Ich geleitete die Magistra in die Audienzhalle.
"Bitte warte doch hier. Der Legat wird in Bälde erscheinen!"
Ich geleitete die Magistra in die Audienzhalle.
"Bitte warte doch hier. Der Legat wird in Bälde erscheinen!"
"Ich meine den geschätzten Duumvir. Aber er ist nur einer unter vielen. Ich denke, die ganze Verwaltung benötigt eine Erneuerung oder zumindest den symbolischen Tritt in den Allerwertesten!"
"Du machst es schon richtig. Du schiebst keinen Hofstaat aus Scribae vor, um nicht selbst Kontakt zu den Menschen halten zu müssen. Ich schätze Deine Aufgabe als sehr wichtig ein. Und Du erfüllst sie mit dem nötigen Respekt."
Ich nickte anerkennend. Blies sie da gerade die Wolken hinweg, die sich aufgetürmt hatten in meinem Kopf? Ich hatte ja fast schon zu zweifeln gewagt, dass es in Germanien eine ausschließlich ehrlich und integre Verwaltung gäbe.
"Das ist die richtige Antwort!", sagte ich lachend.
"Ich habe mich bereits eingewöhnt, aber einige Sitten in der Verwaltung sind mir nicht gerade geheuer.
Undgeachtet dessen würde ich Dir vorschlagen, Du kommst gleich morgen in der Früh in mein Officium, ich geleite Dich zur Audienz und gegen Mittag wirst Du Dich wieder Deiner Arbeit widmen können!"
Ich klopfte kurz an und betrat dann das Officium. Lächelnd näherte ich mich dem Schreibtisch des Legaten.
"Der Duumvir Duccius Germanicus wartet in der Audienzhalle auf Dich!"
Ich nickte durchatmend.
"Dann folge mir bitte in den Audienzsaal!"
Ruhig erhob ich mich und ging voran zum großen Audienzsaal der Regia.
Ich führte den Duumvir in den Audienzsaal und nickte auch noch einmal zur Sicherheit den Wachen zu, die an der Porta standen und jeden noch so unsinnigen Fehltritt des Duumvir beachten würden. Lächelnd wandte ich mich an Germanicus.
"Warte doch bitte etwas hier! Der Legat wird in Bälde erscheinen!"
Ich drehte mich um und ging dann auf geradem Wege zum Officium des Legaten.
Ich lächelte süffisant. Natürlich hatte er keine Waffen bei sich. Hätte er die Dummheit besessen, auch nur etwas ansatzweise tödliches in die Regia mitzunehmen, säße er jetzt angekettet im Carcer. Keine schlechte Vorstellung. Der Germane gefesselt an den Stein der Erkenntnis, hilflos, seiner Pflichten entbunden. Kam mir da ein Gedanke, den ich besser hätte unterdrücken sollen? Wenn ein Ziel nicht naturgemäß erreicht werden kann, ergreif die Initiative und schlag die Trommel!
"Wie gesagt, eine reine Routinebefragung zum Schutz des Legaten. Vom kleinsten Scriba bis zum höchsten Verwaltungsbeamten könnte jeder das Leben unseres Statthalters bedrohen.
Nun denn, vergessen wir das. Bist Du bereit?"
Ich lächelte, soweit es meine antrainierte Freundlichkeit zuließ. Kalte Herzschläge unter fester Brust, bereit zu kochen. Gab es in diesem Imperium aus Lug und Trug noch Wahrheit? Wenn ja, wer hatte sie für sich gepachtet? Sicherlich nicht einer unter den Würdeträgern, auch ich nicht. Der Kaiser ebenso wenig. Eine schwache Gestalt auf brüchigem Thron aus Juwelensplittern. Bereit, entwürdigt und enthauptet zu werden. Aber solche Gedanken blieben in jedem von uns verborgen, ob sie nun positiver oder negativer Natur waren. Nichts sollte den heilen Schein trüben, nichts an seiner Unerschütterlichkeit rütteln. Ein Lügengebäude, errichtet um zu fangen. Einzufangen jene, die bereit sind, sich fangen zu lassen. War ich bereit, mich fangen, kaufen zu lassen? War ich dem allen zuwidergelaufen, indem ich den verfehlten Gedanken dachte? Ich war mir nicht sicher. Aber als ich in diesem Augenblick diese Frau vor mir sah, das Produkt dieser neuen, ungezügelten Politik und mich dagegen betrachtete, war mir bewusst, dass dieses Imperium entweder einen Aufbruch in ein neues Zeitalter der Wertelosigkeit und Freiheit gleiten oder zurückfallen würde auf alte Tugenden. Beides hatte seine Reize - beides war mit Tücken beladen. Duccia Britannia, Tiberia Livia, Tiberia Honoria, Gallionsfiguren dieser neuen Zeit. Konnte ich ihnen übel nehmen, dass sie sich vor wagten, um ihren Triumph zu genießen? Ja, ich konnte es. Den Dolch gezückt, die Häscher bereit. Nichts dem Zufall überlassen und doch alles offen. Es würde spannend werden in dieser Schwellenzeit, so ohne Werte und Perspektiven.
Hatte die Frau vor mir verdient, was ihr aufgetragen wurde in dieser Provinz? Sicher hatte sie das. Jeder, auch der letzte Verteidiger alter Werte musste sich das eingestehen. Jedoch - es gab einen kleinen, aber äußerst feinen Unterschied zwischen wahren Ansichten und denen, die sich gut verkaufen ließen. Wahrheit und Lüge, ein zweischneidiges Schwert. Nichts von beidem sicher, nichts unabhängig vom anderen. Zwei Zustände, koexistent in einem jeden Politiker dieser neuen Zeit.
Wieder kamen meine Gedankengänge zurück zu dieser Frau, die noch immer ihr zuckersüßestes Lächeln für mich bereit hielt. Scheinbar wusste sie es nicht besser. Sie war die Gallionsfigur dieser Zeit und dieser neuen Verwaltung. Vielleicht war sie es sogar wert, zu überleben.
"Danke, Wasser genügt schon. Mein Name ist Decimus Pompeius Strabo, Magister Officiorum des Statthalters. Ich möchte dich nicht länger behelligen, als es nötig ist. Daher einfach die Frage: wann wäre es dir möglich, in der Regia zur Audienz beim Legaten zu erscheinen? Am besten eher gestern als morgen. Der Statthalter schickt sich bereits an, seinen Truppenbesuch gen Raetia zu planen."
Normalerweise sage ich das 'Herein' auch gern selbst
Ich nickte lächelnd dem Duumvir zu.
"Setz dich doch! Der Legat wird in Bälde Zeit haben. Zuvor muss ich auch dich befragen, ob Du irgendwelche scharfen oder potentiell tödlichen Gegenstände bei Dir trägst? Keine Angst, reine Routine! Auch unser Wachposten übersieht manches. Da bin ich gern doppelt vorsichtig!"
Ich trat ein, lächelnd, schon fast freundlich blickend. Das Officium war nett eingerichtet, einer Beamtin angemessen. Und sie blickte mich gerade so an, als wäre hinter mir Meridius. Wenigstens bemühte sich diese Beamtin darum, Aufmerksamkeit zu suggerieren. Mit einem freundlicheren Lächeln registrierte ich diese Aufmerksamkeit. Ein Novum, fast schon selten geworden in der Curia. Ein menschliches Wesen, dazu fähig, geschäftig zu sein und trotzdem galant. Bevor sich meine schmeichelhaften Tiraden überschlugen, traf ein Funke dieses Lügengemäuer und ließ es in Flammen aufgehen. Sie war zwar ein Vorbild an Tüchtigkeit, aber sicher auch nicht weniger fehlbehaftet als die anderen Mitarbeiter der Stadt- und Regioverwaltung.
"Salve, Magistra. Ich hoffe nicht zu stören."
Würde sie mit 'ja' antworten, konnte ich sie offen für schwachsinnig erklären. Würde sie mit 'nein' antworten, war das nur eine entschuldigende Schmeichelei, um nicht zu signalisieren, wie beschäftigt sie doch war. Alles in allem war es mir egal. Der Hauptgrund meines Erscheinens schien wichtiger denn je. Eine Audienz in der Regie. Der Gedanke hämmerte durch meinen Kopf. Und sie würde ihre Audienz erhalten.
Wieso sagst du mir in einem und demselben Gespräch, ich soll die Magister einladen und im selben Gespräch, ob das Gespräch schon angesetzt ist?
Ich blickte den Legaten verwundert an. Besetzte die harte Arbeit langsam sein Kurzzeitgedächtnis? Noch vor einigen Minuten hatte er mich angewiesen, die Magister zur Audienz zu laden und nun wollte er wissen, ob die Audienz angesetzt war? Er brauchte definitiv Urlaub, dachte ich mit dem Anflug eines Grinsens. Am besten war es, die Lage diplomatisch aufzulösen.
"Ich werde mich so schnell wie möglich darum kümmern, wie ich erwähnte!", sagte ich zwinkernd und blickte dann wieder kurz aufs Pergament.
Ich nickte.
"Natürlich. Hast Du sonst noch Anweisungen an mich?"
Ich nickte. Erleichterung über einen reibungslosen Ablauf machte sich breit. Auch dieser Mann war lernfähig. Blutige Wahrheit, vermischt mit dem Gefühl, dass dieser Mann seine symbolische Enthauptung verdient hatte.
"Dann bitte ich Dich morgen in mein Officium zu kommen. Ich wünsche Dir noch einen guten und hoffentlich nicht zu arbeitsreichen Tag!", sagte ich kalt lächelnd.
Die Arbeit würde es bestimmt nicht sein, die ihn umbringen würde. Wer den symbolischen Inzest auch in der Stadtverwaltung fortsetzte, hatte das Recht verwirkt, jammern zu dürfen.
"Vale."
Ich ging.
"In Ordnung!", sagte ich ruhig und vermerkte auch das.
Erinnert an den Brand in der Stadt verkrampfte sich meine Hand. Dieser unfähige Duumvir hatte wahrscheinlich gerade seine Scriba beglückt, als die Stadt in Flammen stand. Man hätte ihm noch seinen letzten Stich lassen und dann enthaupten sollen.
"Der Stadtbrand wurde erst gelöscht, als es schon zu spät war. Ich habe gehört, dass es einigen Kollateralschaden gab. Wer dafür zur Rechenschaft gezogen werden sollte, ist dir vielleicht klar!"
Schweigend schlich ich durch die Straßen, gleich einem Geist. Ismene war in der Stadt beschäftigt. Sicher würde sie mein Geld wieder aufs Letzte verprassen, dachte ich lächelnd und ein warmes Gefühl machte sich breit. Liebe war es nicht, doch Verbundenheit sicher. Fast schlendernd wurde mein Gang, als ich an die süßen Stunden unserer Zweisamkeit dachte. So kam ich vor unser Domus und erblickte Trimalchios Sklavin Adara, gelehnt an eine Säule. Sicher in Erwartung von etwas. Ein Mensch, ein Zeichen.
"Salve...", sagte ich ruhig und lächelte ihr entgegen.
Schweigend trat ich in die Curia, ignorierte dieses eine Mal die Anmeldung beim Scriba. Welcher Teufel hatte die Stadtverwaltung geritten, sich solchen Hochmut zu erlauben? Ein Magister Officiorum läuft der Welt hinterher. Die Stadtverwaltung lässt laufen. Sollte ich sie deswegen nun lieben oder hassen? Jedes ehrliche Wort ausgemerzt im Feuer der Erkenntnis. Der Magister Officiorum, einem Bettler gleich. Vielleicht war ich ein Bettler und wusste es nicht. Vielleicht war Meridius der Patrizier, der dem Bettler entweder die Münze hin wirft, oder ihn mit dem Stock davonprügelt. Gefangen in der Problematik kam ich vor das Officium der Magistra. Eine ehrliche, tüchtige Frau? Oder nur die Reflektion ihrer Zeit, ein Versuch, besser, schneller, härter zu sein als ihre Konkurrenten? Ich hatte sie alle gesehen auf der Rostra, Mannsweiber, bessere Männer, gescheiterte Wahrheiten. Sollte ich ihnen die Münze hin werfen oder sie davonprügeln? Der Konservatismus war das Heil des einfachen Menschen. Der Liberalismus das Heil des kollektiven Menschen. Wahrscheinlich trug ich beide Ansichten in meinem Körper, verachtete doch beide. Hin und hergerissen zwischen Vaterlandsliebe und Liebe zu den Frauen sollte ich mich nun entscheiden? NEIN. Niemals würde meine Basis fester stehen, mich nicht konsequent zu entscheiden.
Schweigend klopfte ich an die Porta des Officiums.
ZitatOriginal von Valentin Duccius Germanicus
Er sah auf, nickte Verina dankbar lächelnd zu und sah den Pompeier, nach einer kurzen Begrüßung abwartend an.
Ich nickte lächelnd und stellte den Wein beiseite, ohne auch nur einen Tropfen meine Lippen berühren zu lassen. Der Wein war sicherlich von guter Qualität, das konnte ich so nicht sagen. Doch vorerst wollte ich nicht mehr davon trinken, es war mir verhasst. Kalte Pupillen, gerichtet auf den Schreibtisch des Duumvir, gerichtet auf ein germanisches Gesicht.
"Salve, Germanicus. Ich komme wegen dem Audienztermin. Er ist jederzeit möglich, schließlich liegt die Verwaltung unweit der Regia. Ich denke heute oder morgen wäre ein guter Termin, da der Legat in Bälde nach Raetia aufbrechen will. Wann immer es Dir möglich ist, komm in mein Officium und ich werde die Audienz ausrichten."
Ich sah ihn gespielt lächelnd an. Kalte Herzschläge pochten dumpf. Kaltes Blut, vorangetrieben von einem Eisenherz. In Erwartung einer Unfreundlichkeit verkrampft, versteinert vor Eitelkeit. Das Lächeln schien mir wie eine sichere Barriere, die einzige Barriere, die mir noch geblieben war. Hitze machte sich breit, brodelnd, kochend. War das die Wut, die ich so lange vermisst hatte? Schluck sie herunter, dachte ich verbittert.
"Valentin Duccius Germanicus und der Audienztermin. Ich möchte gern noch einmal mit ihm darüber reden. Wäre es möglich?"
Ich nickte und machte mir Notizen.
"Die Gespräche werden abgewickelt so früh wie möglich. Die Gästeliste werde ich noch erstellen und mit Dir abgleichen. Deine Reise nach Raetia betreffend hätte ich die Frage, ob ich eine Stelle dort anschreiben soll, sodass sie einen entsprechenden Empfang planen können?"