Beiträge von Iulia Helena

    "Ich kann Dir auch einen Sklaven zur Casa Valeria schicken, der Dir den Weg zeigt - Roms Gassen und Straßen sind verschlungen und verworren, wer sich da nicht auskennt, geht leicht verloren. Als Kind habe ich mich mehr als einmal verlaufen ... Du müsstest mir nur sagen, an welchem der folgenden Abende Du Zeit für einen Besuch hast, damit ich das meinem Bruder sagen kann, er darf die Kaserne nicht an jedem Abend verlassen," meinte sie freundlich und lächelte leicht dabei. Den doch etwas schöngeistig wirkenden Valerier konnte sie sich lebhaft dabei vorstellen, wie er stundenlang in Seitenstraßen Roms umher irrte und dabei vollkommen vergaß, woher er gekommen war und wohin er gehen musste - das Klischee des Gelehrten schien sehr gut auf ihn zu passen, ausnehmend gut. Es würde gewiss ein sehr interessantes Gespräch für ihn und Constantius werden.


    "Du solltest aber bedenken, dass ein Mann, der so schnell das Haus der Familie flieht, Aufsehen und Misstrauen hier in Rom erregt, denn sind wir nicht alle stolz auf unser Erbe? Wie könnte man sich denn wünschen, in derselben Stadt ein eigenes Haus zu haben, wenn die Laren der Ahnen im angestammten Haus der Familie verweilen und man selbst nur ein kleines Zimmer in einer Insula bezahlen kann? Wenn Du wirklich hier in Rom Deinen Weg machen möchtest, wird kaum ein Weg an einem Leben bei Deiner Familie vorbeigehen, allein schon um zu zeigen, dass Du Deine Ahnen achtest." Unvorstellbar, woanders zu wohnen als in der Casa Iulia - allein der Gedanke ließ ihr schon ein Frösteln über die Arme laufen. Nein, es gab keinen Grund, das Haus zu verlassen, in dem sie auf die Welt gekommen und aufgewachsen war, das vom Lachen und Kreischen ihrer Brüder erfüllt gewesen war. In diesem Haus lebte die Geschichte ihrer Familie deutlicher als an jedem anderen Ort - und zumindest die Iulier gehörten ihrer Meinung nach noch immer nach Rom, nirgendwo anders hin.


    "Deine Verwandten lieben, wenn ich es recht sehe, die einfachen Freuden - aber unterschätze sie darin nicht. Immerhin ist einer deiner Cousins bei den Prätorianerin, der andere ein angesehener Priester - um einen solchen Weg zu machen, bedarf es mehr als nur eines schlichten Gemüts. Ich bin mir sicher, wenn Du Dich mehr mit ihnen beschäftigst, werdet ihr sicher auch gemeinsame Themen finden - und letztlich ... Verwandtschaft kann man sich nie aussuchen." Verschmitzt zwinkerte sie ihm bei diesem Gedanken zu. Er hätte es wirklich viel schlechter treffen können als mit den beiden sympathischen Valerier-Brüdern.

    "Dabei gibt es allerdings ein wesentliches Problem," meinte sie sinnierend und blickte für einige Momente lang in den Himmel. Wie oft hatte sie dieses Gespräch doch mit ihrem verstorbenen Gemahl geführt? Mit Titus hatte sie sich gern gestritten, zumindest in den letzten Jahren ihrer Ehe, denn auf den Streit folgte stets eine Versöhnung, die nicht oft im Cubiculum geendet hatte und meist mit sehr viel Leidenschaft verbunden gewesen war. Auch wenn sie kontroverse Meinungen gehabt hatten, irgendwann hatten sie ihre gegensätzlichen Fronten akzeptiert und damit leben gelernt, dass man eben nicht immer übereinstimmen konnte. Ein wehmütiger Ausdruck glitt bei diesem Gedanken über ihr Gesicht, und wieder einmal wurde ihr bewusst, wie sehr sie Titus noch immer vermisste. Den Gedanken jedoch energisch beiseite schiebend, führte sie den Satz von eben fort.


    "Was geschieht, wenn man den Kriegsdienst nicht überlebt? Wenn man die Familie zu spät gründet, sieht man seine Kinder nicht mehr aufwachsen, falls man denn überhaupt dazu kommt, welche zu zeugen. Wo bleibt denn das schöne Leben nach dem Kriegsdienst, wenn man es nicht einmal erlebt? So viele junge, kräftige Männer sind in der Ferne gestorben, und können die Kraft ihres Erbes nicht mehr weitergeben. Ich will nicht in Abrede stellen, dass Rom verteidigt werden muss, und ich bewundere jeden Soldaten, der in der Verteidigung des Vaterlandes stirbt wie mein Gemahl, aber es ändert nichts daran, dass es Söhne nur gibt, wenn man sie zeugt, nicht wenn man nur im Feld für Mars und Rom unterwegs ist." Seine Worte über den Patron hingegen ließen sie aufhorchen. Wollte er nur wissen, wo er sie einzuordnen hatte, oder suchte er neue Klienten? "Was den Patron angeht, so hat sich mein Bruder noch nicht entschieden, wen er sich als patronus wählen soll - eine solche Verbindung sollte immer mit Bedacht gewählt werden."

    "Glücklicherweise ist Dir nichts geschehen," sagte die Iulierin und schüttelte etwas den Kopf. Was für dreiste Sklaven, sie war richtig froh, in den letzten Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder gereist zu sein, der sich gegen solche Probleme als ein sehr wirksames Hindernis erwiesen hatte. Bei Livias Worten über ihren Bruder allerdings musste sie deutlich schmunzeln, kehrte doch die Überlegung zurück, wie sich Constantiuswohl machen würde, müsste er den Haushalt der Casa Iulia alleine führen - ein Gedanke, der sie kurz auflachen ließ. Als sie die Blicke der anderen Fraue spürte, schmunzelte sie merklich.


    "Es ist doch immer dasselbe mit den Männern. Auf dem Feld stürmen sie mit gezücktem Gladius voran, dienen den Göttern mit unverminderter Inbrunst oder leiten geschickt die Verwaltung einer Stadt, aber sobald sie zuhause in ihrem Heim stehen, fällt all die Umsicht, die feldherrliche Glorie von ihnen ab und die ersten Fragen sind stets 'Sind Briefe für mich gekommen?', 'Wann gibt es etwas zu essen?' und 'Bring mir einen Becher Wein!'. Ich habe wirklich noch keinen einzigen Mann erlebt, der für den Haushalt auch nur ansatzweise irgendein Talent offenbart hätte ..." meinte sie leise lachend und blickte die drei anderen Frauen vergnügt an.

    "Man könnte fast meinen, Du hättest einige Iulier in Deiner Ahnenreihe, genau das höre ich von fast allen meiner Verwandten," meinte sie schmunzelnd und seufzte dann unüberhöbar. "Aber was ich dabei nicht wirklich verstehe, ist diese Hingabe an den Kriegsdienst. Ich bin meinem Gemahl lange genug auf seine verschiedenen Stationierungsorte gefolgt, und das Kriegshandwerk ist beileibe weder heroisch noch irgendwie ein Spiel, wie es Männer gern darstellen. Neben einem Leben voller Pflicht und mit dem Schwert in der Hand muss doch etwas mehr kommen als nur das. Mars ist kein schlechter Herr, aber selbst ein Mars findet stets den Weg zu Venus zurück. Schon die Götter zeigen uns, dass der Krieg nicht vollkommen der Lebensinhalt sein kann," fügte sie dann sinnierend an und schritt mit zierlichen Bewegungen neben ihm aus, inzwischen hatten sie, Crassus' Leibwachen, von denen einer den Eimer trug, und Helenas Dienerin im Schlepptau, ein langsames Spaziertempo aufgenommen, was das öffentliche Interesse an ihnen weit wirkungsvoller zerstreute als alles andere.


    "Nun ... Ostia ... die Arbeit hat mich dorthin gezogen. Ich wollte nicht nach Misenum oder Mantua gehen, also blieb nur Ostia als Alternative für ein gewisses Einkommen. Mein Bruder ist derzeitig Probatus bei den Cohortes Urbanae, und er soll ein Zuhause haben, wenn er von der Kaserne Freizeit bekommt - irgendwann wird er heiraten und bis dahin soll der Haushalt funktionieren, damit ihn seine Gemahlin gut versorgen kann. Und da es mir zuwider ist, meinen Vater stets um Geld zu bitten, muss ich eben sehen, wie welches ins Haus kommt - patrizische Zurückhaltung und das Verbleiben im Haus kann und will ich mir nicht leisten. Müssiggang ist doch stets der Beginn eines Niedergangs."

    "Bei den gütigen Göttern!" ist hinter Constantius ein leises Hauchen zu hören, und für den ersten Moment ist nicht wirklich sicher, warum sie diese Worte sagte, ob es nun am ziemlich staubigen und verprügelten Aussehen Victors oder dem verschütteten Wein samt Flecken auf dem Boden lag - der Blick jedoch richtete sich recht schnell auf den Septemvir, dann auf seinen Bruder. Was da passiert sein musste, lag auf der Hand, ausserdem wusste sie von ihren eigenen Brüdern nur zu gut, wie man aussah, wenn man sich geschlagen hatte. Aber warum hatten sich die beiden geschlagen? Sie sahen nicht aus, als würden sie einander nicht zürnen, aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass es ohne irgendeinen Grund zu einer handfesten Prügelei gekommen wäre. Das KLONG! des Bechers auf dem Boden riss sie aus ihrer erschrockenen Betrachtung Victors, und sie fing sich wieder aus der kurzen Erstarrung, die sie erfasst hatte.


    "Ich will nicht wissen, wie groß die Quadriga war, gegen die ihr beide gelaufen sein müsst," ergriff sie schließlich energisch das Wort. "Aber wenn Du diese Beule auf der Stirn nicht kühlst, schillert Deine Stirn morgen mit dem schönsten Perlmuttschmuck Roms um die Wette und ich würde fast vermuten, das Collegium hat dann einige sehr amüsante Fragen an Dich, Valerius Victor." Sie ging kurz in die Hocke, hob den Becher auf und stellte ihn energisch auf den Tisch, auf dem die anderen leeren Becher deponiert waren, bevor sie zu Calidus blickte. "Meinst Du, es gibt hier einen Sklaven, der ein kühles Stück Fleisch organisieren kann - und dann die Sauerei hier wegwischt?" Erst dann nickte sie Tiberius Drusus zu. "Salve! Du siehst, Du kommst genau im richtigen Moment - gerade wird es hier lustig."

    Sie setzte sich neben ihren Bruder auf eine der gepolsterten Bänke, denn den Wein im stehen trinken war ihr verhasst, wenn man auch sitzen konnte, es hatte so etwas ungemütliches, gehetztes, wenn man sich nicht einmal für einen Becher Wasser-Wein-Gemisch setzen konnte - während der Trainer einschenkt und beiden Geschwistern das gewünschte Getränk überreichte, drückte sie sachte die Hand ihres Bruders und lächelte ihm zu. Manchmal hätte sie ihm am liebsten so das Haar gerichtet wie früher, aber sie wusste zu gut, dass das nichts war, worauf Männer in der Öffentlichkeit Wert legten. Den meisten waren solche von Zuneigung geprägten Gesten auch eher peinlich, und sie wollte ihn nicht beschämen.


    Callidus setzte sich zu den beiden, und hob ebenfalls einen Becher. "Auf die Veneta!" Die drei prosteten sich schmunzelnd zu, dann neigte sich Helena dem Trainer zu. "Du hast wirklich einen beneidenswerten Beruf, als Trainer der Fahrer - ich stelle mir das sehr abwechslungsreich vor. Ist es denn schwer, unter so vielem hoffnungsvollem Nachwuchs einen geeigneten Fahrer zu finden, der vielleicht irgendwann zu den Besten gehören könnte?" Der Gedanke im Hinterkopf der Iulierin war allerdings ein gänzlich anderer: Warum kamen Severus und Victor nicht zurück?

    "Ein eigenes Heim, wenn doch deine Familie über eine geräumige casa verfügt - das ist doch sinnlos. Warum suchst Du so sehr die Unabhängigkeit von der Familie? Letztlich gibt es in Rom nichts wichtigeres als einen passenden Anschluss an die Verwandtschaft, denn ist nicht Blut immer dicker als jedes andere Band gewesen? Gerade Valerius Severus und Valerius Victor dürften Dir hier in Rom sehr weiter helfen können, sind sie doch mit den Gewohnheiten der Stadt sehr vertraut - und beide sind große Freunde des Wagenrennens, wenn Du also ein wenig Vergnügung suchst, wirst Du sie bei ihnen ganz sicher finden," antwortete sie schmunzelnd und tauschte mit Livilla einen kurzen Blick - was für ein Tag, gleich zwei Galane mit vielen Worten. Fast war sie es nicht mehr gewöhnt gewesen, aber letztendlich, man vermisste wortreiche Umschmeichelung auch nie wirklich, weil sich ein jeder dieser bediente.


    Als der Händler dann die Aufmerksamkeit auf sich wendete, hätte sie fast leise aufgelacht, denn dass der Valerier anscheinend noch nicht genügend finanzielle Mittel sein eigen nannte, um einfach so ein Schmuckstück kaufen zu können, war ihr nur zu sehr bekannt. Ein gewisses Mitgefühl für den anscheinend noch nicht wirklich erfolgreichen Dichter keimte in ihr auf, aber irgendwann würde er sicherlich mit seinen Worten ein Auskommen finden, daran zweifelte sie recht wenig. "Viele gentes haben am Aufstieg Roms mitgewirkt, Valerius Decius, und die Iulier waren nur eine davon - wir sind Plebejer wie so viele andere auch, und das hebt uns nicht aus der Masse heraus, will doch Ruhm stets durch eigenen Erfolg und eigenes Können gemehrt werden, nicht nur durch den Namen von den Ahnen übernommen." Ein kurzer Seitenblick ging zu Livilla und ihrem aurelischen Verehrer, zu dem diese Worte ebenso gepasst hätten - gerade im jungen Alter neigten so viele Patrizier dazu, sich über ihr eigenes Können unmäßig zu erhöhen und zu glauben, ihre Abstammung alleine gäbe ihnen schon das Recht, eine respektvolle Behandlung einfordern zu können, ohne sie durch eigene Taten zu rechtfertigen. Die Mundwinkel etwas zuckend, blickte sie zu Decius zurück, nun wieder lächelnd.


    "Ich fürchte, diesen Wunsch muss ich Dir ausschlagen, ziehmt es sich doch nicht für eine Witwe, mit einem Manne unbegleitet über den Markt zu schlendern, und am heutigen Tage bin ich auch wegen eines Einkaufs hier, nicht wegen des Vergnügens ... doch würde es mich freuen, Dir meinen Bruder vorstellen zu können, dessen Haushalt ich derzeitig führe, auf dass er in Rom ein Zuhause sein eigen nennen kann. Wenn Du es also möchtest, bist Du herzlich in die Casa Iulia eingeladen, um uns im Gespräch über die Traditionen und Werte Roms Gesellschaft zu leisten ..." Eine höfliche Ablehnung, aber auch eine unvermeidliche - letztlich hatte auch sie auf einen Ruf zu achten, und ein unverheirateter Mann war keineswegs eine passende Begleitung, mit der man sich freimütig in der Öffentlichkeit zeigen konnte, ohne ein gewisses Aufsehen und Blicke zu erregen, die man nicht erregen wollte. Und Constantius würde sich sicherlich in der Gesellschaft eines so wortgewandten Mannes gut amüsieren und vielleicht auch Gefallen daran finden, über die römischen Traditionen mit einem Kenner der Literatur zu sprechen ... für ihren eher schüchternen Bruder war vielleicht ein Gespräch, das keine gesellschaftlichen Erfordernisse mit sich brachte, einmal eine ganz gute Entspannung.

    Hmm ... ich denke, da muss einfach sehr zwischen dem Wissen der Charaktere simon und dem Wissen des Spielers simoff unterschieden werden - für die Römer waren die Germanen eben viele Jahre lang ein wilder Volksstamm, die Varusschlacht ist einer der dunkelsten Punkte der Militärgeschichte Roms. Und dieses Bild hat sich auch hartnäckig in der Literatur gehalten - egal, ob es auch romanisierte Germanen gab oder nicht. Dass da viele Charaktere die Germanen mangels besserem Wissen als ungehobelte Wilde sehen, dürfte nicht erstaunen - da bildet zB mein Charakter keine Ausnahme, auch, weil ein Großteil ihrer Verwandtschaft im Militär ist, das damit beschäftigt ist, die Provinz zu sichern. Ein befriedeter Bereich war Germania letztendlich nie wirklich ...


    Dass ich als Spieler allerdings gleichzeitig jedem engagierten Verwaltungs- oder sonstwie am Gedeihen eines Militärzweigs, einer Provinz oder einer Stadt beschäftigten Spieler einen gewissen Respekt zolle, hat nichts mit der Meinung der Charaktere zu tun.

    Zitat

    Original von Valentin Duccius Germanicus
    Es betraf nicht die Acta, sondern das, was ich zitierte.
    Und nein, ich schieße nicht übers Ziel hinaus, denn in letzter Zeit kommen solch unqualifizierten Kommentare und "Meckereien" über das Engagement der Duccia und über deren Hintergrund immer öfter und das nervt langsam ziemlich. Deshalb die Klarstellung.
    Den Artikel der Acta heisse ich zwar sim-on auch nicht gut, sim-off finde ich ihn auch übertrieben, aber a) weiss ich wer ihn schrieb und wie es zu deuten ist und b) bietet er potential für eine Prügelei in Germanien, auch mal nett.


    Hmm .. ich denke, wenn sich Leute simoff darüber aufregen, dass Du und andere Leute der Duccia sich engagieren, könnt ihr doch getrost darüber schmunzeln - ähnliche Vorwürfe gibt es auch gegen diejenigen, die sich in Hispania mühen, Spiel ins Laufen zu bringen. Fragt sich, ob das wirklich eine Grundlage besitzt oder einfach nur Neid auf Erreichtes ist? Bei zweiterem würde ich drüber lächeln und weitermachen - Erfolg bringt immer Neid mit sich.

    Hmm ... meinst Du nicht, dass Du ein wenig über das Ziel hinaus schießt? Die Acta ist nunmal keine trockene Wirtschaftszeitung, sondern versucht zu polarisieren, nicht nur durch den Rennartikel, auch in anderen Teilen der Zeitung wird mit Ironie, Spott und Übertreibung gearbeitet ... sowas liest man, amüsiert sich und gut ist. :) Ich glaube kaum, dass sich das gegen das Engagement der Duccia wendet.

    Die Gestalt mochte zu einem Valerier passen, aber je mehr er sprach, desto sicherer wurde sie sich, dass er bestimmt eine sehr schöngeistige Mutter gehabt haben musste, denn mit der kernigen Art, die sowohl Severus als auch Victor auszeichnete, schien ihr Gegenüber eher wenig gemein zu haben. Er wirkte deutlich anders als alle Valerier, die sie bisher kennengelernt hatte, und für einen Moment lang versuchte sie sich Decius auf einem Streitwagen vorzustellen, im wilden Rennen gegen einen anderen Valerier - es wollte einfach nicht gelingen, und so schmunzelte sie merklich. Was er wohl zu ihrer eigenen Fahrt im Circus sagen würde, wüsste er davon? Aber diesen Gedanken schob sie schnell beiseite und verschränkte ihre Finger locker vor dem Bauch ineinander, während sie ihn anblickte.
    "Mir scheint, Du sprichst von Ostia, auch wenn die Bibliothek dort im Vergleich zu anderen nur klein ist. Dass sie dennoch zur geistigen Erbauung der Bürger dient, will ich nicht bestreiten, doch wirst Du hier in Rom sicher weit mehr Auswahl finden, wenn Du sie denn suchst - nicht umsonst hat diese Stadt einen Ovid, einen Sallust, einen Cicero und Caesar inspiriert, Worte zu finden und der Nachwelt zu hinterlassen. Doch kann ich nur schwer glauben, dass Deine Gedichte so schlecht sein sollen, dass Du sie lieber dem Feuer als geneigten Zuhörern anvertraust - wenn Du sie ohnehin vernichtest, wieso schreibst Du sie dann? Wäre es nicht sinnvoller, die Zeit für etwas zu nutzen, von dem Dir etwas bleibt?"


    Sie lächelte wieder und schritt abermals beiseite, um einige ausgestellte Ringe zu betrachten, deren Schlichtheit sie ansprachen, aber gleichzeitig überlegte sie auch, dass eine solche Ausgabe ebenso wenig in Frage kam wie eine neue Fibel für Constantius. "Was den Segen der Venus angeht, so denke ich, kann ich mir dessen sicher sein, war sie es doch, welche als Aeneas' Mutter unsere gens begründete."
    Wie die meisten sehr alten Familien Roms hatten auch die Iulier eine Gründungsgeschichte, die spätestens seit der Errichtung des Tempels der Venus Genetrix durch Caesar der ganzen Stadt bekannt war - die Iulier sahen sich seit vielen Jahrhunderten als die direkten Nachfahren des Aeneas, des Helden, der als Kämpfer aus dem untergehenden Troia geflüchtet und der durch günstige Winde auf die italische Insel gekommen war. "Verzeih, dass ich mich nicht gleich vorstellte - ich bin Iulia Helena, Scriba zu Ostia. Auf dem Markt trifft man so viele Menschen, denen man nicht unbedingt gleich alles verraten möchte, um Unangenehmes vom eigenen Heim fernzuhalten." Eine Braue leicht hebend, schmunzelte sie nun deutlicher. "Und was Deine Bemerkung über Langweiler angeht - nicht jede Dame schätzt die Literatur, aber auch nicht jede findet diese langweilig. Es kommt wohl doch immer sehr auf den Menschen an, mit dem man sich unterhält."

    "Diese Art von Feier sagt mir sehr zu, Du verstehst sicher, dass es für eine Frau nicht unbedingt ein Gedanke voller Sehnsucht ist, sich in eine Menschenmenge mischen zu müssen, in denen die Lupae ihrer Arbeit nachgehen und das gierige Geifern der Massen auch diejenigen treffen könnte, die es nicht darauf anlegen, auf diese Weise beglückt zu werden ..." meinte sie lächelnd und schmunzelte innerlich über die vorsichtige Umschreibung der sich wahrscheinlich abspielenden, bevorstehenden Ereignisse. Nicht jede Frau mochte die Lupae überhaupt in ihrer Nähe ertragen, aber sie selbst wusste nur zu gut, wie dringend für Männer diese Art der Entspannung manchmal notwendig war und verurteilte sie nicht. Besser, es gab bezahlte Frauen, die davon ihr Leben fristen konnten, als eine Horde Männer, die über Frauen herfielen, die sich nicht erobern lassen wollten.


    "Wann immer Du in Rom weilst, sollst Du in unserem Haus willkommen sein - lass es uns nur wissen, damit wir uns auch auf einen sicherlich verwöhnten Besucher einrichten können. Unser Hausstand wird sicherlich nicht die Pracht der Villa Aurelia erreichen können," führte sie mit einem kurzen Zwinkern fort - zwischen der eher stoischen Einrichtung der Casa Iulia und einem prächtigen Zuhause einer Patrizierfamilie lagen sicherlich Welten. "Doch bleiben wir doch in der Gegenwart - Du hast einen herrlichen Ort ausgesucht, um ein Gasthaus zu errichten, und ich bin fast verlockt, hier den Sommer zu verbringen, die Abende sind sicherlich herrlich hier - mit einem so weiten Blick auf das Land."

    "Zumindest würde ich nie eine Frau mit einem Ochsen vergleichen," meinte sie belustigt und richtete mit einer Hand die Palla wieder so hin, dass sie exakt so fiel, wie sie das wollte. "Wenn schon, wäre der Vergleich mit einer Kuh deutlich passender, ausser Du unterstellst gewisse Dinge, die man einer Frau lieber nicht antun sollte, weil das barbarische Bräucher noch viel barbarischer Völker sind ..." Sie warf einen Blick auf Livilla und ihren aurelischen Verehrer und trat einige Schritte beiseite, damit das sich entspinnende Gespräch mit dem Valerier das ihrige nicht stören würde. Man musste es ja auch nicht übertreiben, und ein wenig Atempause davon, sich gleich zwei Frauen erklären zu müssen, hatte der junge Mann allemal verdient, sie war schließlich kein Unmensch.


    "Weisst Du, was mir bei deinen Worten über ablenkendes Geschmeide in den Sinn kommt? Sollte die Schönheit einer Frau wirklich so strahlend sein, wie Du sie beschreibst - einmal ganz abgesehen davon, dass Du mir damit übermäßig schmeichelst! - dann dürfte kein noch so feines Geschmeide in der Lage sein, ihr in irgendeiner Form Konkurrenz zu machen, denn die Reinheit des Gesichts, eine anmutige Haltung, ein berückendes Lächeln - das alles sind Dinge, die man weit mehr bemerken wird als allen Tand der Welt, denn dies ist lebendig. Die Schmuckstücke werden uns überleben, um viele Jahre sicher, ihre Schönheit ist zeitlos - und so denke ich, dass die lebendige Schönheit einer Frau ohne Zweifel dagegen anstehen kann. Natürlich muss man mit Bedacht wählen, was man trägt, nicht jeder Frau steht Silberschmuck, nicht jeder Hautfarbe schmeichelt Gold, zu blasse Steine passen nicht zu dunklen Farben - es bedarf im Grunde einer sorgfältigen Auswahl, um das Vorhandene passend zu tragen." Sie deutete mit leichter Hand auf einen Schmuckanhänger, der eine schlichte Taube zeigte, das Symbol der Iulier.


    "Meinst Du wirklich, dass ein solches Stück allzu sehr von einer Frau ablenken könnte? Es ist ein Detail im großen Ganzen, wie eine Blüte auf einer Wiese - man bemerkt es, doch ist man weit mehr von den kräftigen Farben aller Blumen zusammen beeindruckt." Sinnierend betrachtete sie ihr Gegenüber, die aufrechte Gestalt, die durchaus stattlich zu nennende Haltung - kein Zweifel, dass er ein Verwandter der Brüder Valerius Severus und Valerius Victor war, konnte sie unbesehen glauben, denn auch diese waren sehr stattlich gewachsen. "Deinen Worten entnehme ich, dass Du entweder der Dichtung folgst, oder aber gelernt hast, mit der Süsse deiner Stimme die Menschen zu verlocken, wie es einem Politiker zukommt - hast Du in Athen die Redekunst studiert?"

    Noch schwankte sie zwischen einem berechtigten Zorn wegen der schmerzenden Stelle an ihrer Stirn und einem gewissen Amüsement. Wahrscheinlich hätten viele Frauen Roms so manches darum gegeben, an ihrer Stelle zu sein und sich mit einem der begehrtesten Junggesellen der Stadt zu unterhalten, dass ihm hier keine anbetende Schar junger Maiden im heiratsfähigen Alter folgte, war ohnehin erstaunlich genug - denn wie hatte Ovid es nicht geschildert, als es darum ging, die komplizierten Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu beschreiben? Eine Frau musste einem Mann schließlich auch die Gelegenheit geben, sie zu sehen, um sie dann zu erobern - und wo gab es bessere Gelegenheiten als an Orten der Bildung oder Zerstreuung wie diesem? Stattdessen lief sie in Gedanken durch den Park und krachte unverhofft in genau den Mann, um den es in Rom genug Gerüchte und Hoffnungen gab ... ihr Bruder würde ihr kein Wort glauben, wenn sie ihm davon berichtete. Aber eine Gelegenheit mehr, einen vielleicht für seine Zukunft wertvollen Kontakt herzustellen, dann würde aus der zu erwartenden Beule vielleicht etwas nützliches erwachsen.


    "Du musst sehr beschäftigt sein, dass Dir Deine Arbeit keine Zeit für die Thermen lässt - doch ist nicht das Leben viel zu kurz, um es nicht mindestens ein wenig zu genießen? Die Arbeit ist natürlich wichtig, aber wenn Du dich gänzlich darin aufreibst, wird Dir irgendwann nichts mehr Freude und Erfüllung bereiten - was schade wäre, braucht man doch gerade für Deine vielen Aufgaben ein ruhiges Herz und einen klaren Kopf." Ein wenig Plauderei konnte jetzt nicht schaden, unansehnlich war er schließlich auch nicht und sein Gesichtsausdruck verriet zumindest genug, dass sie vermuten konnte, dass ihre Ironie angekommen war, wohin sie gehörte - alles weitere würde sie sich für einen passenderen Zeitpunkt aufheben. Und, ganz als zürne sie ihm kein Bisschen mehr, lächelte sie ihn auf eine sanfte, weiche Weise an, die zumindest eine Andeutung von den Lebensfreuden verhieß, denen man sich nicht verschließen sollte, wollte man seine Jahre genießen.

    Als der Fremde an den Stand herantrat, war sie ein wenig zur Seite gegangen, um ihm genug Platz zum Betrachten der Ware zu lassen - den Blick dabei weiter über die Auslagen schweifen lassend. Eine neue Fibel für Constantius vielleicht, aber die Dinge hier waren so fein gearbeitet, dass sie das Gehalt einer Sciba sicher bei weitem überstiegen. Fast sehnsüchtig ließ sie den Blick über einige Spangen und Broschen gleiten, dann seufzte sie innerlich - in ein paar Monaten vielleicht, denn sie wollte ihren Vater nicht um Geld bitten müssen. Er sollte nicht glauben, sie sei nicht fähig, sich um eine angemessene Haushaltsführung zu kümmern - das zugeben zu müssen hätte sie wirklich geschmerzt, doch war es derzeitig schwer genug, mit den vorhandenen Mitteln in die Richtung zu steuern, die sie sich auch für Constantius' Zukunft wünschte. Gedankenverloren und mit deutlich weniger Aufmerksamkeit für Livilla und ihren aurelischen Verehrer ließ sie den Blick zu einem Paar fein ziselierter Ohrringe gleiten, und es dauerte eine ganze Weile, bis ihr klar wurde, dass der Mann neben ihr sie angesprochen hatte, und nochmals eine Weile, bis sie den Blick hob, um ihn anzusehen, ihn genauer zu betrachten.


    "Genius denke ich weniger, eher ein vervollkommnetes Handwerk, genug Geduld und Sorgfalt für Details ... dieser Laden ist nicht umsonst bekannt und sehr beliebt," versetzte sie nach einem Moment des Überlegens. Heute schien der Tag der freilaufenden unvermählten Römer zu sein, zumindest kam es ihr so vor, nur dass sich dieser Mann nicht auf Livilla konzentrierte, was sie eher erwartet hätte, sondern auf sie. "So bist Du also einer jener, die eher die naturnahen Schönheiten genießen wollen, um ihren Sesterzenbeutel zu schonen - um dies dann in wohlgewählten Worten und wohlfeilen Komplimenten zu verstecken?" Sie klang eindeutig belustigt, das war einmal etwas Neues, ein Mann, der einer Frau keinen Schmuck zuschieben wollte, sondern es eher in vieldeutiger Weise zu verstehen schien, eine provokative Aussage dann doch noch in eine anscheinend schmeicheln wollende Richtung zu bewegen.


    "Du musst mich nicht ansprechen wie eine hohe Dame," erklärte sie dann, nun etwas freundlicher, schien ihr seine Art, sie zu siezen, doch als ungewöhnlich und befremdlich, denn unter Römern war das Duzen in allen Rängen üblich. "Und es freut mich, Deine Bekanntschaft zu machen, Valerius Decius," fügte sie an, ihm leicht zunickend. "Doch was Du über diesen Schmuck sagst, kann ich nicht nachempfinden, denn erfreut nicht die kunstfertige Arbeit eines Meisters ein jedes Herz? Sowohl die jungen als auch die reiferen Damen vermögen sich in solchen Schmuck zu verlieben, weil er ihnen offenbart, dass sie für einen anderen kostbar sind. Man trägt ein solches Stück doch nicht, um besser auszusehen, sondern um sich daran zu efreuen, dass es einem jemand geschenkt hat, der sich mit der Auswahl des Stücks Gedanken gemacht hat und sich Mühe gab, etwas passendes zu finden. Und das ist ganz unabhängig vom Alter ..." Sie lächelte verschmitzt und blickte ihn an, doch ihren Namen hatte er wohlweislich noch nicht erfahren.

    Sie lächelte bei seiner Antwort, die so vieles oder auch gar nichts heissen mochte - und in diesem Moment entspann sich ein Vorhaben, das der Familienplanung der Iulier nur nützlich sein konnte. Denn insgeheim war sie ziemlich überzeugt, dass ihr bei solchen Dingen eher schüchterner Bruder noch nicht die Erfahrung gesammelt hatte, die man einem Mann in seinem Alter eigentlich zumeist zutraute - und selbst würde er wohl dafür auch nicht sorgen, sodass sie sich darum kümmern würde.


    Eine in den Dingen der Liebe erfahrene Lupa vielleicht, nicht zu jung, nicht zu alt, nicht zu exotisch ... ja, das wäre sicher nicht verkehrt, sie würde nur noch eine solche Frau auftreiben müssen. Und natürlich sollte diese Sache nicht in einem Lupanar stattfinden, überlegte sie und wandte sich mit einem Lächeln auf den Lippen wieder in die Richtung ihres Bruders - und just in diesem Moment kehrte Callidus zurück in den Raum, ein Tablett mit sich tragend, auf dem mehrere Becher standen, eine Weinamphore hatte er unter den Arm geklemmt.


    "So, da wären wir wieder ... diese elenden Sklaven! Heute scheinen sie wirklich ihren faulen Tag zu haben," brummte der Trainer und blickte die Gäste des Hauses entschuldigend an.