Beiträge von Quintus Matinius Cicero

    Ich nickte Marcella zu und fand, dass meine Hilfe nicht mehr nötig sei. Beide waren den Umständen entsprechend wohlauf und munter.


    "Ich denke, ihr werdet lieber unter euch sein wollen, Dinge der Familia zu besprechen. Bevor ich gehe, bitte ich euch im Hinterkopf zu haben, was Marcella passiert ist, sie braucht wirklich Ruhe."


    Ich wandte mich der Türe zu, drehte mich dann aber nocheinmal um und lächelte.


    "Später, vor der hora duodecima, versuche ich nocheinmal hereinzuschauen, wenn es nicht stört, sonst morgen in der Frühe..."

    Mein Gesichtsausdruck verriet sowohl Verwunderung als auch Besorgnis, denn offensichtlich redete sie wirr...


    "...es ist wahr, Messalina?", fragte ich sanft und tupfte ihre Stirn.

    Die Nerven dieser zwei Damen sind offenbar stark angegriffen. Ob das in der Familie liegt? Möglicherweise war das eine Folge ... hmmm ... verwegener Heiratspolitik...


    Ich hob Marcella vom Boden und legte sie zurück in ihr Bett. Dann tupfte ich beiden abwechselnd das Gesicht mit einem der feuchten Tücher...


    ...und hoffte - O, bei den Göttern hoffte ich! -, dass sie baldigst wieder aufwachten, ohne dass ihre Nerven abermals in schroffste Aufwallungen geraten würden.

    "Ich verstehe. Sobald ich also einen Käufer gefunden habe, lasse ich es Dich wissen!"


    Da ich annahm, dass die nötigsten Dinge geklärt wären, lehnte ich mich leicht vor und deutete an, aufzustehen.


    "Sollte es irgendwelche Fragen geben, gleich welcher Art, so findest Du mich in der hiesigen Casa meines Vaters, in der ich Dich auch ohne solche Fragen jederzeit willkomen heiße!"

    Nickend nahm ich den Essig entgegen, rupfte etwas von der talgigen Wolle ab und übergoss diese zum einen mit dem Essig, zum anderen mit etwas Wein.


    Mit den Worten "Bitte noch einmal zur Seite, Marcella..." drehte ich ihren Kopf abermals in die richtige Position und ...


    "... das brennt jetzt..."


    legte das feuchte Knäuel Wolle auf die Wunde. Darauf kam eines der Tücher. Ein weiteres wickelte ich Marcella um den Kopf.


    "So, Marcella, das hätten wir ersteinmal. Was Du jetzt brauchst ist viel Schlaf, und absolute Ruhe! Ich komme später wieder, um nach Dir zu sehen."


    Ich stand auf, wusch meine Hände in der kalten Schale, wandte mich dabei zu Messalina und sprach halblaut:


    "Es ist wichtig für Deine Schwester, dass sie nicht umherläuft. Es ist zu befürchten, dass es sehr viel ernster um sie steht, als es den ersten Anschein hat. Also, wenn möglich, Messalina, lasse sie Bedienen wie eine Fürstin!"


    Ich trocknete meine Hände am unbenutzen Ende eines der Tuücher.


    "Ich glaube, mir ist nun auch nach einem Becher Wein...", und leise stöhnte ich, denn ich sehnte mich plötzlich nach dem Matinischen Weinkeller, den ich so schnell nicht wiedersehen würde.

    "Sicher Aedil, wobei mir die Idee gefällt... vielleicht sollte ich's also probieren sojemanden zu finden...", schmunzelte ich.


    "Aber zurück zur Sache, als Sohn des Proconsuls, der ich aufgrund meines Vermögens ... eines Vermögens, das ja der Staat unterstellt ...einen Sitz im Senat beanspruchen könnte, bin ich nicht berechtigt einen Betrieb zu führen? Das scheint mir etwas - nun ja - abstrus... was denkst Du?"


    Die Augenbrauen nach obern gezogen, ein Gesicht reinster Unschuld und Verwunderung, erwartete ich, was der Aedil mir antworten würde.

    "Sehr gut!"


    Ich nahm den Becher entgegen, stellte ihn zurück, nahm dann eines der Tücher und tauchte es zum vierten Teil ins heiße Wasser, zog es heraus, wickelte den trockenen Rest drumherum und wrang es etwas.


    "Es könnte jetzt etwas weh tun, Marcella."


    Langsam drehte ich ihren Kopf zur Seite, dass ich die Wunde begutachten könnte. Mit dem feuchten, heißen Tuch strich ich das geronnen Blut aus dem Haar und scheitelte es über der Wunde. Sie lag ein wenig über dem Wulst des Hinterhauptbeines und maß nur ein, zwei Finger. Ihr transversaler Verlauf deutete auf eine beim Aufprall starke Belastung der in gleicher Richtung verlaufenden Schädelnaht hin. Ob aber tatsächlich ein Bruch derselben vorlag, war weder zu sehen, noch zu ertasten - die Schwellung machte das unmöglich.


    Ich tupfte das restliche Blut fort, tränkte ein anderes Tuch mit Wein hielt es auf die Wunde und drehte Marcellas Kopf zurück.


    "Bleib bitte ersteinmal so liegen. Die Wunde muss noch behandelt werden, Sie ist nicht sehr groß, sei ganz beruhigt!", als ich das sagte, nahm ich, in der Hoffnung sie etwas aufzumuntern, Marcellas Hand und hoffte auf die baldige Rückkehr von Messalina.

    "Marcella, Du bist mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen und warst kurz ohne Bewußtsein. Auch wenn Du nun wieder hergestellt scheinst, ist dies eine ernste Sache und ich muss darauf bestehen, dass Du einstweilen das Bett hütest...", dabei füllte ich einen Becher mit dem Wein und gab ihn ihr


    "...trink diesen Becher in wenigen Schlucken leer. Das wird Dir helfen..."


    Ich machte mir Sorgen, ob der Schädelknochen intakt sei. Auf jeden Fall würde die Platzwunde noch zu versorgen sein - doch ohne Sedativa war eine Naht allenfalls Soldaten und Gladiatoren zuzumuten. Mit etwas Glück wär das nicht nötig, aber ... ich werde es ja gleich sehen. Meine Papyri...


    Ich wandte mich leicht von Marcella ab und sprach in den Raum: "Vor der Casa liegen noch meine Sachen, einige Papyri und eine Wachstafel, ob das jemand hereinholen könnte, bevor es wegkommt? Und noch etwas wichtiges: auf alle Fälle brauchen wir schweißige Schafwolle, keine reingewaschene, sondern sie muss noch schweißig sein. Sie wird auf dem Mercatus Traiani angeboten, wie ich mal sah..."


    Marcellas Puls, ihr Atem - beides ging nicht sehr stark, doch mit einem rechten Gleichmaß. Das Pneuma sollte sich somit in ebendiesem Maße im Körper verteilen, wobei ein Ungleichgewicht der Säfte nicht ausgeschlossen bleibt... hmmm. Der Wein wird hoffentlich die unsichtbaren Ausscheidungswege öffnen und ein mögliches Übermaß wird dann den Weg zur Verdunstung finden. Jedenfalls fürs erste sollte das helfen...


    Warum war sie aber gefallen? Ein Schicksalsschlag oder etwas organisches?


    Ich wartete darauf, dass sie trank.

    Zitat

    Original von Numerius Operosus


    Mit dem jüdischen Glauben kann ich nicht so viel anfangen, da liegt mir der christliche mehr. ;)


    Wenn ich mich nicht irre, ist zu unserer Zeit die Trennschärfe zwischen Judentum und Christentum noch nicht so sehr hoch - vor allem nicht aus römischer Perspektive. Wie gesagt, wenn ich mich nicht irre ;)

    "Bitte bleib liegen! Du bist gestürzt. Ich bin Medicus.", sprach ich langsam und eindringlich, legte vier Finger auf ihre linke Schulter und drückte sie sanft zurück.


    "Wie ist Dein Name?"

    Ein leises Pfeifen ging ihr durch die Brust.


    "Und... verzeih diese Frage, es ist aber nötig... hat sie nöglicherweise eine schwerwiegende Nachricht erhalten?"


    Währenddessen drückte ich leicht in der Magengegend.

    Ich nahm vorsichtig ihren Arm und fühlte nach dem Puls.


    "Und hat sie - Seia oder Marcella? - hat sie heute schon etwas gegessen und getrunken?"


    Dann legte ich ganz leicht mein Ohr auf Ihre Brust und horchte.

    Ich war etwas aus der Puste... ich sollte mal wieder Ausreiten, wie früher, der Staub dieser elenden Papyri bringt mich noch um...


    "Salvete omnes. Eine Schale kalten und eine Schale heißen Wassers, ein Paar Tücher, und eine Karaffe Wein, so jung als möglich!"


    Ich trat ans Bett und warf einen ersten Blick auf die Bewußtlose.


    "Was ist mit ihr genau geschehen?"

    "Der Heilkunst bin ich kundig, ja. Wir wollen aber keine Zeit verlieren, bring mich schnell zu ihr!", nickte ich ihr ernst zu, und, um der Situation die vielleicht berechtigte Aufgeregtheit zu nehmen, schob ich ruhig nach:
    "Übrigens, wir scheinen gewissermaßen Nachbarn zu sein, ich bin Quintus Matinius Cicero."

    Mit den üblichen Papyri der Manufaktur und einem Wachstäfelchen bewaffnet, war ich auf dem Weg von der Casa Matinia nach dem kleinen Lädchen hin, in der Absicht, meine arme Sklavin ein weiteres Mal hinsichtlich ihrer merkwürdigen Handschrift und ihrer ebenso merkwürdigen Rechenkunst zu inquirieren...


    ...als eine junge Schönheit um Hilfe rief. Wie immer waren die Papyri auf dem Boden gelandet, das Täfelchen flog hinterher und mit eiligen Schritten näherte ich mich der Rufenden, die einen ganz aufgelösten Eindruck auf mich machte.


    "Was ist los, beruhige Dich!", rief ich ihr entgegen.