Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Ernste Gesichter sahen Marcus entgegen. Mal ein Nicken, ein Füßescharren, Marcus sah von einem Gesicht zum Anderen. Die Nacht griff bereits nach der Welt, die tiefe Röte am Himmel wurde von ihr immer mehr aufgefressen. Bald würde sie sich über das Lager senken, aber bis dahin sollten die Feuer bereits brennen. Als Sparsus eintraf, wandte sich Marcus ihm zu und lauschte seinen Worten, war sehr zufrieden mit der Arbeit des tesserarius, wenn dieser auch mit dem Mulitreiber einen erstaunten Blick erntete. Ein Maulesel? Marcus Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen. Herrje, wenn er doch seinen Vetter fragen könnte! Was würde er wohl dazu sagen? Marcus hob die Hand und rieb sich in einer Geste der Irritation – was er auch beim Nachdenken, Grübeln, Verlegenheit und anderen Situationen anwendete – über seinen Nacken. Ein Maulesel war doch auch ein nützliches Tier; und ein Tier eben. Warum also nicht? Marcus ließ die Hand herunter sinken, nickte Sparsus zu und wandte sich schließlich an die Männer.


    „Dann, Männer, geleiten wir unsere Kameraden.“


    Marcus hob den Helm an und setzt ihn sich auf, den Riemen schnallte er unter seinem Kinn fest, wartete, bis alle ihre Waffenbrüder angehoben haben, um sie vor das Lager zu tragen. Müde waren Marcus Schritte, seine Schultern wollten herunter sinken, nur mit den letzten Resten von Selbstbeherrschung hielt er sich noch erhoben. Viele Scheiterhaufen waren aufgeschichtet, viel zu viele. Marcus Augen wanderte die Reihe ab und er blieb am Rande stehen, obließ es den Männern, ihre Kameraden bis zu den Holzhaufen zu tragen. Marcus leckte sich über seine trockenen Lippen und wartete, bis die Leichname aufgebahrt worden waren. Der Wind spielte in dem Roßhaar seines Helmes und an seinem dunklen Umhang, den sich Marcus übergeworfen hatte, seine Lippen waren eine schmale Linie, seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an. Schweigend verharrte Marcus länger als notwendig war. Schließlich löste er sich aus der Starre.


    „Soldaten...“


    Setzte Marcus an, zu leise, denn seine Stimme war immer noch heiser vom Tage und dem Kampfe. Er räusperte sich und suchte danach, ein wenig lauter zu sprechen; die kratzige Stimme ließ sich nicht vertreiben.


    „...Soldaten. Brüder, das sind alles Männer, die uns am Herzen lagen, sie haben mit uns Seite an Seite marschiert und gekämpft. Viele von den Männern werden euch näher gewesen sein als ihre eigenen Familien, sind sie doch auch unsere Brüder, im Kampfe und im Geiste. Heute sind viele tapfere Männer gestorben, haben ihr Leben gelassen für den Kaiser und das römische Volk.“


    Marcus schwieg einen Moment. Es fiel ihm sehr schwer, passende Worte zu finden und die Männer im Angesicht des Todes aufzumuntern oder einen Halt zu geben. Er war noch nie ein guter Redenschwinger gewesen – es sei denn, ihm wurde die Rede vorher geschrieben. Aber Marcus mußte auf seine eigenen Worte vertrauen und so sprach er das aus, was er dachte.


    „Wenn auch manch einer von euch zweifelt, ob ihr Opfer richtig war, ob sie es verdient haben zu sterben. Womöglich habt ihr Recht. Sie haben es nicht verdient ihr Leben zu geben, aber sie haben es getan. Wie jeder das von uns tun würde, denn wir sind Soldaten Roms, wir kämpfen nicht nur für Ruhm und Ehre; oder für die Ehre des Kaisers, nein, wir kämpfen dafür, daß unsere Heimat sicher bleibt. Darum seht es als das an, was die Männer geleistet haben. Sie haben ihr Leben gegeben, für den Schutz von vielen tausenden Bürgern in Rom, für unsere Familien in weiter Ferne. Und sorgt dafür, das niemand vergißt, was für ein Opfer all jene wackeren Männer geleistet haben.“


    Den Blick auf die toten Männer hielt Marcus gerichtet, dann sah er auch zu den lebenden Männern. An anderer Stelle flammten bereits die Feuerzungen in den Himmel, fraßen sich in das Holz, um die Gefallenen in ihre Hitze zu hüllen. Marcus atmete tief ein und aus. Dachte über die Worte nach.


    „Die Götter werden die Opfer erkennen und unsere Waffenbrüder in eine gute Welt geleiten, in das selige Elysium.“


    Vielleicht hatten sie den besseren Weg als die Lebenden gewählt. Marcus sprach das nicht aus, dachte es nur. Er verstummte noch einmal, dann sah er zu den Soldaten.


    „Zündet die Fackeln an. Will noch jemand etwas sagen?“

    Mit einer Hand fingerte Marcus an seinem Beutel am cingulum herum und öffnete ihn einen Daumen breit, um daraus etwas von den Kräutern zu nehmen, welche ihm der medicus – widerwillig – überlassen hatte. Der Schmerz in seiner Schulter wurde immer schlimmer, zudem die neueren Blessuren. Immer wieder wogten Schleier vor Marcus Augen, er hatte immer mehr Mühe noch auf den Beinen zu bleiben. Bitter schmeckten die Kräuter als er sie in den Mund steckte und darauf herum kaute. Er nickte knapp als er die Antwort von Imperiosus vernahm. Himmel, das war mehr als die Hälfte? Drei Viertel? Marcus Geist fing an zu rechnen. Hundertsechzig minus siebzig...er gab auf, sein Kopf hatte nicht mehr die Kapazität für solcherlei Spielchen, es mußte ihn auf andere Dinge konzentrieren. Er wandte sich an den scriba.


    „Ich laße Dir in einer Stunde genauere Zahlen schicken. Von der ersten Kohorte dann.“


    Augenblicklich vernahm Marcus von einem Melder die Befehle des Tribuns und nickte abermals. Also neigte sich nun alles dem Ende zu, die letzten Scharmützel waren wohl ausgefochten worden und die Parther über alle Berge; Marcus war es Recht, einen weiteren Kampf könnte er nicht mehr mitmachen, geschweige denn noch etwas anführen. Plündern? Marcus sah sich um und auf die Gefallenen der Gegenseite, immerhin, bei den Reitern würden die Soldaten wohl noch etwas holen können. Marcus wandte sich erneut an Imperiosus, der immer noch in seiner Nähe war.


    „Du hast ja die Befehle des Tribuns gehört. Sage den Männern zudem, daß sie die Beute brüderlich zu teilen haben. Sie haben alle gleich schwer gekämpft, ich will kein Beutestreit unter den Männern sehen, ja?“


    Marcus würde das auch den Männern überlaßen, was sie sich heute greifen konnten. Ähnliches ließ Marcus auch an die anderen vier Zenturien – einschließlich Priscus – ausrichten. Gerade war das getan als er schon das edle Roß des Kaisers erspähen konnte. Marcus richtete sich schnell aus seiner laschen und erschöpften Haltung auf, straffte seine Gestalt. Der Stolz – den der Kaiser herauf beschwören wollte – den verspürte Marcus durchaus, nicht weil sie heute so bitter und standhaft um den Adler gekämpft haben – nicht nur zumindest – sondern weil er dem Kaiser folgen durfte, in den Krieg. Aber Marcus ist zufrieden, die Worte sind genau richtig für die Männer, bestärken sie, selbst in ihrer Erschöpfung. Die Befehle des Kaisers nimmt Marcus aufmerksam entgegen.


    „Verstanden, mein Kaiser.“


    Schon war der Kaiser vorbei geritten, um die Worte auch an die anderen Soldaten zu richten. Marcus wandte sich erneut - alle guten Dinge waren mindestens drei – an Imperiosus.


    „Nun denn, optio. Lass die Männer der ersten Zenturie kurz noch ausruhen. Sie sollen alle noch eine Ration Wasser erhalten. Du übernimmst die Leitung über die Arbeit bei Deiner Einheit. Die Kadaver der Parther müssen von hier weg ehe wir mit dem Graben anfangen. Die Leichen unserer commilitones sollen in das Lager gebracht werden, damit sie heute noch bestattet werden können. Stelle von Deiner Einheit ein paar Mann zur Seite, sie sollen die Gefangenen zusammen treiben und an die Stelle....


    Marcus spähte zu einem alleine stehenden Baum in der Nähe und deutete darauf.


    „...dort hinten. Außerdem ein paar Männer, die die Wägen mit dem Wasser her bringen sollen. Age!“


    Auch an Priscus - und die anderen Einheiten der ersten cohors- ließ Marcus die Befehle ausrichten. Wasser wurde verteilt, der Troß wurde herbei gerufen, damit die schwere Ausrüstung auf den Wägen herbei geschafft werden konnte; somit konnte mit der Schanzarbeit und all dem Üblichen begonnen werden, und die feindlichen Leichen etwas zur Seite geschafft werden. Ein Lager mußte errichtet werden. Zwischenzeitlich gab Marcus das Kommando an den Zenturio der Dritten ab, um im Lazarett vorbei zu sehen. Wo er nicht lange blieb -entgegen jeglicher Meinungen von den medici – sondern wieder zu den Männern zurück kehrte. Die Männer wurden gezählt, die Lebenden und die Toten. Marcus ließ die Zahl schließlich an den scriba von Cyprianus ausrichten, ehe andere Dinge seiner Aufmerksamkeit bedurften.

    Die Augen von Marcus verengten sich als er über das Schlachtfeld vor ihm blickte, die Sonne blendete beißend und brannte auf seiner Haut. Marcus hob die Hand, um sich den Schweiß abzuwischen, hinterließ ein blutiges Mal von seiner Schwerthand an der Stirn. Er nickte zufrieden als Imperiosus prompt auf die Befehle reagierte, wandte jedoch den Blick von all den Toten vor ihnen nicht ab, es war beinahe hypnotisch. Pfeile stachen auf dem Erdreich hervor, jene Pfeile, die keine Ziele gefunden hatten, zwischen ihnen lagen viele der Feinde, aber auch die Rüstungen von römischen Soldaten erkannte Marcus, triefend rot vor Blut war das Erdreich. Marcus beobachtete einen Geier, der sich elegant auf den Boden schwang und die Flügel einzog, behäbig hüpfte er am Boden entlang und grub seinen langen Schnabel in totes Fleisch hinein. Marcus presste die Kieferknochen fest aufeinander, aber sie würden schon dafür sorgen müssen, daß die römischen Leichen geborgen wurden und verbrannt, sofern es überhaupt hier in der Einöde ging. Marcus riß mit Mühe den Blick von dem Szenario nach der Schlacht und sah zu Sparsus, der gerade an ihn heran getreten war. Marcus wandte sich ihm zu, mit einem Arm auf dem Schild abgestützt, um sich noch aufrecht auf den Beinen halten zu können. Am Liebsten hätte sich Marcus bei den Verletzten eingereiht, aber Befehl war Befehl. Wie immer.


    Salve, Iulius. Von der Zweiten? Hier?“


    Marcus sah sich suchend in dem Haufen um, es war nicht abwegig, daß sich das stark gemischt hatte wegen dem Einreihen während des Kampfes. Marcus spähte in die Gesichter der Männer, die ebenso von Erschöpfung, Blut und Verletzungen gezeichnet waren. Aber einige Gesichter erkannte Marcus wieder. Er sprach einige Männer mit Namen an – von denen er das wußte, alle kannte Marcus auch immer noch nicht auswendig – und meinte zu den Männern und anschließend an Sparsus:


    „Begebt euch zu der Zweiten rüber. Übrigens, Iulius, das mit dem Kommando eben...“


    Marcus leckte sich über die trockenen Lippen und beschloß, erst Mal seinen Hals anzufeuchten und die heisere Stimme zu schonen. Er griff nach seinen Beutel mit verdünntem Wein und trank einen Schluck von der warmen Brühe. Er ließ dabei Sparsus nicht aus den Augen.


    „Gut gemacht, tesserarius.“


    Die Stimme von Vitamalacus drang zu Marcus, durch die Schleier der Kräuter, die dumpfe Erschöpfung, die Kälte der alten Verletzungen. Marcus verstummte und spähte nach vorne. Dann war der Mann, der Parther womöglich mehr als nur ein Hauptmann? Vitamalacus würde es sicherlich besser wissen, ein Anführer – so in Marcus Augen -war meist über die andere Seite, was die hohen Offiziere anging, gut unterrichtet. Erst dann wandte sich Marcus zurück an Sparsus.


    „Gut, suche weiter die anderen Männer. Sie sollen sich zur Zweiten begeben. Zudem, richte den anderen Zenturien aus: Alle Parther, die noch leben, werden gefangen genommen. Keiner wird mehr abgestochen.“


    Schon kam der Nächste mit einem Anliegen an. Herrje, wie sollte man da die Gedanken sortieren, was zu tun war; wie Avitus das wohl immer machte? Marcus war froh, nur für seine zweite Zenturie sonst verantwortlich zu sein. Er runzelte die Stirn und dachte nach, genaue Zahlen hatte er nicht parat. So schüttelte er den Kopf bei der Frage.


    „Das können wir noch nicht sagen. Schätzungsweise knapp die Hälfte ist verletzt oder tot, aber das zeigt sich erst heute Abend. Optio Artorius? Hast Du Zahlen von Deiner Einheit?“

    Blutrot versenkte sich die Sonne langsam hinter dem Horizont, tauchte die Berge in einen warmen Schein, ließ die Schatten länger werden. Schwarze Silhouetten zeichneten sich am Himmel ab, die kreisenden Aasvögel, die sich auf ihr Festmahl stürzten. In der Ferne war das Heulen der Schakale zu vernehmen, die Kühle der Nacht würde sie hervor treiben. Aber nicht auf die römischen Soldaten sollten sie sich stürzen. Leichnam um Leichnam war geborgen worden. Die Kameraden der contubernia hatten ihre Brüder zwischen den Parthern gesucht, gefunden und so gut es ging in ihre Lager gebracht. Die Zahl derer, die aus der zweiten Zenturie stammten, war erschreckend hoch. Tote Körper lagen in Reihe vor den Zelten. Die starren Augen waren zum Himmel gerichtet und sahen nichts mehr. Marcus stand neben all den toten Männern und er fühlte sich für ihren Tod mitverantwortlich, sie waren unter seinem Kommando gestorben. Marcus presste die Lippen aufeinander.


    „Männer, jedes contubernium kümmert sich um seine commilitones. Wascht ihre Körper, kleidet sie in ihre besten Sachen und hüllt sie in das Leichentuch.“


    Einige Schritte und Marcus verschwand im Zelt. Die Männer nahmen ihre Waffenbrüder und hoben sie hoch, um die toten Leiber angemessen auf das Begräbnis vorzubereiten. Auch in ihren Gesichtern zeichnete sich ab, was für einen Preis ihre Einheit für den Sieg gezahlt hatte. Freunde, mit denen sie noch am Abend zuvor am Feuer geseßen haben. Gelacht, gewürfelt; Pläne geschmiedet, was sie nach dem Feldzug machen wollten. In seinem Zelt holte Marcus einen dicken Beutel hervor und trat hinaus. Ernst wandte er sich an seinen tesserarius, seine rechte Hand, gerade was die Durchführung anging. Marcus reichte ihm den Beutel – prall gefüllt mit Sesterzen.


    „Besorge das Holz für die Verbrennung. Wie immer Du das auch anstellen magst, ich möchte alle Männer der Einheit verbrennen und ihre Asche ihren Angehörigen schicken. Egal wie knapp das Holz hier sein mag. Nimm Dir ein paar Männer und schichte das Holz vor dem Lager zu Scheiterhaufen auf. Dann komm wieder. Nimm ruhig das ganze Geld. Besorge außerdem ein Tier. Ein Ferkel oder Ähnliches. Was Du finden kannst, Iulius.“


    Marcus wollte ins Zelt treten, um seine beste Rüstung anzulegen. Viele seiner Männer würde er heute das letzte Geleit geben müßen, einige Worte sprechen, ein Opfer abhalten, sofern Sparsus ein Opfertier besorgen konnte. Marcus hatte das Gefühl, er war es den Männern schuldig und auch den Männern, die noch lebten. In dem Augenblick trat ein älterer Soldat an Marcus heran. Er deutete auf einige tote Soldaten.


    Centurio, mein contubernium ist gefallen. Alle sieben.“


    Die Nasenflügel von Marcus erzitterten. Er nickte langsam, unter den Toten erkannte Marcus auch den Mann, den Serapio auf dem Schlachtfeld schon betrauert hatte- Iunius Lucullus. Den miles, den er selber ausgebildet hatte. Immer noch war Marcus sehr betroffen über den Tod dieses Mannes. Marcus fuhr sich am Nacken entlang und nickte langsam.


    „Suche Dir einige Männer, Freunde und Kameraden, egal ob in unserer Zenturie oder in den Anderen, frag sie, ob sie sich um sie kümmern möchten. Du kennst die Freunde der Männer sicherlich besser, hm?“


    Der alte Soldat bejahte das stumm. Die Anfrage ließ er an alle Freunde der Toten ausrichten, Archias wußte, dass die Zweite und Erste durchaus mit einander gut standen. Aber auch alten Kameraden, die mittlerweile versetzt waren, ließ er das ausrichten. Seine Füße trugen ihn in das Lager, zu Serapios contubernium. Etwas unschlüssig blieb Archias vor dem jungen Soldaten stehen. Archias war schon länger als fünfundzwanzig Jahre in der Legion, er hatte schon viele Kameraden begraben und doch traf es ihn stets neu.


    „Der centurio schickt mich. Meine Kameraden sind alle tot. Hilfst Du mir, Lucullus war doch Dein Freund, hm?“


    Im Zelte von Aristides: Langsam schälte sich Marcus in seine Paraderüstung, schweigend, ernst und ein wenig mitgenommen, seine Verwundungen schmerzten und er hätte am Liebsten sich nur noch hingelegt und geschlafen, aber das würde er nicht können, nicht solange ihn die Bilder der Schlacht noch verfolgten und all die Toten begraben werden mußten; die Briefe geschrieben, sich um all die nderen Dinge gekümmert werden mußte. Gerüstet und mit dem Helm unter dem Arm trat Marcus aus seinem Zelt heraus. Er sah schon einige Männer, die sich versammelt haben. Auch die Toten, die in hellen Tüchern gehüllt noch auf dem Boden lagen und darauf warteten aus dem Lager getragen zu werden. Nicht allen der Legion würde eine Feuerbestattung vergönnt sein, die Gegend war zu karg, aber Marcus hoffte, daß Sparsus genug Holz zusammen getrieben hatte, um ihre Männer zu verbrennen. Marcus sah in die Runde.


    „Sind alle bereit?“

    An manchen Stellen tobte noch der Kampf, die letzten Gefechte wurden gefochten, Vorstöße der leichten parthischen Reiterei machten es den Römern nicht leicht, vereitelten jegliche Pläne sie aufzuhalten. So wirkte es zumindest auf Marcus, der seinen Blick nun über die hügelige Landschaft werfen konnte, nun, wo er ein wenig Zeit hatte zum Verschnaufen und sich auf dem Schild abstützte. Sein Helm wog schwer in seiner Hand, die Zier an der crista war zur Hälfte mit einem glatten Schlag abgetrennt. Marcus sah auf den verunstalteten Helm – den eines Zenturios – und dankte den Göttern insgeheim dafür, dass die Axt ihn nicht einige Zoll tiefer getroffen hätte. Nur mit Mühe hielt sich Marcus nun noch auf den Beinen, jetzt, wo der Blutrausch schwand und der Kampf abebbte, an ihrer Stelle sogar das Feld verlassen war. Nur das Stöhnen von Verletzten war zu hören. Marcus nickte Avitus knapp zu ehe dieser sich abgestützt erhob, um sich vom Schlachtfeld zu bewegen. Marcus konnte es ihm nach fühlen, daß er wohl nicht sonderlich begeistert war, die Männer zurück zu laßen, egal wie schwer die Verletzung war. Marcus hielt große Stücke auf ihren ersten Speer, tat es schon seit den Tagen als er die Ausbildung von Marcus übernommen hatte. Marcus lächelte still in sich hinein, denn damals war er noch ein undisziplinierter probatus und Avitus ein selbst frisch gebackener optio. Die Zeit schien im Flug vergangen zu sein seit Germania. Doch Zeit für sentimentale Gedanken, derer sich man nicht mitten auf einem Schlachtfeld hingeben sollte, hatte Marcus nicht. Er sah wie Vitamalacus den Parther ansprach. Marcus stieß ihm sicherheitshalber leicht in die Seite und sah auf den Mann hinab, dessen Hals verbunden war. Marcus zuckte mit der Schulter und sah auf.


    „Bewußtlos, tribunus. Der wird Dir in den nächsten Stunden nichts sagen können.“


    Schon wurde der Gefangene von den Männer mitgenommen. Marcus vernahm die Befehle von Vitamalacus und nickte. Sonderlich begeistert war Marcus nicht darüber – was aber nicht an dem Befehl selber lag, sondern daß sich Marcus gerne vor Verantwortung drückte – aber er hätte an Vitamalacus Stelle wohl genauso gehandelt, auch was Avitus anging. Der primus pilus war zu wichtig, um ihn nicht ordentlich versorgt zu sehen. Überrascht war Marcus jedoch über die letzten Worte von Vitamalacus. Ob das die Wirkung der Kräuter war? Ein wenig verblüfft nickte Marcus schließlich.


    „Danke, tribunus. Und verstanden, tribunus.“


    Den Legaten hatte Marcus in all der Zeit nicht gesehen, der Kaiser war mal vorbei geritten. Und wirklicher Anführer schien Vitamalacus zu sein - immerhin - aber enttäuscht war Marcus über den Legaten durchaus, zudem würde das Murren geben bei den Soldaten. Marcus salutierte noch einmal, um das Schild doch mit einem Ruck hoch zu heben, sein Arm fühlte sich bleiern an und seine Lippen trocken und spröde, doch er würde nicht länger hier hinten stehen können, wenn die Männer noch Anweisungen bedurften. Marcus trat über einige leblose Körper hinweg und ging auf die Reihe mit Soldaten zu, die letzten Feinde waren erschlagen worden oder geflohen. Weiter hinten sah Marcus noch Gemetzel aber nicht mehr in der Mitte des Schlachtfeldes. Auf halbem Wege erreichte ihn der Bote und übermittelte die Nachricht von Sparsus. Ein Stich durchfuhr Marcus. Vierzig Mann? Nur vierzig von hundertsechzig? Marcus atmetet tief ein und aus, hoffte, dass noch Verletzte und Verschollene auftauchten und die Zahlen wieder nach oben steigen ließ. Hundertzwanzig Mann verloren zu haben wäre wahrlich mehr als bitter, eine schreckliche Katastrophe. Und Marcus fühlte sich für jeden Einzelnen seiner Männer verantwortlich. Ernst, starr war sein Gesicht als er weiter ging. Ein Schluchzen drang an sein Ohr. Marcus sah sich suchend um und erkannte Serapio, der über einen Leichnam gebeugt war. Marcus sah auf den Toten hinab und erkannte ihn erst einen Herzschlag später, war die Leiche doch vollkommen blutbesudelt- Lucullus, Iunius Lucullus. Schweigend starrte Marcus auf den Toten. Er würde noch viele gefallene Männer aus seiner Zenturie sehen und von ihrem Tod erfahren, aber dennoch ließ ihn das wirklich nicht kalt, hatte Marcus doch den Iunier selber ausgebildet, versucht ihn auf so eine Schlacht vorzubereiten, damit er so einen Kampf eben überlebte. Marcus spürte das Gewicht des Versagens auf sich herunter drücken, denn es war ihm nicht gelungen, dem jungen Mann damit zu helfen.


    „Junge, er ist tot. Gehe ins valetudinarium und lass nach Dir sehen. Noch einen Toten können wir nicht gebrauchen.“


    Sag doch ein paar aufmunternde Worte, Marcus. Der junge Mann kann das gebrauchen. Marcus leckte sich über die trockenen Lippen. Ihm fiel nichts ein, Marcus war zu erschöpft; so legte er dem jungen Serapio nur kurz die Hand auf die Schulter, nickte ihm ernst zu und ging weiter. Am Himmel sah Marcus schon die ersten Aasgeier auftauchen, das Blut schien sie magisch anzulocken, der Geruch von Tod und Verderben wurde weit mit dem Wind getragen. Soldaten sortierten die toten Leiber auf dem Schlachtfeld, Feind und Freund wurden getrennt, nach Lebenden gesucht. Marcus sah einen römischen Soldaten, der sich über einen Parther beugte, der ebenfalls zu den Reitern gehört hatte. An einem Schmuckstück am Finger zerrte der Römer herum, doch dieses wollte sich nicht lösen. Kurzerhand griff der Römer nach seinem pugio und schnitt den Finger ab, um am das Schmuckstück zu kommen. Marcus verzog angewidert das Gesicht. Doch als er einen anderen Soldaten sah, der gerade seinen Speer hob, um einem stöhnenden Feind die Spitze in die Brust zu rammen, trat Marcus schneller heran.


    „Das reicht! Die Schlacht ist vorbei. Alles was lebt, wird Gefangen genommen.“


    Der Soldat, der viele Blutspritzer im Gesicht hatte und Marcus mit einem einfältigen Ausdruck anglotzte, nickte gehorsam. Marcus ging an den Männern vorbei und auf die Standarte seiner Einheit, wo er Priscus sah. Ehe ihm einfiel, daß er an anderer Stelle gebraucht wurde. Marcus Schritte lenkten sich weiter und auf die erste Zenturie und Imperiosus zu, den er nur vom Sehen her kannte.


    optio! Richte den Männern aus, der primus pilus ist wohl auf, nur etwas verletzt.“


    , meinte Marcus mit heiserer Stimme. Avitus hielt wohl große Stücke auf den Mann. Marcus hatte große Achtung vor Avitus und darum schätzte er dessen Meinung natürlich hoch ein.


    „Die verletzten Männer sollen sich zu dem valetudinarium begeben. Der Rest bleibt hier. Bis der Kaiser zum Rückzug bläst. Oder der Legat, beziehungsweise der Tribun.“


    Auch an die anderen Zenturien ließ Marcus die Befehle weiter leiten.

    Eben noch kämpften sie erbittert um die Standarte, um den Adler, wurden hart bedrängt, hatten die Aussicht bald vor dem Gericht der Götter dafür Rechenschaft abzulegen und im nächsten Augenblick wandten sich die Parther um und flohen. Mechanisch hatte sich Marcus in der Reihe gehalten, hatte heiser einige Befehle gerufen, um die Parther zurück zu drängen und schon im nächsten Augenblick stand niemand mehr vor ihm. Er hörte das laute Brüllen von einem Soldaten hinter sich und die Erste, die sich aus ihren Reihen löste und die Reihen vorne verstärkten, um den fliehenden Parthern nach zusetzen. Marcus atmete schwer ein und aus, seine Brust hob und senkte sich schnell, er wandte seinen Kopf um und sah die Zweite, die noch einen Rest von Reitern aufrieb. War das nicht sein tesserarius, der die Männer zusammen hielt? Ob Priscus gefallen war? Das wäre wahrlich ein sehr großer Verlust, denn Marcus verließ sich stets auf den optio. Dennoch registrierte er mit Zufriedenheit, daß Sparsus Eigeninitiative zeigte und die Männer zusammen hielt. In Ermangelung an Feinden, aber weil auch langsam die Wallung des Blutes immer mehr schwand, sank das Schild gen Boden und grub sich einen halben digitus tief in den Sand hinein. Marcus rechte Hand erzitterte, langsam steckte er das Schwert in die Schwertscheide, nicht wissend, welchem toten Soldaten er dieses abgenommen hatte. Die Ebene vor ihm war mit Soldaten gefüllt, die sich vor seinen Augen verzerrten. Grünblaue Farben waberten über den Himmel, schienen die Parther zu fressen und wieder in den Tartaros zurück zu geleiten. Dort, wo sie herkamen, diese Reiter und das wilde Fußvolk, was hinter ihnen her kam. Marcus wankte, mit Mühe stützte er sich auf dem Schild ab und atmete tief ein und aus, blinzelte einige Male, um jene absonderlichen Farben von seinen Augen weg zu blinzeln. Kalk weiß war sein Gesicht, mit einer Hand griff er nach dem Helm und löste den Riemen, riß sich den schweren Helm vom Kopf, um besser Luft zu bekommen. Verschwitzt klebten seine Haare am Kopf und an den Schläfen. Marcus wischte sich mit der Hand über die Stirn. Schließlich griff er nach dem Schild und ging näher an den verletzten Parther heran und an Avitus, dem er knapp zunickte. Es sah doch besser mit dem ersten Speer aus, nachdem sich ein Medicus um ihn kümmerte. Marcus sah auf den Gefangen herunter und zu dem capsarius.


    „Kommt er durch? Fessel' ihn.“


    Der capsarius nickte und zuckte gleichzeitig mit der Schulter. Marcus achtete nicht länger auf den Soldaten. Centurio, Bericht! In seiner Nähe ertönte der Befehl. Mehr reflexartig richtete sich Marcus auf und salutierte schwach. Erst da erkannte er den Reiter auf dem Roß, dessen Schemen scharf von der Sonne abgezeichnet wurde, der Helmbusch, der sich sachte im Wind neigte, die Waffe, die auch blutgetränkt war. Immerhin kein Feigling, dachte sich Marcus. Marcus war sich jedoch nicht ganz sicher, was der Tribun wohl von ihm berichtet bekommen wollte.


    Tribunus, schwere Reiterei ist durchgebrochen und hat den Adler stark attackiert, ebenso Fußvolk. Die Erste insbesondere und etwas später die zweite Zenturie haben den Adler verteidigt, bis die Reserve eingetroffen ist. Die meisten der Angreifer sind gefallen. Einen Gefangen haben wir gemacht, es scheint der Anführer der Reiterei zu sein. Ein Hauptmann oder Tribun. Was es auch immer dort gibt. Der primus pilus hat ihn nieder gestreckt. Ich würde vorschlagen, tribunus, ihn am Leben zu erhalten. Er scheint mir ein nicht unbedeutender Mann zu sein. Man kann ihn für einen Austausch und Informationen behalten.“


    Marcus deutete auf den Parther mit seiner blutigen Schwerthand. Daß es Marcus gegen den Strich ging, wichtige Persönlichkeiten wie Vieh abzuschlachten, das erwähnte er nicht. Wenn der Tiberier einen Funken Ehre im Leib hatte – dessen Marcus immer noch nicht so sicher war- würde er das auch erkennen. Aber mehr konnte Marcus im Moment nicht sagen, da insbesondere gerade ein Soldat auf ihn zu eilte, und mit hastig gesprochenen Worten die Lage meldete. Marcus spähte nach vorne. Er wollte das Schild heben, selbst seine Linke konnte sie nicht mehr heben. Zwischen zusammen gebissenen Zähnen preßte Marcus darum hervor.


    „Meldung an optio Artorius, centurio Bruseus übernimmt das Kommando. Lauf zuerst zu Bruseus. Und zum Schluß zu meinem tesserarius. Er soll weiter das Kommando behalten, bis optio Tallius kommt.“


    Das Kommando über die Zweite, das überließ Marcus vorerst dem tesserarius. Eine Möglichkeit, den jungen Mann dabei mal zu beobachten. Vorne in den Reihen stand die fünfte Zenturie am Rande der Reihe. Bruseus, der dicke princeps, stand schwer atmend zwischen seinen Mannen, seine Rüstung war mit einem matten roten Überzug bedeckt, vom Blute der Feinde, seine Wange blutete an einem Schlenz, sein Helm war zerbeult und ihm noch etwas mulmig zu Mute, hätte er doch beinahe ins Gras gebissen. Auch ihn erreichte die Nachricht. Bruseus rollte mit den Augen und konnte sich schon denken, warum Aristides ihn dafür auserkoren hat, statt einen von der dritten oder vierten Zenturie.


    „Ihr habt's gehört. Schildwall bilden und nicht hinter her setzen. Das überlassen wir der Reserve.“


    Etwas resigniert war Bruseus dabei schon. Er liebte es, wenn er den Fliehenden den gar aus machen konnte. Doch ein gewitztes Funkeln trat in die Augen.


    „Was nicht heißt, dass wir uns den Rest hier vorne nicht schnappen können.“


    Bruseus hatte vor, noch ein, zwei Gefangene zu machen. Sein Liebchen in Mantua würde sich über ein wenig mehr Geld oder sogar Sklaven durchaus freuen. Ohne mit der Wimper zu zucken schlug Bruseus die Feinde nieder, die sich aufrappelten und verletzt vom Felde schleppen wollten, oder sich klamm heimlich davon stehlen wollten.

    Dumpf prallte die Waffe auf das Schild von Marcus, glitt an dem Holz ab und hinterließ nur Kratzspuren, nahe an dem Schildrand stieß Marcus mit seinem Schwert zu und stach einen der nach rückendenden Feinde ins Bein, ein Schrei und dieser sank auf den Boden herab, Marcus schlug mit der unteren Schildecke zu und bemerkte aus den Augenwinkeln gerade noch den Angriff von Avitus, der deutlich sein Ziel fand. Donnernd näherte sich die Reserve und in einem energischen Sturm, deutlich vernahm Marcus, wie sie sich auf die angreifenden Feinde warfen. Im selben Augenblick thronte der Adler über ihren Köpfen. Mit dem Schild stieß Marcus einen bereits verletzten Angreifer zurück, der durch den Hieb eines Soldaten gegen ihn geschleudert wurde. Als Marcus Blick auf den verletzten Parther am Boden fiel, der gerade von Avitus Fuß zu Boden gedrückt wurde. Prachtvoll war die Rüstung. Ein Hauptmann! Der Gedanke schoss Marcus durch den Kopf. Oder ein Adliger? Falls die Parther so was hatten, Marcus hatte nicht die leiseste Ahnung. Der Adler hob sich wie ein Damokles Schwert über den Parther, Marcus sah das Blut aus dem Hals quillen. Es war der Bruchteil eines Herzschlages, Marcus zögerte jedoch nicht lange, es lag ihm mehr im Blute die Handlung: seine Hand mit dem Schwert schoß nach vorne und er stieß mit dem Knauf gegen die Stange des Adler, hielt den Stoß auf den Parther auf und lenkte ihn in Richtung des Bodens ab.


    „Halt, miles!“


    Heiser war noch seine Stimme, aber der Mann müßte ihn trotzdem gehört haben, zumindest die Geste verstanden. Marcus wußte nicht, ob der Parther eine Chance hatte, aber womöglich würde er einen guten Gefangenen abgeben. Egal, was vorher gesagt wurde, gewisse Männer wurden einfach nicht getötet. Das würde Marcus ebenfalls erwarten, von den Feinden. Ob Parther hin oder her, Feind oder nicht Feind, manche Dinge waren eine Frage der Ehre für Marcus. Grimmig starrte Marcus auf den Parther hinab, Verachtung war in Marcus Gesicht geschrieben, aber auch ein widerwilliger Respekt und Anerkennung. Mutig und verdammt gute Kämpfer, das waren die Parther eindeutig. Marcus Entscheidung fiel ihm dadurch etwas leichter.


    „Der bleibt am Leben. Verstanden? Zurück hinter die Soldaten, miles. Hol' einen capsarius. Er soll sich um den Parther kümmern.“


    Laut war Marcus Stimme. Wenn er auch bei weitem es nicht mit den Stimmen von Plautius oder Vitamalacus aufnehmen konnte, denn sie sollte auch nur einen einzigen Mann erreichen, den Adlerträger. Marcus wollte sich schon dem nächsten Feind widmen – Avitus hatte wohl wie immer alles im Griff – als dann doch etwas unerwartetes passierte: der Artorier wankte und sackte auf sein Knie zusammen. Ein Schritt und Marcus war direkt an dessen Seite. Hob sein Schild, um Avitus vor Angriffen zu schützen.


    „Hole Zwei! Schnell!“


    , rief Marcus dem Soldaten zu. Avitus war für Marcus wie der Adler. Auch er durfte nicht fallen, auch er durfte nicht nieder gestreckt werden. Was wäre die Erste ohne Artorius Avitus? Legaten, Tribune, alle konnten kommen und gehen, aber nicht der primus pilus, das Rückgrat der Legion. Was sich auch an den Gesichtern neben Avitus abzeichnete. Doch Marcus hatte es im Gefühl. Das Blatt konnte sich womöglich wenden. Schienen die Angriffe nicht weniger stark zu sein als noch eben? An ihrer Stelle zumindest, was der Rest der Legion bereits vermochte, das war Marcus nicht ersichtlich. Hatte er doch nicht den Überblick eines Kaisers.


    „Durchhalten, centurio. Es ist gleich geschafft.“


    Die Worte richtete er an Avitus, doch mehr Zeit zum Verschnaufen hatte Marcus nicht. Nicht alle Angreifer waren geschlagen. Noch lange nicht. Mit den letzten Kraftreserven, die Marcus noch aufbringen vermochte, wich er einem Parther aus, der sich mit einem Wutgeheul auf sie stürzte, um seinen Anführer zu rächen. Marcus trat vor Avitus und hob das Schild, parierte mühsam das Schwert, was über das Holz glitt und über den Schildrand, ein Schmerz an seiner Schulter, Marcus stieß zu, schlug mit dem Schwert nach und bemühte sich, mit den anderen Soldaten die Angreifer nun zurück zu drängen, waren diese doch nun von mehreren Seiten bedrängt. An seinem Rücken drängten sich zwei immunes hervor, die sich um die Verletzten kümmerten- zuerst Avitus, aber auch den Parther- wie Marcus es befohlen hatte. Auch die anderen Männer, der übrig gebliebenen Zweiten, kämpften verbissen gegen die letzten Angreifer, den letzten Trupp Baktrier an.

    Schlag um Schlag, Schritt um Schritt. Die Reihen der zweiten Zenturie lichteten sich als sie einem Keil gleichend, einem Sturmtrupp sich durch die feindlichen Soldaten kämpften, um zum Herzen der Legion vorzudringen. Ein Schrei direkt neben Marcus Ohr, ein Körper fiel leblos zu Boden, Marcus vermochte jedoch nicht zu sagen: War es Feind oder Freund. An seiner Seite spürte er jedoch das Wüten mehrerer Veteranen. Tius, der bereits drei centuriones erlebt und zwei davon fallen gesehen hatte. Mit jedem Hieb, den der Mann einem Feind versetzte, brüllte er laut, als ob er den Schmerz mit erlebte. Oder seine Wut über das Kämpfen heraus schreien wollte? Marcus kämpfte still und grimmig, duckte sich unter einer riesigen Axt hinweg, überließ es Tius den Mann abzustechen und dann waren sie hindurch gebrochen. Marcus meinte Befehle zu hören, sich in die Reihen der Dritten bis Fünften zu reihen. Doch dafür war es für die Zweite bereits zu spät. Ihr Vordringen zu weit. Doch er vertraute auf die anderen Einheiten, die Bresche in der Mitte zu schließen. Eine Lücke klaffte vor Marcus und den Männern, bot den Soldaten der Zweiten die Gelegenheit, sich den Männern der Ersten anzuschließen. Mit dem linken Arm und dem Schild schlug Marcus gegen einen Baktrier, der auf ihn eindringen wollte. Kraftlos war mitunter der rechte Arm, doch der Linke vermochte noch hart zu zu schlagen.


    Milites, einreihen.“


    Heiser war das Rufen von Marcus, wurde vom Wind und dem Schlachtlärm mitgerissen. Tius griff den Befehl auf. Laut donnerte die Baßstimme des Soldaten über die Männer hinweg. Römer gesellte sich zu Römer, Soldat neben den anderen Soldaten, um den Ring um den Adler zu verstärken. Schnell öffnete Marcus die Lücke und hob das Schild, um einen Angriff auf Sparsus und den jungen Serapio – der von Sparsus in Sicherheit gebracht wurde- zu vereiteln. „Gut, so!“, murmelte Marcus. Das einzige Zugeständnis, was Sparsus je erhalten würde. Denn sonst würde Marcus schimpfen, daß Sparsus statt zu kämpfen einen Kameraden rettete. Doch insgeheim war Marcus stolz auf Sparsus. Daß er einen Kameraden vor dem Tod bewahrt hatte. In seinem Rücken verspürte Marcus das Herz der Legion, das Symbol ihrer Stärke und er fühlte dennoch eine seltsame Verwunderung. Warum drängten alle Parther derart auf den Adler ein, als ob ihr Leben davon abhängen würde? Als ob es das Mana wäre, das rettende Wasser in einer öden Wüste? Obwohl die Schlachtreihen sonst noch standen? Sein Erstaunen kämpfte er hernieder und schlug verbissen zu. Ein riesiger bärtiger Mann stürzte auf Marcus zu. Urtümlich war der kehlige Laut, das Brüllen aus der Kehle des sonnenverbrannten Mannes mit den langen, schwarzen Zöpfen.


    Eine zweiblättrige Axt mit fremden mythischen Schnitzereien sauste auf Marcus herunter. Gerade rechtzeitig riß Marcus sein schwarzes Schild nach oben, die Klinge der Axt bohrte sich tief in einer der gelben Linien der Bemalung. Das Schild knirschte und brach entzwei, Marcus wurde der Wucht wegen auf den Boden gedrückt und er spürte den Aufschlag im ganzen Körper hindurch donnern. Holzsplitter flogen durch die Luft, einige verfingen sich in der crista seines Helmes. Ein Luftzug, Marcus spürte die Axt wurde erneut hoch gehoben und sollte auf ihn herunter saußen, um seinen Schädel zu spalten und nicht nur das Schild. Links und rechts war Schild an Schild gereiht, hinter ihm spürte Marcus auch das Toben von Kämpfen um den Adler. Einem weiteren Schlag würde Marcus nicht ausweichen könne, so ergriff er die Flucht nach vorne. Marcus ließ den Rest des nutzlosen Schildes fallen, packte mit beiden Händen sein Schwert und stieß nach vorne zu. Seine Schwertspitze schmetterte auf hartes Rüstzeug, glitt daran ab – Marcus meinte in dem Moment schon, jetzt würde wirklich sein letztes Stündlein schlagen- doch dann drang es durch Fleisch und Muskeln hindurch. Unendlich langsam erschien es Marcus, daß sein Schwert immer tiefer glitt, er schloß die Augen und merkte, daß die Axt gegen seinen Rücken schlug, das Metall kreischte laut auf, dann glitt die Waffe wirkungslos an ihm herunter und fiel auf den Boden. Der Körper des Axtkämpfers fiel auf Marcus hinab, erst in einer scheinbaren Umarmung, dann suchte der riesige Kämpfer ihn zu begraben. Marcus wankte und fiel hinter die Reihe. Vor ihm schloß sie sich wieder.


    Über Marcus glänzte der Adler und die Welt drehte sich kreisend um den majestätischen Schnabel des Symbols, Marcus atmete ein und aus. Nicht aufgeben, weiter machen. Bis die Schwärze kommt, aufstehen, Marcus. Hoch mit Dir! Einem Mantra gleichend donnerten die Worte durch seinen Geist. Marcus Hand zitterte und dann schob er den Leichnam von sich herunter. Rollte sich herum und wäre beinahe von dem Hufe getroffen worden, desjenigen, der bereits sich im Besitze des Adlers wähnte. Benommen wich Marcus dem aus und krabbelte unter dem Pferd hinweg. Auf der anderen Seite zog sich Marcus hoch, packte dabei das Schwert eines gefallenen Soldaten. Sein Fuß stieß gegen dessen Schild. Mühsam, blutbeschmiert und völlig am Ende hob Marcus es hoch. Hinter ihm wurde gekämpft, vor ihm, Marcus hatte die Orientierung verloren, wußte nicht, wie es um sie stand, wieviel Zeit vergangen war als er unter dem Körper gelegen hatte. Ein auffälliger Helm tanzte vor Marcus Augen. War das Avitus? Marcus blinzelte den Schweiß aus seinen Augenwinkeln, das Bild klärte sich. Tatsache. Na, war da nicht eine alte Schuld zu begleichen? Marcus holte tief Luft, kämpfte die nahende Bewußtlosigkeit herunter und drängte sich nach vorne, um dem Artorier zur Hilfe zu eilen. Ein Schritt, noch einer, dann war Marcus in seine Nähe. Marcus sah nicht, wie schwer verletzt Avitus war. Nur dessen Angriff auf einen der Parther.


    centurio!“


    Marcus glaubte nicht, daß er ihn gehört hatte - was auch besser war, denn es hätte den Artorier sicherlich unnötig abgelenkt-, denn in dem Moment, als er den Rang aussprach, klirrten laut die Waffen nebem ihm. Marcus hielt sich nicht lange damit auf, er riß das Schild hoch, da irgendeine der Waffen herunter saußte. Marcus war egal, wessen es war, auch hatte er nicht ganz durchschaut, wer eigentlich genau von den Parthern nun an dieser Stelle kämpfte. Überhaupt, wo Marcus stand. Er wußte es nicht mehr.

    Ohrenbetäubend mischten sich die Schreie der verletzten Männer mit dem Donnern der Pferde, dem Klirren der Waffen und unter all dem hörte Marcus sein eigenes Herz heftig schlagen, keuchend sog er die Luft in seine Lungen. Um ihn herum drehte sich alles und einen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte einer der Baktrier, Marcus sah die Waffe auf ihn herunter sausen und war in dem Moment unfähig sein Schild zu heben, spürte den Tod nahen, ebenso den Fall seiner ganzen Zenturie hier mitten im Getümmel. Er merkte nicht, daß er die Augen schloß und auf ein Knie herab sank. Doch der Schlag blieb aus, der Schmerz, der ihn ins Jenseits befördert hätte und die Verzweiflung in denen, die er in Rom zurück gelassen hatte, sähte. Eine Arm packte ihn unter der Schulter und zog ihn kräftig nach oben. Marcus riß die Augen auf und sah in das bärtige Gesicht von Palatius – auch Tius genannt. Und schon stürzte der nächste Angreifer auf sie zu und abermals hielt das Schild von Tius den Angreifer ab Marcus aufzuspießen. Marcus nickte seinem Soldaten dankbar zu und atmete tief ein, umgriff sein Schild wieder fester und duckte sich matt unter dem Schild von Tius hinweg. In die zweite Reihe zog sich Marcus zurück, um den Moment der Schwäche zu nutzen. Mehr zufällig packte er einen Soldaten und schob ihn nach vorne, damit er seinen Platz einnahm- und dieses Mal traf es den jungen Decimus Serapio, der damit direkt in das Schlachtgetümmel wieder geworfen wurde. Marcus rechter Arm zitterte heftig und er steckte das Schwert weg. Um die Lage zu sondieren und die Situation neu zu bewerten. Der mutige Schlachtruf von Vitamalacus drang bis an sein Ohr und zudem hörte er das laute Donnern von Hufen in seinem Rücken und ahnte- die Reserve würde wohl bald eintreffen, hoffte darauf. Denn nicht lange und die Feinde würden sie überrannt haben, die Panzerreiter würden den Adler erringen.


    centurio, centurio.“


    Ein flinker Mann drängte sich durch das Getümmel, wich schnell einem durchgebrochenen Baktrier aus und stieß bis zum Marcus vor, der gerade mit zusammen gebissenen Zähnen erneut sein Schwert hervor zog und heftig aufkeuchte. Erst einen Herzschlag später vernahm er die Worte.


    „Was?“
    „Der praefectus. Du hast den Befehl, mit der Zenturie nach vorne zu stürzen, beschützt um jeden Preis den Adler. Und wenn er Dich nicht vorne sieht, centurio...“


    Der Bote grinste boshaft, denn solche Botschaften durfte er nicht jeden Tag ungestraft und auf Befehl überbringen.


    „Dann sorgt er eigenhändig dafür, Dir die Eier ab zu reißen und Dich zu kastrieren, egal was Dein Weib zu Hause sagt.“


    Schon war der Soldat, der Bote, erneut verschwunden und ließ einen sprachlosen Aristides zurück. Doch bei Marcus fand sich kein Zögern, kein Zaudern. Denn nun wußte er: Die Nachhut kam und sie mußten nicht mehr lange ausharren, doch nun hieß es sich mit voller Kraft erneut in das Kampfgeschehen zu tümmeln.


    „Näher zusammen, milites!“


    Abermals sammelte Marcus seine Stimme – die immerhin gut geschult war – um über die letzten Männer seiner Zenturie die Befehle zu brüllen.


    „Männer! Die Verstärkung rückt an. Doch der Adler darf nicht fallen. Schilde hoch, rammt sie damit um.“


    Eilends trat Marcus wieder nach vorne und in die Mitte der Reihe, nutzte einen kurzen und kostbaren Moment, dem die zweite Zenturie vergönnt war, denn alle Feinde schienen auf die Erste eindringen zu wollen.


    „Vorwärts, Männer. Helfen wir unseren Brüder.“


    Um die Männer an zu stacheln, stürzte sich Marcus mit Waghalsigkeit auf die nächsten baktrischen Kämpfer und schnitt mit dem Schwert durch die Luft, schlug wuchtig mit seinem Schild gegen die Horden von Angreifern. Wut glomm Marcus, er bahnte sich einen Weg bis zu seinen Augen und zu seinen Waffen. Einem Keil gleich schlugen sich die Männer der zweiten Zenturie in die Seite der Angreifer- während sie von der Seite weiterhin sich bemühten die Angreifer abzuwehren, wo hingegen auch noch die anderen drei Zenturien die Stellung hielten und danach suchten, die Wellen, die scheinbar kein Ende nahmen, abzuwehren. Der Schmerz als Marcus etwas traf, spürte er nicht, sein Schwert suchte sich immer wieder ein weiteres Ziel, grimmig wie einer der parthischen Reiter gleichend, suchte er sich eine Bresche mit dem Schwert durch die Angreifer zu schlagen. Und sich mit der Ersten zu vereinigen. Immer im Auge den Adler und auch den Helm von Avitus, um diesen zu unterstützen. Und so nahte bereits die wenigen Männer der unmittelbaren Verstärkung.

    Tote Leiber türmten sich vor den Füßen der römischen Soldaten, leblose Augen starrten in den Himmel und die Angriffe wurden immer schwacher, immer weniger und blieben ganz aus. In den Händen hielt Marcus das Schwert eines seiner gefallenen Soldaten und atmete schwer. Das Gefühl des Triumphs war matt, schwach im Angesicht, daß es sich um einfaches Bauernvolk gehandelt hatte, die die Legion nur zermürben sollte. Trockener Wind wehte über Marcus hinweg und trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Marcus leckte sich über die trockenen Lippen. Sandkörner erzitterten, Waffen klirrten – die auf dem Boden lagen – und ein Donnern, ein lautes Branden näherte sich. Langsam hob Marcus den Kopf und spähte über die Ebene hinweg. Überwältigend war der Anblick der Reiter. Mythische Wesen gleichend schienen sie aus der Unterwelt hervor zu stürzen, aus dem Tartaros, um sich mit ihren Hörnern, ihrem geiferndem Atem auf die Legion zu stürzen. Parthische Dämonen, Ungeheuer und Bestien, Marcus war wie vom Donner gerührt, doch den Schock überwandte er schnell, mußte er schließlich auch. Zudem sollte er sich nicht wundern, war doch irgendwo auch der Grund zu finden, warum die Parther so ein schrecklicher Feind waren, warum sie die Römer immer und immer wieder vernichtend geschlagen hatten. Während die Reiter unaufhörlich auf sie zu brandeten, einer vernichtenden Welle von schwerer Kampfeskraft gleichend, wurden schon die Befehle weiter gereicht. Zurück weichen? Marcus Gesicht wurde grimmig. Was für ein unsinniger Befehl. Was würde das bei den Männern anrichten, wenn sie vor den Reitern erst mal zurück weichen mussten, würde es doch die Moral schwächen. Marcus biss die Zähne aufeinander und rang sich schließlich durch, Befehl war Befehl.


    „Zurück! Schnell.“


    Marcus blieb noch stehen, um als Letzter zurück zu weichen mit einigen der älteren Soldaten, die schon einige Schlachten erlebt hatten und nicht so schnell den Kopf verlieren würden. Erleichtert vernahm Marcus darum die Order, daß die Abwehr folgen sollte, denn die Reiter waren schon so nahe, daß man nicht nur das Funkeln auf dem Metall, sondern auch die immer noch unheilbringenden Hörner erkennen konnte.


    „Halt! Formation bilden.“


    Das Donnern und Tösen übertönte Marcus Stimme, doch sein Befehl sollte und wurde auch zu den anderen Soldaten weiter getragen. Aufgepeischt durch den Kampf reihte sich Marcus schnell in die erste Linie mit ein. Ein Vorbild mußte Marcus sein, wenn er auch nicht die Kraft hatte, sich einem solchen Angriff zu stellen, nur die Kräuter und das Pulsieren seines Blutes hielten Marcus noch auf den Beinen. Doch hier stellten sie sich der Elite des parthischen Reiches, einen bedrohlichen Ungeheuer und die Männer mußten das Gefühl haben, sie wären zu besiegen, keiner und erst recht nicht ihr centurio fürchtete sich vor ihnen.


    „Schild an Schild! Festen Stand suchen.“


    Marcus biß die Zähne fest aufeinander, seine Wangenknochen mahlten gegeneinander und er starrte auf die Reiter, die sich ihnen nährten. Mit all seiner Haltung, seinem Gesichtsausdruck offenbarte er eine grimmige Zuversicht. Sand wurde aufgewirbelt, das Schnauben der Pferde drang bis an Marcus Ohren, er sah ihre wehenden Mähnen, die fremdartigen Gesichter der Parther unter ihren Helmen.


    „Speere nach oben.“


    Einem Inferno glichen die parthischen Reiter, einer Urgewalt prallten sie auf die Schilde, die Speere zerbrachen, fanden ihre Ziele oder auch nicht und einer mächtigen parthischen Götterfaust gleichend donnerten die Reiter mitten in die zweite Zenturie der ersten Kohorte hinein, rißen die saubere Linie auseinander, begruben römischen Soldaten unter sich. Ein heftiger Ruck ging durch Marcus Arm als der Speer in seinen Händen zerbrach, ein lautes Wiehern und Marcus spürte wie er von etwas Hartem getroffen wurde und zur Seite geschleudert. Er rollte über den Boden, Hufen donnerten über ihn hinweg und Marcus war einige Herzschläge benommen. War es ein Opfer in der Fremde oder die Götter über dem Schlachtfeld? Marcus vermochte jedenfalls sich im letzten Moment zur Seite zu rollen und einem Pferd auszuweichen, was ihn mit den schweren Hufen in den Boden gestampft hätte. Hastig kam Marcus auf die Beine und riß das Schwert hervor. Wie sein optio bemühte sich Marcus Ordnung wieder herzustellen in das fürchterliche Chaos.


    „Zurück in die Formation.“


    Den Befehlen von dem Tribun – oder des Legaten – konnte Marcus nicht mehr umsetzen. Schon richteten die Reiter eine Schneise in die zweite Zenturie, auf den Weg zu dem Adler. Marcus sah die Reiter auf sie zukommen, wandte den Blick über die Schulter und sah den Adler seiner Legion aufragen im strahlenden Sonnenlicht. Das Zeichen ihres Mutes, ihrer Standhaftigkeit. Waren die Parther darauf aus? Marcus war sich nicht sicher, doch er wechselte einen Blick mit einem der ältesten Soldaten seiner Zenturie, Cafo. Dieser nickte. Die römischen Soldaten kämpften mit den Reitern, suchten mit den Schilden den Vormarsch der Reiterei aufzuhalten, vergebens. Marcus holte aus, um mit seinem Schwert gegen einen der Reiter – mehr seinem Pferd- zu zu stoßen. Auch Cafo tat selbiges, wollte den Mann vom Pferd holen und zielte auf dessen Bein. Doch der Mann, eindeutig ein hervorragender Kämpfer, wehrte den Angriff des Veteranen spielend ab und Cafo wurde von dessem Schild nach hinten geschleudert, begraben unter den Hufen der anderen Pferde. Auch Marcus Angriff ging ins Leere. Schreie ertönten um ihn herum und dann waren die Reiter bereits an ihm vorbei, hatten dabei eine fürchterliche Bresche in die zweite Zenturie geschlagen. Die baktrischen Soldaten drängten auf sie ein. Mit zwei anderen Soldaten schlug Marcus noch einen der parthischen Soldaten aus dem Sattel, sein Schwert bohrte sich in die Kehle des Mannes und das Blut tränkte erneut die Erde und ergoß sich über Marcus Füße. Marcus hob den Blick, verschleiert und sah über die zahlreichen toten Soldaten vor ihm, römische Soldaten. Bildet einen Kreis um den Adler. Das ertönte eindeutig bis zu Marcus. Der Adler! Jähzorn, große Wut keimte in Marcus auf. Bei Mars! Nein! Marcus suchte die Männer seiner Zenturie mit den Augen ab. Die Erste würde nicht alleine stehen, wenn, dann würden sie alle bis zum letzten Blut den Adler verteidigen. Sie würden sich auf die Parther stürzen, die sich nun auf die erste Zenturie richteten.


    „Formation bilden!“


    Mit aller Kraft brüllte Marcus das über die Männer hinweg, die noch nicht mal mehr zur Hälfte standen.


    „Diesen Bastarden überlassen wir nicht den Adler. Zur Ersten rücken. Die Lücke schließen.“


    Auch für die Zweite schien es auf diesen Posten ein bereits verlorener Kampf zu sein. Immer wieder hielt Marcus mit laut gebrüllten Befehlen die Soldaten an, die Formation zu halten und gleichzeitig auf die angreifenden Horden ein- und zurück zu drängen. Marcus Schwert vergrub sich tief in baktrische Leiber hinein, Waffen schlugen auf ihn ein, kein Moment zum Durchatmen und immer weiter ging der schwere Kampf. Dabei rückten sie stetig näher an die Erste heran, um ihnen - eine etwas weniger als achtzig Mann starke - Verstärkung zu bieten und sie mit gegen die angreifenden Horden zu verteidigen, aber auch den schweren Reitern näher zu kommen.




    [SIZE=7]/edit: Zahlenrechnerei[/SIZE]

    Die Sonnenstrahlen spielten munter auf dem Metall des signum, was hoch über der centuria aufragte. Fest hielt der signifer die hölzerne Stange in seinen Händen, während um ihn herum das Kämpfen brandete. Die Schreie der Verwundeten gelangten bis unter das dicke Leopardenfell, was über seinen Helm geschlungen und vor seiner Brust verknotet war. Wie ein Fels in der Brandung des wütenden Meer von kämpfenden Soldaten verblieb der Veteran der Einheit. Stur würde er an dem Zeichen fest halten, es würde erst hinab sinken, wenn der letzte Mann seiner Einheit gefallen oder geflohen und der signifer gefallen. Rotes, warmes Blut tränkte den staubigen Erdboden, das Land selber schien nach dem Lebensodem der Männer gieren zu wollen, verschluckte ihn dürstend. Der rote Saft tropfte von Marcus' Schwertklinge hinab, die Spitze war herab gesunken und berührte den trockenen Boden, verschenkte den Segen an die gefräßige Erde. Eine Ader zeichnete sich an Marcus Schläfe ab und seine Lippen waren fest aufeinander gepresst, seine Stirn in höchster Konzentration gefurcht. Nicht das erregende Pulsieren von dem Kampf durchdrang ihn schon, die Verantwortung der Männer gegenüber lastete zu stark auf seinen Schultern. Und nicht nur seinen Männern gegenüber trug er diese, denn wenn eine Zenturie aufgerieben wurde, riß es eine nicht unbedeutende Lücke in die Schlachtlinie. Marcus Nasenflügel erbebten, der Geruch von Blut drang an seine Nase und er erzitterte selber ungeduldig. Einige Herzschläge beobachtete er das Kämpfen, doch das Ringen um die Formation machte den Ausschlag. Die parthischen Feinde waren tief in das Herz der Zenturie vorgedrungen und waren nun jedoch von der Zenturie umringt; gefangen und in der Falle, was sie umso gefährlich machte, waren sie doch so in die Ecke gedrängt. Ein Schrei und einer der Soldaten in seiner Nähe fiel getroffen zu Boden, ein Beil steckte in der Lücke von seiner Rüstung, an der Schulter. Schon wollte einer der Parther erneut durch die Bresche stürzen, die Rettung suchen, Chaos sähen und sich wie ein giftiger Pfeil in den corpus der Zenturie bohren. Um den Teil des Giganten – Legion - zu fällen. Den Schmerz nicht beachtend trat Marcus schnell über den gefallenen Soldaten hinweg und stieß mit seinem Schild zu.


    „Bellona!“


    Einem wütenden Knurren glich Marcus Ausruf und mit seinem Gewicht schlug er den Parther zurück. Eine Hacke sauste auf ihn hinab, Marcus duckte sich darunter weg, hob das Schild, das Metall kratzte knirschend über die bemalte Oberfläche und grub dort tiefe Furchen hinein. Aus der Deckung hervor stieß Marcus mit seinem Schwert zu, zog es zurück, keuchte heftig wegen des Schmerzes in seinem Arm und ließ erneut sein Schwert nach vorne sausen, schlug einen Angreifer von ihm weg und bedrängte mit den anderen Soldaten die Angreifer. Immer enger wurden die Parther eingekreist. Erneut schaffte es ein flinker Mann unter einem Schild hinweg zu tauchen. Gehetzt krabbelte er über den Boden und rollte sich zur Seite, stieß gegen Marcus Wade. Marcus Schild sauste hinab und schlug dem Mann auf den Rücken. Ein Jammerlaut entfleuchte dem Mann und er hob den Kopf an. Worte schienen sich von seinen Lippen zu lösen, ein flehender Ausdruck lag in den Augen des Mannes, die Angst zu sterben, die Bitte weiterleben zu dürfen. Keinen Augenblick zögerte Marcus, sein Schwertarm sauste hinab und die Klinge bohrte sich in den Rücken des Mannes. Er zog es wieder hervor und holte kurz Luft, schüttelte das nun doch aufkeimende Zaudern von ihm ab und stach wieder zu, um noch die letzten Parther nieder zu machen.


    „Ausrichten, Formation wieder her stellen!“


    Entfernt hörte Marcus seine eigene Stimme, kalt und tief dröhnend. Im Moment durfte er nichts an sich heran laßen, darum nahm er zügig den Platz von einem Erschöpften vor sich ein, ignorierte das Blut, was stetig aus seinem Verband hervor sickerte und seine Schulter rot färbte. Seine Rüstung glänzte bereits mattrot im Sonnenlicht, sein Gesicht war fahlgrau und seine Haare unter dem Helm verschwitzt.


    „Vorrücken. Lücke schließen.“


    Zu stechen, zurück ziehen, mit dem Schild zuschlagen. Mechanisch vollbrachte Marcus all dies, bis sein Schwert verloren ging. Er merkte es erst als er erneut zu stechen wollte. Doch seiner blutig glitschigen Hand war es entglitten, die Kraft es zu halten verloren gegangen. Wütend zog Marcus die Hand zurück und schlug dem Parther mit dem Schildbuckel gegen den Torso und setzte mit der scharfen und harten Kante nach, zog seinen Dolch und stach damit zu. Es genügte, war die Reichweite seines Gegners mit seinem Hackbeil auch nicht viel besser. Schwarze Punkte tanzten vor Marcus Augen, er merkte es nicht. Jegliche Vernunft war von ihm abgestreift und mit jedem weiteren Schlag, jedem Herzschlag versank er tiefer in ein Delirium des Kampfes.

    Es war so weit, die Augenbraue von Marcus wanderte in die Höhe, wölbte sich derart wie es nur ein Flavier vermochte und was im Blute lag. Imitation vermochte diese Wölbung nicht zu erzeugen, die Vielzahl von Emotionen und Gedanken in einer schlichten Veränderung eines Gesichtszuges auszudrücken. Marcus musterte prüfend den jungen Mann vor sich und fragte sich, ob der Soldat sich über ihn lustig machen wollte, prüfen wollte, ob Marcus sich so leicht aufs Glatteis führen ließ oder gar ihn zu reizen versuchte. Aber Marcus konnte nichts in dem Gesicht erkennen – mit der Menschenkenntnis war es bei Marcus jedoch nicht immer gut bestellt. In dieser Hinsicht glich er seinem Vetter, er ging zuerst vom Guten im Menschen aus, war doch Marcus auch mehr jovialer Natur und er übertrug diesen Wesenszug gerne auf die anderen Menschen um sich herum – besaßen sie ihn oder nicht. Und der junge Mann schien ihm ehrlich zu sein. Marcus schüttelte resigniert den Kopf und griff nach einem papyrus. Da fiel ihm seine Verletzung auf.


    „Naevius!“


    Seine Stimme scholl durch das Zelt und er schob den Teller zur Seite, der mittlerweile leer war.


    „Also gut, Tiberius. Ich will Deiner Karriere als Reiter nicht im Weg stehen. Aber eines möchte ich klar stellen. Noch bist Du nicht versetzt. ICH alleine versetze Dich. Ich entscheide, ob eine solche Empfehlung an die oberen Ränge gehen. Der Tribun kann sich sicherlich an den Kaiser oder den Legat dafür wenden, meinetwegen auch an den ersten centurio. Aber wegen einem probatus werden diese ganz sicherlich nicht in meine Führung der Zenturie hinein reden. Dafür haben all die Männer besseres zu tun. Du wirst erst versetzt, wenn ich das Schreiben aufgesetzt und es an die Verwaltung des Legaten geschickt habe. Er wird es abzeichnen und dann erst bist Du bei der Reiterei. Und für die Zukunft. In der Reiterei wird das nicht anders sein. Also melde Dich dann zuerst bei deinem decurio.“


    Der Soldat, sein Schreiber, kam herein und nickte fragend in die Runde. Marcus deutete auf die Schreibsachen, Naevius nahm Platz und spitzte die Feder. Leise diktierte Marcus den Versetzungsbefehl. Dann sah Marcus auf.


    „Viel Erfolg bei der Reiterei. Mein Schreiber bringt Dir gleich die Befehle raus. Du kannst wegtreten, Tiberius.“


    Erst als Andronicus das Zelt verlassen hatte, seufzte Marcus und schüttelte mehr als verärgert den Kopf. Leise grummelte er vor sich hin.


    „Ein weiterer Brief. Dieses Mal an tribunus Iulius von der Reiterei. Also...so eine Unverschämtheit. Mir mitten im Krieg die Soldaten abzuwerben. Und das noch während der Grundausbildung.“


    Dann diktierte Marcus erneut. Nach einigen Minuten dann kam der Schreiber hinaus und vor das Zelt. In den Händen trug er einen zusammen gerolltes papyrus, was er an Andronicus weiter reichte.


    „Der centurio möchte, daß Du diesen versiegelten Brief weiter trägst. Überreiche ihn persönlich an tribunus Iulius von der Reiterei. Du solltest nicht im Traum daran denken, das Siegel zu brechen, verstanden? Das ist ein Befehl. Deine Versetzung wird weiter gereicht. Packe Deine Sachen, verabschiede Dich von Deinen Mitsoldaten. Morgen früh geht es für Dich zur Reiterei. Vale, probatus.“

    Brütend knallte die Sonne auf Marcus Kopf hinab, bohrte sich scheinbar bis zu seinem Geist vor und versuchte ihn noch mehr zu umnebeln als er ohnehin schon weggetreten war. In Kombination mit den Kräutern, die der Medicus Marcus überlassen hatte – nach einigem Grummeln und Schimpfen, recht widerwillig sogar – war das eine sehr ungute Mischung. Seine Hand war um den Griff des Schildes geschlungen und er selber suchte nach einem festen Stand. Die Welt um ihn herum schaukelte und drehte sich wild, seine Orientierung ging verloren. Kein Aufprall war zu spüren und Marcus Arm wurde schwer. Womöglich war es eine Fügung der Götter, daß die ersten Pfeile – die auf die Zenturie hinab saußten- sich erst neben Marcus in den Boden bohrten und ihn aus seiner verletzungsbedingten Verwirrtheit heraus rißen. Sein Kommando: „Scuta hoch!“ war dagegen mehr sinnlos. Die Soldaten reagierten schon von sich aus. Schneller als Marcus überhaupt befehlen konnte. Womöglich hätte Marcus doch das Kommando an Tallius abtreten sollen, er merkte das in dem Augenblick, denn sein Reaktionsvermögen war hundsmiserabel und die Welt verschwamm vor seinen Augen. Schmerzensschreie erklangen um ihn herum, der Hagel von Pfeilen drückte Marcus etwas tiefer, mit einem Knie sank er auf den Boden und das Schild stieß an seine Schulter; heftiger Schmerz war die Antwort. Marcus sog tief die Luft ein. Ein Blick zur Seite und verwundert starrte er auf die Soldaten, ein kleines Durcheinander hatte sich in seiner Zenturie gebildet, was eindeutig wohl daran lag, daß Marcus zu wenig Befehle gab. Marcus biß sich auf die Zunge. Der Schmerz schien ihn wacher zu machen - jedoch nur marginal. Er richtete sich etwas auf, ein Schrei und neben ihn fiel ein Soldat getroffen zu Boden, der Körper schlug gegen Marcus Beine, hätte ihn fast zur Seite gerissen. Wusch! Ein Pfeil sauste haarscharf an Marcus Kopf vorbei. Einen Fingerdeut daneben und die Zenturie wäre ohne Zenturio.


    „Mars! Stehe uns bei. Wenn Du uns durch diesen Krieg führst. Ich schwöre Dir, ich kümmere mich persönlich darum, daß Dein Tempel in Rom erstrahlt. So schön wie kein anderer Tempel in Rom!“


    Leise, aber inbrünstig kam der Schwur von Marcus Lippen, wurde von dem Lärmen der Pferde und dem Hagel der Pfeile mit sich gerißen. Blut vergoß sich zu Marcus Füßen. Es war nicht das seine, sondern das eines seiner Kameraden. Eines römischen Soldaten, der wie viele Andere niemals wieder die Heimat sehen würde. Ein dumpfes, seltsames Dröhnen in der Ferne drang an seine Ohren, dazu das Trompeten der cornicen und einige Herzschläge kam es auch zu Marcus Bewußtsein, daß sie endlich weiter vorrücken sollten. Abermals brauchte Marcus zu lange, um die Befehle umzusetzen. Sein Schild sank etwas herab und er sah eine flirrende schwarze Linie vor sich. Gestalten, die auf die Feinde zurasten. Furien gleichend, die die Rache für die gefallenen Soldaten vollführen wollten. Priscus Stimme drang bis zu Marcus Ohren. „Gut so!“, murmelte Marcus und sah schon die ersten Wurfspeere durch die Luft sausen. Marcus holte tief Luft und dieses Mal schaffte er es den richtigen Befehl zu rufen.


    „Zieht die Schwerter!“


    Zwei Mal wiederholte er den Ruf, denn all das Lärmen, all das Tosen um ihn herum machten es ihm schwer bis zu all seinen Männern vorzudringen. Das Kämpfen und das Donnern der Hufen verschluckten viel. Und dieses nervenaufreibende Dröhnen. Es wollte nicht aus Marcus Kopf weggehen. Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Immer noch pochte es als ob einer mit einem Schlegel direkt neben ihm auf Metall schlug. Dann sah Marcus es, gerade noch im letzten Moment; ein bösartiger Schwarm prasselte auf sie hernieder, begleitet mit einem seltsamen Stampfen- oder war es ein Trommeln? - Marcus Stimme hob sich an:


    „Schilde hoch!“


    Auch Marcus riß das nach oben, ließ den Pfeilhagel sein Schild bestreichen, spürte ein beinahe zärtliches Streifen an seiner Wade – nicht tragisch oder schmerzhaft – aber endgültig klärend für seinen Geist. Der Pfeilhagel stellte sich ein, Marcus ließ das Schild sinken und sah die wilde Menge auf sie zu stürmen. Ein bunter Haufen, ein chaotisch scheinendes Mosaik – wäre jemals ein Künstler auf die Idee gekommen, sie in Stein zu verewigen.


    „Angriff abwehren!“


    Eigentlich unnötig, denn die erste Welle der parthischen Bauern, Hirten und Jäger – und was sich sonst noch mit dem Haufen auf sie warf – drang bereits zu der ersten Reihe. Wuchtig schlug die Angriffswelle auf die erste Reihe. Waffen drangen auf Schilde ein, das Klirren von Metall gegen Metall ertönte, die ersten Schreie mischten sich mit dem Kampfeslärm. Marcus trat etwas zurück und zerrte an seiner Armbinde. Dieses Mal würde er nicht ganz vorne stehen, die Schlacht versuchen zu lenken – für seine Zenturie natürlich. Die Binde um seinen Arm riß und er hatte den Arm frei, konnte sich sein Schwert greifen und hervor ziehen – für den Fall, daß einer der Parther sich auch auf ihn stürzen würde, was nicht sehr unwahrscheinlich war. Schwer wog sein Schwert in der Hand, viel schwerer als sonst und es tat jetzt bereits in seinem Arm weh, ein unangenehmes Pochen folgte und die Wunde brannte. Marcus biß die Zähne aufeinander, versuchte den Schmerz zu unterdrücken und behielt genau die erste Reihe im Auge. Männer fielen, andere Männer nahmen ihren Platz ein und dann schaffte es einer der Parther mit einem Schlachtermesser durch die Reihe zu brechen. Ein Schrei auf den Lippen stürzte der Mann auf Marcus zu. Im letzten Augenblick riß Marcus das Schild nach oben. Ein lautes Plong ertönte, sein Schild erzitterte und Marcus wuchtete es nach oben, um die scharfe Schildkante in das Gesicht des Mannes zu stoßen. Marcus spürte das Knirschen als Knochen brachen und im selben Moment stieß er mit seinem Schwert zu, was sich geschmeidig durch das gehärtete Leder bohrte und in das Fleisch des Mannes drang. Ein Röcheln und der Mann sank vor Marcus Füßen zu Boden. Marcus gab ihm einen Tritt und beförderte ihn zur Seite, beachtete seinen Todeskampf nicht einen Herzschlag lang. Sein Blick ging schnell wieder zur Schlachtreihe und er trat über den gefällten Parther nach vorne.

    Mit dem Löffel malte Marcus einige Muster in die Soße des Fleisches. Da er das gute Essen- schließlich bekam auch er freilich nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller- nicht kalt werden lassen wollte, nahm er den nächsten Bissen und aß ihn langsam, ließ dabei den Blick auf dem jungen Mann ruhen. Über die Verwandtschaft? Von daher kam wohl das Chaos. Appius war ein Ordnungsfanatiker, wenn er auch ein völliges Ekel war und in Marcus Augen kein richtiger Soldat- so ein Verwaltungsbürschchen eben. Ein „Hm!“ war die einzige Reaktion von Marcus auf die Aussage zu Vitamalacus. Ein „Aha!“ erntete Andronicus mit der Erwähnung des contubernium. Immerhin: Dann war der Junge wenigstens nicht obdachlos gewesen in den letzten Tagen. Daß Andronicus einigen Fragen auswich, das fiel sogar Marcus auf. Doch er hatte den Mund erneut voll und ließ es deswegen auf sich beruhen. Genüßlich aß Marcus weiter und schwieg, gab höchsten mal ein Grummeln oder Brummeln von sich. Schließlich:


    „Dieser optio gehört nicht zu meiner Einheit. Er hat nicht zu bestimmen, ob eine Versetzung rechtmässig ist oder nicht- wenn es die Soldaten meiner Zenturie betrifft. Wenn, dann hättest Du Dich an optio Tallius wenden müßen. Aber ich sehe schon, die Strukturen der Legion scheinen Dir nicht erklärt worden zu sein. Kannst Du dann nicht ahnen. Aber der Tribun kann es eigentlich wißen. Hast Du den Befehl bereits schriftlich erhalten? Und ist es überhaupt Dein Wunsch versetzt zu werden?“

    Trocken wehte der Wind über die Ebene zwischen den beiden Streitmächten. Sand und trockenes Blattwerk wurden aufgewirbelt, drehten sich umeinander in einem munteren Tänzchen und fielen wieder zu Boden. Immer wieder wurden kleinere Sandböen aufgewirbelt, wehten gegen Marcus und die Sandkörner kratzten an Marcus Haut. Die Hitze war auch nicht leicht zu ertragen und das beständige Warten ebensowenig. Marcus verengte seine Augen und spähte zu der dunklen Masse, dem anonymen Feind entgegen. Es war schwer, ihre Zahl einzuschätzen und zu erahnen, welche Streitmacht im Vorteil war. Aber Marcus glaubte, daß sie doch mehr waren- sie, die Römer. Und nicht die Parther. Hufen donnerten über Sand, Wiehern ertönte, das Klirren von Waffen- all das wurde von dem stetig wehendem Wind zu Marcus hinüber getragen. Marcus stand dort und sah zu den Männern hinüber, die wie Schlachtvieh einer nach dem Anderen fiel. Es zuckte an Marcus Wange, er hob seine Hand und kratzte sich dort- einziges Zeichen seiner Betroffenheit über den Tod so vieler Männer, der zudem sinnlos erschien. Marcus wandte den Blick nicht ab, denn er hätte es für schon frevelhaft gehalten, das Opfer jener Männer nicht zu beachten. Stumm verharrte Marcus, ebenso stumm als sich ein Reiter aus den Reihen der Formation löste. Wortfetzen drangen bis zu ihnen herüber. Das griechische Kauderwelsch war recht schlecht für Marcus verständlich. Er sah auch einige irritierte Gesichter der Männer.


    Was hat der gerufen?“
    „Irgendetwas mit räudigen Hunden und Läuse!“
    „Habt ihr Angst vor uns? Irgendwie sowas, glaub ich.“
    „Kommt doch, wenn ihr Euch traut...das hab ich verstanden!“
    „Irgendso ein Typ soll uns die Augen versenken und Leben verdorren. So ein Ahuma Makahma oder so. Vielleicht ihr Feldherr...?“
    „Hei, die nennen uns Hurensöhne. Die können was erleben!“


    Ein Raunen ging durch die Männer - direkt in der Nähe von Aristides- , einige Männer, die sich jeder in der Nachricht ergänzt hatten, die der Parther ihnen rüber gerufen hatte. Marcus starrte finster hinüber. Doch als er Bewegung in seinen eigenen Reihen bemerkte, wandte er sich um.


    „Schluß jetzt. Und wehe einer von euch stürmt vor.“


    Marcus konnte einige der Männer verstehen, die wütend zu den Parthern hinüber starrten und wohl am Liebsten nach vorne gestürzt wären. Wenn jemand Marcus Achillesferse traf, dann war es mit einer Beleidigung gegen seine Mutter. Grimmig sah Marcus hinüber. Ehrloses Pack!, schimpfte er sie schon in seinen Gedanken. Doch was konnte man schon anderes erwarten von solch einem Barbarenvolk! Schon sauste ein Geschoß auf jenen frechen Burschen hinab. Scheinbar war jedoch das Glück auf dessen Seite. Dann jedoch: es kam Bewegung in die Angelegenheit. Hörner wurden geblasen, Signale weiter gegeben. Marcus nickte auch ihrem cornicen zu, der in sein Horn blies und den tiefen, dröhnenden Laut von sich gab. Schilde wurden hochgehoben, Speere festgehalten und losmarschiert. Marcus lief direkt neben den Männern und weit vorne, die Augen auf die parthischen schwarzen Linien gerichtet. Sein Gesicht war jetzt bereits rot wie ein gekochter Krebs. Seine Stirn voller Schweißperlen, die an seinen Schläfen herab tropften und diese benäßten. Der Boden schien unter ihnen zu erzittern, Waffen blitzten im Sonnenlicht auf und sie näherten sich Schritt für Schritt dem Feind, stetig Bergauf. Mit einem Teil seiner Aufmerksamkeit registrierte Marcus, daß die Parther verdammt gut gewählt hatten. Die Sonne blendete Marcus und der Anstieg brachte ihn jetzt schon ein wenig außer Atem.


    Einer schwarzen Welle gleichend lösten sich die Reiter, erschienen aus dem blendenden Weiß, um sich den Männern entgegen zu stürzen. Das Huftrommeln dröhnte ohrenbetäubend zu ihnen. Marcus sah ein Zaudern bei einigen der Männern, ein Verlangsamen in ihrem Marsch.


    „Nicht stehen bleiben, milites!“


    Wohl nur die nächsten Soldaten verstanden Marcus, war doch der Lärm jetzt schon überwältigend. Noch waren sie weit genug entfernt, um mit den Fernwaffen ein Wenig in den feindlichen Reihen den Tod zu sähen. Marcus bewegte seinen schmerzenden Arm, dachte nur einen winzigen Augenblick darüber nach und entschied sich dafür. So gab Marcus den Befehl, wenigstens noch eine pilasalve zu schleudern- mitten in den Feind heinein. Marcus hielt sich nicht lange damit auf.


    „Waffen bereit halten. Schild an Schild.“


    Die Reiterabwehr hatte Marcus öfters noch üben wollen- doch es war zuwenig Zeit nebem dem Marsch gewesen-, hoffte jedoch, daß die Männer auch so es noch genug beherrschten. Noch einige Schritte würde er sie weiter gehen laßen bis die Reiter so nahe waren, daß sie nicht mehr die Pferde herum reißen konnten. Dann würden sie handeln müssen. Immer weiter näherten sie sich den Reitern- und diese noch viel rasanter ihnen-, Marcus spähte genau auf die näherkommenden Feinde und wartete....wartete noch ein wenig länger. Er spürrte eine gewisse Unruhe bei den Männern, doch mit kräftigen Rufen hielt er sie an, weiter in der Formation zu bleiben. Das war ihre einzige Chance mit so wenig Verlusten wie möglich zu überleben. Marcus Nasenflügel erbebten, er roch bereits den Geruch der Pferde, hörte das wilde Schnauben der Tiere, sah das Zittern ihrer Flanken und dann erst rief er:


    „Halt, fester Stand. Waffen nach oben!“



    [SIZE=7]Bei Beschwerden: an die Götter bitte. Aristides ist leider ein recht fehlbarer centurio.[/SIZE]

    Verblüfft blinzelte Marcus. Hörte er richtig? Was war denn das für ein Durcheinander? Herrje, als ob die Arbeit eines centurios nicht so schon schwierig genug war. Und dann auch noch das. Marcus reichte dem jungen Mann die acta weiter.


    „Schreib mal lieber Deinen Verwandten. Sie glauben sonst, Du wärst verstorben. Das willst Du ihnen sicherlich nicht antun, hm?“


    Marcus stob die Luft durch seine Nase. Und schüttelte ein weiteres Mal den Kopf. Mit einer Hand deutete Marcus auf einen Schemel. Denn scheinbar würden sie wohl noch länger darüber sprechen müssen. Das Knäuel mußte entwirrt werden und der gordische Knoten zerschnitten.


    „Bist Du also nicht vom Rekrutierungsbüro aufgenommen worden, probatus? Kann Dein Verwandter - Tiberius Vitamalacus - damit zu tun haben?“


    Marcus legte die Musterungslisten zurück. Wahrscheinlich ist einfach vergessen worden, dem jungen Mann ein Versetzungsbefehl zu geben. Aber wo hat der Tiberier bis jetzt geschlafen? Wo gegessen? Was war sein contubernium? Warum hatte Marcus ihn bis dahin noch nie gesehen? War er ihm einfach nur entgangen. Vielleicht sollte er mal seinen optio fragen.


    „Warst Du schon die letzten Tage mit in meiner Zenturie untergebracht? Weiß optio Tallius von Dir wenigstens?“


    Kopfschüttelnd registrierte Marcus die Art der Versetzung. Das war ja noch schöner, daß sich der Iulier erdreistet hatte über die Männer der Infanterie zu bestimmen. Das war gewiß nicht sein Aufgabenbereich und auch nicht einen centurio zu übergehen. Bei Mars, Sitten waren das! Selbst wenn Krieg war.


    „Der tribunus kann Dich gar nicht einfach so versetzen, probatus. Du hättest zuerst zu mir kommen müssen. Hat Dir Dein Ausbilder etwa nicht gesagt, daß der Dienstweg vom optio zum centurio geht. Und nicht gleich zu den oberen Rängen? Hast Du ihn angesprochen oder hat der Tribun Dich von sich aus versetzt? Oder hat abermals Dein Verwandter damit zu tun?“

    Prüfend musterte Marcus den jungen Mann. Ausbildungseinheit? Was war denn bitte das? Marcus verstand nicht, was der Tiberier damit meinte. Und der optio sagte Marcus auch nichts. Zumindest war er keiner der Zenturien, mit deren centuriones Marcus bekannt war. Kopfschüttelnd griff Marcus nach einer Kiste und öffnete sie. Mit Links natürlich. Denn sein rechter Arm steckte immer noch in der Schlinge und seine rechte Schulter war dick verbunden. Papyrus raschelte und Marcus holte die Musterungsrollen hervor. Seine Augen wanderten über die Liste hinweg, die der probati. Marcus konnte ihn nicht finden. Zumindest nicht auf den Listen. Grübelnd starrte er darauf. Tiberius...Tiberius Andronicus. Irgendwo her kam ihm der Name doch bekannt vor. Grübelnd fixierte Marcus weiterhin die Schriftrolle, dann sah er wieder zu dem Tiberier. Ein Geistesblitz. Marcus holte eine andere Liste hervor.


    „Aha!"


    Mit Mühe unterdrückte Marcus ein Grinsen. Es gelang ihm sogar ein todernstes Gesicht zu ziehen. In der Hand hielt Marcus einen Ausschnitt der acta. Lange sah er Andronicus an und meinte dann.


    „Bist Du nicht tot, probatus? Tote können leider nicht versetzt werden. Tut mir leid.“


    Die Erheiterung währte jedoch nicht lange. Marcus legte Liste und acta auf den Tisch. Unschlüssig spielte er mit dem Löffel auf der Holztruhe. Schob den Becher hin und her und ebenso die Gedankengänge in seinem Kopf.


    „Also, probatus. Wer hat Dich zu meiner Einheit versetzt? Wer hat den Befehl erteilt? War das der aus dem Rekrutierungsbüro? Und warum hast Du Dich kein einziges Mal bei mir gemeldet, wenn Du zu meiner Einheit versetzt wurdest? Und wer hat Dich jetzt zur Reiterei versetzt?“

    Saftig mundete Marcus das Stück Fleisch. Eingetaucht in eine reichliche fette und salzige Soße war es, genüßlich mampfte Marcus und wartete darauf, was für eine Nachricht der Soldat bringen würde. Er hörte die Worte wohl, aber irgendwie ergaben sie bei Marcus keinen Sinn. Marcus kaute langsam zu Ende und starrte den junge Mann vor sich mehr verblüfft an. Der Satz war kurz genug, daß Marcus ihn immer wieder im Geist hin und her wälzen konnte. Es dauerte so einen Moment. Marcus schluckte herunter und war nicht minder verwirrt, konnte genauso wenig die Worte wirklich einordnen. Schweigend lehnte sich Marcus zurück und stützte den Rücken am Pfahl seines Zeltes ab, wobei eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen erschien.


    „Du bist hier, um Dich von meiner Einheit abzumelden? Du wurdest versetzt?“


    , wiederholte Marcus deutlich. Als ob er es sich noch mal selber verdeutlichen wollte, was Andronicus wirklich von ihm wollte. Denn Marcus war sich nicht ganz sicher, ob der junge Mann wirklich hier an richtiger Ort und Stelle war.


    „Fangen wir doch erst Mal von vorne an. Du bist Probatus Tiberius. Seit wann bist Du bitte in meiner Einheit? Und warum hast Du Dich nicht bei mir gemeldet? Wer hat Dich zu meiner Einheit befohlen? Und wann?“

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus
    ...Dort angekommen nahm er vor den dort postierten Wachen Haltung an und meldete sich und sein Anliegen an: "Probatus Tiberius Andronicus. Ich will den Centurio Flavius sprechen."


    Ein Soldat lungerte vor dem Zelt herum und wartete darauf, daß sein Kamerad zurück kommen würde. Damit sie endlich weiter würfeln konnten. Ein Schatten fiel auf ihn im Licht der späten Abendsonne. Blinzelnd sah er den jungen Mann vor sich an. Der Name war ihm gänzlich unbekannt, doch das sollte nicht viel bedeuten.


    „Moment.“


    , brummte er und trat auf das Zelt zu. Leise Gesprächsfetzen, nicht wirklich verständlich, drangen nach draußen. Dann kehrte der Soldat bereits wieder zurück. Mit einer Hand hielt er die Öffnung zum Zelt offen. Mit der Anderen deutete er einladend auf den Eingang.


    „Kannst eintreten. Der centurio erwartet Dich.“


    Geräumig war das Zelt. Wenn man es mit dem Zelt eines normalen Soldaten verglich. Jedoch nicht, wenn man sich ein Zelt eines Tribuns oder Legat vor Augen führte. Ein Lager war zur rechten aufgebaut. Eine große Holztruhe diente in der Mitte als Tisch und mehrere Schemel waren darum aufgestellt. An einem saß centurio Flavius Aristides. Bei seiner liebsten Beschäftigung - dem Essen. Er sah von seinem Teller mit reichlich Lammfleisch auf und musterte Andronicus. Da auch Marcus den jungen Mann nicht einordnen konnte, nahm er an, einen Boten vor sich stehen zu haben.


    Salve, probatus. Bringst Du eine Nachricht?“