Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    "Finn", wiederholte ich. Das klang seltsam auf der Zunge. Finn. Finn. Das Bedürfnis, ihn anzusehen, wurde übermächtig, gleichsam mit der Beharrlichkeit, dem nicht nachgeben zu dürfen. Wo ich sonst meiner Eingebung ohne zu sie zu hinterfragen gefolgt wäre, fragte ich mich nun allerdings, wieso ich meinen Sohn eigentlich nicht sehen sollte. Ich hatte die Kiefer aufeinander gepresst und sah Siv immer noch an. Hier stand ich nun also, wider besseren Wissens, und war ihr hinterhergelaufen wie ein Plebejer. Ich benetzte meine Lippen. Ich wollte das nicht denken, auch wenn der Zweifel an mir selbst gefährlich war. Ich war hergekommen, weil ich nicht wollte, dass sie ging. Ohne über die Kosequenzen nachzudenken, was mir und meinen Prinzipien nicht gerecht wurde. Ich handelte nicht überstürzt oder gar aus dem Bauch heraus. Normalerweise. Siv mochte etwas von diesen Gedanken bemerken, ich verbarg sie nicht vor ihr.


    So stand ich also hier und wusste nicht weiter. Ich hatte gesagt, was ich hatte sagen wollen. Und nun? Ein wenig ratlos sah ich Siv an. Ich hatte einfach nicht nachgedacht. Wann das zuletzt passiert war, daran erinnerte ich mich schon gar nicht mehr, so weit lag das zurück. Ich hielt Sivs Hände immer noch, doch ich streichelte sie nicht mehr. Ich dachte nach, fieberhaft. Wie konnte ich sie zurückholen, ohne dass das Gerede groß wurde? Die Erkenntnis, dass das ohnehin nicht möglich war, tröpfelte langsam in mein Bewusstsein ein. Doch was tun? Meine Gedanken wirbelten offenbar sinnlos umher, ohne dass ich einen zu greifen und zu verwenden imstande war. Ich wusste einfach nicht, was die Lösung für dieses neue alte Problem war, über das ich einfach nicht nachgedacht hatte, ehe ich hergekommen war.



    Das Tosen der Zuschauer und die Rufe aus tausenden Kehlen brandeten von Seite zu Seite, einem wogenden Meer gleich. Mit Schlachtgesängen und Anfeuerungsrufen putschte man sich gegenseitig auf. Den Fahrern kam dies zugute. Man sah, wie sie alle noch einmal ihre letzten Kraftreserven mobilisierten. Halil redete noch intensiver auf seine Tiere ein, Felix lehnte sich weit vor in seinem Wagen, Tolimedes ließ die Zügel schnalzen und Burolix tat ebenfalls sein Bestes, um zumindest den Blauen wieder einzuholen.


    Die erste Kehre nahmen sie in unveränderter Reihenfolge. Vor ihnen lag die letzte Gerade, noch eine Kurve und das kurze Stück bis zum Ziel. Burolix kämpfte. Er versuchte es wirklich. Seinen Tieren troff flockiger Schaum von den Mäulern. Doch er musste einsehen, dass aus ihnen nichts mehr herauszuholen war. Mittig auf der Geraden ließ er seine Tiere bereits auflaufen. Damit stand der vierte und letzte Platz bereits nach sechseinhalb Runden fest. Tolimedes' Gesicht war wutverzerrt. Für seine Anhänger mochte es so aussehen, als hätten die Goldenen ihm den Dritten geschenkt. Um das zu verhindern, versuchte er, doch noch an die ersten beiden heranzukommen, unter denen sich soeben ein spannendes Duell anbahnte. Denn Felix zeigte deutlich, dass er mit der Kraft seiner Tiere und seinem Geschick als Lenker bisher nur gegeizt hatte. Noch vor der zweiten Kurve schob er sich mit regelrechten Sätzen an Halil Torkebal heran und ging gleichauf mit ihm in die letzte Kehre dieses Rennens. Die Zielmarke lag direkt vor ihnen. Tolimedes konnte ihnen nichts mehr anhaben - sein Platz war demnach der Dritte. Und während Halil Torkebal ebenfalls das Tempo noch steigern konnte und Felix damit etwas zu knabbern gab, wurden die Rufe noch einmal lauter. Vornehmlich Rote und Weiße waren nun zu hören. Keine fünfzehn Schritt lag die Zielmarke entfernt, als Felix und Halil Torkebal gleichauf dahinrasten. Und als wirbelnde Hufe das Ziem erreichten und rasend schnell rotierende Räder den Sand durchpflügten, waren es die Pferde der Weißen, deren Köpfe vor jenen der Roten lagen. Damit war das Rennen entschieden, Halil Torkebal knapp zweiter geworden und Felix von den Weißen der Sieger des Rennens zu den Megalesia.


    Während die Fahrer ihre Tiere langsamer auslaufen ließen, stürmten bereits die ersten Personen auf die Bahn. Mentoren und Protegées der Fahrer, Pferdeburschen und Sklaven, die kalte Getränke brachten, hasteten zu den entsprechenden Gespannen. Die Weißen stimmten Siegeshymnen an, aber auch die Roten waren nicht leise. Hin und wieder tönten die Blauen mit Schmähliedern dagegen, von den Goldenen war kaum etwas zu hören.



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    Ich bemerkte wohl das geringe Interesse meiner Frau an dem Rennen. Selbst stellte ich fest, dass es doch recht unterhaltsam war, um nicht zu sagen spannend, je mehr Runden verstrichen. Eben liefen die Fahrer in die letzte Runde ein. Ich griff nach Celerinas Hand und wandte mich ihr zu. "Eine Runde musst du noch ausharren", sagte ich leise ihr zugewandt und schmunzelte. Ein wenig mehr Begeisterung, und wenn sie nur aufgesetzt gewesen wäre, hätte ich schon erwartet. Doch offensichtlich war Celerina in Gedanken gänzlich anderenorts, wo auch immer das sein mochte. Vielleicht bei Septima, deren Erkältung so plötzlich gekommen war, dass ich argwöhnte, sie sei lediglich eine Ausrede, um sich nicht langweilen zu müssen. Es konnte eben nicht jeder ein treuer Anhänger eines Rennstalls sein.


    Ursus, Imbrex und die Zwillinge indes verfolgten das Rennen mit größerem Interesse, wie mir schien. Mein Augenmerk lag selbstverständlich ebenfalls auf den Goldenen, immerhin war ich früher einmal selbst sodalis gewesen. Doch Interessen änderten sich, und Zeitfenster schmolzen, und deswegen war ich damals ausgetreten, um niemandem ein untätiger Dorn im Auge zu sein. Bei dem nervenaufreibenden Hin und Her zwischen Burolix und dem Fahrer der Blauen wurde ich doch recht angespannt. Tolimedes ging jedoch als Sieger aus dieser Runde hervor, und Burolix hatte das Nachsehen. "Na! Jetzt muss er sich nur noch einmal anstrengen", sagte ich zu niemand Bestimmten. "Es wäre doch ganz nett, die Veneta ausstechen zu können."

    Ich musterte meinen vermeintlichen Neffen stumm, aber eingehend, einen Arm seitlich auf eine Armlehne gestützt, damit das Kinn auf der Handfläche ruhen konnte, während ich ihn ansah. Er war also tatsächlich deswegen hergekommen, wegen seiner Vergangenheit und meiner Ankündigung, seine Erzählung überprüfen zu lassen. Ich seufzte tief und nahm den Kopf von der Hand, um mit dieser eine Verständnis heischende Geste zu machen. "Pegasus, ich bitte dich, wie stellst du dir das vor? Es ist nicht einmal zwei Wochen her, dass du hier aufgetaucht bist. Selbst der schnellste Bote schafft es nicht, in dieser Zeit Nachforschungen anzutreiben und das Resulatat dessen nach Rom zu schicken." Ich hätte angenommen, er wäre sich dessen bewusst. Ich seufzte leise, doch vernehmlich. "Ich möchte dir gern Glauben schenken. Aber du musst verstehen, dass ich deine Geschichte prüfen lassen muss. Ich bitte dich, Geduld zu haben." Eine steile Falte hatte sich auf meiner Stirn gebildet und ich wollte eben noch etwas anfügen, als die Tür zu meinem Gemach aufging und ein Sklave seinen Kopf herein steckte. Ich wandte den Kopf und blickte ihm ebenso irritiert wie verärgert ob der Störung entgegen. Schon wollte ich ihn zurückweisen, da sprach er von Prisca, und die Falte auf meiner Stirn vertiefte sich noch. "Es ist gerade ungünstig", brummte ich, nachdem ich den Verweis heruntergeschluckt hatt, und deutete bei den Worten auf Pegasus. "Sie kann im Anschluss gern hereinkommen." Ich ahnte schließlich nicht, was sie auf dem Herzen hatte. Demonstrativ wandte ich mich von dem Sklaven ab und Pegasus wieder zu. "Ich verstehe, dass die Situation schwierig für dich ist, doch für uns andere ist sie nicht leichter", griff ich den Gesprächsfaden wieder auf.



    Dies war die vorletzte Runde. Viele Fahrer nutzten sie, um noch einmal die Kräfte ihrer Tiere zu schonen, um in der letzten Runde in die Vollen gehen zu können. Manche Fahrer verlangten ihren Tieren auch in der vorletzten Runde schon alles ab, um sich sozusagen über die Ziellinie treiben zu lassen. Was genau Halil Torkebal plante, war auch von dessen murmelnden Lippen nicht abzulesen. Er führte das Feld immer noch an, ebenso, wie dicht neben ihm und leicht rückversetzt Felix von den Weißen dahinschoss. In der ersten Kurve änderte sich daran nichts, auf der zweiten Gerade nicht, und auch in der zweiten Kurve nicht. Es schien, als seien die beiden Wagen unsichtbar miteinander verbunden. Nicht ein einziges Mal vergrößerte oder verkleinerte sich der Abstand. Es war wie verhext - für die Weißen, denn wenn es auch im Ziellauf so blieb, hatten die Roten gewonnen.


    Ein anderes Spektakel trug sich auf den beiden letzten Plätzen zu. Hatte Tolimedes eben noch geführt, schob sich nun Burolix heran, um von Tolimedes direkt darauf wieder überholt zu werden. Es schien ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel zu sein, was die beiden Fahrer dort veranstalteten. Doch war es auch deutlich zu sehen, dass keinem von beiden die Überholmanöver des jeweils anderen gefielen. Beide wirkten verbissen und versteift. Vor der ersten Kurve war es Burolix, der die Führung besaß, nach der Kehre hatte Tolimedes die Nase vorn. In der Geraden rasten beide nebeneinander dahin, gleichauf. In der Einfahrt in die Kurve war es dann wieder Burolix, der den dritten Platz für sich beanspruchte, nur um selbigen dann wieder an Tolimedes abzutreten, der als Dritter die Streckenmarke überquerte und damit Burolix auf den letzten Platz für die Runde sechs verbannte.



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    Ich saß in einem Scherenstuhl und warf monoton einen faustgroßen Lederball in die Luft, immer wieder. Dabei überlegte ich. Vor mir lagen zwei Bogen Papyrus nebeneinander, auf denen die nördlichen Grundrisse der villa samt Stallungen aufgezeichnet waren. Hin und wieder blickte ich darauf hinunter und legte einen stylus waagerecht, dann wieder senkrecht. Einmal auch diagonal, aber das gefiel mir nicht. Ich schüttelte den Kopf und legte das dünne Holz neben die Skizze. Wieder warf ich den Ball. Er befand sich gerade in der Luft, als es klopfte. Ich wandte den Kopf zur Tür, während der Ball meine Hand dieses Mal verfehlte und mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel. Langsam rollte er der Eingangstür entgegen. Pegasus also. Ich seufzte leise. Was erwartete er von mir? In so kurzer Zeit konnte selbst der schnellste Bote keine Nachricht senden - nicht, wenn er zuvor den Wahrheitsgehalt einer Geschichte recherchieren musste.


    "Komm herein", lud ich ihn also ein, hereinzukommen. Ich winkte ihn heran und deutete auf einen freien Sessel bei mir am Tisch. Dabei fiel mein Blick auf die Skizze, und ich legte die beiden Blätter so übereinander, dass man nicht mehr erahnen konnte, was sie beinhalten mochten. "Bitte, setz dich, Pegasus." Ich nannte auch ihn beim cognomen, statt den familiäreren praenomen zu nutzen. Noch war schließlich nicht sicher, ob es sich um einen Verwandten handelte. Auch, wenn ich in diesem Fall nicht an Hochstapelei glaubte - dafür war er einfach zu unbesorgt gewesen, als ich vor knapp zwei Wochen bei seiner Ankunft Nachforschungen angekündigt hatte - so wollte ich dennoch auf Nummer sicher gehen. "Was kann ich für dich tun?"

    "Gut", sagte ich und nickte. "Dann bin ich gespannt, ob er auf mich zu kommt. Titus geht mit seinen Sklaven ohnehin sehr lax um, für meinen Geschmack." Das war natürlich seine Sache. Vielleicht schloss er auch von sich auf andere. Im Normalfall ließen wir unsere Sklaven nicht so schwer bestrafen, was auch unter ihnen bekannt war, aber es war schließlich auch kein Normalfall gewesen, sondern einer, der eine solche Bestrafung rechtfertigte - zumindest in meinen Augen. Ich wollte mir keine Hörner aufsetzen lassen, nicht von einem Sklaven und nicht von jemand anderem. Ich wollte sicher sein, dass mein Erbe auch mein Erbe war, und deswegen war diese Sache etwas vollkommen anderes als die Sache mit Siv, so einfach war das, und da ließ ich auch nicht mit mir diskutieren. Phraates konnte froh sein, dass ich ihn nicht hatte entmannen lassen für sein Vergehen.


    Erst jetzt ließ ich ab von Celerinas Haar und angelte nach einem Apfelstück, das von fürsorglichen Sklavenhänden zurechtgeschnitten worden war. Ich aß es und verschränkte dann kauend die Arme hinter dem Kopf. "Ich wollte dich nocht bitten, für den Schmuck zu den Floralia Sorge zu tragen. Brix soll dir helfen und die Dinge besorgen, die du benötigtst. Vielleicht möchten die anderen sich daran beteiligen. Die Zwillinge wollen wohl auch ein Fest veranstalten, da weiß ich allerdings nicht, wie weit diese Überlegung bereits gegoren ist", sagte ich zu Celerina.

    Dina verschwand schnell wieder, vermutlich, um den anderen Sklaven im Haus zu erzählen, dass Celerina und ich miteinander ein Frühstück im Bett teilten. Mir wäre das nur recht gewesen, immerhin streute sie dann damit die Meinung, dass wohl wieder alles in Ordnung war. Celerinas Information indes ließ ein neuerliches Runzeln auf meiner Stirn entstehen. Ich teilte Celerinas Meinung bezüglich der Sklavenbehandlung nur peripher, konnte allerdings auch nicht nachvollziehen, weshalb Ursus sich offenbar darüber monierte, wie Celerina und ich mit unseren Sklaven umgingen. Von der angeblichen Angst, die sich in der Sklavenschaft breit gemacht hatte, war mir noch nichts zu Ohren gekommen. Vielleicht aus eben diesem Grund, vielleicht aber war Ursus auch einem Gerücht aufgesessen. Sollte er mich deswegen aufsuchen, würde sich das eventual klären. "Du hast ihm gesagt, von wem der Auftrag hierzu stammte und warum dein Parther bestraft wurde?" fragte ich sie leichthin.


    Ich zuckte mit den Schultern und stieß mich ab vom Tisch, an dem ich bis eben noch gestanden hatte, um zurück zu Celerina zu gehen. Auf dem Tablett gab es viele Kleinigkeiten, zwischen die Blütenblätter gestreut worden waren. Ich ließ mich neben Celerina nieder, den Rücken an das Kopfende gelehnt, und wartete, den Blick auf ihr zerwühltes, braunes Haar gerichtet. Träge hob ich eine Hand und strich darüber. Es waren dicke Strähnen, und hier und dort schimmerte eine rötliche Reflexion im Sonnenlicht. Septima war vergessen - vorerst.

    Sie hatte also nur so gefragt? Ich glaubte ihr kein Wort. Irgendetwas musste Septima ihr erzählt haben. Nur was? Immerhin hatte ich ihr rein gar nichts preisgegeben. Es konnte demnach nur eine Mutmaßung sein, oder aber, wenn man ihr kühlte Taktik unterstellte, auch eine gut platzierte Lüge. Nur welchen Vorteil mochte sie sich dadurch erhoffen? Auf meiner Stirn war eine steile Falte entstanden. Dennoch zog ich es vor, diese ganze Angelegenheit unkommentiert zu lassen. Wer nichts sagte, lief nicht Gefahr, etwas preiszugeben. Ich zog nur eine Grimasse und hob dann fragend eine Braue. Ursus also auch. Mich verwunderte das nicht sonderlich, dafür festigte sich meine Vermutung, dass Ursus Septima an jenem Abend willkürlich zu mir geschickt hatte. "Hmh", machte ich nur, und die Verärgerung schwenkte von Celerina auf Ursus um, hinter dem ich den Übeltäter vermutete. Erneut verschränkte ich die Arme vor der Brust. Es missfiel mir ohnehin, dass Ursus seit einer ganzen Weile nichts tat, wo er sich genauso gut den Göttern hätte widmen können. Zumindest zeitweise.


    Nach einem Moment des Schweigens und Grübelns entschloss ich mich schließlich doch dazu, nach dem Grund zu fragen. "Weshalb?" bemerkte ich also, vermeintlich ohne großes Interesse, obwohl es mich eigentlich doch brennend interessierte. Da klopfte es endlich und Dina kam mit einem Tablett herein, entschuldigte sich und stellte es nach einem entsprechenden Nicken neben Celerina auf dem Bett ab. Frühstück im Bett war vermutlich eine gute Idee, um den ehelichen Frieden zu kräftigen, auch wenn ich inzwischen kaum mehr Hunger verspürte und noch weniger Lust hatte, wieder ins Bett zurückzukehren.



    Unter dem Jubel seiner Anhänger machte Tolimedes gute Fahrt. Doch Burolix schien seinen erkämpften dritten Platz nicht einfach aufgeben zu wollen und stand ihm in nichts nach. Es war ganz offensichtlich ein Rennen, bei dem der spannende Teil auf den Rängen drei und vier ausgetragen wurde, denn während Halil Torkebal nach wie vor führte, war Felix ebenso unverändert direkt hinter ihm und damit zweiter. Bis zur ersten Rennkurve tat sich rein gar nichts. Keiner der Fahrer gab mit seinem Wagen auch nur einen digitus nach, auch dann nicht, als die erste Kehre genommen war und man sich wieder auf gerader Strecke befand.


    Dann jedoch holte Burolix auf. Immer wieder ließ er die Zügel schnalzen, die Lippen fest aufeinandergepresst, die Zähne zusammengebissen. Und seine Rechnung ging auf. Kurz schossen Blau und Gold nebeneinander dahin, dann kam die zweite Kurve, und Burolix lag schon vorn, während man in die Kurve einfuhr. Die Anhänger der Goldenen waren außer sich. Es waren nurmehr zwei weitere Runden zu fahren, und ein dritter Platz schien einem optimistischen Betrachter gar nicht so abwegig, wenn nur Burolix auf dem vorletzten Platz zu halten vermochte. Derweil sah es für die weißen nach einem zweiten Platz aus, und die Roten mochten vielleicht dieses Rennen für sich entscheiden und damit als Sieger daraus hervorgehen. Die Spannung stieg.



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    Es war kein Feuer, das in meinen Adern brannte, und doch durchflutete mich eine Wärme, die schmeichelnd und wohlig war und selbst nach dem innigen Kuss noch sanfte Wellen aussandte. Das hier war so anders als das, was ich bisher kannte, dass ich tatsächlich einen Moment dastand und Siv mit leicht verwundertem Blick unter gerunzelter Stirn ansah. Der Riss, der mich zu spalten gedroht hatte, fühlte sich längstens nicht mehr so gravierend an wie noch Stunden zuvor - ebenfalls eine Tatsache, die ich realisierte, doch nicht nachvollziehen konnte.


    Und nun? fragte ich mich selbst. Ich war schwach genug gewesen, nicht von ihr loszukommen, egoistisch genug, um sie nicht ziehen zu lassen. Das an sich war schon ein Armutszeugnis, doch eines, das sich seltsam gut anfühlte. Dennoch wusste ich von diesem Punkt an einfach nicht weiter. Ich konnte sie nicht direkt mit mir nehmen. Ich konnte sie jedoch genauso wenig tagtäglich hier besuchen. Irgendwann würde es auffliegen, und was Celerina dann denken oder tun würde, gerade nach unserem Gespräch, wollte ich mir nicht ausmalen. Nicht jetzt. Irgendwann würde ich mich dem stellen müssen, das war mir durchaus bewusst, doch solange ich mich dieser Situation fernhalten konnte, würde ich es wohl tun. Ich musterte Siv, ihre blauen Augen. Die Zeit schien zäh zu tröpfeln, während ich immer noch überlegte, was ich nun tun sollte. Was ich tun konnte. Mein Sohn war es, der mich ablenkte, denn es tat einen kleinen Nieser und Ferun lachte verhalten. Das lenkte meine Gedanken in eine andere Richtung. Ich nahm Sivs Hände in die meinen und strich sanft mit den Daumen über ihre Haut. "Wie heißt er?" fragte ich leise. "Wie...wie heißt mein Sohn, Siv?" Meine Stimme brach leicht weg, als ich es zum ersten Mal bewusst aussprach. Mein Sohn.

    Es war alles, nur ganz sicher nicht tugendhaft, dass ich mit vor der Brust verschränkten Armen daneben stand und, nun, nichts unternahm, als Prisca dem dreisten Flavius eine Ohrfeige verpasste. In mir jubilierte es, als ich seinen darauf folgenden Gesichtsausdruck sah, und doch war die Sorge um Prisca so groß, dass ich ihr um ein Haar postwendend gefolgt wäre, nachdem sie mich derart hilfesuchend angesehen hatte und anschließend davongestoben war. Ich hätte den Flavier stehen gelassen. Er mochte den Weg hinaus auch selbst finden, schließlich war er bereits ungeladen bis hierher gekommen. Doch wäre dies ein weiterer Punkt auf meiner Liste der Unmöglichkeiten, und nun, da Prisca vorerst außer Gefahr und vor den anzüglichen Blicken dieses...vigintivir geschützt war, wurde auch ich merklich ruhiger.


    Allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem der Flavius seinen Mund auftat. Seine Worte nämlich ließen den schwer kontrollierbaren Zorn wieder aufflammen, und ich biss die Zähne zusammen, um kein falsches Wort zu entgegnen. Wenigstens so viel Stärke bewies ich in diesem Moment. Doch als der Flavier mir auch noch drohte, bröckelte mein Widerstand gegen die scharfe Entgegnung wie hartbackener Ton in ägyptischer Sonne. Auf mich machte er einen rachsüchtigen Eindruck, keinen deprimierten, was gewiss auch daran liegen mochte, dass ich Flavius Piso so sehen wollte. Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Du besitzt wahrhaft die Dreistigkeit, dich an meiner Nichte zu vergehen und mir im Anschluss daran, im Anschluss an ihre folgerichtige Reaktion auf deine...Unkontrolliertheit zu drohen? Mir?" presste ich hervor. "Wärest du nicht ein Verwandter meiner Frau und verwandt mit Flavius Gracchus, den ich sehr schätze...ein Spross aus gutem Hause...wärest du nicht ein Magistrat Roms, Flavius Piso, ich würde dich mit Schimpf und Schande hinauswerfen und dafür sorgen, dass deine Karriere an diesem Punkt endet", sagte ich leise. Das war mein voller Ernst. "Ich habe mich für dich eingesetzt. Und so dankst du es mir!" Ich machte eine abrupte Geste mit der Rechten und holte tief Luft, um sie dann anzuhalten und zumindest zu versuchen, mich nicht hineinzusteigern. Ein Augenblick verstrich. Ich fühlte mich benebelt von roten Schlieren, die vor meinen Augen tanzten. Dann hob ich die Hand, streckte mahnend den Zeigefinger Piso entgegen. Meine Miene ließ keinen Zweifel an meiner Ernsthaftigkeit. "Ich schwöre dir, Flavius Piso, wenn du auch nur einmal, ein einziges Mal noch meine Nichte belästigst oder sonst jemanden aus meiner Familie, dann werden dir auch dein Name und deine Ämter nicht helfen. per Iovem lapidem, das schwöre ich." Er würde mir Prisca nicht wegnehmen. Meine Prisca! Und er würde sie nicht mehr ungestraft belästigen, nie wieder. Dann ließ ich die Hand sinken und versuchte, neutral zu klingen. Ich wollte die Sache schnellstmöglich hinter mich bringen, um nach ihr sehen zu können. "Dann lass sehen, deine Liste."

    Zitat

    Original von Iullus Quintilius Sermo
    Öhm...gemeldet? Eintragen? Hm, offenbar nicht. Hätte ich das tun müssen? In Ostia gibt's nur diesen einen Scriba, ich glaube der ist überfordert mit dem ganzen Krempel. :baby:
    Kann ich dann trotzdem gewählt werden? Sim-on oder so? Es gibt ja nicht einmal genügend Kandidaten, um Konkurrenz zu haben. ^^


    Ich würd einfach mal eine PN mit dem Link an die SL schicken und das Datum der Wahl dann noch mal anpassen, dann geht das bestimmt. Die Wahl muss ja auch geschaltet werden. Das passiert nicht automatisch, nur weil jemand eine Wahl SimOn ankündigt. :)

    Den Weg über war ich schweigsam gewesen, vielleicht zu sehr, wenn ich recht darüber nachdachte. Doch Gracchus hatte die zu prüfende Claudia einem regelrechen Verhör unterzogen, und soweit ich ihre Antworten beurteilte, waren sie nicht nur zufriedenstellend, sondern exzellent gewesen. Flavius Gracchus führte diese Prüfung an, und ich selbst war nicht ganz auf der Höhe. Meine Gedanken drehten sich beständig um Celerina und Siv und diese ganze vermaledeite Situation, in der ich steckte. Ein Römer, der weniger auf Eventualitäten und Ansichten geachtet, sondern stattdessen nur dem Gesetz Tribut gezollt hätte, dem wären die zu treffenden Entscheidungen leicht gefallen, zumidnest leichter als mir, der ich zu viel darüber nachdachte. So aber wirkte ich deutlich in mich gekehrt, vermutlich zu deutlich, denn dass wir uns plötzlich innerhalb des Tempels befanden, war für mich plötzlich und überraschend.


    Kurz darauf begann die Claudierin bereits mit dem Opfer. Ich warf Gracchus einen kurzen Blick zu, richtete meine Aufmerksamkeit dann jedoch auf die Handgriffe des Prüflings. Brot, Münzen, Wein und Blumen dienten als Voropfer, ein Schaf würde das Hauptopfer sein. Das Voropfer verlief gut, es gab von meiner Warte nichts zu beanstanden. Ich war mir sicher, dass auch Gracchus das Opfer nun nicht unterbrechen würde, selbst wenn er etwas anmerken wollte. Wir folgten also Claudia Romana nach draußen, wo ebenfalls bereits alles vorbereitet worden war. Die Opferhelfer und auch Claudia Romana walteten ihres Amtes. Es lief alles gut. Dies war ein gutes Opfer, und wenn die vitalia nun nicht ein Geschwür oder sonstiges aufwiesen, war nicht nur das Opfer angenommen, sondern auch die Prüfung wohl bestanden.

    Ein zweites Mal studierte ich die Worte auf dem Einladungsschreiben, nachdem Livius Pyrrus sie mir zuvor schon vorgelesen hatte. Eine zweifache Hochzeit also. Es waren die beiden Mädchen, deren Priesterprüfungen ich abgenommen hatte. Dennoch sträubten sich meine Nackenhaare, wenn ich auch nur daran dachte, zwei Hochzeiten in der domus der Iunier zu feiern. Ich erinnerte mich noch gut an Iunia Axilla, und es wären nicht nur Iunier dort, sondern mindestens ebeneso viele Germanicer. Dennoch - dies war eine gesellschaftliche Veranstaltung, ich war Ädil. Ich seufzte schwer. "Pyrrus. Frage meine Frau, ob sie sich in der Verfassung... Nein, frage sie besser einfach, ob sie dort hingehen möchte", wies ich ihn an und winkte mit der Einladung. Der Schreiber nahm das Papyrus, stimmte zu und war dann verschwunden. Lustlos widmete ich mich einem weiteren Bericht über die Kontrollen der Märkte.


    Ich saß immer noch darüber gebeugt dort, als Pyrrus wieder kam. "Sie sagt, sie würde dich begleiten, auch wenn sie nicht allzu viel Lust verspürt", verkündete Pyrrus und legte die Einladung zurück auf den Tisch. Ich sah zunächst ihn an, dann die Einladung. Und ich traf eine Entscheidung. "Gut. Dann lassen wir diese Veranstaltung ausfallen. Besorge ein Geschenk, nein, besorge zwei. Und dann formulierst du eine Gratulation und lässt es irgendwen vorbeibringen." Pyrrus nickte und verschwand wieder, um Celerina mitzuteilen, dass wir nicht zu dieser Hochzeit gehen würden.

    Sim-Off:

    Entschuldige die Wartezeit


    "Das ist dir gelungen", erwiderte ich nicht nur die Worte, sondern gleichsam auch das Schmunzeln, mit dem sie mich bedacht hatte. Dann musste ich kurz auflachen. "Ich bekleide das Ädilat nun schon zum zweiten Mal, wie du weißt. Beim letzten Mal war der Zeitplan deutlich straffer. Vielleicht liegt dieses Empfinden aber auch daran, dass ich dieses Mal mehr fleißige Helfer habe als zuvor. Aber ich kann nachvollziehen, was du meinst." Ich hätte Seiana auch nicht anders eingeschätzt. Sie machte auf mich stets den Eindruck, zuverlässig und energisch zu sein, da hätte es nicht gepasst, wenn sie etwas derart Wichtiges wie die Finanzen ihrer Betriebe unkontrolliert aus der Hand gab.


    "Gut, den Buchhandel also. Hast du bereits Räumlichkeiten gefunden? Sonst könnte ich mich umhören", fuhr ich also fort. "Die Dokumente hast du mitgebracht?" fragte ich und sah sie entsprechend an. "Ah, eine taberna medica? Hm. Wo liegt sie genau? Ich frage, weil der Großteil unserer Familie von einem iatros behandelt wird, der eigentlich zu weit entfernt ist vom Quirinal. Mein Neffe Ursus schenkt deinem Verwandten Mattiacus sein Vertrauen, aber..." Ich für meinen Teil war nach der Sache mit Helena äußerst skeptisch geworden, was das anging. "Soweit ich weiß, ist er Tribun bei den Kohorten, da wird er im kommenden Jahr kaum für Hausbesuche freigestellt werden.... Deswegen schaue ich mich, zumindest für mich und die Meinen - nach einem anderen iatros um." Erwartungsvoll sah ich nun Seiana an. Vielleicht kam sie mir entgegen.

    Ich folgte der Iunia mit Blicken, als sie zurück kam und sich wieder setzte. Noch wusste ich einfach nicht, wie ich sie einschätzen sollte. Ich kratzte derweil weiterhin ungeduldig am Siegel und reichte es ihr ebenso selbstverständlich wie sie mich mit der Hand dazu aufforderte. Erst, als das Amtssiegel die Hand gewechselt hatte, registrierte ich, dass ich es aus der Hand gegeben hatte. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete ich sie, wie sie - deutlich geschichter als ich - das Siegel vom Wachs befreite. "Beides", gab ich dann auch endlich antwort auf die Frage. Ich klang wohl immer noch reserviert, was ich selbst auch bemerkte, weswegen ich mich räusperte. "Ich schätze Blumen dieser Art. Sie sind wählerisch und gedeihen nur, wenn man sie mit Samthandschuhen behandelt. Dieses Exemplar stammt aus Asia, ich habe mir sagen lassen, dass sie dort ganze Wälder besiedelt." Gut, das war vielleicht etwas zu viel Information gewesen. Stirnrunzelnd betrachtete ich Iunia Axilla, wie sie geschickt das Wachs zwischen den schmalen Stegen des Magistratensiegels entfernte. "Das werde ich vermutlich nicht zu Geicht bekommen", entgegnete ich. Denn Senatoren durften nicht nach Ägypten reisen. "Aber deine Vermutung stimmt. Dieses Exemplar ist nicht das einzige." Inzwischen war ein Häufchen aus erkaltetem Wachs vor Axilla entstanden, und das Siegel wirkte auf mich wieder recht brauchbar. Ich streckte die Hand danach aus und wartete, um es wieder an mich zu nehmen und die Urkunde fertigzustellen.