Beiträge von Iulia Helena

    Irrte ich mich oder wirkte er bisweilen ziemlich abwesend? Er hatte doch nicht etwa am hellichten Tag schon getrunken? Aber wie ein fanatischer Verfechter des Weingenusses sah er nicht aus, wenngleich das kein sicheres Zeichen war, immerhin zeigte sich im jüngeren Mannesalter noch nicht sehr viel des verräterischen Verfalls, wenn jemand mehr trank, als für ihn gut war.


    Dass er die Reitgerte wieder erwähnte, ließ sie auflachen, dann den Kopf schütteln. "Ich will nicht wissen, wo Deine Gedanken nun gerade weilen," meinte sie vergnügt und blinzelte ihm zu, bevor sie darauf wartete, dass er die Papiere wieder aufgesammelt hatte. Sie schob einige ihrer Akten beiseite und schaffte für ihn, oder besser für seine Pläne, auf dem Schreibtisch Platz. "Du hast es geschafft, jetzt bin ich wirklich neugierig darauf, was Du mir zeigen willst."

    Der zweitletzte Tag der Ludi Apollinaris in Roma, und damit auch der zweitletzte freie Tag für die Magistrata von Ostia. Sie wusste den römischen Festkalender wirklich zu schätzen, denn er wirkte sich natürlich auch auf den Hafen aus und sie konnte gefahrlos die Curia für einige Tage ruhen lassen, die meisten Bürger Ostias befanden sich ohnehin in Rom und wenn es wirklich etwas dringendes zu erledigen gab, bei dem ihre Anwesenheit von großer Wichtigkeit war, konnte man ihr schließlich auch einen Botenreiter schicken. Leise summte sie vor sich hin, und seit ihrem kleinen Zwischenfall mit dem Dieb auf dem Markt achtete sie darauf, immer in Begleitung auszugehen. Heute standen einige wichtige Besorgungen auf dem Plan, sie wollte neue Tuniken für Constantius erstehen und einen Stoff für Livilla, die sich damit vielleicht eine neue Tunika würde nähen können, oder sticken, oder allgemein einfach die Hände etwas beschäftigen, um sich zu entspannen. Allzu viel Muße tat einer Frau einfach nicht gut, dieser Weisheit ihrer Mutter folgte auch Iulia Helena bedingungslos. In einem Haushalt gab es schließlich immer etwas zu erledigen, und sei es nur, Näharbeiten zu machen oder sich um das Ausmisten abgelegter Kleidung zu kümmern.


    So schritt sie an diversen Ständen mit frischen Lebensmitteln vorbei und beachtete jene nicht weiter, den Einkauf des Essens erledigten die Sklaven der Casa Iulia inzwischen selbstständig und wurden von ihr damit auch überwacht, sodass sich niemand zuviele Sesterzen beiseite legen konnte. Sie war stolz darauf, ein System gegen Betrug entwickelt zu haben, das ihre Sklaven zu begabten Feilschern machte - sie legte zu Beginn einer Woche fest, wieviel Geld für bestimmte Waren zur Verfügung stand, und wer sich eine gute Ware für weniger erfeilschen konnte, durfte die überzähligen Münzen behalten. So kamen auf den Tisch der Familie inzwischen nur sehr frische Waren und die Sklaven waren zufrieden, dass sich ihr Eifer auszahlte. Überrascht verharrte sie, als sie eine bekannte Gestalt entdeckte, diesmal allerdings nicht mehr in der Rüstung der Vigiles, sondern im eleganten Schwarz der Prätorianer. "Salve, Caecilius Crassus!" erhob sie die Stimme und trat schmunzelnd auf den doch etwas missgelaunt wirkenden Prätorianerpräfekten zu. "Ich hätte nicht gedacht, Dich ausgerechnet hier wiederzusehen, aber der Zufall ist doch ein erfreulicher. Was treibt einen Prätorianer an diesem schönen Tag auf den Markt?"

    "Alles was hilft, die Männer aus der Schlacht wieder gesund nach Hause zu bringen, ist etwas Gutes," flüsterte sie und für einige Momente lang verirrten sich ihre Gedanken wieder zu Titus. Wäre er zu ihr zurückgekehrt, wenn er an jenem schicksalshaften Tag einen Regenbogen gesehen hätte? Aber diese Frage würde ihr niemals beantwortet werden, denn für eine Antwort war es viel zu spät. Es war geschehen, wie es nun einmal geschehen war. Sachte lehnte sie ihren Kopf an den seinen und ihr Blick verlor sich in der Betrachtung dieses so einfachen und doch unglaublichen Wunders der Natur, bei dem es wirklich schien, als hätte ein Gott oder eine Göttin wohlmeinend ein kleines Geschenk zu ihnen auf die Erde gesandt.


    "Ich danke Dir," flüsterte sie zurück, zu ihm hinauf blickend, und als sie es wieder wagte, auf das Meer zu blicken, war der Zauber des Regenbogens erloschen, wie auch der Regen verstummte. Die Sonne gewann wieder an Kraft, während die dunklen Wolken sich entweder aufgelöst hatten oder vom Wind weiter getrieben wurden, sodass es schien, als reihe sich an die Intensität des Farbspiels, das sich im Regenbogen gefangen hatte, nun auch noch der satte, volle Schein der Sonne, um sie endgültig der Allmacht der Götter zu versichern. Es schien Helena, als würde dieser warme, helle Sonnenschein auch in ihrem Inneren vorherrschen, die trüben Gedanken und Sorgen vertreibend, die dort immer wieder ihren Weg begleitet hatten. So konnte sie nicht anders, als leise zu ihm zu sprechen: "Quintus, lass uns das hier nicht vergessen. Egal was sein wird, an diesen Moment werde ich mich immer erinnern und ihn als etwas Kostbares für mich bewahren. Ich danke Dir ... einfach ...für alles."


    Ein letztes Mal sprach sie seinen praenomen aus und sie nahm für sich Abschied von dieser Vertrautheit, denn ob es sie jemals wieder geben würde, war ausgesprochen ungewiss. Wenn sie die Klippe verließen, würden sie wieder der Quaestor und die Magistrata sein und sein müssen, ihre Bürden wieder auf sich nehmen, um ihren Weg weiter zu gehen.

    Ein bisschen viel Schmuck, überlegte sie und betrachtete den Helvetier sinnierend, während er sprach. Vielleicht war sie in diesem Punkt einfach zu sehr Offizierswitwe, um Männern mit einer Vorliebe für Schmuck allzu sehr zu vertrauen, aber vielleicht war er einfach nur vom Reichtum seiner Familie zu sehr berauscht.
    "Pläne, die der Stadt Ansehen und Reichtum bringen könnten, sind immer willkommen. Du scheinst zu wissen, wie man das Interesse eines Magistraten gewinnt," erwiederte sie, die Mundwinkel ein klein wenig weiter anhebend, um ihn etwas eingehender zu betrachten. Selbst da Blau ihrer Augen verriet eine gewisse Belustigung, aber sicher keine Ablehnung.


    "Sehr gerne," fügte sie an und deutete auf den Boden, an welchen sich die Pläne nun schutzsuchend gekuschelt hatten. "Mir scheint, Deine Pläne haben auch Angst vor der großen, bösen Magistrata."

    Ruhig erhob sich Helena, und auch wenn sie die Angst ihrer Cousine nicht nachempfinden konnte, so vermochte sie diese doch zumindest zu verstehen. Und so erhob sie sich, schritt zur Türe und setzte so zumindest ein stilles, körperliches Zeichen, dass zwischen Livilla und einem möglichen Angreifer noch immer sie stehen würde und nicht gewillt war, einen Fremden zu ihrer Verwandten zu lassen. "Ich glaube nicht, dass Wonga einen Menschen ins Haus lassen würde, der hier nicht hingehört, aber ich werde nachsehen, einverstanden?"


    Diesmal sprach nicht mehr nur eine Frau mit Livilla, die versuchte, sie zu trösten - diesmal stand eine Offizierswitwe vor ihrer Cousine, die lange genug in einem castellum gelebt hatte, um einem Mann furchtlos entgegen zu treten und ihm zumindest gewaltige Schmerzen zu verursachen, bevor sie sich geschlagen geben würde. Fragend blickte sie zu Livilla, wohl deren Antwort abwartend, bevor sie die Türe öffnen würde.

    "Das kommt ganz darauf an, was man zu sehen erhofft oder erwartet. Ich halte es für die bessere Reaktion, nichts zu erwarten und abzuwarten, was sich einem bietet," versetzte sie lächelnd und lehnte sich in ihrem Stuhl etwas zurück. Ein junger, attraktiver Mann, der anscheinend auch ein bisschen flirten wollte, ohne sich allzu plump anzustellen - nun, sie hatte sich ohnehin eine Pause von den langweiligen Akten verdient, dachte Iulia Helena und bekam das vage Schmunzeln gar nicht mehr wirklich aus dem Gesicht.

    Sie nickte leicht zu Detritus' Worten, aber der variable Honoraretat war auf jeden Fall etwas, das der Diskussion bedürfen würde in ihren Augen, denn wie sollte man jemals wirklich langfristig planen, wenn die Einstellung eines neuen Beamten bedeutete, dass sich der für die Stadt bleibende Rest an Zuschüssen änderte?


    "Ich möchte mich dem Didius Albinus in soweit anschließen, dass mir nicht sehr klar ist, wieso die Stadtzuschüsse von den Gehältern derart abhängig gemacht werden. Denn es bedeutet letztendlich, dass eine Stadt mit vollem Beamtenapparat oder fast gefüllten Stellen es schwerer haben dürfte, neue Leute zu interessieren - und Nachwuchs wird doch immer gebraucht. Wäre es nicht zeitgemäßer, dies alles einheitlich zu regeln, mit einem feststehenden Gehalt in allen Städten, damit der übrig bleibende Zuschuss ein planbarerer Faktor wird?"

    Behutsam glitten ihre Finger über sein von der Nässe noch etwas strubbelig wirkendem Haar, glätteten einige der aufstehenden Strähnen, und ein stiller Frieden kehrte in ihr Inneres ein. Es tat gut, einfach ein wenig Wärme und Nähe schenken zu können, wissend, dass der andere es genauso zu schätzen wusste wie sie es selbst entgegen nahm. Vielleicht waren sie einfach auch nur inzwischen alt genug, oder besser, lebenserfahren genug, um einen solchen Moment genießen zu können, ohne auf das Echo der Zärtlichkeiten in den Tiefen ihrer Körper zu sehr hören zu müssen, auch wenn es vorhanden war.


    Die Augen halb geschlossen, überließ sie sich seinen Lippen, seinem Kuss, um dann abermals selbst seinen Geschmack zu erkunden, zart mit den Lippen nach den seinen fassend, um sich dieser Berührung ganz hinzugeben. Ein klein wenig rauh waren seine Lippen gewesen, nun weicher geworden von den Berührungen, und sie genoss es, die Zeit zu haben, ihn zu ertasten, die Weichheit seiner Lippen nun in aller Ruhe fühlen zu dürfen. Als sie sich schließlich voneinander lösten, schimmerten ihre blauen Augen matt, die Farbe mochte deutlich dunkler wirken als sonst, bewegter und lebendiger. Als er auf das Meer deutete, dem Regenbogen entgegen, zog sie überrascht den Atem ein, um dann still zu lächeln.


    Es passte einfach zu diesem Augenblick, vervollkommnete den Moment auf eine stille, wunderbare Weise, ließ ihr unvermittelt die Tränen in die Augen steigen und sie auf eine sehr verräterische Weise schimmern. Sie weinte nicht, aber der Regenbogen, den sie in seinen Armen liegend betrachten durfte, berührte sie ebenso tief und innig wie eine kleine Holztaube, die am ledernen Band um ihren Hals hing und vor vielen Jahren von kleinen Kinderhänden mit viel Liebe und Schmerz geschnitzt worden war, eine Erinnerung an ihren kleinen Bruder, dem sie so früh entrissen worden war. "Es ist eine Ewigkeit her, dass ich den letzten Regenbogen sah," flüsterte sie leise zurück und schluckte den dicken Kloß im Hals langsam herunter.

    "Ich kann auch gern meine Reitgerte aus dem Nebenraum holen und sie einige Male durch den Raum peitschen lassen, wenn das Deiner Vorstellung eher entspricht," konterte sie recht trocken, aber doch auch mit einem belustigten Schimmern in den blauen Augen. "Ansonsten solltest Du vielleicht eher auf das vertrauen, was Du siehst, anstatt auf das, was man Dir sagt." Sie blinzelte ihm leicht zu und machte eine einladende Handbewegung zu den Stühlen vor ihrem Schreibtisch. "Wie kann ich Dir helfen, Helvetius Caesonius?"

    "Dann komme ruhig herein, Helvetius Caesonius, Du hast die Magistrata gefunden," meinte sie mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen und blickte dem Mann an der Tür nun durchaus neugierig entgegen. Hatte er wirklich Furie sagen wollen oder war sie einer Täuschung ihres Gehörs aufgesessen? Zumindest wirkte er in seiner Überraschung durchaus amüsant. Nach dem Besuch des doch etwas älteren Octavius Dio war es nur gerecht, wieder einen jüngeren Mann in ihrem Officium zu haben.

    Sie blickte etwas fragend, denn sie hatte kein Klopfen vernommen - und schüttelte etwas den Kopf. "Bestimmt nur an einer der anderen Türen auf dem Gang," meinte sie lächelnd und wartete, dass Octavius Dio zu ihren Worten über die Vigiles etwas sagen würde.


    Sim-Off:

    Nehmen wir einfach eine andere Zeitebene ;)

    Leicht hob sie den Kopf an, blickte auf das Wachstäfelchen, auf dem sie gerade einige Notizen gemacht hatte, um dann zur Türe zu sehen. Hoffentlich nicht schon wieder dieser nervige alte Scriba, der an allem und jedem irgend etwas auszusetzen hatte, wenn er ihr neue Akten brachte oder einfach nur kam, um Akten abzuholen.
    "Herein!" sagte sie gut vernehmlich und blickte zur Türe, eine Braue leicht angehoben, um ihrem Besucher entgegen zu sehen.

    Die Wache blickte den Besucher unmotiviert an, er war ja auch erst der etwa hundertste oder zweihundertste, den er heute kontrollieren musste. Kritisch blickte er den Fremden an, bevor der Wachhabende knapp nickte.
    "Salve und willkommen in Ostia - zur Curia Ostia folgst Du einfach dieser Straße bis aufs Forum, dann kannst Du das Gebäude nicht übersehen." Damit winkte er ihn durch und wandte sich dem nächsten Reisenden zu.


    Sim-Off:

    Kein Problem ;)

    "Hmhm," gab der Alte kritisch von sich. Was war denn das für ein seltsamer Vogel, mit den vielen Dokumenten und diesem heiteren Grinsen? Wusste er nicht, wo er sich befand? Aber das würde ihm die Magistrata sicher austreiben. Zuerst hatte er ja nie geglaubt, dass eine Frau es schaffen würde, das Regiment über eine Stadt auszuüben, aber Aurelia Deandra und Iulia Helena hatten ihn eines anderen belehrt.


    "Du musst den Gang hier entlang und die Treppe hoch, das zweite Officium auf der linken Seite ist das ihre. Aber klopf vorher an und frag höflich nach, ob sie beschäftigt ist, sie kann ganz schön üble Laune entwickeln," verriet er verschwörerisch, nickte dem Besucher nochmal zu und schlurfte weiter, seinem Archiv entgegen.


    Sim-Off:

    Edit: Link reingepackt

    Ein vom Alter gebeugter, weishaariger Scriba blieb bei dem jungen Mann stehen und beäugte ihn kritisch, ähnlich einem Offizier, der einige Soldaten inspizierte, um dann mit schon etwas zitternder Greisenstimme zu fragen:
    "Was willst Du denn von der Magistrata, junger Freund? Ist es wegen der Wahl?"

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus
    Braucht jemand vielleicht Getreide von einer (bald) gesimmten Villa?
    (also wenn die Tiberier endlich ihren Landsitz bauen...)


    Ich nehme gerne pro Woche 300 Einheiten Getreide ab :) Rom soll ja auch weiterhin gutes Brot bekommen.

    "Bisher gab es mit den Vigiles keine Probleme," meinte sie nachdenklich und runzelte etwas die Stirn - die in Ostia stationierte Abteilung der Eimerträger und Brandwächter verrichtete ihre Arbeit wie sie sollten, und größere Brände waren in der letzten Zeit nicht gemeldet worden. Dennoch, er hatte Recht, dem sollte in angemessener Zeit nachgegangen werden.
    "Aber ich werde dies auch im Auge behalten. Letztendlich wird es Rom nur nützen, wenn Ostia gut beschützt ist, und die Getreidelager durch mehr Aufmerksamkeit der Vigiles bedacht werden."


    Sim-Off:

    Nachdem wir hier ein Unterforum für die Vigiles haben, denke ich, dass sehr wohl eine NPC-Truppe stationiert sein dürfte :) aber vielleicht gibt es auch noch einen aktiven Spieler, der sich Ostia auf Vigilesseite annehmen will.

    Dass er seinen Vater und seine Mutter das erste Mal erwähnt hatte, fiel ihr stärker auf als die Tatsache, dass der Regen um sie herum abflaute und aus dem beständigen Prasseln langsam aber sicher ein Plätschern wurde. Dass ihm die Ansichten und Meinungen seines Großvaters wichtig waren, hatte sie in den zurückliegenden Gesprächen immer wieder erfahren können, er zitierte ihn sehr oft, aber der Name seines Vaters war bis zu diesem Zeitpunkt kein einziges Mal gefallen. Verbarg sich dahinter eine geheime Schande, etwas, das ihm peinlich war oder vielleicht verschwiegen werden musste, weil es die Ehre gebot? Aber sie wollte ihn nicht drängen, denn es hätte weder zu ihm, noch zu ihr oder auch nur ansatzweise zu der vertrauten, ruhigen Stimmung dieses Momentes gepasst, hätte sie ihn jetzt bestürmt, ihr weitere Einzelheiten zu verraten. Sie glaubte zu wissen, dass er ihr von sich aus zum richtigen Zeitpunkt etwas erzählen würde, wenn er es für richtig hielt. Insgeheim hoffte sie, dass es irgendwann der Fall sein würde, nicht zuletzt, weil der Mensch Quintus, bar aller Masken, Uniformen, gesellschaftlicher Zwänge und seiner Erziehung, sie einfach interessierte, wie er war.


    Sein Lächeln blieb nicht unbemerkt, und sie erwiederte es offen, ohne Vorbehalte, es stand ihm so gut, dass er befreit lächeln konnte, die starre, beherrschende Miene des Soldaten einem weicheren, fast zärtlichen Ausdruck weichen konnte. Es gab zu viele Männer, die es vergessen hatten, den Moment zu genießen und sie war sehr froh darüber, dass er nicht zu ihnen zählte. Auch wenn das Sehnen in ihrem Körper von Moment zu Moment deutlicher zu spüren war, konnte sie doch die Nähe Quintus' auch innerlich genießen, ohne sich dem Diktat ihrer Sehnsüchte unterwerfen zu müssen. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich ihn nicht so brennend, so sinnlos begehre wie Victor, dachte sie und schüttelte innerlich über sich den Kopf. So lange war sie nun Witwe und plötzlich lag sie im Arm eines fast fremden Mannes und ließ sich küssen, ohne sich dafür zu schämen. Vielleicht gibt es nichts daran, wofür man sich schämen sollte. Dafür, dass man empfindet, sollte man sich nicht schämen müssen. Eher dafür, sich sinnlos einem Rausch zu ergeben, ohne sich dessen vollkommen sicher zu sein.


    Sanft berührten ihre Lippen die seinen in jenem Kuss, dann ließ sie ein tiefes, genießendes Seufzen hören. Was würde das werden, was sie hier teilten? Sie konnte ihn nicht anders sehen als einen Freund, einen Begleiter, der ihr etwas Besonderes geschenkt hatte und dem sie dafür etwas Besonderes zurück geben konnte. Vielleicht würden sie sich niemals wieder so nahe kommen, denn wenn sie die Klippe verließen, würde er wieder der Patrizier sein, und sie wieder die Plebejerin, getrennt durch Stand und Ansehen. "Ja, die haben wir," flüsterte sie leise und fasste mit ihren Lippen sanft nach den seinen. Es sollte noch nicht zu Ende sein, noch nicht jetzt. Zumindest nicht für diesen Augenblick.

    Leise zog sie den Atem ein, als die bitter klingenden Worte Livillas die Raumtemperatur um ein gewaltiges Maß zu senken schienen. Wie sehr sie doch nach einer Schuld zu suchen schien, nach etwas, das sie bestrafen würde für einige Momente, in denen sie vielleicht nicht richtig gehandelt hatte - allein dieser Wunsch nach Kasteiung erschien Helena schon kaum nachvollziehbar, ebensowenig, wie sie verstehen konnte, dass sie sich so sehr an diese vermeintliche Schuld klammerte. Aber gewiss war die Cousine nur sehr durcheinander und von alledem mitgenommen - sie würde ihr einen Schlaftrunk richten lassen, damit sie in aller Ruhe die Nacht verbringen konnte.


    "Ach Livilla, der Schreck dieses Abends lässt Dich sicher dies alles glauben, doch bin ich mir sicher, dass Du nach ein wenig Ruhe vielleicht nicht mehr ganz so schreckliche Dinge denken wirst," sagte Helena und bemühte sich um einen warmen, hoffnungsvollen Klang ihrer Stimme. Wie sie dort stand, es jagte ihr selbst einige kalte Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte sie Livilla an sich gezogen, sie umarmt, aber sie fürchtete, es könnte der Cousine zu nahe sein, näher, als sie im Augenblick ertragen konnte.
    "Iuno ist eine Hüterin der Frauen, und sie wird Dich gewiss nicht dafür gestraft haben, dass Du die Gefühle des Secundus Mela nicht erwiederst, Livilla, da bin ich mir ganz sicher." Ein Scheppern im Haus ließ sie aufhorchen, doch sogleich verstaute sie dieses Geräusch auch dort, wo es hingehörte - es musste Constantius sein, der heimgekehrt war.