Fast ein wenig amüsiert nahm sie zur Kenntnis, dass er zu philosophischen Themen und Gedanken anscheinend nicht allzu viel sagen konnte oder wollte. Unwilkürlich verglich sie ihn mit Valerius Victor und Tiberius Vitamalacus, bei denen beiden sie sich recht sicher war, dass sie ihr auf diese Worte einiges zu sagen gehabt hätten. Vielleicht nicht ganz so tiefgründig, aber eine Meinung. Fürchtete der praefectus praetorio, sich auf dünnes Eis zu begeben oder behielt er seine wirkliche Meinung vorsichtshalber für sich? Noch wusste sie sich nicht zwischen beiden Möglichkeiten zu entscheiden, aber irgendwann, dessen war sie sich sicher, würde sie es können. Zumindest hoffte sie das. Bisher hatte sie ihr Gespür für Menschen wenig getrogen und sie wollte es gerne an Crassus erproben, der anders war als die meisten anderen - so selbstüberzeugt, von sich eingenommen, aber gleichzeitig auch nicht dumm oder zu unflexibel.
"Ich dachte immer, Prätorianer würden nach ihrem guten Gedächtnis und der Gabe zu beobachten ausgewählt," konterte die Iulierin schmunzelnd und nippte abermals an ihrem Wein, ein belustigtes Funkeln im Blau der Augen. "Oder ist dies eine Qualität, die für einen praefectus nicht mehr entscheidend ist? Dann werde ich Dir natürlich gerne eine Liste zukommen lassen, um Deinem Gedächtnis nachzuhelfen, allerdings wirst Du selbst herausfinden müssen, welche dieser Frauen welche der gewünschten Eigenschaften besitzt."
Sie erwiederte seinen Blick sehr direkt und ohne Scheu, nicht zuletzt, weil er sich in ihrem Atrium befand, in ihrer Höhle - hier vermochte sie in ihm nicht nur den Mann zu sehen, der nach dem Kaiser die meiste direkte Macht in der Stadt besaß, sondern auch jenen, der eben hinter der Uniform ein gutaussehender Mann war. Die vollen Lippen der Iulierin wölbten sich zu einem sachten, aber merklichen Lächeln, als sie auf seine Frage antwortete.
"Das vierte Kriterium ist sehr privat, Caecilius Crassus," meinte sie still vergnügt. "Und wenn ein Mann und eine Frau darin nicht übereinstimmen, wird es sicherlich niemals eine gute Ehe geben, denn von dieser Übereinstimmung hängt mehr ab, als man glauben möchte."