Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die Genugtuung wäre bestimmt nicht größer gewesen als zu dem Zeitpunkt, wenn Marcus davon erfahren hätte, daß sein Vetter den Präfekten dieser anmaßenden Kerle ebenso elegant hinaus geworfen hatte, wie Tiberius Vitamalacus das gerade und soeben getan hatte. Um Marcus Mundwinkel spielte ein zufriedenes Lächeln und es war vielleicht das erste Mal seit Jahren, daß er nicht diesen unausgesprochenen Groll gegen den Tiberier mehr verspürte, sogar einen gewißen Respekt vor der Courage, die der Mann an diesem Tage bewiesen hatte. Doch dieses Fünkchen sollte nicht lange in Marcus währen, schon einen Tag später würde Marcus die gleiche Feindschaft gegen den Tiberier hegen wie schon zuvor, womöglich noch stärker, wegen all der Verdächtigungen, die Marcus hegte. Doch an jenem Tage hatte Marcus das Gefühl, der Tiberier meinte es ehrlich und die Worte vermochten Marcus mitzureißen. Zustimmend und mit dem letzten Rest von zufriedenem Ingrimm nickte Marcus.


    „Auf die Prima! Für Roma! Für den Imperator!“


    In den Ruf stimmte Marcus mit ganzem Herzen ein. Einen Moment spiegelte sich diese tief empfundene Loyalität auch in Marcus Gesicht wieder; seine Wangen waren gerötet, seine Augen strahlten frohgemut und erfreut und seine Mundwinkel umspielte ein erfüllter Zug. Als sich der – damals noch – Tribun an sie wandte, nickte Marcus und salutierte. Seine Faust schlug gegen seine linke Brustseite, er streckte den Arm aus und wandte sich gleich darauf an die Männer, die ihm direkt unterstanden. Die Zufriedenheit über seine Männer- was er von einem auf alle schloß- offenbarten seine Gesichstzüge deutlich.


    „Ihr könnt wegtreten. Kehrt in unser Lager zurück. Ihr seid für heute vom Wachdienst befreit.“


    Marcus blieb einen Moment stehen und sah nachdenklich auf die Soldaten, denn ihm war der Blick von einigen der Männer nicht entgangen, den sie dem Jüngsten ihrer Truppe zu warfen. Marcus würde jedoch ein Auge darauf behalten, daß Serapio deswegen nicht drangsaliert wurde. Erst als die Männer weg gegangen waren, wandte Marcus sich noch mal zu Avitus um, nickte ihm zum Abschied zu und machte sich auf, zurück in das Lager seiner Einheit.

    Und inmitten der Spiele steckte auch Marcus Flavius Aristides, ein Zenturio unter vielen, ein Soldat von vielen Tausenden, der sich der großen Pläne nicht bewußt war, sondern ein Glied in der Kette von Befehlen war. Gestein rollte herunter, Dreck und Sand wurde aufgewirbelt als die Hufen der Reiterei den Hang zu den Angreifern erklommen. Einige Steine polterten auch auf die Soldaten hinab, prasselten auf ihre Schild und rollten bis zu den Hufen von Marcus Roß, der mit dem Fall in den Fluß kämpfte. Die Hinterhuften rutschten auf dem Geröll tiefer, Steine lösten sich und landeten mit einem Platschen im Strom, wurden von den Wassermassen mit gerißen. Marcus warf einen schnellen Blick über die Schulter und ahnte schon sein Schicksal, wenn er dort runter fiel. Obwohl er durchaus schwimmen konnte, würde er mit all dem Metall wie eine Ratte absaufen und wohl erst am Ende der Welt, im Okeanos wieder auftauchen. Komm schon!, feuerte er in Gedanken sein Roß an, was er noch nicht aufgeben wollte. Und drückte ihm fest in die Flanken. Der Wallach wiehert und sprang mit einem Satz nach oben. Mit zurück gelegten Ohren trabte das Roß einige Schritte weiter und verharrte. Marcus sah zu den Hängen nach oben und erkannte die Silhouetten ihrer Reiter. Herrje, Respekt!, dachte sich Marcus. Daß die Reiter da hoch gekommen waren, er hätte sich das nicht zugetraut, geschweige denn seinem Roß. Aber dafür waren es ja auch die Legionsreiter. Die Flanken seines Pferdes zitterten heftig, von der Panik, aber ebenso der Verletzung. Marcus Blick streifte prüfend über die Soldaten hinweg, ihr Feldzeichen stand stoisch und trotzig, der cornicen hielt sich bereit für Befehle, die Verluste und Verletzungen waren nicht groß ausgefallen. Wie es Marcus in dem Moment schien, wenn auch ein capsarius durch die Reihen hastete, um das Gröbste zu versorgen.
    Signalhörner ertönten und schon der Ruf: "Gasse verbreitern! Weg freimachen! Der Kaiser reitet durch!" Marcus wandte sich nur kurz um, dann rief er laut.


    „Zur Seite, milites!“


    Schon donnerten die ersten Prätorianer an Marcus vorbei, die schwarzen Rüstungen blitzen in Marcus Gesichtsfeld auf, dann waren sie vorbei, doch nicht lange danach wurde Marcus der kaiserlichen Erscheinung gewahr, der ebenfalls an ihnen vorbei ritt, eskortiert und mit der üblichen Tatkraft. Marcus Mund hob sich einen Moment zu einem Lächeln. Blindes Vertrauen hegte Marcus in dem Kaiser als weitere Befehle via Tribun an die erste cohors weiter gereicht wurden. Marcus ritt bis zu optio Tallius Priscus.


    optio, lasse die Männer sich auf den weiteren Marsch vorbereiten. Wenn die Angreifer da oben zurück gedrängt wurden, geht es weiter. Und sie sollen wachsam bleiben. Wie immer halt.“


    Marcus zog an den Zügeln und entfernte sich mit dem Roß. Immer mal wieder spähte er hinauf auf den Berg, um zu sehen, was dort passierte.

    Lange Schatten warfen die Strahlen der Sonne, verzerrten die Formen der Menschen und Tiere, verschmolzen mit den scharfen Kanten der Felslandschaft, aber auch den schönen Pflanzen, die ihren Weg säumten, die das notwendige Odem aus dem tief blauen Fluß, dem gravitätischen Strom, heraus zogen. Die Hufen klapperten neben Marcus und die ledernen Zügel rutschten in seiner Hand hin und her, rieben an seinen schwieligen Händen. Ab und an blieb Marcus einen Moment stehen, um nach dem Schlauch zu greifen, im Gehen einen Schluck zu nehmen. Sein Blick schweifte umher und auf eine Gestalt auf einem – noch schmeichelhaft behauptet – häßlichem Tier. War das nicht...? Himmel und alle guten Götter, was machte ein Weibsbild mitten in dem Zug von Soldaten? Marcus Augenbraue wölbte sich familiencharakteristisch nach oben. Er steckte den ledernen Schlauch an den Sattel zurück und sah im selben Augenblick, daß bereits der Tribun sich um die Frau kümmerte. Marcus wandte sich wieder von dem Bild ab und ließ die Zügel etwas lockerer in seiner Hand. Der Wallach zerrte an dem Zügel und hätte Marcus – der im selben Augenblick nicht aufpasste – fast die Zügel aus der Hand gerissen; die Ohren des Tieres spitzten sich, die Nüstern weiteten sich. Unruhig hob das Reittier den Kopf und schnaubte, holte mit einem Male schneller aus, als ob er seinen Herrn überholen wollte.


    „He...ruhig, mein Junge!“


    Plötzlich wieherte der Wallach laut und seine Vorderhufen strebten in die Luft, mühsam hielt Marcus die Zügel fest, wobei sein Arm schmerzhaft sich zu Wort meldete, der ehemals Verletzte, der gerade erst etwas Besser geworden war. Irritiert zog Marcus das Roß herunter als ihm erst aufging, was gerade passierte. Pfeile flogen über ihn hinweg und ein Pfeil hatte sich in die Flanke seines Pferdes gebohrt, das wild und bockend sich von ihm losreißen wollte, um seinem natürlichem Instinkt nach zu geben: Flucht. Angsterfüllt tanzte das Pferd, Marcus hielt die Zügel fest gepackt, um das Tier nicht entkommen zu lassen, so daß es um ihn herum sich drehte und mit den Hinterhufen in die Böschung zum Abhang kam. Die Augen des Tieres verdrehten sich und es machte einen Satz nach vorne, um nicht in den Fluß hinab zu fallen. Marcus griff wütend – denn so leicht wollte er das Tier nicht entkommen laßen, er würde es dann nie wieder sehen! - in die dunkelbraune Mähne und schwang sich nach oben auf dem Rücken. Im nächsten Augenblick hielt Marcus schon den Atem an, denn ein Pfeil flog haarscharf an ihm vorbei und bohrte sich hinter ihm in das Erdreich. Die Flammen leckten den Schaft hinauf und erstickten im Erdreich, nicht ohne noch einige trockene Grashalme zu verbrennen, die aufglühten und zu schwarzer Asche zerfielen, was Marcus nicht mitbekam. Denn hastig riß er das Schild von der Seite seines Pferdes und konnte es gerade noch – mehr schief als recht – über sich halten und schon bohrten sich ein Pfeil in das Holz. Bei Mars, Pfeile, Pfeile, immerzu Pfeile. Dieses feige Pack!, drängte sich ihm als Gedanke auf. Sein Pferd war auch nicht einfach zu beherrschen und er mußte heftig an den Zügeln reißen, damit das Tier nicht davon galoppierte. Zufrieden bemerkte Marcus, daß der optio bereits alles notwendige befohlen hatte in dem Moment als Marcus mit seinem störrischen, aber auch verletzten Pferd kämpfte. Das Prasseln der Pfeile klang einen Moment ab, Marcus senkte das Schild für einen Herzschlag als schon die Befehle ihres neuen Legaten bis zu ihm weiter gegeben wurde.


    „Position beibehalten!“


    Marcus spähte in Richtung der Reiterei und dann zu dem Ursprung, wo die Pfeile her gekommen sein könnten. Sah Marcus dort oben nicht Gestalten? Ein Pfeil sauste in dem Herzschlag nach unten und bohrte sich einen Schritt von ihm entfernt in das Schild einer der Soldaten, sein Pferd machte einen Satz zur Seite und rutschte nun wirklich mit den Hinterhufen den Hang zum Fluß hinab. „Nicht schon wieder!“, knurrte Marcus und stieß seine Fersen in die Seite des Tieres, damit es wieder auf den Weg zurück kam.

    Eigentlich waren die Tage von Lobhudelei und Auszeichnungen gute Tage, dementsprechend hatte Marcus eben Jenen angegangen. Vorschläge waren aufgeschrieben worden, Empfehlungen für Beförderungen – natürlich nur für seine Einheit, aber es gab da den ein oder anderen, der es verdient hatte, in der Legion weiter zu kommen. Die Liste hatte Marcus mit einem Boten zu dem - zu dem Zeitpunkt noch- Tribun Tiberius gesandt, sich in seine Rüstung gequält – die Verletzungen an der Schulter machten es zu einer wahren Tortur- und anschließend hatte er sich mit dem mageren Rest seiner Einheit zu dem Platz begeben, wo nun die Männer ihren wohlverdienten Lob erhalten würden. Doch das, was sie erwartete, damit hätte Marcus im Traum nicht gerechnet. Wie vom Donner gerührt vernahm Marcus die Kunde von ihrem Legaten. Verschollen? Verschwunden? Nicht aufgetaucht? Aber nicht tot, trotzdem wird er nicht zurück kehren können? Das verstand Marcus nicht. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Ärger keimte in Marcus auf, denn der Platz des Legaten war kaum von dem Decimer verlassen worden, er gerade mal ein paar Stunden verschwunden und schon wurde er ersetzt? Ein derartig langjähriger und loyaler Legat? Marcus Treue zu seinem Legaten war stets unerschütterlich gewesen, er wäre ihm in das Inferno gefolgt, hätte der Mann das befohlen; in eine aussichtslose Schlacht und in das nördlichste und grauenerweckenste Land. Selbiges hätte Marcus wohl nur auf die Weisungen des Kaisers hin getan. Grimmig starrte Marcus auf den Nachfolger, der prompt den Platz von dem Decimer einnahm; Argwohn keimte in Marcus auf. Was, wenn der Tiberier dem nachgeholfen hatte? Womöglich war das Verschwinden mehr auf seiner Initiative zurück zu führen und eventuell plante er sogar noch schlimmeres; es wäre wohl nicht das erste Mal in der Geschichte, daß derartiges passierte – wobei Marcus nicht irgendeinen Präzedenzfall zitieren könnte, er hatte einfach zu wenig Ahnung davon.


    Marcus Wangenknochen mahlten aufeinander, traten unter der sonnen gebräunten Haut deutlich zu Tage und er fixierte einige Steine vor seinen Füßen, um nicht den argwöhnischen Blick nach vorne zu werfen. Seine Hand krallte sich um sein gladius, doch er riß es nicht in die Höhe, jubelte ebenso wenig, noch stimmte er in die Rufe ein. Mühsam war Marcus darum bemüht, den Ingrimm in Schach zu halten, in seinem tiefsten Inneren. Oh, wenn doch nur Hannibal hier wäre oder gar seine Mutter, die wüßten, was es zu tun galt, was für Handlungen angebracht wären! Marcus jedoch war ratlos in seiner Wut, denn er war es gewohnt, frei heraus zu sprechen, seine Gefühle nicht zu verbergen und lauter sich zu verhalten. Marcus sah auf und erblickte ihren neuen Legaten. Würde er ihm in den Tod folgen wollen? Nein! Würde er ihm bedingungslos ergeben sein? Ebenso wenig. Marcus sah zum Kaiser, die Gesichtszüge des Flaviers entspannten sich ein wenig, denn Marcus war sich sicher: Der Kaiser würde schon erkennen, sollte sich der Tiberier als die giftige Natter in der Legion erweisen, was Marcus in dem Moment vermutete, als ihnen gleichzeitig Verschwinden und Ersetzen des Legaten verkündet wurde.


    Eine flüsternde Stimme zu seiner Rechten raunte Marcus leise zu.
    'Du grollst doch nur, weil er Deine Mutter beleidigt hat!'
    Links hauchte eine dunklere Stimme- eindeutig mit einem boshaften Unterton.
    'Das ist nicht wahr! Und wenn schon! Das von damals unterstreicht doch nur die Niedertracht des Tiberiers!!'
    Die Stimme zur Rechten kicherte leise.
    ' Vielleicht, vielleicht auch nicht! Und was, wenn er doch nichts damit zu tun hat? Er hat doch auch unter dem Decimer gedient!'


    Irritiert blinzelte Marcus; herrje, was war denn das? Er sah nach rechts und nach links. Nein, kein Soldat der ihn angesprochen hatte. Sein Blick wanderte tiefer, zu dem kleinen Sack mit Kräutern; ob das wohl davon kam? Marcus schluckte und wischte mit einer fahrigen Handbewegung über seine Stirn jegliche Zweifel hin fort.

    Rauschend bewegten sich die Äste einiger Palmen in Marcus Nähe, die doch so zahlreich um die Stadt Edessa wuchsen. Zwischen all den vielen Menschen, Soldaten und Opferteilnehmern stand Marcus, ohne jegliche Rüstung, ohne Waffen, nur mit seinem pugio an seiner Seite, der in der goldsilbernen Dolchscheide steckte. Sein cingulum militare war das einzige Zeichen, was er an dem Tag des Opfers trug, daß ihn als Soldaten der römischen Legionen auswiesen. Die Sonne schien warm auf Marcus hinab, fast schon zu heiß an jenem Tage. In der Hand hielt er einige Körner, die er sich langsam in den Mund steckte. Gedrehte und gerollte Kräuter; bitter schmeckten sie in seinem Mund, vertraut bitter und mittlerweile recht gefällig, denn Marcus hatte sich gut an sie gewöhnt, vertrieben sie doch den Schmerz aus seinen Wunden, hielten ihn auf den Beinen, wenn er schon zu erschöpft war, um eigentlich noch seinen Pflichten nachzukommen. Und in den letzten Tagen hatte er oft das Bedürfnis gehabt, sich einfach hinzulegen und Wochen lang zu schlafen, all die Ruhe nachzuholen. Doch stattdessen kaute er nur auf dem bitteren Zeug herum und sah nach vorne, zu der beeindruckenden kaiserlichen Erscheinung. Die Wassertropfen reichten nicht bis zu Marcus, benäßten die Häupter der vorderen Zuschauer.


    Aufmerksam verfolgte Marcus die Worte des Kaisers, er bemühte sich den Sinn zu verstehen. Aber die geschichtlichen Bezüge, ja, die waren Marcus zu schleierhaft. Karthago...Karthago...ach, ja, da war doch was mit Hannibal. Marcus grinste breit, entsann er sich doch gut an die Kinderspiele, die er mit seinem Sklaven gespielt hatte, wobei es dort mit Sicherheit nicht historisch korrekt vor sich ging, denn natürlich hatte Hannibal stets in Italia zu verlieren. Eine weitere Kräuterkugel landete in Marcus Mund und ließ sie über seine Zunge zu den Zähnen gleiten. Gallien? Briten? Marcus wußte nicht so recht, wie er das einordnen sollte. Er hatte dabei mehr schlecht als recht aufgepaßt, wie stets, wenn es von den Lippen seines alten, vertrockneten Hauslehrers kam. Letztendlich verstand Marcus den Kern der Botschaft. Die Römer waren und sind unbesiegbar; oder so in etwa. Marcus lächelte still vor sich hin, vergeßen waren in dem Moment die erbitterten Momente in dem Kampf, die schweren Strapazen, die großen Gefahren, die Marcus bis ins Innerste zu erschüttern vermochten. In diesen Herzschlägen bei dem Opfer, dort zählte nur der Sieg. Zumit zeigte Marcus die Zufriedenheit darüber im Gesicht und seiner entspannten Köperhaltung, wenn auch noch die Verbände an seiner Schulter und dem Unterarm von den unschönen Seiten ihres Sieges und Marsches offenbarten. Das Opfer gelang, Marcus schickte drei Soldaten ihrer Einheit nach vorne, damit diese sich darum kümmerten, daß die Zweite auch etwas von dem Opferfleisch abgekamen. Dann erst wandte sich Marcus um, um sich wieder den Pflichten zu stellen, die ihn alltäglich verfolgten.

    Mein Junge, egal ob Ägypten, Baiae oder Athen, kein Exil ist weit genug als daß ich Dich nicht nach dem Krieg wiederfinde. ;)



    ....und den Löwen hättest Du auch noch bekommen. :]


    Fazit: Ich erwarte Dich baldigst zurück.

    Blaue Tropfen perlten an seinen Händen entlang, spritzten in die Luft, schillerten in dem warmen Licht der Sonnenscheibe. Marcus hatte sich neben das Ufer gekniet und beide Hände tief in das frische und kostbare Nass getunkt. Noch vor kurzem war jeder Tropfen davon so kostbar wie Gold oder edle Gewürze gewesen und nun floss es in Pracht und Fülle an dem langen Zug von Soldaten vorbei. Gierig trank Marcus von dem klaren Naß und spürte die Kühle seine Kehle hinab rinnen. Neben ihm stampfte sein brauner Wallach, der ihn schon seit Tagen durch das Land der Parther trug. Seit den vermaledeiten Verletzungen fühlte sich Marcus immer noch zu angeschlagen, um wieder zu Fuß mit den Soldaten mit zu marschieren. Doch an manchen Stellen stieg Marcus immer mal wieder vom hohen Roß herab, führte den Wallach hinter sich her und lief an der Seite seiner Zenturie mit. Staub wurde aufgewirbelt, andere Pferdehufe gruben sich in den trockenen Boden hinein, hinterließen die U-förmigen Spuren auf dem Grund am Rande des Ufers, wo einige Soldaten die Wasservorräte für die Zenturie auffrischten, ehe sie den Weg über einen weiteren Pass hoch über den blauen Band, was das Leben in dieser Gegend bedeutete, zu begehen. Marcus richtete sich auf und klopfte einigen Staub von seiner Rüstung. Ein Schatten fiel auf Marcus hinab; mit einer Hand beschirmte Marcus seine Stirn und spähte hinauf, erkannte einen seiner Zenturiokollegen- anhand des Helmes und der sonstigen Zier. Dieser nickte ihm zu und bewachte ebenfalls das Beladen von einigen Wägen. Marcus füllte in Ruhe den ledernen Schlauch, den er an seinem Gürtel trug, band diesen dann jedoch an seinem Sattel fest und griff nach den Zügeln.


    „Ich spüre es in den Knochen. Sol Invictus ist mit uns. Meinst Du nicht auch?“
    Marcus schwang sich auf den Wallach, der stämmig von Natur aus war und so gut sein Gewicht tragen konnte. Kein zierliches Roß hätte Marcus länger als ein paar Stunden aushalten könnten, insbesondere mit seiner Rüstung.
    „Hm? Sol...?“
    - „Invictus!“


    Die Wägen rollten davon und Marcus' Pferd erklomm den Hang bis zu der Straße. Zahllose Füße tummelten sich bereits seit Stunden auf dem Weg tiefer in das parthische Land hinein, denn einem riesigen Wurm gleichend rollten die Legionen an dem Fluß entlang. Ein Meldereiter donnerte an Marcus vorbei, in der Ferne erkannte Marcus das Banner der Prätorianergarde, die sich natürlich um den Kaiser gescharrt hatten. Zumindest meinte das Marcus zu erkennen; der Groll gegenüber diesen Schwarzgerüsteten war in Marcus noch sehr groß. Er wandte sich an den Zenturio, der neben ihn entlang ritt. Ein älterer Soldat, mit Wettergegerbter Haut, einer lange Narbe, die sein Gesicht dem Fluß gleichend zu durchqueren schien, seine Lippe in der Hälfte teilte und dem Mann ein martialisches Aussehen verlieh. Der centurio bemerkte Marcus fragenden Blick.


    „Mithras!“
    Marcus Augenbrauen zogen sich etwas zusammen. Mehr nachdenklich.
    „Du hast doch schon von ihm gehört, centurio?"
    Marcus nickte marginal. Ein paar Mal war Marcus der Name dieser Gottheit schon begegnet, aber er hatte nie länger zugehört. Sich bis dato nicht dafür interessiert.
    „Einige Männer, sehr viele sogar, von der X., aber auch der XII verehren den Sonnengott.“
    Verwundert blickte Marcus ihn an.
    „Tatsächlich?“
    Der fremde Zenturio nickte.
    „Ja. Vielleicht möchtest Du mal bei uns vorbei schauen. Wenn wir ein Zusammentreffen haben?“
    Unschlüssig war Marcus. Aber was konnte es schaden, wenn man einem Gott huldigte? Bestimmt nicht! Darum nickte Marcus zustimmend.
    „Wieso nicht?“
    Zufrieden lächelte der Zenturio. Seine Lippen teilten sich dabei auf eine groteske Weise.
    „Salonius Saxa ist mein Name. Titus Salonius Saxa, zweite cohors, dritte centuria der Zehnten. In vier Tagen, sollten wir da noch alle leben. Vale, Flavius.“
    Saxa tippte sich an den Helm ehe er sein Pferd umwandte und davon ritt. Erstaunt sah Marcus dem Mann hinter her. Woher wußte der seinen Namen? Doch Marcus machte sich keine großen Gedanken darum, sondern schloß wieder zu seiner Einheit auf, um abzusteigen und wieder neben den Männern her zu laufen.

    Gestürzt, gefallen, hinab geplumpst. Das war der centurio eindeutig. Derart selig lag Marcus auf den steinigen Boden der parthischen Erde, die noch die Hitze des Tages abstrahlte. Ganze Wälder wären gesägt worden mit dem lauten Schnarchen des centurio. Weit weg hingegen ist der benebelte Geist von Marcus, träumt sich wieder in die Arme der schönen lupa zurück, lächelte selig, schmatzte leise und sägte genüsslich weiter. "Steh auf, quirite!", drang donnernd durch die Zwiebelschalen seines beduselten Verstand. Marcus reckte sich marginal, stöhne leise und meinte mürrisch: „Hm?! Lass mich schlafen, Naevius...“, lallte seine Zunge schwer und behäbig. Noch war es bestimmt nicht Zeit zum Aufstehen. Seelenruhig wollte er weiter schlafen, doch sein Bett erschien ihm mit einem Mal doch etwas hart zu sein. Er rollte sich auf den Boden herum, suchte mit den Händen nach seinem Kissen, fand jedoch nur die Fußspitzen der Iulia Helena. Etwas vewirrt tasteten seine Fingerspitzen etwas höher, er zog seine Hand zurück, suchte weiter und fand den anderen Fuß. Das irritierte Marcus selbst in seinem Suff deutlich. Blinzelnd öffnete er ein Auge. Über ihm verschwammen helle Lichter mit dem dunklen Hintergrund, es schwankte um ihn herum und ihm wurde speiübel. Ein elendes Stöhnen kam von seiner Kehle. Als sich Marcus auf den Rücken rollte, verwickelte er sich in einige der Zeltschnüre, in seine Schulter bohrte sich schmerzhaft einer der Holzstücke, die in den Boden gerammt worden waren, um die Zelte auf dem kargen Grund fest zu halten, wenn wieder mal der nächtliche Wind über die Zelte hinweg strich. Blinzelnd starrte Marcus nach oben und erkannte eine...ja, was erkannte Marcus...? Er brauchte einige Herzschläge, dann sah er es: Eine Frau. Eine dunkelhaarige – sie hätte auch blond sein können, im Moment sah alles für Marcus recht düster aus – Frau mit stolzer Haltung. Ein breites Lächeln breitete sich auf Marcus Gesicht aus, das Lächeln hatte etwas kindlich- trotteliges an sich.


    „Mater!“


    Das dämlich- drollige Grinsen war immer noch auf Marcus Gesichtszügen. Mühsam rollte sich Marcus auf seine Seite und versuchte auf die Beine zu kommen, doch der Rausch ließ ihn ein, zwei Mal wieder auf den Boden zurück plumpsen. Immer wieder versuchte sich Marcus aufzurappeln, landete jedoch nur auf seinem Hinterteil. Ein leises „Au! Herrje!“, entfleuchte Marcus. Blinzelnd sah Marcus zu Helena hinauf, die er – sternhagevoll wie er war- tatsächlich für seine Mutter hielt. Daß sie eigentlich in Baiae war und er im fernen Parthia, eine derartige Logik war Marcus momentan nicht zugänglich.


    „Ich hab nichtsch ge-...gemacht. Ehrlisch nich'. Dasch war Hannibal! Wirklisch!“
    Schuldbewußt war Marcus schon bereit, sich weiter zu verteidigen; er wußte jedoch, daß seine Mutter ihn stets sofort durchschaut hat – aber seine Lügen waren oftmals recht einfältig und leicht zu erkennen.
    „Ich hab' nur ganz wenig getrunken...aber wasch machen d... *hicks* ...die ganzen Zelte hier?“
    Verwundert sah sich Marcus um. Ah, das Zeltlager der Soldaten.
    „Und Du in Parthia?“
    Nun war Marcus doch etwas verwundert.

    An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit hätte Marcus wohl Widerwillen gegenüber der vertraulichen Geste von Vitamalacus gespürt, grollte er ihm doch immer noch der wenigen – aber äußerst fatalen – Worte in der Grundausbildung vor vielen Jahren in einem fremden Land, weit entfernt von Parthia – dem kalten Germania. Doch in diesem Augenblick, in der Stunde- wo die Schwarzgerüsteten sie alle derart beleidigt hatten- war das anders. Die tiefdunkle, rote Farbe wich etwas aus Marcus Gesicht, seine harten Schultern entspannten sich etwas und er beruhigte sich marginal. Zufrieden vernahm Marcus die Worte des senatorischen Tribuns, blinzelte einige Male verblüfft als er den zweiten Teil der Rede vernahm. Es kam Marcus bekannt vor, bis ihm klar wurde: Es waren seine bereits ausgesprochenen Worte. Donnerwetter! Marcus hätte sich noch nicht mal mehr an seinen eigenen Wortlaut entsinnen können. Kalt richtete Marcus seine Augen auf die Prätorianer, konnte nicht wirklich verstehen, was deren Tribun zu Vitamalacus erwiderte – nur bruchstückhaft – aber es vermochte tiefe Genugtuung in Marcus auszulösen, als die Prätorianer verschwanden. Marcus richtete sich etwas auf und sog die Luft durch seine Nase in die Lunge hinein, die kochende Wut war schon bezähmt, aber Marcus war immer noch sehr aufgebracht.

    Spontane Reden waren bei Marcus meist sehr emotional, unkontrolliert und ohne Bedacht gewählt. Und wenn Marcus sich einmal darin verloren hatte, war es wahrlich notwendig ihn zu stoppen. Die Stimme von Avitus drang an Marcus Ohr. Ein Herzschlag und sie drang auch bis zu seinem Geist hervor, der noch von dem Jähzorn umnebelt war. Gerade wollte er den Mund noch weiter auf machen, um weiter zu sprechen – es wären jedoch nur unflätige Beleidigungen heraus gekommen und die, ja, davon kannte Marcus wirklich einige. Aber er hatte nun mal nicht die Redegewandtheit eines Flavius Gracchus oder Tullius Cicero, nein, wahrlich nicht. Womöglich war es darum gut so, daß Avitus ihn gerade noch rechtzeitig bremste.


    "Du hast Recht, centurio!"


    , knurrte Marcus leise zwischen den Zähnen hervor.
    Marcus holte tief Luft und schloß den Mund. Heftig hob sich seine Brust hoch und runter, als ob er einen körperlichen Kampf ausgefochten hatte. Doch der Kampf mit Feder und Wort war für Marcus weit schwieriger, weit bewegender als der mit blankem Stahl. Zornig starrte er den Tribun an, doch Marcus schwieg. Er hatte womöglich schon genug gesagt, eventual auch zu viel, was ihm in dem Moment durchaus bewußt wurde und mit jedem Atemzug mehr. Marcus ballte die Fäußte noch mehr zusammen und preßte ganz fest die Lippen aufeinander, damit nicht noch mehr Worten seinem Mund entschlüpfte. Sein Blick wanderte zu Vitamalacus.





    SimOff: Mir dünkt, der SimOff Kommentar von Avitus war auf seinen eigenen Beitrag bezogen, nicht auf Dich, Decius. Ich glaube kaum, daß jemand hier Dir persönlich etwas anhängen möchte. Und ein wenig soldatische Rivalität und Feindschaft kann ja auch belebend wirken. ;) Auch von meiner Seite ist das rein SimOn gemeint.

    Eben noch war Marcus noch mit einem glücklichen Lächeln zufrieden über seine Männer, der Welt und dem Ausgang der ganzen Geschichte als er schon die Worte des prätorianischen Tribuns vernahm. Im ersten Moment konnte Marcus nicht glauben, was er dort hörte, wollte es womöglich auch nicht. Marcus Mund öffnete sich in ungläubigen Erstaunen, denn derartige Beleidigungen gegenüber des Stellvertreter des Legaten, dem ersten Speer und all der Soldaten auszusprechen, mitten im Krieg, direkt an der Front, wo so viele Männer der Prima ihr Leben gelassen hatten, das hätte Marcus nicht erwartet. Jetzt verfärbte sich Marcus Gesicht dunkelrot, hitzige Wut und Zorn kochten in Marcus hoch – Marcus war noch nie ein besonnener Mann gewesen und hatte sich schon oft um Kopf und Kragen geredet. Und auch hier brodelten die unbedachten Worte in ihm auf wie Magma aus einem regen Vulkan und dieses Mal brachen sie auch hervor, mit dem Unterton von bebender Wut und tiefer Verachtung.


    „Treue, Ehre, Mut! Dafür steht die Prima ein, jeden Tag, zu jeder Stunde. WIR haben den hohen Blutzoll bezahlt in der Schlacht, WIR haben als das Schwert des Kaisers gehandelt und die Parther zurück geschlagen. WIR sind die erste Legion, die Soldaten des Kaisers. In NICHTS steht die Legion der Garde an Treue, Verpflichtung und Loyalität nach. Für den Kaiser würde ein jeder von uns sein Leben geben und hier, mittem im Krieg, ist jeder Mann in der Prima dafür notwendig, wir sind das Schild des Kaisers und wir garantieren seine Sicherheit. Wenn DIESE Männer dort...“
    Marcus deutete auf die Soldaten, besonders Serapio und Licinus.
    „...sich für die Treue gegenüber ihren Kameraden aussprechen, für die Legio Prima, dann tun sie das für den Kaiser. Für das römische Volk und für den Senat. Womöglich hast DU, Tribun, vergessen, wo wir hier sind und was unsere Aufgabe ist. Die Prima ist in Loyalität und Mut nicht anzuzweifeln und ich bin stolz auf jeden dieser Männer, die das Wort Fidelis in ihren Herzen tragen. Und ich bin mir sicher, der Kaiser sieht das ganz genauso. Ich bezweifel' sogar, daß der Kaiser es gut heißen würde, wenn einer Natter gleichend ihr uns die Männer aus der Einheit holen wollt...nein! Die Prima ist und war von je her die treueste Legion des Kaisers...“


    Marcus Nasenflügel erbebten heftig und seine Stimme hatte von einem tiefen, lauten Ton sich zu einem Kalten, Schneidenden gewandelt. Er holte tief Luft und wollte noch mehr seiner Wut Ausdruck verleihen- die Besonnenheit seines vorgesetzten Zenturio teilte Marcus offensichtlich nicht.

    Natürliches Unbehagen herrschte in Marcus in Gegenwart der Prätorianer; Marcus verstand nicht, warum der Kaiser auf eine Garde vertraute, von der man doch offensichtlich wußte, daß sie das größte Potential zum Verrat hatten. Es war jedoch mehr persönlicher Groll, der Marcus in dem Moment bewegte. Dennoch sah er von den Schwarzgerüsteten weg und zu ihrem Tribun, lauschte seinen Worten, die doch erst recht gut klangen, indes zeigte sich schon mit dem zweiten Satz der Hacken an der Angelegenheit. Abwerben? Bei Mars, das konnten die Prätorianer nicht ernst meinen?!? Oder doch? Marcus Gesicht offenbarte blankes Erstaunen, dann gesellte sich auch Zorn dazu, was sich in einer schleichenden Röte manifestierte. Es fing an seinem Hals an und schlich bis zu seinem Gesicht hinauf, etwas dunkler als die Röte, die sonst seine Verlegenheit offenbarte, aber noch heller als die Rotfärbung, wenn er Minuten hindurch gelacht hatte. Doch kein Lachen stand in seinen braunen Augen, der Zorn strahlte aus diesen hervor. Marcus machte schon den Mund auf um etwas zu erwidern, doch – zu seinem Glück – war Vitamalacus schon an ihnen vorbei getreten. Ärgerlich preßte Marcus die Lippen fest aufeinander und warf Avitus einen kurzen Seitenblick zu; er war sicherlich auch nicht sonderlich von dem Vorhaben der Prätorianer begeistert.


    Marcus verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ballte dort seine Fäuste fest zusammen, um einigermaßen die Ruhe zu bewahren. Seine Augen fixierten einige Steine vor seinen Füßen, denn er wollte den Soldaten kein Zeichen geben, was ihre Entscheidung abändern würde. Wenn der Tribun schon die Entscheidung in die Hände dieser Männer legen wollte. So flüchtete sich Marcus einige Herzschläge lang in Gedanken. Indirekt hatte ihm der Kaiser einst ein derartiges Angebot gemacht. Mit der Zeit, wenn er länger bei den Legionen gedient hatte, wollte er ihm wohl auch die Möglichkeit offerieren in die Garde einzutreten. Zumindest hatte ihm das sein Sklave so gedeutet, für Marcus war das alles während der Audienz viel zu subtil. Marcus Fingergelenke traten weiß unter der sonnengebräunten Haut hervor, als er die Fäuste fester zusammen drückte. Wie würde er wohl entscheiden? Für Marcus war es sonnenklar, nie und nimmer würde er unter dem arroganten, selbstherrlichen und anmaßenden Parvenue – das Wort hatte Marcus bei seinem Vetter auf geschnappt, es mußte wohl etwas ganz schlimmes sein, nur was? Marcus wußte es nicht – dienen; von dem auch noch Befehle entgegen nehmen, gar salutieren! Nein, niemals! Marcus hob den Kopf als Licinus vor trat. Früher hätte so ein Angebot Marcus mit Sicherheit gereizt, mehr als das sogar. Als Kind hatte er sich das oft vorgestellt – neben einer Karriere als Gladiator, was ihm seine Mutter in den Jugendjahren schon streng verboten hatte. Marcus sah in das Gesicht des jungen Mannes vor ihm und war von dessen Antwort verblüfft. Licinus gehörte zwar nicht zu seiner Zenturie, aber die Courage machte Marcus doch stolz, wußte dennoch, daß jener Mann wohl viel von ihrem primus pilus gelernt hatte. Ein Hauch von einem Lächeln schlich auf Marcus Gesichtszüge. Guter Mann! Er verdiente wirklich, das signum zu tragen.


    Marcus holte tief Luft als dann ein Soldat von seiner Zenturie vor gerufen wurde. Decimus Serapio, der Jüngste der Truppe, der Katzenretter, geheimer Liebling vieler Soldaten; die Einen mochten ihn, weil er so offen war, von einer unerschütterlichen Fröhlichkeit umgeben wurde, Andere weil er eine Art Talisman – ein Glücksbringer - geworden war, und einige Wenige...nun, das wollte Marcus lieber nicht zu Ende denken. Daß der Junge hübsch war, ist Marcus natürlich auch aufgefallen, aber mehr als solche Gedanken überließ er lieber seinen Vettern, die wohl deutlich mehr Gefallen an derartigem gefunden hätte. Marcus sah den jungen Mann an, der sich in seinen Augen bisher doch sehr gut geschlagen hatte, tapfer sich in den Reihen gehalten hatte und den die Götter wohl mit Wohlwollen betrachteten – schließlich lebte er noch, trotz einer sehr kurzen Ausbildung und keiner militärischen Erfahrung bis anhin. Was würde er wohl sagen? Gleich zu den Prätorianern zu kommen...das war für junge Menschen sicherlich lockend, zu verlockend. Marcus hielt den Atem an, lange Zeit und erst zwei Herzschläge später hörte er wirklich, was Serapio gerade ausgesprochen hatte. Der Junge hatte es abgelehnt? Tatsache! Donnerwetter! Marcus sah ihn verblüfft an, erstaunt und das Grinsen breitete sich nun über sein gesamtes Gesicht aus. Marcus war in dem Moment sehr stolz auf den Jungen, noch mehr als bei Licinus; es hatte schon etwas von väterlichem Stolz, den Marcus in seiner Brust verspürte. So einen Schneid hatte er Serapio wirklich nicht zugetraut und er freute sich um so mehr, in dem jungen Mann mehr davon zu finden als er sich selber – Marcus Flavius Aristides – in dem Alter zu getraut hätte. Marcus konnte es sich nun doch nicht verkneifen, er nickte Serapio zu: Mit dem Ausdruck von Zufriedenheit, einer Beau Geste und ehrlicher Freundlichkeit.

    Centurrrrio?“


    Ein Schnurren an Marcus Ohr, wie eine lästige Fliege wollte Marcus das Summen hin weg scheuchen, doch es folgte ein Lachen und dann tropfte ihm etwas Kaltes ins Gesicht. Ärgerlich grummelte Marcus leise und öffnete ein Auge. Nein, er versuchte das Auge zu öffnen, doch schwere Gewichte schienen an seinen Lidern zu hängen. Langsam hob es sich dann doch und er starrte in ein verschwommenes gelbes Licht. Betörend tanzte es vor seinem Auge hin und her, schwebte mal nach unten, dann wieder nach oben. Ein schwarzer Schatten glitt davor hinweg, erneut landeten einige kalte Tropfen in seinem Gesicht. Hell klimperten silberne Kettchen, raschelte leichter Stoff, der kaum einen schlanken Körper verbergen konnte; es drang der Geruch nach sinnbetäubend duftenden Ölen an seine Nase. Die weiche Stimme einer Frau, mit einem guturalen Akzent, ertönte in seinem Ohr.


    Centuuuurrrrio? Aufwachen...“


    Mühsam fokussierte sich Marcus auf das sanft geschwungene Gesicht der Frau. Wie hieß sie noch mal gleich? Marcus hatte es vergeßen. Es war ihm auch recht gleichgültig gewesen. Ihm schwirrte der Kopf, nein, er schwebte bereits unter dem Zelt, welches zu dem lupanartroß des Lagers gehörte, Tücher trennten das große Zelt in kleinere Räume, Marcus hörte das brünstige Stöhnen anderer Soldaten, die falschen Lustbezeugungen der lupae, damit die Männer schneller fertig wurden. Wo waren sie, die Legionen? Schon weit entfernt von Edessa, die Stadt, die in Marcus Geist zu einer Ansammlung von brauen und ockerfarbenen Häusern verschwamm, umrahmt von vielem Grün. Eine Enttäuschung war die Stadt, weder schöne dunkelhäutige Exotinnen hatte Marcus ergattern, noch sonderlich groß Beute machen können. Aber die marginale Frustrierung war schon längst vergeßen. Warme Schenkel, viel Wein und gutes Essen hatten Marcus in den letzten Tagen das Leben wieder erträglich gemacht. Viva la vita!
    Seine pelzige Zunge fuhr über die trockenen Lippen und er rappelte sich etwas in die Höhe.


    „Hast Du noch Wein, Venustas?“


    Vinum, fututio, pecunia, das waren alles Wörter, die die lupa aus dem fernen Africa sehr gut verstand, sonst sprach sie eine Mischung aus dem ägyptischen Griechisch, dem niederen Latein der Soldaten und ihrer Muttersprache. Sie drückte Marcus einen Becher mit rot schillerndem Nass in die Hand. Marcus stürzte den Wein herunter und seufzte, grunste dann leise und sah an sich herunter. Wo war seine Rüstung? Ah, im Lager. Wo war das Lager? Er wußte es nicht wirklich. Irgendwo hinter dem Troßlager. Seine Finger griffen suchend nach seiner Tunika. Einige Herzschläge später stand Marcus bereits an der Zeltplane, die frische Luft schlug ihm entgegen. Mit einer Hand tätschelte er die Wange der lupa, mit der Anderen drückte er ihr einige Münzen in die Hand.


    „Bischt ein prächtig' Mäd...Mädchen, Venustas!“


    Schon torkelte Marcus davon, über ihm schwankten bedrohlich die Sterne und in seiner Hand hielt er noch einen halb vollen Schlauch mit Wein. Jeder Schluck half ihm, unangenehme Gedanken von sich fern zu schieben, die stets dann kamen, wenn die Arbeit weniger, wenn es still im Lager wurde und die Soldaten sich schlafen legten. Irgendwo dahinten schien das Tor aufzutauchen. Noch einmal benetzte Marcus seine Kehle mit dem wunderbar vergorenen Saft, versteckte den Schlauch schnell unter seinem Umhang und trat auf die pilamauer zu.


    „Pssttt....la-...la-...laßt misch rein, Jungs!“
    Zwei Soldaten spähten hinüber, starrten Marcus einen Augenblick mißtrauisch an und flüsterten dann leise miteinander.
    „Ist das der Tribun?“
    „Nein, ich glaub der centurio vom Abend. Wie viel hat er noch mal gezahlt?“
    Münzen wurden gezählt.
    „Geht so. Wir sollten die Preise anziehen.“
    Einer der Soldaten spähte über die Spitzen hinweg.
    „Parole?“
    Marcus hielt sich mühsam an dem Torpfosten fest und spähte mit verkniffener Miene nach oben.
    „Was für eine...? Häh?“
    „Doch, das isser! Kannst rein kommen, centurio.“
    Das Tor öffnete sich einen winzigen Spalt, leider nicht genug für Marcus nicht unbeträchtlichen Leibesumfang – schließlich war Marcus kein athletischer Jüngling mehr. Mühevoll versuchte er sich hindurch zu quetschen.
    „Jungs, jetzt macht schon etwas mehr auf...ja, so ist's recht. Puh!“


    Marcus tippte sich an die Stirn und torkelte weiter. Mal lenkten ihn die Schritte unkontrolliert nach Links, dann eine scharfe Kurve nach Rechts. In einer Lagergasse blieb Marcus stehen, griff nach dem Schlauch Wein und trank den fast letzten Tropfen. Er hob ihn an und presste noch den allerletzten Tropfen heraus, der sich an der Kante sammelte und dann auf seine ausgestreckte Zunge nieder fiel. Schwermütig seufzend versuchte Marcus den Beutel an seinen Gürtel zu binden, doch da er den Gürtel bei der lupa vergeßen hatte, scheiterte der Versuch, der Lederschlauch fiel auf den Boden und Marcus torkelte langsam weiter. Seine Füße wollten dummerweise immer mal wieder in eine ganz andere Richtung als der Rest seines Körpers, Marcus schwankte immer mehr, fühlte sich gar schon auf des Meeres Wogen. Herrje, wo waren nur die Zelte? DIE Zelte freilich- sein Zelt viel mehr. Da, er meinte schon endlich sein Zenturiozelt ausgemacht zu haben, das erlösende Bett- was ihn vor dem Sturm des Weinmeeres retten würde- war nahe und Marcus Füße flogen dem entgegen. Doch mehr nur in seinem Wunschdenken, denn schon verhakten sich seine Beine in zahlreichen Zeltseilen, deren Pflöcke tief im Erdreich steckten und es war Marcus Körper, der einen Herzschlag lang flog und mit seiner vollen Wucht – dank des nicht wenigen Gewichtes – auf dem Erdboden landete, Zeltpflöcke wurden heraus gerißen, Seile zischten davon und ein Zelt stürzte neben Marcus ein. Marcus indes lag auf allen Vieren und es schwindelte derart um ihn herum, daß er nicht wußte, wo oben und unten war. Lag er auf dem Himmelsdach oder der kalten Erde? Schon einen Moment später war ein leises Schnarchen von ihm zu vernehmen. Selig entschlummerte Marcus und merkte nicht, daß sich Füße ihm näherten...



    SimOff: Herrje, da würde wohl gerne jemand zuerst antworten. Wie nennt man das im IR? Reserviert, aber natürlich nur der nächste Beitrag zumindest.

    Schon die wenigen Schritte hatten gereicht, damit die Rüstung auf Marcus Schulter drückte. Unangenehm war das Gewicht auf der noch frisch genähten Wunde, brennend das Reiben des Metalls über den Stoff. Innerlich verfluchte Marcus sich dafür, daß er nach seiner lorica geschickt hatte, aber wenn es schon zum Tribun ging, dann nicht alleinig in einer centuriotunica. Marcus reckte seine Schulter etwas und fuhr mit seinem Finger unter eine Lücke, um die schwere Rüstung etwas zu Recht zu rücken, damit nicht gerade eine der Nieten auf seine Wunde drückte. Er nickte kurz und folgte Avitus prompt, warf dabei einen Blick auf die Soldaten hinter sich. Ein ungutes Gefühl machte sich an Marcus Nacken breit als er der Prätorianer gewahr wurde. Ein natürliches Mißtrauen herrschte in Marcus vor, gegen die Garde, die nicht nur einmal gezögert hatte Patrizier um die Ecke zu bringen, Senatoren verschwinden zu lassen und Kaiser zu ermorden. Marcus Gesichtsausdruck verhärtete sich unwillkürlich. Denn natürlich hatte die Garde noch einen weiteren unangenehmen Grund für Marcus: einer ihrer praefecti. Marcus holte tief Luft, spürte in dem Moment wieder den stechenden Schmerz an seiner rechten Schulter. Dennoch hob er den Arm und schlug ihn gegen die linke Brustseite, um vor dem Tribun zu salutieren. Da Avitus bereits Meldung gemacht hatte, hielt Marcus es erstmal nicht für notwendig noch etwas anzufügen.

    Hätte man sich Marcus Flavius Aristides noch vor einigen Jahren angeschaut, man hätte nicht glauben könne wo der signifer ihn nun fand. Damals, wo er nur von einem Lupanar zur nächsten Orgie wanderte, von dem Bett zu den Thermen, in so einer Zeit hätte Marcus niemals an Arbeit gedacht. Doch nun lag er mit dem Rücken unter einem der Wägen, worauf die schwere Last der Zenturie am nächsten Tag geladen werden sollte. Neben ihm lag ein immunes und deutete auf eine Stelle an der Achse. Marcus grummelte leise ein: „Hm!“ oder ein „Aha!“ Immer wenn die Erläuterungen deutlicher wurden, damit Marcus die Handwerkskunst des Mannes und das Problem verstand. Gerade rutschten beide Männer unter dem Wagen hervor und erhoben sich als Licinus zu ihnen kam. Marcus wischte sich eine Hand an der dunkelroten Tunika ab, die etwas von dem Dreck des Wagens abbekommen hatte. Verwundert lauschte Marcus den Worten des Mannes.


    „Aha. Der tribunus?“


    Marcus nickte und wandte sich zu dem immunes.


    „Lauf, und sage den genannten Männern Bescheid. Sie sollen sich sammeln, ich komme sofort nach.“


    Marcus nickte Licinus freundlich und mit einer recht gutmütigen Miene zu. Marcus ahnte nichts Böses, viel mehr glaubte er womöglich etwas Gutes steckte hinter der Nachricht. Womöglich wollte der Tribun die Männer besonders loben, wenn eigentlich – in seinen Augen und sicherlich auch in denen des Tribuns – alle seiner Einheit das Lob verdient hätten. So dachte Marcus darüber nach, was sie wohl sonst erwarten könnte. Doch zuerst galt es seine Rüstung zu holen. Er rief einen Soldaten heran, dem er den Auftrag gab, seiner Rüstung aus dem Zelt zu holen. Marcus griff nach der Rüstung als sie ihm gereicht wurde und streifte sie sich über. Mit einem freundlichen Nicken deutete Marcus dem signifer mitzukommen, dort, wo die Männer sich sammelten.


    „Männer, der Tribun will uns sprechen. Ich hoffe, niemand von euch hat mir Schande bereitet. In zwei Reihen aufstellen. Im Gleichschritt mir folgen.“


    Marcus ließ Licinus voraus gehen, damit er sie zu der erwähnten Versammlung, der Herbeibeorderung auch führen konnte. Bei Avitus angekommen, nickte Marcus ihm etwas erschöpft, aber recht gelassen zu.


    Salve primus pilus. Der tribunus wünscht die Männer zu sprechen?“





    *SimOff: Ich nehme mal an, wir wurden dort hingefürt, Licinus, sonst editiere ich nochmal.

    Ein Sklave? War da nicht etwas? Ach ja, Tatsache. Kein Germane, kein Kelte, leider etwas zu sehr ein Mann...willst nicht doch lieber eine Sklavin spielen?...wohl doch nicht...naja...joa, das passt schon. :D


    Willkommen unter dem Regiment der etwas seltsamen Flavier. Wenn ich eine weibliche Flavia frei zitieren darf?
    Und die Tore schloßen sich unwiderbringlich hinter dem Sklaven.
    Muahahaha....



    @Avitus: Gratias. Die Sklavenschaft ist auch nicht mehr das, was sie früher mal war.

    Immer und immer weiter stach die Sonne herab, bohrte sich in Marcus Kopf hinein, wie tausend feine Nadelstiche, suchte danach seinen Geist zu benebeln und seine Gedanken zu verklären. Unter sich spürte Marcus die Bewegungen des Pferdes, hörte das Klappern der Hufe als sie über den steinigen Boden traten. Marcus hatte das Gefühl, die Landschaft haßte sie, wäre nur zum Trotz verdorrt, um es den römischen Soldaten schwer zu machen, sie zu strafen für ihr Eindringen in das Land mit den römischen Sandalen, deren Nägel sich mit jedem Schritt auf dem Boden abwetzte. Heuschrecken gleichend, die sich über das Land stürzten, von einer grünen Oase zur Anderen zurück zogen und nur braches Land, tote Äste zurück ließen. Während Marcus neben der zweiten Zenturie her ritt, war er schon seit Stunden- seit zwei Tagen- in das düstere Brüten verfallen. Immerhin hatte er sich dazu durch gerungen zu reiten, statt zu marschieren, wie es auch so manch ein centurio selbst in unverletztem Zustand tat. Marcus leckte sich über die trockenen Lippen und schob sich etwas von den Kräutern in den Mund, bitter schmeckten sie auf seiner Zunge, aber er hatte sich mittlerweile gut an sie gewöhnt – vielleicht etwas zu gut – aber sie halfen den pochenden Schmerz an seiner Schulter zu vertreiben. Garstig hatte der medicus im Lazarett auf ihn eingestochen, hatte die alte Wunde von dem ersten Scharmützel erneut zugenäht, sie war in der letzten Schlacht aufgeplatzt. Als ob er auf ein totes Tier ein stach, so kam sich Marcus bei dem Arzt das letzte Mal vor, aber Marcus hatte keine Ahnung, was dem Griechen im Lazarett über die Leber gelaufen war. Irgendwas von: Vermaledeite Frauen, hatte er gefaselt; Marcus war es egal gewesen, er hatte das Kraut verlangt -was auch immer darin war, dann hatte er erneut andere Arbeit zu tun.


    Stimmengemurmel drang bis zu Marcus Ohren, er sah auf und das erste Mal seit langem labten sich seine Augen an prächtigem Grün, eine fruchtbare Ebene bereitete sich vor ihnen aus und inmitten thronte die Stadt- Edessa, die noch oft Beute erbitterter Kämpfe werden sollte und so womöglich auch an jenem Tage. Hügelig war auch hier die Landschaft, ockerfarben zeichneten sich die Häuser ab, die Straßen waren einem wohl geordnetem Netz nach entworfen worden als ob eine riesige Spinne ihre Straßenfäden durch die Stadt gesponnen hatte. Scharf waren auch die Konturen der Mauern, deutlich die wehrhaften Türme der Stadt, in jede Himmelsrichtung deutend. Marcus beschirmte seine Augen und starrte auf etwas, was ihm wie eine Festung erschien, eine Erhebung mit einem größeren Bau, doch Marcus vermochte auch nicht alles zu erkennen, außer, daß sich seine Augen an dem wunderbaren Grün satt sehen konnten. Doch schon eilten die Befehle zu den centuriones, Marcus lenkte das Pferd zur Seite und ließ die Einheit zu ihrer vorher gesehenen Stelle marschieren. Dort stieg Marcus schließlich von dem Roß herunter und reichte die Zügel an einem Sklaven weiter, der ihm gefolgt war, der das Tier davon führte. Marcus zog sein Schild herunter, rückte den Helm zurecht und stellte sich in die erste Reihe neben die Soldaten, und in der Nähe des signifers. Das Schild stellte Marcus auf dem Boden ab und spähte in Richtung der Stadt. Nun hieß es wohl: Warten.



    [SIZE=7]Wer sich an den Beschreibungen stört, bitte einfach eine pn an mich.[/SIZE]

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    "Princeps Flavius?! Tesserarius Iulius von der ersten centuria. Der primus Pilus hat mich wieder nach vorne geschickt und befohlen, dass ich das Signum übernehmen soll."
    Mit diesen Worten meldete sich Licinus bei seinem provisorischen Vorgesetzten zurück, nachdem seine Hand versorgt worden war.


    All die Geier stürzten sich nun auf die Leichen, die von den Römern zur Seite geschafft wurden und einfach dem Aasvolke überlaßen wurden; Marcus betrachtete sie und ihm wurde fast übel bei dem Anblick. Irreal war das Bedürfnis nach vorne zu laufen und mit dem Schwert auf diese elenden Vögel einzuschlagen, die sich unparteiisch an jedem Brocken Fleisch laben würden, waren es Römer oder Parther. Marcus preßte seine Lippen fest aufeinander als er angesprochen und aus seinem grimmigen Starren heraus gerißen wurde. Marcus wandte sich um und sah einen jungen Soldaten vor sich, der ihm bekannt vor kam. Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen und er dachte nach, woher er ihn kannte, in Mantua, war er womöglich mal in seiner Einheit, irgendwas mit einem Iulier ging Marcus auf, doch mehr entsann er sich – mit seinem schlechtem Namensgedächtnis nicht. Aber das Magere kratzte er zusammen.


    Miles Iulius. Wunderbar, dann kannst Du es gleich zu der Stelle tragen, wo die Erste lagern wird. Zudem Dich mit an die Arbeit machen. Sofern Deine Verletzung das zuläst. Age, miles!“


    Nicht unfreundlich nickte Marcus dem Mann zu und beobachtete das Treiben. Zufrieden sah er das der optio von Avitus eifrig bei der Sache war, aber auch die anderen Soldaten machten sich ans Werk, trotz all des Gemetzels am Tage und dem Bewußtsein, daß viele Kameraden gestorben waren, doch womöglich half Arbeit da am Meisten. Irgendwann ging Marcus dann auch ins Lazarett, um nach seinen Verwundungen sehen zu laßen und sich erneut Kräuter zu holen. Als die pila in den Boden gerammt wurden, die Zelte aufgebaut, da kam Marcus erst zurück, um die Wacheinteilung der ersten Kohors mit den anderen centuriones zu besprechen, die Bestattungen zu besprechen und alles, was anfiel und Marcus noch mehr verzehrte an jenem Tage, aber es mußte nun mal getan werden. So ging für Marcus auch jener Tag zu Ende, der ihm wohl noch lange im Gedächtnis bleiben würde, und auch die Nacht zeigte sich nicht besser.

    Rot schimmerten die letzten Sonnenstrahlen auf dem Helm von Marcus, das Roßhaar wogte sanft im Abendwind hin und her, die Sonne wurde nun endgültig von der Nacht zerfressen. Doch die ersten Fackeln knisterten bereits und erwärmten den Platz mit ihrem warmen Schein, was die Stimmung nicht heben konnte. Marcus war nicht überrascht als er den jungen Decimer vor traten sah, schien er doch besonders von dem Tod seines Kameraden berührt zu sein. Marcus sah auf den Boden und lauschte den Worten, die der Feder eines Ovids oder Vergil hätten entsprungen sein können -wie Marcus befand. Schweigend verharrte Marcus noch einige Momente, nachdem Serapio fertig gesprochen hatte. Die Stille lastete über ihnen allen, unhörbar seufzte Marcus und nickte den Männern zu, damit sie mit den Fackeln die Holzscheite anzündeten. Die Spane knisterten, die Flamenzungen fraßen sich gierig durch das feine Holz um mit ihrem Mahl bei den großen Holzstücken fortzusetzen. Und schon bald fiel ein hoher warmer Schein auf Marcus Gesicht, spiegelte sich auf seiner Rüstung wieder, wärmte das Metall; zehrte an den Körpern der Gefallenen. Marcus griff in einen Beutel mit Weihrauch – den er eigentlich für seine privaten Ahnengebete bei sich behielt- und er warf einige Körner von dem Weihrauch in jedes der Feuer. Nur wenig stieg der Weihrauchgeruch in die Nase, der ätzende Gestank von verbrennenden Leibern war stärker. Marcus blieb jedoch auch, beobachtete starr das Mahl der Flammen. Die dunklen Rauchsäulen, die gen Himmel stiegen, immer weiter und weiter. Stunden schienen zu vergehen, lange strahlten die Sterne schon am Himmel und rot glühend waren die Aschereste. Marcus sah auf die glimmenden Reste. Milch hatten sie nicht zum Löschen. Aber ein Soldat hatte ihm von der Großzügigkeit des Tribuns berichtet. Darum befahl Marcus leise, die Ration an Wein, die sie erhalten hatten, zu Halbieren. Die eine Hälfte wurde über die glühenden Brocken geschüttet, um wenigstens die Hälfte der Tradition zu wahren, die andere Hälfte wurde den noch lebenden Männer überlassen. Die ersten Soldaten füllten die Aschehaufen in die Urne; auch das verfolgte Marcus stumm. Seine Zunge fühlte sich seltsam taub an, sein Geist schien zu schweben als er die Hände betrachtete, die sich in die warme und feuchte Asche gruben, das verbrannte Holz und die verbrannten Leiber in die Tontöpfe füllten. Ein Opfer? Nein, das würde die Familie besser machen. Wenn sie die Asche bestatteten. Zudem merkte Marcus, daß ihm ein Opfer in dieser Nacht nicht mehr gelingen würde. Die Soldaten wohl auch alle zu erschöpft waren, aber den Göttern würde noch für die Seelen geopfert werden; an einem anderen Orte und mit mehr Würdigung.


    „Bringt die Urnen zurück in das Lager, Männer. Ich sorge dafür, daß sie in ihre Heimat geschickt werden.“


    Hundert Herzschläge oder länger blieb Marcus noch stehen, dann wandte er sich um. Müde trat er den Rückweg an, zurück zu seinem Zelt. Schwer drückte die bleierne Last auf seinen Schultern. Schon jetzt war er dessen überdrüssig, des Tötens und Sterbens, aber Marcus wußte, das war erst der Anfang. Und es würden nicht die letzten Kameraden sein, die hier sterben würden; in der Fremde, fern der Heimat. Marcus Worte vorhin, sie waren halb gelogen, denn Marcus zweifelte selber, an diesem Krieg, an dem Unterfangen, Parthia erobern zu wollen. Stumm ging Marcus durch das Tor und nahm den Helm von seinem Kopf. Ascheflocken hatten sich in seiner crista verfangen, Marcus strich sich mit den Fingern herunter. Grauer feiner Staub legte sich auf seine Fingerspitzen, Marcus presste die Lippen fest aufeinander und ging schnell zu seinem Zelt, verschwand dort für die bedrückende Nacht nach der Schlacht.