"Hm, ich glaube, ich werde es Dir gerade noch einmal so verzeihen, dass Du meine Hand damals gebadet hast," sagte sie leise lachend und zwinkerte ihm vergnügt zu. Dass es nicht das einzige Mal gewesen war und sie ihn dafür auch einige Male herzhaft verwünscht hatte, verschwieg sie ihm dezent, schließlich machten kleine Kinder so etwas eben ab und an, und wahrscheinlich wäre es ihm auch peinlich, das zu wissen. Männer hatten solche natürlichen Vorgänge betreffend einfach eine ganz andere Einstellung als die Frauen, die sich mit dem Produkt leidenschaftlicher Nächte nun einmal deutlich länger beschäftigen mussten. Sie lehnte sich an seine Schulter, als er ihre Hand sanft drückte, um dann warm zu lächeln. Es gab so viele Erinnerungen, die sie teilten, so viele schöne und auch lustige Momente, dass sie den Göttern jeden Tag eins ums andere Mal dafür dankbar war, dass sie ihr nicht auch noch diesen Bruder genommen hatten. Ihren liebsten Bruder. Es war schon schwer gewesen, die Verlustmeldungen ihrer anderen Brüder akzeptieren zu müssen, und sie hatte oft während ihrer Ehe die Trauerkleidung getragen, aber Constantius zu verlieren würde sie zerbrechen, das wusste sie.
"Ich weiss, woher sie stammt, ja," sagte sie und hob den Kopf etwas, um ihn zu betrachten, dann innerlich leise seufzend. Kein Zweifel, er war verliebt in die junge Lupa, eine aussichtslose Verliebtheit, aber eben eine Verliebtheit. Klüger wäre es, ihn in die Irre zu schicken und Lucianus zu bitten, ihm Samira vorzuenthalten, aber sie wusste auch, dass sie es nicht konnte. Nicht, wenn er gleichzeitig so hoffnungsvoll, so sehnsuchtsvoll blickte und sie so sehr an das eifrige junge Gesicht erinnerte, das sie als junges Mädchen so sehr gemocht hatte. Nein, sie konnte es einfach nicht, so sehr sich ihr Verstand auch dagegen stemmte, so sehr ihre Erfahrung ihr auch einflüsterte, dass es ihm mehr Leid als Glück bringen würde, die Lupa wiederzusehen. Sie hätte am besten gar nicht erwähnt, dass sie wusste, woher Samira gekommen war, aber auch das hätte sie nicht gekonnt, schweigen, ihm jeglichen Funken Hoffnung vorenthalten.
"Das Lupanar, in dem sie arbeitet, heisst Flammeus Libitus," sagte sie leise und atmete tief ein. "Du wirst es wohl auf den Mercati Traiani finden," fügte sie noch an und atmete tief durch. Wahrscheinlich würde er noch glauben, sie wäre genau dorthin gegangen, aber selbst das war ihr in diesem Moment weniger wichtig. Sie konnte und wollte ihren geliebten kleinen Bruder einfach nicht unglücklich sehen, selbst wenn es wahrscheinlich die dümmste Entscheidung war, die sie jemals hatte treffen können.