Beiträge von Iulia Helena

    Ein Sklave der Casa Iulia bringt eine verschlossene Schriftrolle vorbei und bittet auch um den Vermerk, den Brief von der Wertkarte der gens Iulia abzubuchen.


    Magister Officiorum Marcus Iulius Lepidus
    Regia Legatu Augusti Pro Praetore
    Mogotiacum
    Provincia Germania


    Salve, geliebter Vater,


    ich hoffe, Du verzeihst, dass ich Dir so lange nicht schrieb, doch waren meine letzten Wochen voller Geschäftigkeit und ich habe kaum die Zeit gefunden, in den Stunden, die mir vor dem Einschlafen blieben, einen klaren Gedanken für mich selbst zu fassen, geschweige denn für alles andere. Du wirst sicher erfahren haben, dass nun auch Onkel Seneca in der Casa Iulia hier in Roma wohnt, und auch wenn er nicht sehr oft zugegen ist, so ist mir seine Anwesenheit doch ein steter Quell der Ruhe, hat er doch die Position des Hausherrn übernommen, in welche sich Constantius nur langsam und nicht sehr leicht eingefunden hat.


    Constantius selbst hat nun endlich die rechte Würdigung seiner Arbeit für die Cohortes Urbanae erfahren und wurde zum Tesserarius ernannt, was, wie ich hoffe, eine Vorstufe zu einem richtigen Offiziersposten darstellt, denn Du kennst ihn, er hat sich immer bemüht, seine Arbeit gut zu verrichten und wird es sicherlich auch weiterhin tun. Leider scheint er sich noch nicht für eine Frau zu interessieren, sodass meine stille Hoffnung, er könnte sich langsam aber sicher doch, wie es von jedem Mann seines Alters erwartet wird, für eine Ehe bereit machen, noch immer enttäuscht wird.
    Ich denke, es würde ihm guttun zu heiraten, ein jeder Mann sucht doch ab einem gewissen Punkt seines Lebens nach der Nähe einer Frau, doch hält sich mein Lieblingsbruder darin leider sehr bedeckt. Ansonsten geht es ihm jedenfalls gut, ich versuche, ihn regelmäßig auf gesellschaftliche Anlässe mitzunehmen, damit er ein wenig unter die Leute kommt und sein Gesicht bekannt wird.


    Livilla lebt ebenso noch in de Casa, ich bin jedoch sehr froh, dass Onkel Numerianuns mit der Legio nach Mantua gekommen ist, denn dann können sich die beiden regelmäßig sehen, sie scheint sehr an ihm zu hängen und so ist es natürlich auch für Livilla eine Erleichterung, ihren Vater nahe zu haben. Sie war einige Tage lang krank, aber inzwischen ist sie wieder wohlauf und hat auch die Hochzeit von Annaeus Florus und Andreia besuchen können. Es ist so schade, dass Du nicht zur Feier anwesend sein konntest, denn Florus und Andreia haben wahrlich ein schönes Paar abgegeben und scheinen auch sehr glücklich miteinander zu sein, sodass der Götter Segen sicherlich auf den beiden liegt. An diesem Tag musste ich oft an meine eigene Hochzeit zurückdenken und mich an alles erinnern, was damals war - am liebsten hätte ich Dich und Mutter gar nicht verlassen, als der Brautzug losging, aber letztendlich hat sich Deine Entscheidung als sehr glücklich für mich erwiesen.


    Nun, wenn ich schon Hochzeiten anspreche, so bin ich mir sicher, dass Du auch von Onkel Seneca bereits gehört hast, dass es einen Mann gibt, der um mich werben möchte, Tiberius Vitamalacus, der derzeit als Aedilis Curulis in Rom tätig ist. Vielleicht hilft es Dir, eine Entscheidung zu fällen, wenn Du auch meine Gedanken zu dieser Verbindung kennst, der ich sehr positiv gegenüber stehe, doch am liebsten würde ich Dich gemeinsam mit Vitamalacus aufsuchen, damit Du Dir selbst ein Bild machen kannst. Vielleicht wird es, sobald der anhängige Tempelbau in Ostia endlich so weit begonnen ist, wie ich es mir vorstelle, mir auch möglich sein zu reisen, alle anderen Widrigkeiten hier scheinen vorerst beigelegt.


    Als ich Tiberius Vitamalacus durch einen Zufall kennenlernte, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen uns, die durch gegenseitigen Respekt und Interesse an der Meinung des anderen getragen war, und jenes haben wir uns glücklicherweise bisher bewahrt. Ich glaube, dass diese Verbindung auf einer soliden Grundlage ähnlicher Interessen und Gedanken ruhen kann, auch er war bereits einmal verheiratet und ist Vater geworden, sein Sohn dient derzeit auch bei der Legio, wie es sein Vater tat. Ich habe Vitamalacus als einen sehr klugen und überlegten Mann kennenlernen dürfen, dessen Entscheidungen reflektiert und den Umständen angemessen sind, er genießt den Respekt seiner Umgebung und auch den meinen durch seine gefaßte und würdige Art - ein wirklicher Patrizier eben, dessen Ahnen sicherlich mit ihm zufrieden sind.


    Wahrscheinlich klinge ich nicht besonders verliebt, wie man es wohl erwarten könnte, wenn eine Frau einwilligt, einen Mann zu heiraten - denn dies hat uns Seneca sehr wohl gefragt. Aber ich habe auch in der Ehe mit Titus erkannt, dass Liebe nicht alles ist, dass Sympathie und Respekt ebenso wichtig sind, um eine eheliche Gemeinschaft zum Erfolg zu führen, und ich möchte nicht irgendwann feststellen müssen, dass ich einem flüchtigen Gefühl gefolgt bin und neben einem Mann aufwache, den ich nicht für das achten kann, was er ist. Mehr jedoch möchte ich Dir gern persönlich sagen, es ist schwer, das alles nachzuvollziehen, wenn man den Menschen, über den geschrieben wird, nicht kennt.


    Vielleicht hast Du es schon in der Acta erfahren, ich plane, als Comes Italia zu kandidieren und danach den Weg in den Cursus Honorum zu nehmen, wie es einer Familie wie der unseren zukommt. Ist es Dir Recht, dass ich als Deine Tochter diesen Weg versuche zu gehen, wo Dein Sohn als Soldat dient, und die meisten anderen Männer unserer Familie sich dem Militär zugewandt haben? Manches Mal wünschte ich, ich wäre als Mann auf die Welt gekommen, doch bin ich Deine Tochter, nicht Dein Sohn, und so muss ich meinen Weg als Frau nehmen. Es wäre mein größter Wunsch, Deine Billigung für dieses Vorhaben zu erhalten, welches den Namen unserer Familie endlich wieder dorthin zurück bringen könnte, wohin er gehört - an die Aufmerksamkeit der Menschen, vielleicht eines Tages auch bis in den Senat.


    Es wird sicher kein leichter Weg sein, doch der erste Schritt - die Erhebung in den Ordo Decurionum, welchen ich aus eigener Kraft getan habe - ist bereits genommen und ich hoffe, dass ich mir in absehbarer Zeit auch die Würde eines Ritters durch meine Arbeit verdient haben werde. Bitte lass mich wissen, was Du über diesen Plan denkst, und bitte schreibe mich auch, wie es Dir und Mutter ergangen ist, ich hörte, dass Du befördert wurdest, vielleicht möchtest Du mir ein bisschen mehr darüber berichten? Es würde mich sehr freuen, wenn Du mir ein wenig Deine Zeit widmen könntest. Bitte grüße Mutter auf das Herzlichste von mir, Deine Tochter


    Iulia Helena

    "Danke, das werde ich tun," sagte Iulia Helena und erhob sich langsam aus dem Becken, strich mit den Händen behutsam das Wasser von Armen und Beinen, ohne ihn anzublicken, bevor sie vorsichtig das Handtuch entgegen nahm, sorgsam darauf achtend, ihn nicht zu berühren, um es sich und ihm nicht noch schwerer zu machen, als es war. Sie hätte so gern so vieles noch gesagt, aber in der Stille des balneums schien jedes Wort das Gewicht mehrerer Talente zu besitzen, verklemmte sich tief im Hals und wollte nur unter Protest und Kratzen wieder herausrutschen. Während sie ihren Körper mit dem Tuch abrieb, danach das Haar locker zusammenfasste, sprach sie kein Wort, und es war auch besser so, damit konnte sie besser verhindern, nicht unsicher zu klingen, nicht so traurig und verloren, wie sie sich gerade fühlte. Musste es denn wirklich so enden zwischen ihnen beiden, blieb denn nichts, das wenigstens einer Freundschaft würde gleichen können?


    Langsam hob sich ihr Kopf zu ihm, und nun, da ein wenig Abstand zwischen ihnen beiden eingekehrt war, da sie das Handtuch vor sich halten konnte, um ihren Leib zu bedecken, sah sie ihn auch wieder direkt an. "Victor," erklang die Stimme der Iulierin leise, aber dennoch ernst, gefasster nun. "Wir hätten früher miteinander sprechen müssen, viel früher. Vielleicht hätte dann alles anders ausgesehen. An jenem Tag, nachdem wir uns in der regia unterhalten hatten, dachte ich ... ich dachte wirklich, Du möchtest es nicht. Mir nahe sein. Es tat einfach weh, und ... ich versuchte irgendwie damit klar zu kommen, glücklicherweise gab es genug Arbeit, auf die ich mich stürzen konnte damals. Es tut mir leid ... einfach nur leid, dass es nun ist, wie es ist." Wäre sie nicht verletzt gewesen, hätte sie ihn nicht so gemieden, und dann wäre vielleicht alles anders. Sie läge nun in seinen Armen, würde seine Frau werden anstatt die des Tiberius Vitamalacus - wäre es wirklich so gewesen, so geworden? Still blickte sie ihn an, die blauen Augen schimmernd, denn noch immer musste sie den Reflex unterdrücken, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Wenigstens diesen Rest Stolz versuchte sie zu wahren.


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    Wonga führte den Quaestor Consulum in das Innere des iulischen Atriums, um dann zu ihm zu blicken, beziehungsweise, zu ihm hinunter. "Du hier warte, ich hole Herr." Mit diesen ermutigenden Worten ließ er den Tiberier einfach stehen und walzte mit mächtigen Schritten in das Innere der casa davon, um Iulius Seneca aufzusuchen und ihn von seinem Besucher in Kenntnis zu setzen.


    Inzwischen war von der Hochzeit wieder aufgeräumt worden und die übliche, stille Ordnung des Atriums war wieder eingekehrt - es gab einige Sitzbänke für Besucher, einen Beistelltisch, auf dem sich zwei Karaffen befanden, die wohl Wein und Wasser beinhalteten, einige dort ebenso aufbewahrte grüne Gläser, dazu verschiedene bemalte Vasen mit Grünpflanzeninhalt - man mochte sich sehr schnell vorstellen, dass in diesem Atrium die ordnende Hand einer Frau ihren Stempel aufgeprägt hatte.

    Zitat

    Original von Rahel
    Mir wäre beinahe die Schüssel aus den Hände gefallen, aber ich hatte sie noch so unter Kontrolle, dass sie einfach nur etwas in meinen Hände schwankte und ich noch einen festen griff drauf hatte. Selten hatte ich einen solchen Menschen wie ihn gesehen. Der Sklave der mir die Tür öffnete war in meinen Augen etwas exotisches und tailweise auch furchteinfößend. Aber ich hörte aus seiner Stimme raus, dass er mir nichts böses wollte, schließlich öffnete er ja nur die Tür.
    "Salve" ,begann ich also, "Ich möchte ein Geschenk an Iulia Helena überbringen."


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    Wonga blickte zu der jungen Frau hinunter und entblößte seine großen, weißen Zähne zu einem breiten Lächeln, denn für Frauen, die zur porta kamen, hatte er immer etwas übrig, der Rest eines ausgesprochen männlichen Instinkts war geblieben.
    "Von wem Du komme?" fragte er zurück und legte den mächtigen Kopf schief, um die junge Frau abermals zu mustern, diesmal etwas eingehender.

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus
    Die tiberische Sänfte zog langsam zur Casa Iulia und kam dort zum Stehen. Der Sänftenführer ging zur Porta und klopfte, während Manius Tiberius Durus, der amtierende Quaestor Consulum ausstieg.


    *KLOPF KLOPF*


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    Langsam öffnete sich die schwere Tür zum Hausinneren, und der riesenhafte Nubier, der den Dienst als ianitor versah, blickte hinaus, dann hinunter, überragte er Durus doch mit Leichtigkeit um einiges.
    "Was Du wolle?" bellte er dem Römer entgegen, mit einem Latein, bei dem sich für einen gebildeten Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zehennägel aufrollten.

    "Du kannst kochen?" fragte sie überrascht, denn irgendwie hatte sie gerade diese praktische Kunst einem Patrizier nicht unbedingt zugetraut. Die meisten kamen dann doch auf die Welt und bekamen einen Kochsklaven und eine Amme gestellt, während die meisten Plebejerkinder schon sehr früh zur Selbständigkeit erzogen wurden, selbst wenn sie aus einer so alten Familie stammten wie den Iuliern. Selbst ihr Bruder hatte gelernt, einfache Dinge zuzubereiten, auch wenn er es nie tun musste, die potentielle Möglichkeit bestand immerhin. Dass nun Quintus ebensolche Qualitäten zu offenbaren begann, ließ ihn in ihrer Achtung nur mehr steigen, als er dies ohnehin schon getan hatte. Dass er gemeinsam mit Titus das Abendessen für sie beide bereitete, um dem puls zu entkommen, hatte schon wieder eher einen amüsanten Beigeschmack, denn sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie der hühnenhafte Legionär Vorräte 'besorgte' und der tribunus diese dann in etwas Essbares verwandelte. Irgendwie hatte das alles einen recht wildromantischen Anstrich, und sie begann zu verstehen, wieso bei der legio Freundschaften fürs Leben begannen.


    Lächelnd betrachtete sie ihn, während er sprach, von der geplanten Reise erzählte, um dann zu nicken. "Es wäre wohl das beste, wir würden meinen Vater gemeinsam aufsuchen. Ich werde mich nicht für eine Ewigkeit von meinem Amt freimachen können, aber für eine Woche oder zwei sicherlich, das sollte reichen, um alles zu klären, was es zu klären gilt, und auch, um einige schöne Tage dort zu verbringen, wo mein Vater inzwischen seine Arbeit verrichtet. Manchmal kommt es mir wie eine halbe Ewigkeit vor, in der wir uns nicht mehr gesehen haben und uns nur schrieben."
    Sachte hob sie das Kinn an, fuhr mit den Fingerkuppen zart über seine Wange, evor sie anfügte: "Ich glaube, ihr werdet euch gut verstehen, Quintus. Letztendlich wird er froh sein, wenn ich jemanden gefunden habe, mit dem mich mehr verbindet als Gewohnheit, aber davon werden wir ihn überzeugen müssen." Wie es wohl wäre, ihrem Vater den Mann vorzustellen, mit dem sie leben wollte? Wie wäre es gewesen, hätte sie ihm Valerius Victor vorgestellt? Wäre das auch so leicht vorzustellen gewesen? Aber der Gedanke an den Valerier war wie stets mit einem gewissen Schmerz verbunden, und sie schob ihn schnell beiseite. Nicht jetzt. Nicht hier ... das war etwas für die Stille ihres cubiculums.


    Wieder gingen ihr die Worte im Kopf herum. Meine Liebe. Jetzt hatte er es schon zum zweiten Mal gesagt, und so, wie sie ihn bisher kennengelernt hatte, sagte er solcherlei nicht grundlos, sie schätzte ihn als einen Mann ein, der besonders sehr persönliche Dinge mit Bedacht wählte und nur dann aussprach, wenn er sie absolut als passend empfand.
    Aber dann glitten ihr auch diese Gedanken fort, übernahm das Fühlen das Regiment über ihre Aufmerksamkeit, denn seine Finger, die geteilte Garnele, der dann folgende Geschmack seiner Lippen, die ein so prickelndes Echo in ihrem Körper hinterließen, dass sie sich unwillkürlich ein wenig enger an ihn drängelte, um die Nähe zwischen ihnen beiden zu vergrößern. Es tat so gut, berührt zu werden, Zeit zu haben, sich Zeit lassen zu dürfen, den anderen wieder zu erkunden und zu erschmecken, denn nun wanderten auch ihre Finger über seinen Oberarm, folgten der Linie der sich unter der Haut abzeichnenden Muskeln, als müsste sie ihn so genau ertasten, um sein Bild später in einem Marmorblock verewigen zu können. Hatten sie sich schon so schnell aneinander gewöhnt, dass Scham und Vorsicht gar nicht mehr zwischen ihnen beiden sein mussten? Auch das war etwas, was sie nicht unbedingt hinterfragte, sondern genoss, genauso wie sie seine Hände auf ihrem Körper zu genießen wusste.


    Die Zeit verstrich, auch für den Mann vor den verschlossenen Türen der insula, der dieses Zusammentreffen so vollkommen arrangiert hatte, der von den Wünschen seines tribunus so viel mehr gewusst hatte als dieser selbst - und nach einiger Zeit wurde es still im Inneren des Gebäudes, nicht einmal mehr das Echo der leisen Stimmen war zu vernehmen, die er zumindest zuvor noch hatte erahnen können. Die Stille ließ einige Fragen zurück, aber bevor der Wunsch, zumindest hinein zu blicken, um herauszufinden, ob sich etwas ereignete, zu groß werden konnte, erklang von innen ein leises, erst einmal nur langsam nacheinander folgendes Knarzen, das vom Holz der Sänfte stammen musste und schon einmal zu hören gewesen war. Ein zweiter Anlauf also, dachte der Legionär und grinste unvermittelt vor sich hin, während er sich vorstellte, wie müde sein tribunus am nächsten Morgen blicken wurde - aber sicherlich auch ausgesprochen zufrieden und satt.

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    Es war - wieder einmal - Wonga, der den Dienst an der porta der casa Iulia verrichtete und somit auch derjenige war, der Rahel zuerst erblickte, als er die schwere, verzierte Türe öffnete. Der Nubier schnaubte aus den breiten Nasenflügeln leise aus und betrachtete sie dann eingehend, bevor er sich ein wenig aufrichtete - wohl war er etwa genauso groß und etwa so breit wie Titus, den die Sklavin des Tiberius Vitamalacus deutlich besser kennen mochte.
    "Was Du wolle?" bellte er ihr, nicht ganz unfreundlich, in einem grausigen Latein entgegen.

    "Danke," sagte sie leise und blickte auf das zwischen ihnen liegende, schaumige Wasser, die Augen dann zusammenpressend. Helena zwang ihren Atem, ruhig zu gehen, auch wenn es eine Weile dauerte, bis sie das Gefühl hatte, dass es sich tatsächlich so entwickelte wie sie es wollte - momentan fühlte sie sich, als stecke ein dicker, bitterer Kloß in ihrem Hals, als müsste ihr das Herz zerspringen, weil sie ihm dies antat, weil sie es sich selbst antat. Aber vielleicht war dieser Realismus mit den Jahren gekommen, hatte kommen müssen, als der Überschwang der Jugend einer gewissen Ruhe hatte Platz machen müssen, ohne die sie ihren Weg an der Seite eines nicht immer einfachen Mannes nicht hätte gehen können. Hatte sie sich richtig entschieden? War es richtig, der Vernunft vor der Leidenschaft den Vorzug zu geben? Er klang schrecklich, als hätte sie seine Welt mit Anlauf zerschmettert, aber auch in ihrer eigenen Welt war etwas zerbrochen. Langsam schlang sie die Arme um ihre Brust, als müsse sie sich selbst nun den Halt geben, den er ihr nicht geben konnte oder wollte, blieb einfach sitzen, genau wie er.


    "Ich gehe jetzt besser," sagte sie leise, ohne ihn anzusehen, denn was sollte sie noch sagen? 'Tut mir leid, mit Dir habe ich sicher viel leidenschaftliche körperliche Liebe, aber das reicht mir nicht für meine Zukunft' oder 'Du hast so lange nichts von Dir hören lassen, dass ich an Dir und mir nur noch zweifeln konnte' waren sicherlich keine Sätze, die jetzt noch gepasst hätten, und sie waren auch längst nicht alles, was sie ihm sagen wollte oder konnte. 'Ich war sehr verliebt in Dich und bin es wahrscheinlich noch' würde auch nichts besser machen ... so schwieg sie und wartete seine Antwort ab.

    "Nun, es gibt einige Pläne, aber die lagern in der Curia, nicht hier - ich wollte eigentlich auch nur einmal nach dem Rechten sehen, da man mir gemeldet hatte, dass hier gebaut wird und ich davon nichts wusste," meinte sie schmunzelnd. "Was meinst Du, kann ich Dich auf einen Wein in mein Officium entführen und Du begutachtest die Pläne?"

    Leicht lächelte sie und schüttelte dann den Kopf. "Ganz sicher gibt es nichts an dieser Entscheidung des Octavius Cato, was ich dir anlasten könnte, Octavius Detritus, ein jeder sollte selbst der Hüter seines Gewissens sein und - im Vertrauen - in den jüngeren Jahren versucht man doch stets, seinen Vorteil zu finden, urteile nicht zu harsch über Deinen Verwandten." Sie erhob sich langsam aus dem Stuhl, raffte mit einer Hand ihre bodenlange Tunika samt stola ein wenig an, damit sie nicht schmutzig würde, und trat neben den architectus urbi, um sich abermals umzusehen.


    "Ich würde mit Freuden hier mit Dir zusammenarbeiten. Du weisst vielleicht, dass ich an der Schola ebenso wie Octavius Cato die Kunst der Architektur studiert habe, indes fehlt mir die praktische Erfahrung, und es wäre mir eine Ehre, könnte ich hier bei der Organisation des Baues von Dir lernen und Dir ein wenig über die Schulter blicken."

    Sie schüttelte ein klein wenig den Kopf, sollten die Bürger nicht dem Duumvir solcherlei melden? Aber gut, die Ungeduld der Menschen war nach so langer Zeit durchaus nachzuvollziehen. Iulia Helena gab den Trägern ein Zeichen, sodass sie den Stuhl neben Detritus absetzten, dann schenkte sie ihm ein leichtes Lächeln.


    "Nun, das sollte er, aber er hat sich ausgesprochen kurzfristig dazu entschieden, eine Stelle als architectus provincialis in Germania anzunehmen, anscheinend ist den meisten dann doch ihr persönliches Fortkommen wichtiger als ein Dienst an den Göttern ..." Ein wenig verstimmt über diese Entscheidung war sie schon, aber was sollte man schon machen? Junge Männer hatten eben ihren eigenen Kopf. "In sofern werde ich die Sache wieder in die Hand nehmen, deswegen bin ich auch hier."

    Auch die Duumvir der Stadt Ostia hatte sich auf der Baustelle eingefunden, um den Bau zu beobachten - ihr recht kurzfristig gewesener Magistrat hatte seine Tatkraft bewiesen und die voneinander getrennten Steinhaufen waren ein ansehnlicher Anblick - die anderen Materialien würden aus der Umgebung bezogen werden, Schmucksteine für die Außenverkleidung konnten schließlich nicht aus dem Bruchstein des alten Tempels geformt werden. So zog eine Kavalkade an ostianischen Beamten, allen voraus die Duumvir auf einem Tragestuhl, an einem staubig-warmen Herbsttag zur Baustelle, und sie blickte sich interessiert um, war doch anhand des Baugerüstes schon zu erkennen, wo der neue Tempel Form annehmen würde.


    Neben dem Tempel gab es genug freie Fläche, auf denen die Unterkünfte für die zu erwartenden Staatssklaven errichtet worden waren, sodass auch dieser Punkt in befriedigender Weise geregelt schien. Der Tragestuhl der Duumvir wurde in die Richtung der größten Menschenansammlung gewendet, von der immer wieder der ein oder andere Mann in eine andere Richtung hinforteilte, denn dort befand sich der architectus urbi und traf seine Anweisungen.
    "Salve, Octavius Detritus!" erklang schließlich die Stimme der Iulia Helena und sie hob grüßend eine Hand an.

    "Schau mal, wie böse der Prätorianer dreinschaut," gluckste die Iulierin leise in Richtung des Tiberius Vitamalacus. "Ich warte noch darauf, dass er sein Schwert zieht und den Sklaven entführt wie einst die Römer die Sabinerinnen." Doch über die Höhe der Gebote konnte sie inzwischen nur noch den Kopf schütteln. Wenn man bedachte, dass dieser Sklave gerade für ein halbes, durchschnittliches Grundstück gehandelt wurde, dann mochte doch klar auf der Hand liegen, dass so mancher Herr hier eindeutig zu viel Geld besaß.

    Bei Senator Purgitius Macers Antwort gluckste sie leise vor sich hin - als eine Freundin trockenen Humors war seine Antwort eindeutig die unterhaltsamste - dann allerdings überlegte sie, um schließlich festzustellen, dass sie sich noch nie über den Ursprung der Münzen Gedanken gemacht hatte. Sicher, es war schön, welche zu besitzen und sie für angemessene Dinge ausgeben zu können, aber warum es sie gab? So lauschte sie den anderen Antworten und harrte der Dinge, beziehungsweise einer Antwort des Kursleiters, der hoffentlich erklären würde, welcher der Männer bisher recht gehabt hatte.

    "Tausendachthundert," hauchte die Iulierin leise vor sich hin und schüttelte dann unmerklich den Kopf. Soviel konnte sie keineswegs ausgeben und von nun an würde sie wohl nur zusehen müssen, wie sich die reicheren Bürger gegenseitig versuchten, den Sklaven streitig zu machen. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich insgeheim, einer etwas vermögenderen Familie zu entstammen, aber es war eben, wie es war, und nicht so leicht zu ändern. Vielleicht war es stets das Schicksal der Iulier, sich von unten nach oben kämpfen zu müssen.


    "Er scheint wirklich sehr begehrt zu sein," sagte sie leise in Quintus' Richtung und runzelte die Stirn. "Kennst Du den Mann, der ihn für 1800 Sesterzen ersteigern will? Sein Gesicht sagt mir nichts, aber er scheint dann doch zu den vermögenderen hier zu gehören, wenn er ohne mit der Wimper zu zucken gegen einen Prätorianeroffizier bieten kann. Vor allem frage ich mich, wofür ein Prätorianer einen Leibwächter braucht." Langsam verschränkte sie die Finger ineinander, aber nun war ihr doch eine gewisse Verstimmung anzusehen. Schade, dachte sie und betrachtete den Sklaven ein wenig weiter, wie er wohl auf die in die Höhe schnellenden Summen reagierte.

    Sachte nickte sie Vitamalacus zu und erwiederte leise, so dass ihre Worte die Aufmerksamkeit der anderen nicht allzu sehr ablenken würden: "Ich freue mich auch, Dich hier anzutreffen, Tiberius Vitamalacus. Ich hätte nicht gedacht, dass Du Dich für Münzen so interessierst - aber der Kurstitel war doch sehr verlockend, nicht wahr?"


    Auch als Imperiosus sie anspricht, bleibt das Lächeln bestehen, und auch ihm gilt ein erfreutes, sanftes Nicken. "Salve, Imperiosus - Du bist noch immer in Roma?" Es klang ein wenig erstaunt, irgendwie war ihr letzter Stand der gewesen, dass er als pontifex nach Germania zurückkehren müsste, um sich um seine Arbeit dort zu kümmern, aber anscheinend waren ihre Informationen nicht mehr aktuell genug.

    "Quintus," sagte sie leise und überrascht, als diese allzu wohlbekannte Stimme in ihrem Rücken erklang, die sie wohl inzwischen unter hunderten herausgehört hätte. Wonga hatte wohl für einige Momente gewirkt, als müsse er ihr Ärger vom Hals halten, aber da der riesenhafte Nubier inzwischen sowohl den tribunus als auch seinen Schatten gut kannte, sah er von einer reflexhaften Abwehrhaltung ab.
    "Ich weiss nicht, ob er soviele Sesterzen wert ist, aber beobachte ihn. Seine Haltung. Er ist nicht gebrochen, er trägt Stolz im Blick. Meinst Du nicht, ein solcher Sklave ist einem demütigen Jasager in jedem Fall vorzuziehen? Natürlich wird er sicher nicht leicht sein, aber vielleicht lohnt sich die Mühe ja. Vielleicht steckt in ihm ein interessanter Mensch, wer weiss? Und dafür ist es das Geld sicher wert."