Beiträge von Iulia Helena

    Dankend hatte sie in die Richtung des Comes Italia für seine Worte genickt und auch dem Bericht des Magistraten von Tarent folgte sie mit größerem Interesse, war der Handelshafen doch einer der Zulieferer Ostias auf dem Seeweg. Schließlich galt auch dem Secundus Plinius Aristo ein freundliches und dankendes Nicken, bevor sich ihre Aufmerksamkeit auf den sprechenden Aurelier richtete - ein ehemaliger Offizier der Vigiles, der unter Protest seinen Posten geräumt hatte? Das musste der Ärger gewesen sein, den der damalige praefectus vigiles erwähnt hatte - und wieder schob sich ein Puzzleteil auf dem politischen Spielfeld Roms an seinen richtigen, passenden Platz.


    "Leider nein, aber ich werde ihn mir notieren und meinen Scriba anweisen, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, sollte sich für die staatliche Stelle keine Besetzung finden - in sofern danke ich Dir für diesen Hinweis. Auch den Marmorbruch werde ich sicher bei meinem nächsten Gespräch mit dem König von Tylus bedenken ... sollte er in der Nähe Ostias liegen, umso besser, dann können wir auf zu lange Zulieferungswege verzichten." Mit einem Lächeln maß sie den Aurelier für einen Moment lang, und nickte dann auch ihm dankend zu. Unnötig zu erwähnen, dass sie den König von Tylus bereits kannte, so etwas konnte man schließlich durchaus von einem Magistraten erwarten, dem seine Stadt nicht egal war.

    "Wenn es der besseren Koordination dient, wäre ich damit sehr einverstanden, Comes. Letztendlich ist der vorrangige Punkt nun, dass wir die Steine in brauchbares und unbrauchbares Baumaterial sortieren können, damit der Teil vielleicht schon dann weggeschafft ist, wenn die Legio eintrifft - je früher also ein Kundiger den ganzen Schutt studiert und die brauchbaren Steine markiert, desto besser," erwiederte sie und nickte zufrieden. So klang das bedeutend besser, als einem ohnehin schon sehr beschäftigten Architekten nachjagen zu müssen, der womöglich nicht einmal abkömmlich war, weil ihn Projekte anderer Art banden.

    Manche Art von Schmerz war es wohl, der man nicht entgehen konnte, egal wie gut man sich dagegen wappnete, oder was man tat, um ihm auszuweichen. Sie konnte nur ahnen, wie es ihm mit seiner Lupa ergehen mochte, und was sie fühlte, wenn sie an Valerius Victor dachte, wollte sie nicht aussprechen, das konnte sie gar nicht aussprechen, weil sie sich vor dem Klang de Worte fürchtete. Sie waren einmal gesagt worden, zwischen ihr und ihm, und seitdem hatte Stille geherrscht. Sie hatte es nicht mehr gewagt, ihm nahe zu kommen, sich ihm in irgendeiner Form zu nähern, und er schien es ähnlich entschieden zu haben. Vielleicht würde das Feuer abkühlen, wenn man es nicht durch neue Brandmöglichkeiten nährte. Sie würde Constantius wahrscheinlich nur sehr selten ein Schutzschild sein können, eine Hilfe, die er wirklich brauchen konnte, und doch - sie wusste genau, dass sie es immer versuchen würde, egal, was er sich auch stellen musste.


    Als er dann jedoch begann, an dem Beutel zu nesteln, folgte den Bewegungen seiner Finger ihr Blick voller Interesse, aber auch Neugierde, dann hoben sich ihre Brauen ein wenig, als sie erkannte, was er da heraus zog. Eine Kette mit einem geschnitzten Anhänger? Ob er die wohl auf dem Markt erstanden hatte? Doch seine Worte erklärten es sogleich, und nun begann sie zart zu lächeln. Als kleiner Junge hatte er gern mit dem Messer herum fuhrwerkt, und seine ersten Werke waren zumeist in Klumpenform stolz hergezeigt worden - mit viel Phantasie hatte man dann auch erkennen können, welches Tier es hätte sein sollen, und diese Taube zeugte doch von einer gewissen Übung, die er sich mit der Zeit erworben hatte. Dass er sie so lange aufbewahrt hatte, trieb ihr mit einem Mal die Tränen in die Augen und sie konnte die Umrisse des Holzanhängers nur noch durch einen verschwommenen Tränenschleier erkennen. Für sie hatte er diese Taube geschnitzt, und war nicht rechtzeitig fertig geworden ...


    Dass ihr kleiner Bruder so viel an sie gedacht hatte, hatte sie sich zwar immer wieder ausgemalt, aber nun, mit diesem von Kinderhand geformten Anhänger, hatte sie den schlagenden Beweis in Händen. Die Buchstaben auf der Rückseite der Taube sprachen Bände, ein H und ein C, ein bisschen kratzig, ein bisschen ungenau, aber doch zu erkennen. Sachte strich sie mit ihrem Finger über die beiden Buchstaben, dann über die ganze Taube, und flüsterte leise, nun selbst um jedes Wort verlegen:
    "Es ist wunderschön, Constantius, einfach wunderschön ..." Und anstatt weitere Worte zu verlieren, die ohnehin nicht hätten ausdrücken können, was sie sagen wollte, nahm sie das Lederband mit dem Anhänger, öffnete die geformte, weite Schlinge und hängte sich diesen um den Hals, sodass der Anhänger selbst auf ihrer Brust zu liegen kam, behütet durch ihre sich darauf ablegende rechte Hand.


    "Ich werde ihn einfach jetzt tragen, wie ich ihn auch damals immer getragen hätte, um mich daran zu erinnern, wie sehr ich meinen kleinen Bruder liebe." Ihre Stimme hatte ein wenig beim Sprechen gezittert, und tatsächlich hatte sie diese Geste, dieses kleine, für andere wahrscheinlich vollkommen wertlose Geschenk mehr berührt als jede Perlenkette dieser Welt ....

    "Man kann sie letztendlich nicht zwingen, nur hoffen, sie überzeugen zu können," entgegnete sie nachdenklich und überlegte kurz, wie sie sich wohl entscheiden würde, hätte sie die Wahl. Aber der Gedanke führte sie in die absolut falsche Richtung, denn in Victors Gegenwart füllte er ihre Gedanken viel zu sehr aus, um überhaupt noch irgendeine fundiert wirkende Entscheidung zu treffen. Dass seine Gedanken in gänzlich andere Richtungen drifteten, war ihm jedoch deutlich anzusehen, einige Momente lang wirkte er abwesend, dann fast verärgert - und das über ihren Verwandten.


    "Ich habe Imperiosus bisher nur einmal getroffen, aber ich kann kaum glauben, dass er mit Absicht die Nähe zu den Claudiern gesucht hat, nur um vorwärts zu kommen. Schließlich war seine Mutter eine Claudierin, dass er sich wünschte, dieser gens nahe zu kommen, ist irgendwie noch verständlich. Wenngleich eine Adoption dann doch ein recht weiter und in meinen Augen eher unsinniger Schritt ist ..." Auch ihre Gedanken verloren sich kurz, jedoch ließ der doppelte Sinn seiner Worte sie abrupt in die Gegenwart zurückkehren. Sollte das bedeuten, dass er die Iulier für einflusslos und faul hielt? Langsam runzelte sich ihre Stirn und es mochte wirken, als kehre bei einem bisher ausgesprochen sonnigen Tag die vage Vorahnung eines sich ankündigenden Gewitters zurück.


    "Ausserdem glaube ich kaum, dass ein Iulier es nötig hat, sich bei anderen anzudienen, um Karriere zu machen, wo auch immer. Bisher haben wir unseren Weg immer alleine geschafft, mit Unterstützung der jeweiligen Patrone, wie es sich auch gehört. Vielleicht gibt es in unserer gens derzeit keine Senatoren oder wichtige Amtsträger, aber zumindest können wir mit der Ehre aufwarten, viele Söhne für das Wohl des Reiches geopfert zu haben und viele Offiziere unter uns zu wissen." Es schien, als hätte er ungewollt einen wunden Punkt berührt, denn nun sprühten die blauen Augen Funken...

    Sinnierend runzelte die Iulierin die Stirn und ließ sich den Namen einige Male durch den Kopf gehen. Irgendwo klang da eine Erinnerung auf, aber welche? Sie war sich sicher, diesen Namen schon einmal gehört zu haben, aber der Zusammenhang wollte sich nicht so leicht erschließen. So wirkte sie für einige Momente lang ziemlich nachdenklich, aber der erlösende Gedanke wollte sich nicht einstellen.
    "Ich kenne den Namen, aber es will mir nicht einfallen, woher ... was Du erzählst, lässt jedoch nicht gerade auf einen sehr ehrenwerten Mann schließen. Was manche Menschen veranstalten, um sich einige Komplimente oder Worte zuzuschanzen, ist schon sehr ungeheuerlich. Du siehst, meine Worte haben also durchaus ihren Sinn - und ich hoffe, dass Dir solche Erfahrungen in der Zukunft erspart bleiben, Livilla."


    Rom würde sicher noch so manche unangenehme Überraschung bereit halten, und sie bedauerte es in diesem Moment ziemlich, dass sie nicht den ganzen Tag in der Casa Iulia zugegen war, um ihre Zeit mit der jüngeren Verwandten zu verbringen. So würde auch vieles vom guten Willen Livillas und der aufmerksamen Beobachtung der Sklaven abhängen müssen, ein Weg, der ihr nicht unbedingt recht war, wollte sie die Cousine nicht dauernd beobachten lassen müssen oder einsperren. Dafür wusste sie noch zu gut, wie es war, wenn man erst begann, die Welt mit anderen Augen zu sehen und sie einem so schnell wieder genommen würde.
    "Ich würde mir wünschen, dass Du, wenn Du Sorgen oder Nöte hast, die mit einem Mann nicht besprochen werden können, zu mir kommst, Livilla. Constantius und Du versteht euch gut, aber manches lässt sich auch mit einem Cousin nicht gut besprechen. Ich möchte Dir hier in Rom gern zur Seite stehen, soweit ich das vermag."

    "Wie Du meinst," sagte sie lächelnd, wenngleich ein nachdenklicher Blick auf ihm ruhen blieb. Sachte berührte sie seinen Ellenbogen mit den Fingerspitzen, als hätte sei die Geste nicht erkannt und würde ihn in die richtige Richtung dirigieren, um dann an seiner Seite die Stände entlang zu schreiten. Ihm jetzt schon die Hand auf den Unterarm zu legen war eindeutig viel zu vertraulich, und von solchen Gesten nahm sie in der Öffentlichkeit auch zumeist Abstand, wenn es sich nicht gerade um ihren Bruder handelte.


    Neulich nachts hattest Du aber nicht so viele Vorbehalte, sagte eine leise, neckende Stimme in ihrem Hinterkopf, aber sie zog es vor, nicht darauf allzu sehr einzugehen. Das Gespräch mit dem Tribun war gänzlich anderer Natur gewesen als jenes hier, es ließ sich kaum wirklich vergleichen, wenn man von der Tatsache absah, dass es sich beide Male um eine Unterhaltung gehandelt hatte.


    Gemächlich schritten die beiden nun in Richtung der Curie, immer wieder anderen Passanten oder Händlern ausweichend, die zu den Ständen drängten, während Iulia Helena immer wieder einen Blick auf Gabriel warf, sich seines Zustandes versichernd. "Eine Mimose scheinst Du jedenfalls nicht zu sein, ich habe schon weitaus stärkere Männer sich nach einem solchen Angriff nicht mehr so schnell erheben sehen," versetzte sie schließlich mit einem Schmunzeln.

    Der Sklave neigte sich über den Vertrag und begann mühsam zu lesen - er konnte zwar lesen, aber bei weitem nicht so gut, dass er es flüssig und schnell schaffte, die bisherigen Vereinbarungen, die Barundius getroffen hatte, waren immer mündlicher Natur gewesen, ebenso wie er sich im Kopfrechnen auszeichnete.


    Sim-Off:

    Einmal das Ganze bitte auf Deutsch nochmal. ;) Wir spielen hier zwar in der Römerzeit, aber ich möchte ungern Verträge eingehen, für die ich mein Wörterbuch beim nochmaligen Durchlesen dauernd bemühen darf. Finde ich ja toll, dass Du Dich um Authentizität bemühst, aber dann sollte das ausgegebene Latein auch grammatikalisch einwandfrei sein, sonst bricht man sich beim Lesen einen ab :D

    "Livilla ist die Tochter meines Onkels Numerianuns, und er übt auch noch die patria potestas über sie aus ... ich hoffe, dass das noch sehr lange der Fall sein wird, und er nicht im Krieg fällt wie meine drei Brüder," sagte sie mit einem leisen Seufzen. Die Liebe der Iulier zur Waffe war schon bald legendär, und die Tatsache, dass sie dabei ebenso gern umkamen, auch.
    "Letztendlich wird es seine Entscheidung sein, wen sie heiratet, nicht die ihre. Es ist in unserer Familie durchaus Sitte, eine Eheschließung von der ratio bestimmen zu lassen, nicht von der emotio." Auch ihre eigene Ehe war eine solche Vernunftangelegenheit gewesen, und sie bereute es im Nachhinein nicht. Ein angemessener Gemahl würde sicherlich eine Bereicherung für Livillas Leben sein und ihrer etwas unsteten Art helfen, sich zu festigen und ein Ziel zu finden.


    "Du kannst Dir sicher vorstellen, dass es nicht ganz leicht ist, eine junge Frau zu bändigen, wenn man nicht ihre Mutter oder Schwester ist. Ich kann nur hoffen, dass meine Worte für sie irgendwie eine gewisse Relevanz haben," fügte sie noch sinnierend hinzu, diese Sache mit Secundus Mela hatte einen gewissen Nachgeschmack hinterlassen. Etwas, dem man nachhaken musste. Beizeiten. Dass Victor das Tempelthema so bereitwillig annahm, war erleichternd für sie, denn über die Arbeit zu sprechen bedeutete auch, bestimmte andere Themen zu verschweigen.


    "Du sprichst hier von einem meiner Verwandten," meinte sie schließlich schmunzelnd. "Imperiosus wurde zwar von den Claudiern adoptiert, aber sein Blut ist iulisch und wird es immer sein. Er hat die Casa Iulia vor Constantius und mir bewohnt und eine Menge Spinnweben hinterlassen." Bei dem Gedanken an ihren Verwandten blieb die Erinnerung zwiespältig, er war sicher sympathisch gewesen, aber ... nun, man ließ sich als Iulier nicht einfach adoptieren, selbst wenn es eine Patrizierfamilie war. "Die Lage dürfte sich seit Monaten nicht verändert haben, leider - als ich mein Amt übernam, war der Tempel eine Ruine, und er ist noch immer eine Ruine. Wenigstens ist jetzt der Bau in eine greifbare Nähe gerückt, weil der Comes die Legio I zum Bau heranziehen wird, sobald sie ihren Bau in Mantua fertiggestellt hat. Es kann sich nur noch um einen Monat handeln - und ich werde so lange im Amt bleiben, bis dieser Tempel gebaut ist, das kannst Du mir glauben."


    Iulia Helena reckte ihr Kinn kämpferisch ein wenig empor und blickte den Septemvir entschlossen an, es schien sich um keine Laune zu handeln, die einen flüchtig beschlich, sondern um ihren vollen Ernst - und gleichzeitig versuchte sie das Verlangen danach zu unterdrücken, ihn nur kurz, flüchtig, mit einer Hand zu berühren, ihm in der Menge näher zu kommen. Einfach nur kurz seinen Geruch aufzunehmen, ihn nahe zu fühlen ... sie blinzelte ein paar Mal energisch, um diese brennende Sehnsucht fortzuwischen.

    "Mein Ziel ist heute nur die Curia," meinte sie lächelnd und achtete darauf, dass er gegen niemanden stieß oder stolperte, während sie gingen. "Und bis dort ist der Weg nicht mehr sehr weit. Den werde ich sicher auch ohne Dich schaffen, Gabriel, ich denke vielmehr, dass Du Dich zur castra vigilum zurück begeben solltest, um zu ruhen. Die direkte Sonne ist bei solchen alten Verletzungen am Kopf nicht gut, damit strengst Du Dich nur noch mehr an, als es Dir guttun kann. Vielleicht hilf Dir ja auch ein wenig Schlaf, dich wieder besser zu fühlen, und dann sieht alles ganz anders aus."


    Für einen Moment lang hätte sie fast gelacht, denn wenn sie sich selbst so zuhörte, klang sie verdächtig nach Iulia Atia, ihrer Mutter, die sich oft genug um ihre wilden Kinder hatte Sorgen machen müssen. Entweder gelang es Constantius, sich Arme und Beine an irgendwelchen Steinen aufzuschlagen, oder sie selbst war zu wild auf einen Baum geklettert und mit einer in Fetzen hängenden Tunika zur Mutter zurückgekehrt. "Meinst Du, Du schaffst den Weg zur castra alleine? Ansonsten würde ich dafür sorgen, dass Du Begleitung hast."

    Dieser Mann erstaunte sie wirklich immer wieder - dieses lange Herumstehen und Anblicken hatte sie doch etwas aus dem Konzept gebracht, auch wenn sie es wohl nicht freiwillig zugegeben hätte. Dass er es dann mit einem Aussetzer seines Kopfes und einer alten Verwundung erklärte, war für sie sogar glaubhaft, sie hatte einige alte Soldaten erlebt, die eine ähnliche Verhaltensweise an den Tag gelegt hatten, nur dass es bei einem doch noch recht jugen Mann so etwas auch geben konnte, erstaunte sie.


    "Vielleicht sollten wir uns einfach ein wenig abseits dieser Massen begeben, und Du ruhst Dich ein wenig aus, bis Du wieder ganz bei Dir bist?" fragte sie freundlich und wies mit der Hand auf eine Ecke des Marktes, an dem nur einige sehr teure Stände zu finden waren, die demzufolge auch weniger frequentiert waren als jene mit der alltäglichen Billigware für die ärmeren Familien. Würde er ihr jetzt umkippen, würde sie ihn wohl kaum hochwuchten können, da war sich die Iulierin ziemlich sicher.

    "Der Bau kann meiner Ansicht nach nicht ohne die Legio bewältigt werden, Comes," erwiederte sie und schenkte Aelius Callidus ein freundliches Lächeln. "In sofern wäre ich Dir für eine Vermittlung sehr dankbar. Um die Angelegenheit mit Apollonius wird sich mein Scriba kümmern, das wird sicher eine gute Probe für ihn sein." Sie notierte sich kurz etwas auf ihrem Wachstäfelchen und blickte dann wieder aufmerksam zu ihm auf.


    Der Praefectus Annonae. Sergius Sulla. Glücklicherweise hatte sie sich gut genug im Griff, um nicht genervt aufzustöhnen, die Miene blieb gleichbleibend freundlich, als sie nickte. Dass ihr Amt einige Opfer erfordern würde, war ihr bewusst gewesen, aber dieses ... nun, sie würde es wohl irgendwie überleben. "Natürlich, der neue Praefectus dürfte da der beste Ansprechpartner sein. Das Hafenfest möchte ich in etwa einem Monat stattfinden lassen, und soweit ich die Finanzmittel der Stadt überblicken kann, dürften diese für mehrere Feste ausreichen, nicht nur für eines - sodass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Sollte dann noch etwas fehlen, werde ich den Rest aus eigenen Mitteln tragen."

    Die Methoden der Politiker, eine Meinung über ihre Arbeit zu erhalten, wurden auch immer schlimmer, dachte Iulia Helena bei sich und schüttelte leicht den Kopf. Mit Lügen erhielt man doch selten die Wahrheit, aber die wenigsten Menschen heutzutage waran auch bereit, das Risiko einer offen ausgesprochenen Wahrheit einzugehen.


    "Wer war dieser Mann, Livilla? Ich hoffe, dass Du auf dem Land nicht ohne Begleitung warst und dieser Politiker nicht zudringlich geworden ist ...?"
    Es war mehr wie eine rhetorische Frage gestellt, doch die Stirn der Iulierin hatte sich nun merklich gerunzelt. Numerianuns schien seiner Tochter deutlich mehr Freiheiten zu gestatten, als es gut war, wenn er sie einfach so auf dem Lande herum springen ließ, dass sie einen Lügner kennenlernen konnte.

    Er sah viel zu gut aus. Dass er sie beim Gespräch überhaupt anblickte, war schon schlimm genug, aber dass sie ihn auch noch anblicken musste, ließ ihr zumindest gedanklich ein gewisses Maß an Angstschweiß ausbrechen. Die Erinnerung an seinen kräftigen, warmen Leib, an den sie sich in den Kurven auf dem Streitwagen hatte pressen können, war noch viel zu jung, ebenso die zarte Berührung seiner Finger auf ihrer Haut, als er die Beule auf ihrer Stirn untersucht hatte.


    "Nun, ich möchte meiner Cousine hier auch ein wenig etwas bieten können, immerhin ist sie viel zu fern der Hauptstadt aufgewachsen, um das wirkliche Leben hier kennengelernt zu haben. Wenn sie sich entschließen sollte, in die Heimat zurück zu kehren, soll sie viele Facetten des gesellschaftlichen Lebens hier erlebt haben. Ausserdem ist sie im besten heiratsfähigen Alter," sagte sie lächelnd und registrierte, dass ihr Atem sich langsam beruhigte. "Einige unverheiratete Männer, die nicht nur bei der Legio dienen, kennenzulernen, denke ich ist ein großer Vorteil von Rom." Auch wenn es bedeuten würde, dass sie sich an diesem Abend deutlich zurückhalten musste.


    "Ostia ... nun ja ... ich räume immernoch meinem Amtsvorgänger hinterher, aber wenigstens kommt die Sache mit dem Tempelbau endlich so langsam aber sicher in Bewegung. Dass das alles so lange brach lag, ist wirklich eine Schande, aber nachdem das Teather in Mantua nun bald fertiggestellt sein soll, kommt die Legio I hoffentlich nach Ostia und kümmert sich um den Tempel." Von der Arbeit sprechen zu können, hatte etwas beruhigendes, auch wenn es bedeutete, dass sie sich über Oberflächlichkeiten austauschten - ihre blauen Augen jedoch suchten seinen Blick und wollten sich so schnell von diesem auch nicht mehr lösen.

    Sie nickte zu seinen Worten, denn wenn er sagte, dass er bei den Didiern nie geschlagen worden war, musste es wohl stimmen. Er hatte schließlich auch keinen Grund zu lügen. Die schnelle Erwiederung zu ihrer stillen Herausforderung amüsierte sie, ließ sie etwas breiter lächeln, sodass ihr Gesichtsausdruck fast spitzbübisch wurde, die Augen schelmisch funkelten.
    Doch dieses Stehenbleiben und Betrachten - sie wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Er schwankte so sehr zwischen Amüsement, Melancholie, Zorn, Stolz, dass sie sich immer wieder darüber wundern musste, wieviele seiner Gesichter sie innerhalb kürzester Zeit zu sehen bekam. Dennoch schien es nie, als würde er schauspielern oder sich in irgendeiner Weise untreu zu werden, er wirkte erstaunlich authentisch in dem, wie er war.


    So verharrte sie ebenfalls, den Blick erwiedernd - es musste recht seltsam wirken, und es gab so einige Passanten, die dieses ungleiche Paar misstrauisch beäugten, einige Träger fluchten sogar unverhohlen vor sich hin, weil sie mitten im Weg standen und den Verkehr aufhielten. Iulia Helena erwiedert das Lächeln des angehenden Ermittlers fast gelassen, die Haltung aufrecht, nicht aufreizend - vor Gabriel stand eine Frau, die selbstsicher genug war, um ihm nicht ausweichen zu müssen, die stolz genug war, sich für eine solche Musterung Zeit nehmen zu können. Erst nach einer Weile hob sich sehr langsam ihre linke Augenbraue an, fragend und amüsiert zugleich.

    Ein ehemaliger Sklave, dessen Traum vielleicht nicht bei der Freilassung endete. Für seine Kinder würde er sicherlich das Bürgerrecht erhalten, so er sich eine Frau nahm, aber ihm selbst würde es verwehrt bleiben. Vielleicht war das der Gründ für die vielen Fragen, den Zorn in seinen Augen, auch die Beschämtheit ob seiner Adoption. Mitglied einer gens zu sein und es doch nicht vollständig zu sein, bedeutete einen ewigen Zwiespalt. Ihre Gedanken sprangen umher, und sie glaubte zu begreifen ...
    "Peitschenschläge," sagte sie leise und sinnierend. Diese Form der Strafe war bei ihren Sklaven niemals nötig gewesen. Was musste passiert sein, dass man ihn so misshandelt hatte? Wenn sie bedachte, dass die Sklaven der Casa Iulia fast Familienmitglieder waren, deren Persönlichkeit durchaus geschätzt und akzeptiert wurde, so erschien ihr die Peitsche als Strafe barbarisch.


    "Die Idee, als privater Ermittler zu arbeiten, ist denke ich, jedenfalls eine gute - die Cohortes Urbanae sind vielleicht effizient, aber sie werden sicher nicht überall hin gehen können, nicht überall sein. Ein Mann wie Du, ohne Uniform, hätte gewiss Vorteile auf bestimmten Gebieten," sagte sie, als sei dies die Antwort auf seine Selbstreflexion. Stränge begannen sich zu verbinden, Gedanken formten Ideen. Vielleicht würde es ganz nützlich sein, einen Ermittler zu kennen, um bestimmte Dinge zu erfahren, denen sie nicht selbst nachgehen konnte. Wissen war in Rom noch immer Macht.
    "Ich hoffe, ich bin eine positive Überraschung," entgegnete sie schelmisch in einem Ton, der fast eine positive Antwort vorauszusetzen schien.

    Er schien recht empfindlich zu sein, was seine frühere Sklavenschaft anging, das musste sie doch mit einem gewissen Erstaunen feststellen, was auch die geschwungenen Brauen zu einer Wanderung die Stirn empor veranlasste.
    "Ich meinte damit, dass Du durchaus darauf stolz sein kannst, als was Du heute erscheinst," versetzte sie in einem nun kühler gewordenen Ton. "Nicht jeder hätte mir geholfen, nicht jeder hätte mit seinem Körper für eine vollkommen Fremde eingestanden. Das sind Qualitäten, für die man Dich schätzen sollte, und dahinter stehen denke ich alle anderen Fragen zurück."


    Sie blickte ihn direkt an, ohne seinem Blick in irgendeiner Form auszuweichen, und sollte er es nun auf eine Auseinandersetzung anlegen, nun, die konnte er bekommen - ihre Haltung hatte sich etwas gestrafft, sie wirkte, als würde sie durchaus einer Herausforderung entgegen treten.

    "Du bist, was Du bist, und kein Blick, kein Wort wird es jemals ändern können, ja. Aber so ist es doch eben. Lebst Du dadurch schlechter, dass Du einen besonderen Weg gemacht hast? Was kümmern Dich Blicke oder Worte? Du wirkst nicht wie ein Mann auf mich, der über das, was er ist, so unglücklich wäre - Du trittst vielmehr sehr beharrlich für andere ein. Wer das nicht erkennt, auf dessen Meinung kannst Du ohnehin verzichten," sagte die Iulierin und reckte das Kinn kurz vor, als wolle sie mit ihren kämpferischen Worten gleich den nächsten angehen, der es wagen würde, ihren unverhofften Retter anzugreifen.


    "Die gens Didia sagt mir natürlich etwas, aber ich habe bis auf Dich noch kein Mitglied dieser Familie persönlich kennengelernt. War Dein ehemaliger Herr nicht Senator? Du musst mir meine Wissenslücken verzeihen, ich war die letzten Jahre nicht hier in Rom und muss mich selbst erst wieder orientieren," sagte sie mit einem leichten Lächeln und ließ ihren Blick aufmerksam auf ihm ruhen.

    "Bei diesem Namen weiss man nur, dass Du von einem Mitglied der Familie Didia adoptiert wurdest, und mehr nicht," sagte sie ruhig, fast ein wenig ermunternd.
    "Und darauf kannst Du, denke ich, mit Recht stolz sein und musst Dich dessen nicht schämen. Dass ein Sklave so sehr von seinem Herrn geschätzt wird, dass er die Freiheit erlangt, ist selten, aber dass er dann noch durch eine Adoption ausgezeichnet wird - das dürfte in Rom recht einzigartig sein. Aber wenn Du nicht möchtest, dass ich Deinen nomen gentile benutze, werde ich Dir diesen Gefallen tun."


    Sie brauchte einige Momente, die Erinnerung an ihre Kinder zu verdrängen, diese beiden Söhne, die nicht hatten leben dürfen, genauso wie ihr Vater - ein leises Seufzen kam über ihre Lippen, aber sie hoffte, dass es im Trubel der Menschenmenge untergegangen war. Manche Erinnerungen schmerzten einfach, egal wie alt sie waren, wie sicher verwahrt man sie auch geglaubt hatte; manchmal genügte nur ein Wort, um alles wieder zurück zu holen und die alte Wunde wieder aufzureißen.

    "Oh äh, ja ..." erwiederte sie, nicht minder sinnig in ihrer Aussage als er. "Salve, Valerius Victor," brachte sie dann doch noch heraus und versuchte, ihn direkt anzusehen, was allerdings die Röte auf ihren Wangen nur noch verstärkte. Innerlich fühlte sie sich inzwischen wie eine Suppe kurz vor dem Kochen, und entsprechend rot musste sie inzwischen geworden sein. Sie schluckte langsam einen dicken Frosch gigantischer Ausmaße in ihrem Hals herunter und räusperte sich umständlich.


    "Das freut mich natürlich sehr, dass Du zum Essen kommen willst, und mein Bruder freut sich sicher auch. Unsere Cousine wird auch anwesend sein, sie ist erst vor kurzem aus Germania mit ihrem Vater nach Rom gekommen, als er zur Militärschule musste. Da wäre es doch schön, wenn sie auch Deinen Bruder und Deinen Cousin kennenlernen könnte, sie kennt noch nicht so viele Leute hier in Rom," plapperte sie eilig, um überhaupt etwas gesagt zu haben, das halbwegs unverfänglich klang, denn ihn allein zu sehen beschleunigte ihren Atem ungemein. "Und es geht mir gut, danke ... viel zu tun, aber das kennst Du ja sicher von Dir selbst. Ich hoffe, Dir ist es ebenso gut ergangen?"