Beiträge von Iulia Helena

    Es dauerte nicht lange, bis auch schon Iulia Helenas eilige Schritte auf dem Gang zu vernehmen waren, denn sie hatte es eilig, die neue Verwandte einmal in Augenschein nehmen zu können, ebenso den dritten Besucher, denn Wongas Aussagen über den König von Tylus waren eher verwirrend denn aufschlußreich gewesen. Als sie den Raum betrat, lächelte sie freundlich und meinte mit einem warmen Klang in der Stimme:


    "Salvete und willkommen in der Casa Iulia. Du musst Iulia Andreia sein, hoffe ich, ansonsten habe ich mich jetzt bis auf die Knochen blamiert," wagte sie einen Scherz und trat Andreia entgegen, bevor auch Florus und dem König ein offenes Lächeln galt. "Ich freue mich sehr, euch hier begrüßen zu dürfen - auch wenn ich mit so hohem Besuch eines amicus romanorum nicht gerechnet hatte." Hoffentlich würde auch Constantius bald erscheinen, um die Verwandtschaft und den baldigen Teil der Verwandtschaft angemessen zu begrüßen.

    "Es war ein Moment, in dem wir beide verletzbar waren, in dem wir beide unsere Erinnerungen mit uns herum trugen und vielleicht offener für ein solches Gespräch waren als an anderen Tagen. Ich ... bin es eigentlich nicht gewöhnt, über die Dinge zu sprechen, die mich wirklich tief im Inneren bewegen," sagte sie leise und lächelte unvermittelt. Vor Constantius fiel es ihr so schwer, über ihre Sorgen zu sprechen, ihre Nöte in Worte zu fassen, und hier sprach sie einfach aus, wie es war und fürchtete nicht, dass er es nicht verstehen konnte. Nicht, dass sie nicht auch bei ihrem Bruder sicher viel Verständnis gefunden hätte, da war sie sich sicher. Aber sie wollte ihm ein Rückhalt sein, ihm Stärke geben, wenn er sie brauchte, und nicht ihn mit ihren Nöten mehr belasten, als es gut tat. Er hatte genug eigene Sorgen, die ihn in Atem hielten, und dabei wollte sie ihm helfen können, ohne selbst zur Last zu werden.


    Aber hier, in den Armen des tribunus, Quintus' Armen, schien es nicht mehr notwendig zu sein zu schweigen. Weil sie wusste, dass er verstand, dass er es wahrscheinlich ganz genauso lebte und leben musste. Sonst wäre er kaum der gewesen, der er war. "Ich bin froh, dass wir uns begegnet sind, sehr froh," fügte sie ihren Worten an und blickte zu ihm auf, die vage Berührung seiner Lippen auf der Stirn noch fühlend. "Vielleicht musste es einfach so sein, damit wir beide wieder leben können ... Quintus." Sie hatte etwas gezögert, sein praenomen auszusprechen, diesen Teil des Namens, der für einen Mann der privateste seiner Namen war und nur von der Familie, von wirklich guten Freunden oder aber geliebten Menschen benutzt werden durfte, aber sie fühlte, dass der cognomen in diesem Moment nicht ausgereicht hätte, um die Verbundenheit auszudrücken, die sie empfand.


    Ihr Blick glitt an ihm vorbei, nach draussen, wo es noch immer regnete, das Donnern schien sich zu verziehen, auch war es nicht mehr so dunkel wie zuvor und auch sie realisierte, dass der Moment der Not sein Ende finden würde, so unweigerlich, wie er herangenaht war. "Ich möchte nicht zu nass in die Curia zurückkehren," sagte sie leise und lächelte etwas. "Meinst Du, wir können hier noch ein bisschen bleiben und hoffen, dass wir nicht wie Wassermenschen aussehen?" Natürlich würden die Kleidungsstücke nicht trocknen, wenn man unter einer Klippe saß, das wusste sie genauso gut wie er, aber auch sie wünschte sich tief im Inneren, dass er sie noch eine Weile halten würde.


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    Wonga führte die drei Besucher mit recht raschem Schritt in das gepflegte, aber schlichte Atrium der Casa Iulia, um dann den Blick auf Florus zu richten. "Ihr bitte warte, ich Herrin und Herr sage, dass ihr hier sein." So drehte er sich um und stapfte in Richtung des Hausinneren davon wie ein Berg, der sich in Form einer Lawine vorwärts bewegte.

    Es dauerte nicht allzu lange, bis auch die Hausherrin den Weg ins Atrium fand, angetan mit einer schlichten weissen Tunika und Stola, augenscheinlich einfache Kleidung, die verriet, dass sie wahrscheinlich an diesem Abend eher gearbeitet hatte denn Gäste empfangen. Ihre Miene hellte sich merklich auf, als sie Imperiosus erblickte und sie trat ihm lächelnd und mit ausgebreiteten Armen entgegen.


    "Imperiosus! Ich freue mich, Dich so bald und vor allem gesund wiederzusehen. Ich hätte wahrlich nicht mit Deiner Ankunft gerechnet, wähnte ich Dich doch immernoch unter den finsteren Germanen, um ihnen die Segnungen unserer Götter nahe zu bringen?" sagte sie lächelnd und umarmte den Verwandten mit einem sanften, nicht zu deutlichen Druck der Arme. "Hattest du eine ruhige Reise?"

    Zu seinen Worten über die gens Octavia nickte sie, das erklärte natürlich einiges. Wie wohl Octavius Maximus mit diesem Mann vor ihr verwandt war? Zumindest war er der einzige Octavier, der ihr spontan vor Augen stand, wenn sie über die Octavier nachdachte, der einzige, den sie bisher persönlich kennengelernt hatte. Wenn man bei einem Geplänkel am Markt überhaupt von Kennenlernen sprechen konnte.
    "Der Abwanderung versuchen wir bereits dadurch entgegen zu wirken, dass wir die Dinge endlich angehen, die schon seit sehr langer Zeit ruhen. Du erinnerst Dich sicher an den Merkurtempel, der hie einst stand - er is eingestürzt und derzeitig wird ein Neubau organisiert, aber auch ein Hafenfest, das sowohl Besucher nach Ostia locken soll als auch den Menschen zeigen, dass hier etwas geschieht und man sich um sie bemüht."

    "Dafür, dass die gens Octavia hier ihren Ursprung hat, sind erstaunlich wenige Octavier in der Stadt gemeldet - ein anwesendes Geschlecht hätte bisher sicherlich meine Aufmerksamkeit gefunden," gab sie zurück und nahm ebenfalls einen Höflichkeitsschluck aus ihrem Becher. Viel Durst hatte sie nicht, aber es schickte sich auch nicht, einen Gast alleine trinken zu lassen, und sei es nur Wasser.


    "Aber ich kann Deine Entscheidung durchaus nachempfinden, soviel ist sicher. Nachdem Du Dich zum Magistraten ebenfalls hast aufstellen lassen, würde mich interessieren, worin Du Deine zukünftigen Schwerpunkte siehst - ich gehe davon aus, als Duumvir gewählt zu werden und ich bin interessiert daran, mit wem ich dann unter Umständen zusammen arbeiten werde."

    Gemächlich goss sie sowohl für ihn als auch für sich einen Becher Wasser ein und stellte seinen Becher vor ihm auf dem Schreibtisch ab, bevor sie zu ihrem Platz zurückkehrte und sich dort niederließ. "Nun, Octavius Dio, wie kann ich Dir helfen? Ich habe Deine Kandidatur mit Interesse zur Kenntnis genommen, aber sie erstaunt mich doch auch ein wenig, immerhin scheinst Du bisher in der Stadt nicht viele Stunden verbracht zu haben, die dem Allgemeinwohl gedient haben. Ein Entschluss, dann für die Stadt in die Kurie einziehen zu wollen, hat sicher einen interessanten Grund."
    Sie kam gleich zur Sache, immerhin wartete noch Arbeit - und in diesem Punkt schlug auch das Blut der Iulier zu Buche, die seit nun einigen Generationen Solaten geworden waren und sich im Allgemeinen ungern mit Firlefanz aufhielten.

    "Wenn es Dich tröstet, als ich das erste Mal hierher kam, habe ich mich gründlich verlaufen," meinte sie schmunzelnd und wies einladend mit einer Hand auf die Stühle vor ihrem Schreibtisch. "Setz Dich doch .. darf ich Dir etwas zu trinken anbieten? An einem so warmen Tag wie heute ist eine Erfrischung sicher nicht das Schlechteste."
    Er ist wohl ein Anhänger der Traditionen, überlegte sie und blickte ihn sinnierend an. Einer der wenigen, die bisher nicht den angeglichenen Titel magistrata benutzt hatten, sondern den ursprünglichen des magistratus, selbst wenn eine Frau ihn trug. Interessant...

    Etwas überrascht hatte sie zur Kenntnis nehmen dürfen, dass der unbekannte Kandidat sie zu sprechen wünschte, aber sie hatte dem Scriba, der diesen angemeldet hatte, zugenickt und ihn gebeten, den Besucher einzulassen - sie war gespannt auf den Herausforderer, dessen Namen sie noch nie zuvor gehört hatte. Zumindest wurde es hier in Ostia in letzter Zeit nie langweilig.


    "Salve, Octavius Dio!" sagte sie freundlich, als der ältere Mann den Raum betrat und betrachtete ihn interessiert, um sich dann zu erheben - er war doch um einiges älter als sie und die Höflichkeit gebot es, diesem Umstand Beachtung zu zollen. "Ich hoffe, Du hast hier schnell hergefunden, die Curia ist doch etwas durchwachsen, wenn man sich noch nicht so gut hier auskennt."

    "Dann warte bitte einen Moment," sagte der Scriba und klopfte kurz an der Türe an, bevor er eintrat. Es dauerte einige Momente, dann kehrte der junge Mann zurück und hielt Octavius Dio die Türe auf, um ihn einzulassen, danach wandte er sich wieder seinen Aufgaben zu.

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    Auch an diesem Abend verrichtete der ianitor der Casa Iulia, der große, breitschultrige Nubier Wonga mit dem geistlosen Grinsen, seinen Dienst an der porta und staunte nicht schlecht, dass gleich drei Besucher zum Preis von einem vor der Tür standen - dafür war er sogar bereit, sein Sprüchlein, das er stets aufsagte, ein wenig zu variieren.
    "Was Ihr wolle?"

    Auch sie erhob sich nun, um ihren Gast zu verabschieden, und nickte ihm freundlich zu. "Dann wünsche ich Dir noch einen ruhigen Tag, Annaeus Florus - vale bene!" Lächelnd blickte sie ihm nach und schien vorerst ganz zufrieden mit dem Gespräch. Es versprach, eine interessante Zukunft zu werden.


    Sim-Off:

    okay :)

    "Mit Freuden, Annaeus Florus, mit Freuden," sagte sie lächelnd und nickte ihm zu. "Ich hoffe dann, sehr bald von Dir und Andreia zu hören, damit wir uns - vielleicht bei einem Abendessen? - ein bisschen absprechen können. Feste bedürfen schließlich eines gewissen Vorlaufs, um erfolgreich abgehalten werden zu können."

    Tief atmete sie ein und entließ die Luft in einem entspannten, langsamen Seufzen, das sehr viel von dem verriet, wie sie sich gerade fühlen mochte. Es war einfach schön, wie es war und sie wollte es nicht in Frage stellen. Der Gedanke, dass ihr das ohnehin niemand glauben würde, sollte sie jemals jemandem davon erzählen, hatte etwas ungemein erheiterndes für sie, die Mundwinkel zuckten verdächtig empor, aber noch behielt sie ihre Gedanken für sich. Immerhin passte dieser Moment, den sie mit ihm teilen durfte, perfekt zu ihrem neuen Leben in Rom und Ostia, das in manchen Dingen einfach herrlich durcheinander gewürfelt worden war und ganz sicher keinen Moment Langeweile enthalten hatte. Die Dinge waren wieder in Bewegung gekommen und nun klammerte sie sich wärmesuchend an den trainierten, kräftigen Körper eines sicherlich in Rom durchaus begehrten Junggesellen und genoß diese Tatsache stillvergnügt. Venus schien ihr m Moment mit so manchen kleinen Geschenken den Weg zurück ins Leben zeigen zu wollen und so wie es gerade war, folgte sie nur zu bereitwillig und gerne.


    "Vielleicht war es einfach die richtige Zeit, der richtige Moment, dass wir uns begegnet sind. Erinnerst Du Dich? Ich glaubte, Du wolltest Dich töten und fürchtete um das Leben eines Fremden, warum auch immer. Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal unter einer .. Klippe ..enden würden, und das durchnässt," wisperte sie leise und nun konnte sie ein belustigtes Glucksen nicht mehr unterdrücken. Hätte man ihr das an jenem Abend am Ianusbogen gesagt, sie hätte sich wohl an die Stirn getippt und den Erzähler einen Lügner genannt. Sie seufzte abermals behaglich, das sanfte Streicheln seiner Finger über ihren Rücken tat einfach nur sehr gut, und sie genoß es mit jeder Faser ihres Körpers.


    Eigentlich hätte sie ihn wegstoßen müssen, auf ihrer Ehre bestehen, auf ihrem Ruf und natürlich auch darauf, dass sie sich gebärdeten wie erwachsene Menschen, aber sie tat es nicht, sondern ließ ihre Finger wieder in sein Haar gleiten, um behutsam seinen Kopf und Nacken zu streicheln, bevor sie ihren Kopf an seiner Brust ruhen ließ und die Augen schloß, sich auf das Gefühl seiner Nähe gänzlich konzentrierend. Es ist so schön, dachte sie und lächelte still vor sich hin, in diese warm-dunklen Geborgenheit einer Klippe, um die der Regen noch immer, gemischt mit einem sich langsam entfernenden Donnern, toste.

    Ihr Blick glitt zwischen den beiden Männern hin und her, und fast wäre sie in die Falle ihres Bruders hinein getappt, die mit solcher Unschuld gestellt worden war, dass man sie kaum so recht hatte von allen anderen Wortbeiträgen unterscheiden können. Und da sagte Constantius noch, dass er die Redekunst ihrer Ahnen nicht geerbt hatte - sie würde ihm in Zukunft bei diesen Worten energisch zu widersprechen wissen, denn es war absolut nicht wahr. So geschickt angelegte Glatteisflächen wie von ihm hatte sie eine ganze Weile über nicht erlebt und es gefiel ihr tief im Inneren sehr, dass ihr Bruder seine Art der Offensive so gut zu verstecken wusste. Mochten ihn andere als einen thumben miles unterschätzen, er war nichts weniger als das.


    "Ich kann noch immer nicht verstehen, wie jemand auf diese wahnsinnige Idee kommen konnte, dass es gut sei, einen so wichtigen Tempel, gestiftet von der Hand unseres göttlichen Ahnen, Iulius Caesar, abreißen zu lassen," erklärte sie mit Nachdruck und schüttelte den Kopf. "Ich hörte, es sei eine Offensive gegen die damalige sacerdos der Venus gewesen, aber um eine Priesterin zu verärgern, einen Tempel abreissen zu wollen? Das scheint mir dann doch als reichlich übertrieben und auch als den absolut falschen Weg. Es würde mich nicht wundern, hätte die Göttin all jenen gezürnt, die überhaupt auf eine solch wahnwitzige Idee gekommen sind." Sie war fast froh, das diese Pläne nun fallengelassen worden waren, denn es enthob sie der Notwendigkeit, um die Erhaltung des Tempels prozessieren zu müssen - als Nachfahren des Erbauers hätte die Verantwortung dafür bei ihnen gelegen und was sie sich derzeit absolut nicht leisten konnten, waren überhöhte Anwaltshonorare.


    Dann wandte sich ihr Blick zu Vitamalacus, und abermals lächelte sie leicht. "Ich danke Dir für dein Angebot, was die Baustelle betrifft, doch derzeitig ist einer meiner Scriba unterwegs, uns einen Architekten zu organisieren. Sollte er keinen Erfolg haben, werde ich gern auf Dich zurück kommen, denn diese Sache muss dringend erledigt werden und wir können uns im Grunde keinen Verzug leisten. Finanziert ist der Tempel glücklicherweise bereits, aber was private Gönner angeht, so wäre das für einen zweiten Tempelbau eine sehr gute Möglichkeit. Immerhin sollte in einer Hafenstadt auch Neptun angemessen bedacht werden, findest Du nicht?" Sie nahm einen kleinen Schluck aus ihrem Becher und wandte sich dann an ihren Bruder. "Der Tempel des Iuppiter soll sehr schön sein, aber ich fürchte, ich werde ihn mir noch ansehen müssen. Rom beherbergt so viel Schönes, man kommt gar nicht hinterher, alles anzusehen. Kennst Du den Ianusbogen? Dort sind wir auch aufeinander getroffen," damit nickte sie sachte gen Vitamalacus, "..es gibt keinen besseren Ort, um über Zukunft und Vergangenheit zu sinnieren."

    "Ah, das ist nicht nur ein Problem der Frauen, Annaeus Florus," widersprach die Iulierin und lachte leise. "Es gibt auch einige ausgesprochen neugierige Männer, aber denen würde niemand unterstellen, dass es sich um eine rein männliche Tugend handelt, mehr von anderen wissen zu wollen." Schmunzelnd nahm sie einen Schluck aus ihrem Becher und lauschte seiner Erzählung zuerst interessiert, dann mit wachsendem Respekt. Sich sein Leben von Null ein zweites Mal aufbauen zu müssen und es geschafft zu haben, das fand nicht nur ihre Zustimmung, sondern auch ihren Respekt.


    Ein solcher Mann würde sicherlich ein Gewinn für die Familie sein, ein verlässlicher Verwandter. Umso offener lächelte sie ihn nun an, als er geendet hatte.
    "Du musst sehr viel Mut und Stärke besitzen, um diesen Weg gegangen zu sein und erfolgreich gegangen zu sein, Annaeus Florus, und ich bin sehr froh, dass wir uns auf diese erfreuliche Weise kennen gelernt haben. Die Iulier müssen sich, ebenso wie Du es tatest, neu beweisen, und uns auch unseren Ahnen als würdige Nachfolger erweisen, sodass ich sehr gut verstehen kann, wie es sein mag, wenn man sich die Dinge erst neu erarbeiten muss, auf die andere mit einer leichten Selbstverständlichkeit zurückgreifen." Nichts anderes taten sie derzeitig in Rom.

    Schweigend lauschte Helena den kalten Worten ihrer Cousine und seufzte innerlich. Wie sehr musste sie doch aus dem Gleichgewicht geraten sein, oder hatte sie nie gelernt, mit ihren Gefühlen umzugehen? Wenn sie sich an ihre eigene Jugend erinnerte, hatte es viele Tage und Stunden der Verwirrung gegeben, in denen sie oftmals nicht genau gewusst hatte, was sie eigentlich wollte, aber Livilla klang erstaunlich entschlossen.


    "Livilla, die Schuld, von der Du sprichst, existiert nur dort, wo Du sie sehen möchtest. Alles andere ist geschehen, und nichts daran klagt Dich an. Weisst Du, wohin Secundus Mela gebracht wurde? Denn dann sollten wir uns daruim kümmern, dass er gut versorgt wird - und morgen möchte ich, dass Du mich in den Tempel der Iuno begleitest, für ein Dankopfer, dass Sie Dich vor dem Schlimmsten bewahrt hat - sie ist nicht umsonst auch die Göttin der Tugenden der römischen Frau, und Deine blieb, soweit ich dies sehe, unangetastet." Vielleicht würde ihr das Opfer, ein vertrautes Ritual, ein wenig Halt vermitteln können - Helena selbst hatte Iuno ein Opfer versprochen und eine Iulierin hielt immer ihre Versprechen, egal wie sie aussehen mochten.


    "Männer!" stöhnte die Iulierin leise, als sie Victor nachblickte, auch wenn sie fast schallend heraus gelacht hätte. Das war mal wieder so typisch Victor gewesen, dass sie einfach lachen musste - und einige Momente lang war ihr auch anzusehen, dass sie mit ihrer Beherrschung rang. "Weisst Du, auch das ist sehr, sehr römisch. Frauen mögen zwar ihren Reiz auf unsere Männer ausüben, aber wehe, irgend jemand erwähnt Wagenlenker, Wagenrennen und factiones. Dann gibt es nichts anderes mehr als Farben, Fahrten und natürlich das Trinken auf Farben," erklärte Helena mit einem ziemlich breiten Lächeln auf den Lippen, doch irgend etwas irritierte sie.


    Die weiße Toga des Lucianus fehlte im Bild, und sie sah sich einige Male suchend um. War ihm vom Wein etwa schlecht geworden? Als das nächste Mal eine der Weinsklavinnen vorbei kam, gab sie ihr den Auftrag, im Haus nach dem verloren gegangenen Senator zu suchen, denn sollte es wirklich der Wein gewesen sein, lag die Schuld eindeutig bei ihr. Es war unverzeihlich, sollte er sich bei diesem Abend nicht amüsieren, immerhin hatte sie gehofft, den Vinicier ein bisschen besser kennenlernen zu können, ebenso sein Verhalten unter Leuten. Die Entscheidung, sich irgendwann demnächst einen Patron suchen zu müssen, stand noch immer im Raum und er war einer der interessanteren Kandidaten gewesen ... Helena unterdrückte ein leises Seufzen und blickte wieder zu Hypathia, Tiberia Livilla und Iulia Livilla zu sich winkend. "Überlassen wir die Männer ihrem Wagenrennenvergnügen, was meint ihr?"