Ernste Gesichter sahen Marcus entgegen. Mal ein Nicken, ein Füßescharren, Marcus sah von einem Gesicht zum Anderen. Die Nacht griff bereits nach der Welt, die tiefe Röte am Himmel wurde von ihr immer mehr aufgefressen. Bald würde sie sich über das Lager senken, aber bis dahin sollten die Feuer bereits brennen. Als Sparsus eintraf, wandte sich Marcus ihm zu und lauschte seinen Worten, war sehr zufrieden mit der Arbeit des tesserarius, wenn dieser auch mit dem Mulitreiber einen erstaunten Blick erntete. Ein Maulesel? Marcus Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen. Herrje, wenn er doch seinen Vetter fragen könnte! Was würde er wohl dazu sagen? Marcus hob die Hand und rieb sich in einer Geste der Irritation – was er auch beim Nachdenken, Grübeln, Verlegenheit und anderen Situationen anwendete – über seinen Nacken. Ein Maulesel war doch auch ein nützliches Tier; und ein Tier eben. Warum also nicht? Marcus ließ die Hand herunter sinken, nickte Sparsus zu und wandte sich schließlich an die Männer.
„Dann, Männer, geleiten wir unsere Kameraden.“
Marcus hob den Helm an und setzt ihn sich auf, den Riemen schnallte er unter seinem Kinn fest, wartete, bis alle ihre Waffenbrüder angehoben haben, um sie vor das Lager zu tragen. Müde waren Marcus Schritte, seine Schultern wollten herunter sinken, nur mit den letzten Resten von Selbstbeherrschung hielt er sich noch erhoben. Viele Scheiterhaufen waren aufgeschichtet, viel zu viele. Marcus Augen wanderte die Reihe ab und er blieb am Rande stehen, obließ es den Männern, ihre Kameraden bis zu den Holzhaufen zu tragen. Marcus leckte sich über seine trockenen Lippen und wartete, bis die Leichname aufgebahrt worden waren. Der Wind spielte in dem Roßhaar seines Helmes und an seinem dunklen Umhang, den sich Marcus übergeworfen hatte, seine Lippen waren eine schmale Linie, seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an. Schweigend verharrte Marcus länger als notwendig war. Schließlich löste er sich aus der Starre.
„Soldaten...“
Setzte Marcus an, zu leise, denn seine Stimme war immer noch heiser vom Tage und dem Kampfe. Er räusperte sich und suchte danach, ein wenig lauter zu sprechen; die kratzige Stimme ließ sich nicht vertreiben.
„...Soldaten. Brüder, das sind alles Männer, die uns am Herzen lagen, sie haben mit uns Seite an Seite marschiert und gekämpft. Viele von den Männern werden euch näher gewesen sein als ihre eigenen Familien, sind sie doch auch unsere Brüder, im Kampfe und im Geiste. Heute sind viele tapfere Männer gestorben, haben ihr Leben gelassen für den Kaiser und das römische Volk.“
Marcus schwieg einen Moment. Es fiel ihm sehr schwer, passende Worte zu finden und die Männer im Angesicht des Todes aufzumuntern oder einen Halt zu geben. Er war noch nie ein guter Redenschwinger gewesen – es sei denn, ihm wurde die Rede vorher geschrieben. Aber Marcus mußte auf seine eigenen Worte vertrauen und so sprach er das aus, was er dachte.
„Wenn auch manch einer von euch zweifelt, ob ihr Opfer richtig war, ob sie es verdient haben zu sterben. Womöglich habt ihr Recht. Sie haben es nicht verdient ihr Leben zu geben, aber sie haben es getan. Wie jeder das von uns tun würde, denn wir sind Soldaten Roms, wir kämpfen nicht nur für Ruhm und Ehre; oder für die Ehre des Kaisers, nein, wir kämpfen dafür, daß unsere Heimat sicher bleibt. Darum seht es als das an, was die Männer geleistet haben. Sie haben ihr Leben gegeben, für den Schutz von vielen tausenden Bürgern in Rom, für unsere Familien in weiter Ferne. Und sorgt dafür, das niemand vergißt, was für ein Opfer all jene wackeren Männer geleistet haben.“
Den Blick auf die toten Männer hielt Marcus gerichtet, dann sah er auch zu den lebenden Männern. An anderer Stelle flammten bereits die Feuerzungen in den Himmel, fraßen sich in das Holz, um die Gefallenen in ihre Hitze zu hüllen. Marcus atmete tief ein und aus. Dachte über die Worte nach.
„Die Götter werden die Opfer erkennen und unsere Waffenbrüder in eine gute Welt geleiten, in das selige Elysium.“
Vielleicht hatten sie den besseren Weg als die Lebenden gewählt. Marcus sprach das nicht aus, dachte es nur. Er verstummte noch einmal, dann sah er zu den Soldaten.
„Zündet die Fackeln an. Will noch jemand etwas sagen?“