, mir nähen und kochen und all diese Dinge beizubringen", antwortete sie ruhig.

    Arria wandte sich ihr zu und legte sich gleichzeitig eine Hand auf die Stirn. Ihre Augen zog sie zusammen und blickte Turia fragend an.


    "Entschuldigen? Wofür?", fragte Arria verwirrt.

    Arria nickte leicht und blieb am Rand des Standes stehen, während sie Marcia zusah.


    "Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Einerseits will er, dass ich ich selbst bin, andererseits will er aber auch, dass ich zu einer Dame werde", antwortete sie nachdenklich. "Ich will mich ja im Prinzip nicht gegen ihn widersetzen, aber manche Dinge kann ich einfach nicht begreifen. Er handelt jetzt so anders als noch in Rom, deswegen fällt es mich schwer, mich anzupassen."

    Arria wandte sich ihrem Onkel wieder zu und schüttelte missbilligend den Kopf.


    "Was denkst du dir eigentlich, Onkel? Glaubst du, mir macht es Spaß, mir jeden Tag anhören zu müssen, was ich falsch mache und wie ich zu sein habe? Und was ich nicht bin und was doch - zum Leid der anderen? Du sagst mir, das kleine Mädchen mit den Schmetterlingen wäre verschwunden? Schau dich doch mal an, Onkel! Du bist alt und verbittert geworden, und das, obwohl du eine wunderbare Frau hast! Was ist aus dem Onkel geworden, der mich auf den Schoß genommen hat? Mit dem Onkel, der mir zugehört hat und mit mir gespielt hat? Du hast dich ebenso verändert wie ich, Onkel, gib nicht mir die Schuld an allem", brach es aus ihr hervor und gleichzeitig mit ihrer Wut steigerte sich auch das Schwindelgefühl. Sie kniff die Augen zusammen und wartete darauf, dass das Gefühl, die Welt würde sich um sie drehen, verschwand. Dann sah sie ihren Onkel wieder an. "Ich arbeite den ganzen Tag an den Texten und lerne für die Prüfung zur Popa und du setzt dich auf die faule Haut und bemühst dich nicht einmal um eine Arbeitsstelle. Aber ich werde angemotzt...", fuhr sie fort, brach aber abrupt ab, als alles vor ihr langsam wie von Nebel verdeckt wurde. Die Schwärze, die schon vor einer kurzen Weile Einzug in ihr Blickfeld gehalten hatte, kam jetzt schneller und immer schneller vor ihre Augen... "Ich...", murmelte sie und spürte gar nicht, dass sie bereits in die Knie ging. Alles um sie herum war so sonderbar weich und warm, nichts war mehr von der Kälte zu spüren, die um sie herum gewesen war - der Jahreszeit entsprechend. Weich fiel sie, ganz weich in ein Meer aus Watte, bis sie mit einem dumpfen Ton auf dem Boden lag.

    "Ich bin überhaupt nicht gekommen, Cinna. Ich wollte frische Luft schnappen und wieder einen kühlen Kopf bekommen. So ganz nebenher helfe ich Helena immer noch mit ihrem Buch und arbeite sehr viel daran", knurrte sie und wandte sich einem äußerst interessanten, wenn auch etwas spärlichen Rosenbusch zu. Er konnte ja einfach hier sitzen und lesen... War ja alles kein Problem. Geld bekam er genug, arbeiten tat er nicht. Was sollte er auch sonst den ganzen Tag machen? Innerlich tobte sie vor Wut, doch ihr Körper wollte das nicht wirklich mitmachen. Immer öfter schwankte das Bild vor ihren Augen und ihre Finger gruben sich in ihre Arme, um wieder ein klares Bild vor sich erscheinen zu lassen. Was war nur los mit ihr? Warum kamen diese ständigen Schwindelanfälle und warum war ihr auf einmal so furchtbar heiß?

    "Kind", spukte Arria verächtlich aus. "Das siehst du in mir, nicht wahr? Aber ich bin es nicht mehr, Onkel, ich darf es nicht mehr sein. Mit 21 hat man einfach keine kindlichen Züge mehr zu haben, man muss die vollendete Dame sein. So wie Marcia. Vater hätte sie viel lieber zur Tochter als mich."