Beiträge von Iulia Helena

    "Letztlich ist es doch gleich, wieviel ein Mann tragen muss, wenn er mit der Waffe in der Hand stirbt," sagte sie leise und atmete ein, den Blick wieder zum Himmel hebend, als könnte sie dort ein vertrautes Antlitz wahrnehmen. Aber es waren doch nur einige Wölkchen, die schnell vom Wind zerstreut wurden.
    "Zuletzt war er in Syria stationiert und dort blieb er auch vor dem Feind ...das ist nun zwei Jahre her, und trotz allem vermisse ich ihn noch sehr. Ich war stets an seiner Seite, soweit es seine Karriere im Militär zuließ, aber nun ..." Sie hob leicht die Schultern und seufzte etwas. "Es ist eben vieles anders, wenn man sich zehn Sommer aneinander gewöhnt hat und dieser Mensch plötzlich fehlt."

    Es fiel ihr wirklich schwer, angesichts dieser geballten Ladung Antipathie in der Luft nicht zu lachen - aber was eine echte Römerin ist, schafft es auch, das verräterische Zucken der Mundwinkel nicht allzu deutlich werden zu lassen.
    "Ach, ein Honigwein ist doch auch etwas sehr angenehmes bei dieser Hitze, finde ich. Bis Du uns Wein von den Ständen geholt hast, bist Du entweder dunkelrot unter der Hitze geworden oder ganz platt getrampelt ..." die linke Hand der Iulierin formte eine beredte Geste, als sie sich ausmalte, wie ihr Bruder wohl aussehen würde, wenn die gesammelte Masse Festbesucher über ihn getrampelt sein würde.


    "Lasst uns doch in aller Ruhe diesen Honigwein gemeinsam genießen, bis wir hier an etwas essbares kommen, dürfte der Tag schon halb vorangeschritten sein, und ich glaube, ein Wein im Becher ist mir momentan deutlich lieber als ein Brot, für das Du noch anstehen musst." Sie bemühte sich um einen versöhnlichen, lockeren Ton und lächelte beide Männer an, mit einer Hand sachte auf den freien Platz eben sich auf der Bank klopfend. "Nun setzt euch doch erst einmal, hm?"

    Dankbar dafür, ein wenig sitzen zu können, ließ sie sich auf der Bank nieder und streckte die Füße ein wenig aus, freilich nur so weit, dass sie noch von ihrer Stola verborgen wurden - eine anständige Römerin zeigte ihre unteren Körperteile nun einmal möglichst wenig in der Öffentlichkeit, wenn es sich nicht vermeiden ließ. "Ich danke Dir - kaum zu glauben, dass wir nun doch einen Platz gefunden haben, ohne uns mit Schwertern und Ellenbogen durch die Menge schlagen zu müssen," meinte sie belustigt und beobachtete eine Weile das Gedränge vor einem der Getränkestände.


    Es war im wahrsten Sinn des Wortes das Fest des Volkes, denn die Patrizier hatten ihre eigenen Plätze unter einem Sonnensegel - fernab der Massen, mit genug Bediensteten, die ihnen wohl auch holen würden, was sie wollten.
    "Ich bereue es nicht, dieses Fest besucht zu haben, es ist doch wirklich sehr schön gestaltet, oder was meint ihr?" Damit blickte sie die beiden Männer lächelnd an.

    "Ganz bestimmt," erwiederte die Iulierin freundlich und lächelte ein letztes Mal. "Ich bin schon sehr gespannt auf den Cursus." Damit schritt sie aus dem Raum hinaus und schloß bedacht die Tür hinter sich, um auf den Gang zu treten und sowohl das Officium als auch die Rektorin hinter sich zu lassen. Ja, es stimmte - sie freute sich auf den Kurs und die Dinge, die sie dabei lernen würde.

    Unter den Besuchern der Tempelfeier befand sich auch Iulia Helena, die vielleicht nicht selbst allzu viel Kontakt mit dem Kult des Kriegsgottes zu tun gehabt hatte, doch aber durch ihren verstorbenen Gemahl damit vertraut war. Ihm zu Gedenken war sie zu der Feier erschienen, in einigen Erinnerungen verhaftet, die sich mit den zehn Jahren ihrer Ehe und allen möglichen Kämpfen beschäftigten, von denen er ihr erzählt hatte. Das Opfer hatte sie still beobachtet, und dem Opfernden gute Vorzeichen gewünscht - letztlich kannte sie ihn nicht, aber das war ja auch nicht entscheiend, um jemandem etwas Gutes zu wünschen.
    Als sich die Menschenmassen nun unter dem üblichen Gebrumm und Geschwätz langsam in Richtung des Marsfelds bewegten, ließ sie sich mit ihnen treiben, das Gesicht hinter ihrem Schleier verborgen, in Gedanken in einer anderen Zeit.

    Sachte hob die Iulierin ihre linke Augenbraue an, doch ihr Lächeln blieb unverändert auf den Lippen - sie hätte wohl auch noch beim Ansturm einer parthischen Herde gelächelt, um diese dann mit einem Bannfluch gegen deren Männlichkeit in die Flucht zu schlagen.
    "Ich bin mir sicher, dass Du uns am morgigen Abend beide im Hause antreffen wirst, Sergius Sulla."

    "Ich danke Dir, aber ich denke, meine Einkäufe schaffe ich gerade noch so alleine ..." sagte sie mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. "Mein Bruder allerdings wird sich sicher freuen, Dich kennenzulernen. Vielleicht willst Du uns in der Casa Iulia besuchen? Ich bin mir sicher, ihr beiden würdet euch sehr gut unterhalten."

    Sie hatte wohl vage vernommen, dass Sergius Sulla etwas murmelte, aber nur ein Bruchteil dessen vermittelte sich auch - sie lächelte nun wieder leicht, neigte ihm schließlich den Kopf zu und meinte: "Es freut mich, dass Du nun wieder Deines Besitzes habhaft wurdest - und ich werde mich nun verabschieden müssen, denn auf mich wartet noch ein nicht beendeter Einkauf und ein Bruder, der auch gern versorgt sein möchte."

    Sie blickte seufzend zu den Ständen mit den Getränken, dann zurück zu ihrem Bruder und Vinicius Seneca - die gebotene Alternative war auf jeden Fall ansprechender und versprach, innerhalb der nächsten halben Stunde zu einer Erfrischung zu kommen anstatt nach den nächsten vieren. "Sehr gerne - vielleicht gehen wir alle ein wenig abseits, bevor uns hier die große Masse mit zu den Ortsgrenzen reisst?" Sie deutete in die Richtung einer Platane, die von einigen Holzbänken umgeben war und erstaunlicherweise noch nicht umlagert schien - es konnte sich nur noch um wenige Momente handeln, bis dort auch ein Teil der Menge Platz finden würde.

    Sie war sich nicht wirklich sicher, ob sie ihm das alles glauben sollte - aber im Augenblick wollte sie darüber auch nicht unbedingt weiter nachsinnen. Ein kurzer Blick ging in Richtung Türe, wohl vergewissernd, dass die beiden zurückkämen, um sich dann vollends Sergius Sulla zuzuwenden. "Dein Dank soll mir genügen, immerhin schien es mir, als sei es zu kostbar, um verloren gehen zu dürfen - und wenn Du Dich darüber freust, es zurück erhalten zu haben, soll es damit genug sein."

    Dass er husten musste, ließ sie dann doch wieder lächeln - einiges Blinzeln später waren auch die verräterischen Tränen in den Augen verschwunden, sodass sie hoffen konnte, es sei ihm nicht aufgefallen. "So viel Weihrauh, man könnte glauben, der Segen müsse für nicht nur ein Jahr, sondern gleich ein Jahrzehnt reichen," bemerkte sie schmunzelnd und hakte sich wieder bei ihm unter. "Dort drüben sind die Stände mit den Getränken, vielleicht haben wir ja Glück und wir müssen keine zwei Stunden warten, bis wir etwas bekommen." Denn nun strömte auch die Menge in die Richtung der Erfrischungen, die Zeremonie schien wohl fast alle hungrig und durstig gemacht zu haben.

    Als sich Messalina nur als verwirrt, nicht aber als ernstlich verletzt herausstellte, nickte die Iulierin zufrieden und trat wieder zur Türe, um in das Vestibulum zurückzukehren - den Blick gen Sergius Sulla wendend, hob sie nur eine Braue an. "Es hätte ihr etwas geschehen können, und ich bin froh, dass sie wohlauf ist, Du etwa nicht?" Sie deutete leicht in Richtung des Medallions. "Ich nehme an, dass dies Dir gehört? Es lag vor dem Fass auf dem Boden und der philosophus meinte, es könnte Deines sein."

    Das Vertrauen in die gens Sergia war seit Messalinas Auftritt schon stetig gesunken, aber seit den jüngst ausgesprochenen Worten des Sergius Sulla schien dieses den Pegel in Richtung des Kellers herabsinken zu lassen. Sie starrte den Sergier für einige Momente lang ob seiner Herzlosigkeit einer höchstwahrscheinlichen Verwandten gegenüber an und überlegte kurz, ob sie sich in einem absonderlichen Traum befand oder ob dies die Wirklichkeit war - und entschied sich schließlich für die Wirklichkeit.


    "Fortuna scheint Deiner Verwandten nicht gerade wohlgesonnen zu sein, und Du möchtest sie der Obhut eines Dir Fremden anvertrauen? Ich weiss zwar nicht, was bei Deiner Familie an Sitten üblich ist, aber ein Mann im Haus, der bei meiner Familie nicht das Wohl seiner Verwandten vor Augen hat, ist ebensowenig wert wie ein toter germanischer Sklave!" sagte sie energisch und drückte ihm kurzerhand das Medallion in die Hand, bevor sie zur Tür schritt und Corvinus folgte, um sich ebenfalls um das gefallene Mädchen zu kümmern.

    Nach der Rede des magistratus hob Musik an, und überall mischten sich Tänzerinnen und Gaukler in die vergnügte Menge, doch für die Iulierin war dies alles nicht mehr wichtig, zumindest nicht so wichtig, dass sie dem allzu viel Aufmerksamkeit zugedacht hätte. An Possenspielern hatte sie noch nie allzu viel gefunden, und es würde sich wohl auch nie ändern, eine interessante Unterhaltung mit einem gebildeten Gesprächspartner oder einer Gesprächspartnerin war ihr bedeutend lieber.


    "Wollen wir uns eine Erfrischung holen, Constantius? Langsam bekomme ich wirklich Durst," sagte sie zu ihrem Bruder, sich für einige Momente in diesem anhebenden Trubel an einen Ort wünschend, an dem es ruhiger wäre. 'Titus hätte sie jetzt alle verscheucht,' dachte sie und lächelte für einen Moment wehmütig.

    Lächelnd blickte die Iulierin Hypathia an und neigte ihr freundlich den Kopf zu, als Corvinus beide einander vorstellte. "Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Artoria Hypathia," sagte sie und betrachtete die beiden wohlwollend. Sie schienen einander sehr zugetan, und wo konnte man eine solche Liebe heute noch finden? Es war selten genug, dass Menschen aus Liebe heirateten, es war auch für ihre Ehe kein Grund gewesen, und so freute sie sich still für dieses schöne Paar. Mit einem leichten Anzent fügte sie auf griechisch hinzu: "Nun verstehe ich sehr viel besser, warum Dein Gemahl so widerstandsfähig gegen die Reize jener Frau war, die wir trafen - er hat seine Sonne längst gefunden."


    Nun wieder auf latein, in einem deutlich scherzenderen Ton, ergänzte sie die Erklärung des Corvinus: "Auch die Römerinnen, scheint mir - aber das ist eine lange Geschichte, die bei einem Fass und einem Philosophen begann und in der Casa Sergia endete. Ich glaube, ich werde nie wieder einem Mann versuchen sein Eigentum zurückzugeben, wenn man dabei in einem solchen Chaos landet ..."

    Es war alles seltsam schön - die gelöste Stimmung im Volk, die jungen Leute mit ihrem geschmücktem Haar, die nun die kleinen Käfige für die Hasen trugen und hinter sich Ziegen her zogen - es war ein so friedliches, so idyllisches Bild, als gehöre dies alles zu einer Welt, die sie lange nicht mehr erblickt hatte. Sicher, auch in der Vergangenheit hatte es in den Provinzen Feste gegeben, aber doch nicht so umfassend. Die Orte, an die ihr verstorbener Gemahl geschickt worden war, waren oftmals nur gering befriedet gewesen, die römische Gesellschaft erst im Aufbau und die Einheimischen misstrauisch bis abweisend - wer konnte ihnen ihre Abscheu verdenken, sie waren schließlich mit Waffengewalt dem Reich angegliedert geworden. Davon würden die meisten Menschen hier nichts wissen und mit einem sehr leisen Seufzen zog die Iulierin ihren Schleier so vor das Gesicht, dass man das Schimmern ihrer Augen nicht sehen konnte.


    Die Tränen waren ihr hochgestiegen, als sie sich erinnert hatte, und wieder lag Wehmut in ihrem Blick. Es war nie eine große Liebe gewesen, doch hatte Titus Albius Severinus eine Sicherheit in ihr Leben gebracht, die sie nach wie vor vermisste. Abends alleine einzuschlafen war noch immer mit einem Gefühl der Einsamkeit verbunden ... so verschieden ihre Ansichten oft gewesen waren, sie vermisste den Freund in ihrem Gemahl, den Gefährten, den, mit dem sie sich austauschen konnte und vor allem, der, der ihre heimliche Sorge, ihre Schwächen und Ängste kannte. Die Masse begann zu jubeln, als die jungen Leute sich in Bewegung setzten, um ihre Aufgabe zu erfüllen, und man hätte glauben können, die Sonne an jenem schönen Tag im Frühsommer hätte es vermocht, die Herzen aller zu erfüllen.

    Mit nachdenklicher Miene lauschte sie seinen Ausführungen, denn der Stimmungswechsel im Klang seiner Stimme hätte wohl nur einem ausgesprochen unsensiblen Menschen entgehen können. Die Worte klangen nach schmerzlichen Erfahrungen, und insgeheim vermutete sie, dass auch diese ein Grund dafür sein mochten, dass er sein Glück nun in einem anderen Land auf die Probe stellte.


    "Er klingt zumindest sehr begeistert davon, und ich wünsche ihm sehr viel Glück bei dieser Arbeit. Ob er nun in den Legionen dient oder bei den Kohorten, welchen Unterschied macht es schon? Es ist überall gefährlich, wo ein Mann ein gladius braucht, um dem Gesetz und Recht Geltung zu verschaffen, hier in Rom werde ich ihn dann wenigstens ab und an sehen können ... es reicht schon, dass mein Gemahl für die Legion vor dem Feind blieb." Sie lächelte leicht, aber auch ihre Miene war ernst geworden, als sei die Erinnerung auch jetzt noch zu einem guten Teil schmerzlich.

    "Selbst sauer wären sie sicher noch erfrischend, aber ich fürchte, sie wären nicht sauer. Sauere Trauben haben nicht diesen allzu verführerischen Duft wie diese ..." Wieder schweifte ihr Blick zu den Trauben, während ihr ein leises Seufzen entschlüpfte. Nach all den Aufregungen des Tages wären diese wirklich eine willkommene Abwechslung, aber der Preis war wirklich nahe daran, unverschämt zu werden. Man hätte bald ein neues Haus mit einem Korb voll jener Trauben bezahlen können!
    Sie schaute hilfesuchend auf den Nachbarstand, doch dort erstreckte sich genau dasselbe Dilemma wie an dem mit den Trauben - und auch dort schien eine Kundin geradezu gefesselt zwischen Versuchung und nachgiebiger Schwäche.


    'Und da soll noch einmal Constantius behaupten, einkaufen sei nicht nervenaufreibend,' dachte sie und tauschte mit Decima Verina einen ausgesprochen verständnisinnigen Blick, wurde aber durch Corvinus aus ihrer Betrachtung gerissen. "Na, das nenne ich wirklich einen Zufall," meinte sie amüsiert. "Zuerst lerne ich auf dem Forum einen anständigen Römer kennen, der mir freundlicherweise beisteht, und dann hier seine Gemahlin," stellte die Iulierin schmunzelnd fest. "Es scheint heute ein Tag zu sein, bei dem die Götter vieles in die Hände genommen haben." Die genaue Erklärung, was ihnen beiden in der Casa Sergia zugestoßen war, wollte sie jedoch noch Corvinus überlassen - er mochte seine Frau deutlich besser kennen und schließlich wollte sie ihm mit einer zu sarkastischen Schilderung der Erlebnisse keinen Ärger bereiten.

    Für einen sehr kurzen Moment fühlte sich die Iulierin an ihr eigenes Zuhause samt vorwitziger Hauskatze erinnert - nur dass das Exemplar der Iulier rabenschwarz und ein elender Dieb von Abendessenfleisch war - und schmunzelte amüsiert, sie neigte sich gar herab, um das Tier an ihrer Hand schnuppern zu lassen, um es zu begrüßen - doch dann erklang der Schrei Messalinas nicht allzu weit entfernt. Überrascht blickte sie in die Richtung, in die jene junge Frau entschwunden war, dann zurück zu den beiden Männern. "Das klingt, als sei ihr etwas zugestoßen, lasst uns doch nachsehen - nicht, dass ihr etwas passiert ist!"