Beiträge von Quintus Matinius Cicero

    Ich batrat die Schola noch später als mein Vater. Eine Frage des Blutes... Von einer der hinteren Reihen der Gäste überblickte ich die Szenerie; das setzte mich in den bequemen Stand, nicht alle Anwesenden begrüßen zu müssen.


    Vorn stand mein Vater, bei der Augusta, der strahlenden Augusta! Decima Valeria, natürlich... ah! ...selbst der griechische Meister, Apollonius war hier... Halb Tarraco, schien mir...


    Mir knurrte der Magen und mich plagte der Matinische Durst, doch der Sklave... zu weit... ich würde mich durchdrängeln müssen...


    Ich wartete lieber...

    "...hmm, weißt Du", blickte ich zu Helena "als ich noch klein war, lief ich immer durch die Gegend, den ganzen Tag; ich war immer überall... immer so, wie jetzt - nur stand die Sonne meist höher und vor allem: wir hatten nicht so viel Marmor am Boden"


    Ich lächelte kurz dabei. Doch eigentlich... sprach ich wohl zu mir selbst.


    "Hast Du eine Idee, wo ich jetzt neue Stiefelchen herbekomme, bevor ich hier noch anfriere?"

    Zeichen leichter Verwirrung huschten über das Gesicht Valerias, als hätte sie mich nicht verstanden. Sie machte dann aber merkwürdigerweise genau das, was ich mir gedacht hatte. Merkwürdig. Sehr merkwürdig war aber auch, was wir hier taten.


    Nachdem sie die Rinde auf der oberen Seite des Armes aufgebracht hatte, war es an mir die Unterseite zu versorgen. Dazu nahm ich Verband der Länge des Unterarms entsprechend und legte ihn auf die bereits aufgetragen Rinde. Mit zwei kürzeren Stücken band ich diesen sowohl über dem Handgelenk als auch kurz über der Armbeuge fest. Nun konnte man den Unterarm ins Lot drehen, ohne dass die Rinde zu Boden gehen würde.


    Also machte ich mich daran, den restlichen Arm mit Rinde zu bedecken und verband diese und den gesamten Unterarm schließlich mit einer neurlichen Schicht.


    "Nun haben wir's doch noch geschafft...", lächelte ich Valeria an und richtete mich dann mit einer Frage an Apollonious


    "Meister Apollonius, unser Weg war ein anderer als Du ihn uns beschrieben hast; wie denkst Du von diesem Verband?"

    Ich streifte die calcei ab, riß sowohl linkem als auch rechtem eine Naht auf und stellte sie vor die Statue.


    Still erhob ich beide Hände und sprach leise :


    "Mercuri, facunde nepos atlantis
    Qui feros cultus hominum recentum
    Voce formasti catus et decorae
    More palaestrae ...


    Gedankt sei dir der Du mich führtest
    Über Meere und unbekannter Länder
    Unwägbarkeit zu meiner Väter
    Altem Hause heil zurück!


    Tu pias laetis animas reponis
    Sedibus virgaque levem coerces
    Aurea turbam superis deorum
    Gratus et imis...


    Gedankt sei dir der Du mich hieltest
    Über Zweifel und die allergrößten
    Lockungen weit erhaben
    An meinem Ziele glauben treu!"


    Ich hielt einen Moment inne und küßte Mercurius. Dann wandte ich mich nach rechts und trat ein, zwei Schritte beiseite... die Kälte des Steines kletterte über meine Füße die Beine herauf... bis unter die Haarwurzeln war ich erfüllt...

    Das war ja schwieriger als erwartet... Vom Schema her machten wir das ja ganz richtig, aber ich glaubte, dass uns Apollonius den Ablauf irgendwie, nein, ganz sicher anders erklärt hatte - aber das half jetzt nichts, der Knochen war gerichtet und wir mussten weitermachen. Augen zu und weiterschienen.


    "Eigentlich sollten wir unten anfangen, aber da wir nun einmal dabei sind..."


    Ich drückte meinen Oberkörper vorsichtig an den Oberarm und versuchte, mit meiner Linken den Ellbogen samt Schiene zu fassen zu kriegen. Als mir das gelang löste ich meine Rechte und griff nach der Verbandsrolle.


    Ich hob den Zeigefinger meiner linken Hand, schob das Ende der Rolle herunter und begann eine erste lockere Verbanswindung um das Gelenk und die Schiene zu legen. Eine zweite Windung und eine strafere dritte folgten.


    "So. Valeria, jetzt halte weiterhin Handgelenk und Schiene und versuche mir bitte bei der ersten Verbandsschicht zu helfen - ich kann von hier aus nur den oberen Halbbogen der Schlingen anlegen; wenn Du dann jeweils für die untere übernehmen würdest - ", improvisierte ich leise.


    Hauptsache, wir hätten die erste Schicht angelegt, die Schiene würde dann vorerst jedenfalls nicht einfach herabfallen, und wir könnten etwas entspannter zur Rinde übergehen...

    Was für ein Geräusch! Brrrr! Ich verzog das Gesicht zu einer angespannten, mitleidigen wie selbstmitleidigen, angeekelten aber auch betroffenen Grimasse, derweil der gequälte Patient Anstalten machte seinen Arm auf Kampfeskräfte zu spannen.


    "Ruhig bleiben! Ganz ruhig! Das ist unangenehm - aber bitte locker lassen, sonst können wir nicht arbeiten!", versuchte ich den Gladiator in aller Klarheit und Beherrschung zu bewegen. Und er verstand es ganz gut, biss die Zähne zusammen und ließ den Arm erschlaffen.


    "Die Schiene! Bitte, jemand muss Valeria die Schiene reichen!", rief ich in den Raum und hatte den Eindruck, niemand würde mich hören... ich konnte jetzt nicht einfach loslassen.


    "Bitte die Schiene!"

    So, in etwa, hätte mein Vorschlag ausgesehen, und war ich davon ausgegangen, dass Valeria ihn verneinen würde. In Hispania waren die Sitten offenbar ganz andere... Aber mir war's recht.


    "Gut. Ich sage Dir, wenn ich den Oberarm sicher fixiert halte. Und Du sagst wann Du soweit bist, den Zug auszuführen."


    Ich hakte mich vorsichtig unter den rechten Arm des Gladiators, wobei ich meine Linke um den Oberarm schlang und versuchte, den oberen Muskel zu umfassen.


    "Du musst deinen Arm entspannen! Er muss ganz ruhig sein!", sagte ich kalt doch eindringlich zu unserem Patienten gewandt.


    Dann nahm ich meine stärkere Rechte und suchte das Ellenbogen-Gelenk zu umfassen. Nach einer Weile erschien mir die Angelegenheit fix und statisch genug zu sein.


    "Valeria, ich bin soweit."

    Ich suchte alle innere Aufrichtigkeit zusammen als ich die Propylaeen durchschritt. Und totz Helenas Anwesenheit - oder gerade deshalb - spürte ich eine tiefe, weihevolle Ruhe.


    "Was muss ich tun?", flüsterte ich.


    Auch dies war neu für mich. Bislang lebten dei Götter für mich unter freiem Himmel...

    Der Tempel war kleiner als ich ihn mir im ersten Moment vorstellte. Doch seine erhabene Schlichtheit und Klarheit war bezwingend.


    "Können wir herein gehen? Ohne, dass es Mercurius unwürdig wäre, meine ich?"


    ...mir fehlten die Worte, wieder einmal - und ich lächelte.

    Ich lächelte zurück, wusch meine Hände in einer Schale und erwiderte:


    "Ich denke, wir werden uns gegenseitig helfen müssen. Ich mache das zum ersten Mal..."


    Ich trocknete die Hände und legte die von Apollonius schon eingeweichte Baumrinde und den Verband in die Nähe des Gladiators.


    "Wahrscheinlich ist es ganz gleich, wer an welcher Position arbeitet, beide verlangen wohl einen gleichmäßigen, ruhigen Kraftaufwand.", wandte ich mich zu Valeria "...während es vermutlich etwas komplizierter sein wird, dabei den Knochen zu richten, hernach zu schienen und so fort... Was möchtest Du tun?"


    Ich überließ es also Valeria die Entscheidung. Schade eigentlich, dass er nicht zwei gebrochene Arme hatte... Aber das konnte ja noch werden, wenn ich mir Sica und den Gladiator so anschaute, die Zwei waren wohl sehr gute Freunde...

    Das traf mich wie ein Blitz. Hatte er den Eindruck, ich wolle mich den Pflichten entziehen... Ich wurde dunkelrot, wie der älteste Wein des Reiches... ich schluckte...


    "Vater, sei versichert, dass ich jede der Pflichten, die mir nach guter Sitte auferlegt sind, treu und gewissenhaft erfüllen werde!", bracchte ich klar und deutlich hervor und senkte den Blick.


    Ich fragte mich nun, was auf mich zukommen würde in diesem alten und doch so neuen Zuhause... Nach einer kleinen Pause wagte ich also zu fragen:


    "Ich soll am cursus honorum teilnehmen? Aber ich bin doch... mich kennt hier doch niemand... Man müsste mich doch wählen, und wer sollte das schon tun? Auch habe ich keine großen Erfahrungen im Sprechen! Ich würde Hilfe, ich würde Unterricht brauchen!", klang ich etwas verzeifelt.

    Die Decima war sehr vorsichtig. Und vor allem verständnisvoll - dennoch scheute sie sich nicht, dem armen Kerl Schmerzen zuzufügen... Und ich? Es hatte ja keinen Sinn, auf diese Erfahrung zu verzichten, ich war zum Lernen hier und nicht um...


    Also trat ich einen Schritt näher an ihn heran, als Decima Valeria geendet hatte und blickte dem Gladiator ins Gesicht. Sein Blick verriet, dass er mir am liebsten die Gurgel durchschneiden würde, ohne sie nachher fachgerecht wieder zuzunähen...


    "Verzeih mir, Gladiator, ich weiß, du bist an Schmerzen gewöhnt. Doch auch weiß ich, dass jeder Schmerz für sich steht und immer Neu bleibt. Es wird schnell gehen..."


    Ich beugte mich über seinen Arm, den er noch immer an seinen Leib drückte und nun mit der Hand seines gesunden Armes stützte.


    "Die Haut ist stark gerötet, und von einer Schwellung stark gespannt... wenn es ein Bruch ist, so kein offener", sprach ich deutlich, dass mich alle gut hören konnten, hob meine Hand und nickte dem Gladiator zu, dass es nun schmerzen würde...


    Er verzog das Gesicht. "Wie erwartet ist das Gewebe sehr prall... Im Zentrum der Rötung ist es schwer... den Knochen... zu ertasten..." In dem Moment stöhnte der Gladiator und ich versuchte mich also zu beeilen.


    "Wenn man etwas stärkeren Druck mit den Fingern ausübt... kann man... in der Tat... eine Stufe fühlen, wie Decima Valeria... eben schon sagte, und ich meine ebenso,.. wie sie, dass es sich... um einen Durchbruch handeln müsse - allerdings,... angesichts der starken Schwellung... ist es schwer zu sagen ob der Bruch... gesplittert ist oder nicht."


    Ich ließ ab von seinem Arm und schloss: "Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht sollte man warten, bis sich diese Schwellung etwas normalisiert hat - also den Arm erstmal fixieren - um morgen oder übermorgen festzustellen, welcher Art der Bruch genau sei, um also hernach eine entsprechende Behandlung festzulegen."


    Ich nickte dem Kerl aufmunternd zu und kam mir lächerlich dabei vor, denn gleich würde Iulius Seneca mit seiner forschen Art... aber daran wollte ich jetzt nicht denken und trat ein Paar Schritte zurück und blickte gespannt zu Apollonius.

    ...so, so... dagen würde also nichts sprechen, sagte ich zu mir, als Metellus geantwortet hatte. Natürlich nicht; das hörte sich an wie eine spitzfindige conclusio eines hellenischen Wanderphilosphen, fand ich. Aber natürlich verkniff ich mir das jetzt.


    Vielmehr nahm ich mir etwas eingelegten Kohl, freute mich daran, wie mir das Wasser im Munde zusamenlief und wartete darauf, dass die Älteren neuerlich das Gespräch eröffneten...