Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Erst riss sie an ihrem Arm, dann gab sie auf und fügte sich. Los ließ ich sie dennoch nicht, ohne zu wissen, warum ich sie weiterhin hielt. Und Celerina schwieg. Das einzige Geräusch war das leise Prasseln von Regentropfen af Blätter, Geäst und Boden. Ich blinzelte die Tropfen fort, die meine Wimpern benetzten. Als sie schließlich doch etwas sagte, traf sie mich damit härter als jeder Vorwurf. Ich starrte sie an, mein Gesicht kurz im Schmerz verzerrt, bis Verärgerung es ablöste und ich schließlich - nach einem tiefen Atemzug - wieder Kontrolle über meine Züge erlangte. Celerina wirkte bewegt, und wer hätte es ihr verübeln können? Dennoch klangen ihre Worte wie eine Anschuldigung. Ich ließ ihre Hand los, fühlte mich wie auf wackligem Grund stehend. "Ich habe mich bemüht", gab ich verteidigend zurück, obwohl es mehr verzweifelt klang. Ich ärgerte mich darüber. Ich schien einfach nicht mehr ich selbst zu sein. In Situationen, in denen ich mich sonst gut beherrschen konnte, entglittenmir die Zügel. Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne einen Grund. "Ich bin mit dir nach Puteoli gefahren. Ich habe es versucht. Doch du dankst es mir, indem du mir ein fremdes Kind unterschieben willst. Wie kann ich dir da noch vertrauen? Wie könnte ich dich dafür lieben? Denkst du, ich sehe nicht, dass du unglücklich bist? Glaubst du, ich wüsste nicht, dass du die Hochzeit bereust? Ich bin nicht blind, Celerina. Zumindest nicht in diesen Dingen. Ich versuche, das beste daraus zu machen. Du hättest wenigstens warten können, bis ich... Bis es geklappt hätte." Mit dem Kind. Mit meinem Kind. Es war mir doch einerlei, ob sie mir treu war, wenn ich sicher gehen konnte, dass sie loyal war. Ich zog eine Grimasse. Laut geworden war ich nicht, und erstaunlicherweise war ich nun sogar ruhiger als eben noch. "Ich liebe dich nicht. Aber ich habe dich respektiert, nicht nur, weil du meine Frau bist. Es ist schwer, Titus und Septima zusehen zu müssen, wie gut sie sich verstehen und ergänzen. Ich habe das nie gehabt, und ich glaube einfach nicht, dass ich das jemals haben werde, wenn... Wenn du nicht loyal bist." Ich blinzelte in den Regen.

    Inzwischen war ich an der Tür angekommen und lehnte mich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand direkt daneben. Septima war kleiner als ich, deswegen musste ich nach unten sehen. Ihre Erwiderung verstand ich nicht, konnte sie mit nichts in Verbindung bringen, was mich gegenwärtig bewegte. "Wie meinst du das?" fragte ich daher rundheraus und runzelte die Stirn dabei. Ihre Worte allerdings brachte ich augenblicklich mit ihrer Geste von eben in Verbindung. Aber das konnte nicht sein. Sie war Ursus' Ehefrau. Sie hatte mitnichten einen Grund dazu, sich mir gegenüber so zu verhalten. Dennoch blieb die Unsicherheit diesbezüglich bestehen. Ich wurde nicht schlau aus Septima. Vermutlich kannte ich sie schlichtweg zu wenig, um beurteilen zu können, was in ihr vorgehen mochte. "Lebe und genieße" wiederholte ich nachdenklich. Ich hob kurz einen Mundwinkel. "Auch nicht unbedingt falsch." Wenn auch manchmal leichter gesagt als getan.

    Celerina bot einen jämmerlichen Anblick, wie sie so dastand, das Haar besprenkelt vom Nieselregen, wie ausstaffiert mit vielen kleinen Kristallen, und ohne Schuhe. Ihre Antwort fasste ich automatisch als Vorwurf auf, ohne dass sie es so gemeint hatte. Ich runzelte verärgert die Stirn, versuchte aber, nicht allzu viel von meinen Gedanken nach außen sichtbar zu machen. Der Tod wäre eine Alternative! Das war er nie. Man stahl sich nicht einfach so davon.


    Und schon wollte Celerina flüchten. Aber sie musste dazu direkt an mir vorbei, und ich ergriff sie am Handgelenk und hielt sie eisern fest. "Du wirst jetzt nicht einfach verschwinden", grollte ich sie an und erschrak dann vor mir selbst, meinem Tonfall. Los ließ ich sie allerdings nicht, sondern starrte sie nur über die kurze Distanz hinweg an. Rings um uns herum prasselte der Regen nun stärker. Er war kalt, und er rann mir an den Wangen herunter, übers Kinn, die Lippen und die Nase. Sie nieste. Und ich starrte sie nur an und wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte. Meine Finger waren immer noch um ihr Handgelenk geschlossen. Sie wusste, was ich mit ihrem Geliebten getan hatte. Sie wusste auch, dass er inzwischen auf dem Weg nach Sardinien war und sie ihn wohl niemals wiedersehen würde. Ich hingegen wusste nichts. Nicht ihre Beweggründe, nicht ihre Gedanken. "Warum?" wollte ich daher wissen und erwartete rundheraus, ob sie meinem Gedankensprung folgen konnte. Fest hielt ich sie immer noch.

    Ich wartete. Und lauschte auf ein Geräusch. Doch ich hörte nichts, und als ich wieder um die Ecke sah, stand Celerina schon nicht mehr dort. Ich folgte ihr augenblicklich nach - wo war sie plötzlich hin? An der nächsten Ecke wandte ich mich nach rechts, zu dem Villenflügel hin, in dem Orest und die Blümchen schliefen. Doch dann hörte ich leise das Öffnen einer Tür und drehte mich, um dem Geräusch nachzugehen. Kühler Wind drang in die exedra. Jemand - Celerina - hatte die Tür zum Peristyl hin geöffnet. Ich wartete, dann schlich ich näher.


    Meine an die Dunkelheit angepassten Augen konnten Celerina sehen, wie sie inmitten des Grases stand und nichts tat. Mein Blick wanderte an ihrer Gestalt hinunter. Ob sie nicht fror? Was tat sie da nur? Und trug sie tatsächlich keine Sandalen? Die aufkeimende Wut war Verwunderung gewichen. Wartete sie auf jemanden? Ich zog eine Grimasse. Sie musste mich zuvor doch gesehen haben. Oder vielleicht wollte sie auch, dass ich zu ihr kam? Kurz dachte ich trotzig darüber nach, einfach wieder zurück ins Bett zu gehen und zu versuchen, endlich in den Schlaf zu finden. Flüchtig überlegte ich, ihr von Siv zu erzählen, doch dieser Gedanke war noch schneller verschwunden als der erste. Dennoch trat ich in den Säulengang hinaus. Lautlos, einem Geist gleich. Es war kalt draußen, stockfinster durch den wolkenverhangenen Himmel, und kleine Tröpfchen hüllten einen sogleich in einen nebligen Wasserfilm. Erneut zögerte ich, schürzte die Lippen. Es sollte mir gleich sein, ob sie hier draußen krank wurde. Ich sollte mich umwenden und sie stehen lassen. Und doch konnte ich das nicht. Sie war meine Frau, und wenn ich schon keine persönliche Beziehung mehr zu ihr hatte, so doch eine gesellschaftliche Verpflichtung. Neuerlich zog ich eine Grimasse, dann gab ich mir einen Ruck und sprach sie an. Gute vier Meter trennten uns physisch. Eine ganze Welt im Geiste. "Willst du dir den Tod holen?" fragte ich widerstrebend, aber nicht halb so ruppig wie beabsichtigt.

    Nur kurz verhielt ich noch, dann wandte ich mich ab und verschwand hinter der Ecke, hinter der ich kurz zuvor aufgetaucht war. Doch statt in mein Zimmer zurückzugehen, blieb ich stehen und lehnte mich mit Rücken und Hinterkopf an die Wand. Mein Herz schlug bis zum Hals, so sehr, dass man es sicherlich sogar sehen konnte. Wie angewurzelt stand ich da. Eigentlich hatte ich doch gehen wollen. Doch der bloße Anblick Celerinas hatte wieder den Zweifel in mir gesäht. Ging sie zu einem anderen? Wieder einmal? Nun, da ihr Geliebter bestraft und fort gebracht worden war? Ich wartete. Ich würde ihr folgen. Die Ungewissheit war zu vernichtend, die Situation zu verlockend. Und meine Wut schwoll wieder an. Ich schwörte bei den Göttern, dass ich sie augenblicklich strafen würde, wenn ich sie mit einem anderen erwischte.

    Schweigen breitete sich aus. Ich musterte sie, wie sie sich ein zweites Mal erhob und zum Gehen wandte. Dieses Mal würde ich sie nicht aufhalten. Es war ein seltsames erstes Treffen gewesen, und noch wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Noch seltsamer wurde es, als sie sich rechts und links auf den Lehnen des Sessels aufstützte. Ich verharrte wie festgeklebt in der Position, in der ich mich gerade befand. Sie beugte sich vor, und meine Gedanken begannen zu rasen. Was sollte das werden? Was tat sie da? Dann hauchte sie mir einen Kuss auf die Wange, streifte dabei mit ihrem Atem meinen Hals und zog sich zurück. Die Gänsehaut, die ich bekommen hatte,. wich zwar rasch wieder, ließ mich allerdings unsicher zurück - was sie nicht bemerkte, da sie sich bereits wieder abgewandt hatte und zur Tür schritt. Ich blinzelte irritiert und sah ihr nach, nun wieder lockerer. Ich fühlte mich...kurios. Und fragte mich, warum Septima diese innige Geste ausgerechnet mir hatte angedeihen lassen.


    Sie stand in der Tür, ihre schlanke Gestalt vom Licht umspielt, doch statt zu gehen, stellte sie nur eine weitere Frage. Der plötzliche Themenwechsel irritierte mich zunächst, lenkte mich aber gleichsam auch von der Grübelei ab, was sie mit der Geste hatte bezwecken wollen. "Eine interessante Frage. Hm... Fange nie an, aufzuhören und höre nie auf, anzufangen? Das trifft es vermutlich nur zum Teil. Um ehrlich zu sein... Ich weiß es nicht. Ich habe allerdings meine Prinzipien. Warum fragst du mich das?" stellte ich die Gegenfrage und erhob mich ebenfalls, um langsam zur Tür zu gehen, in der Septima noch stand. "Nach welcher Philosophie lebst du?"

    Ich konnte mir nicht helfen - Seiana wirkte nicht sonderlich begeistert über diesen unvorhergesehenen Verlauf der Dinge. Ich schürzte kurz die Lippen und versuchte, mir einen Grund vorzustellen, aus dem dieser Aelius meine Klientin abserviert haben könnte. Immerhin hatte sie sich nichts zu Schulden kommen lassen - sowohl nach eigenen Angaben als auch bewiesen dadurch, dass mir keine Klagen zu Ohren gekommen waren. Gut, das musste nichts heißen. Dennoch: "Ich nehme an, es ist wenn überhaupt nur ein schwacher Trost, wenn ich dir versichere, dass dies für mich nicht im Ansatz nachvollziehbar ist", bemerkte ich leicht reserviert, was sicherlich nicht an Seiana lag, sondern an der Tatsache, dass der Aelier die Verlobung gelöst hatte. Ich fragte nicht nach, warum sie dem zugestimmt hatte. Es war ihre Angelegenheit, sie war sui iuris und konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen. "Deine Verwandten werden nicht sonderlich begeistert sein, vermute ich." Eine weitere Feststellung.


    Kurz darauf erwähnte sie dann den Grund für die Hinfälligkeit der Verlobung, und meine Brauen rutschten nach oben, um kurz darauf zusammengezogen zu werden. Auch wenn ich dieser Tage nicht zu allzu viel zu gebrauchen war, konnte ich dennoch rasch kombinieren. "Er hat die Verlobung wegen der Iunia gelöst?" Die Überraschung schwang deutlich in meiner Stimme mit, bis ich den Kopf schüttelte. "Entschuldige, ich möchte nicht zu sehr in dich dringen. Aber das ist... Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll." Verglich man die beiden Frauen - und nur die Frauen, nicht ihre Familien - miteinander, lag die Dummheit dieses Mannes bereits auf der Hand. Führte man die weiteren Kriterien an, war es fast als - zumindest politischer - Genickbruch zu werten. "Dann hat er sich ihretwegen dergestalt aufgeführt?"

    Ich hatte nicht schlafen können. Wieder einmal nicht. Der Wein hatte mich diesmal wacher gemacht und die Wunde in meiner Brust zum schmerzhaften Auseinanderklaffen gebracht. Es fühlte sich so an, als eiterten die Wundränder, und auch das verbissene Ausbrennen brachte nur mehr Schmerz, aber keine Linderung. In den letzten fünf Tagen, den Tagen seitdem sie gegangen war, hatte ich mich vollends zurückgezogen von den anderen. Einmal nur hatte ich Celerina besucht, das war gestern gewesen. Ich hatte gehofft, dass es mir danach vielleicht besser gehen würde, doch es war noch schlimmer als zuvor gewesen. Zu diesem tiefen Gefühl des Verlusts wegen Siv waren nun auch noch Schuldgefühle bezüglich Celerina hinzugekommen, die ich vergeblich zu bekämpfen suchte, indem ich mir einredete, dass sie es nicht anders verdient hatte. Ich wusste, dass es Gerede im Haus gab, weil ich Phraates hatte auspeitschen lassen und ihn anschließend nach Sardinien verbannt hatte. Es wunderte mich nur, warum mich keiner darauf ansprach. Selbst die Sklaven sahen mich an, als wäre ich ein wandelnder Geist, vor dem man sich nun mehr in Acht nehmen musste als vor der Bestrafung. Doch ich vergaß dabei, dass ich mich abschottete und keinen außer Prisca an mich heran ließ, und so war es wohl kein Wunder, dass bisher niemand mich direkt wegen Phraates ausgefragt hatte.


    Da ich nun also nicht schlafen konnte, hatte ich mich entschieden, ein wenig im Hause herumzustreifen. Es war weit nach Mitternacht, sicher schliefen bereits alle. Meine Schritte waren träge und langsam, was vom Weingenuss kam, und ich fühlte mich hitzig und schwindelig zugleich. Septima hätte mich wohl getadelt. Während ich darüber nachdachte bog ich um eine Ecke des Flures und erfasste augenblicklich eine Gestalt in hellem Stoff. Zunächst hielt ich sie für eine der Parzen, doch im nächsten Moment erkannte ich Celerina darin. Mir drehte sich der Magen um - nun ja, zumindest fühlte es sich so an - und ich wollte mich abwenden und ungesehen wieder in die Richtung verschwinden, aus der ich gekommen war. Doch zu spät, wie musste mich gesehen haben. Vielleicht gelang mir die Flucht trotzdem.


    Sim-Off:

    reserviert für ebenjene

    Ich hörte aufmerksam zu und fuhr mir dann nachdenklich mit einer Hand übers Kinn. Die genauen Beweggründe für diese Adoption waren also selbst dem jetzigen Sohn nicht bekannt. Ob ich das seltsam finden sollte oder nicht, konnte ich nicht recht entscheiden. Ich versuchte allerdings, Durus' Entscheidung nachzuvollziehen, obwohl es mir nur unter einem Aspekt gelingen mochte: Er hatte sich für die Adoption entschieden, um seine Nachfolge sichern zu können, ohne auf Laevina zu vertrauen. Und das war eine Tatsache, die Missfallen bei mir auslöste. Es war ein cleverer Schachzug von Durus gewesen, damit bis nach der Hochzeit zu warten. Anderenfalls hätte ich meine Bedenken geäußert und auch einer Ehe nicht zugestimmt, in der er meinem Mündel derart vor den Kopf stieß. Ich sagte dem jungen Tiberius nichts weiter dazu, nahm mir allerdings vor, seinen Vater darauf anzusprechen, sobald er wieder genesen war.


    "Das klingt gut. Dann kannst du dich von nun an als mein Gehilfe betrachten, Tiberius. Nun warst du bei dem letzten Treffen nicht zugegen, deswegen möchte ich dir nahelegen, dich baldestmöglich bei Duccius Vala oder Publius Imbrex darüber zu informieren, was wir besprochen haben. Morgen Vormittag steht eine Inspektion der Märkte an. Ich möchte, dass du da mitkommst. Wir werden uns zur vierten Stunde bei dem Schneider an der Ecke via Rosa/via Septima treffen."


    Sim-Off:

    im CP bitte noch bestätigen

    Nachdem Seiana also ihr Wasser erhalten und ich mich wieder gesetzt hatte, um zu erfahren, welche Anliegen meine Klienten hatte, verging nicht viel Zeit, bis sie den Fauxpas ihres Verlobten ansprach. "Ja, Titus hat mich informiert. Ich wäre gern zu eurem Gespräch hinzugestoßen, mir ist allerdings etwas wichtiges dazwischengekommen." Ich lächelte entschuldigend uns spezifizierte nicht weiter, was ich hatte dringendes erledigen müssen. Ich ging nun davon aus, dass sie mir die Hintergründe dieser unvorteilhaften Störung der Hochzeitsfeierlichkeiten nun gleich darlegen würde, denn hierüber hatte Ursus kein Wort verloren - augenscheinlich hatte Seiana aber auch nichts darüber verlauten lassen. Doch sie verblüffte mich mit einer Informationen, die ebenso unerwartet kam wie sie kurios war. "Aufgelöst?" wunderte ich mich und zog die Brauen zusammen. "In beiderseitigem Einverständnis?" wollte ich näher wissen und kniff die Lider ein wenig zusammen. Welcher Mann war so von Sinnen, eine Frau wie Decima Seiana gehen zu lassen? Sie würde eine wunderbare römische Matrone abgeben. Ich fragte mich, ob dieser Aelius dachte, sich alles erlauben zu können, nur weil er der Kaiserfamilie im weitesten Sinne angehörte. Missbilligend schüttelte ich den Kopf. "Das ist eine unerwartete Nachricht, die du mir da bringst. Und eine ungeheuerliche noch obendrein. Ich gehe davon aus, dass du nichts getan hast, was einen solchen Zug rechtfertigen würde?" stellte ich mehr fest als ich fragte.

    Die Wärme, die Prisca mir schenkte, war solcherart, dass sie zum ersten Mal seit langer Zeit mein Inneres erreichte. Ich wurde ruhiger, auch wenn ich immer noch aufgewühlt und niedergeschlagen war. Prisca behandelte mich in jenem Moment wie einen kleinen, verstörten Jungen, doch nicht, weil sie mich herabwürdigen wollte, sondern weil ich es brauchte. Bei ihrem Stirnkuss schloss ich die Augen, und erst einen Moment später öffnete ich sie wieder. Erst ihre Antwort machte mir deutlich, dass ich missverständlich gewesen war. Ich schob die Aufklärung noch einen kurzen Augenblick vor mir her, dann seufzte ich langgezogen und leicht zitternd und trennte mich widerwillig von Priscas Brust, um ihr in die Augen sehen zu können.


    "Prisca", begann ich kläglich, und meine Stimme klang überhaupt nicht so wie meine eigene. Erneut zögerte ich. Es fiel mir nicht leicht, mich so zu öffnen, selbst ihr gegenüber nicht. Jahrelang gezüchtete Verschlossenheit ließ sich nicht einfach abstellen. Ich biss mir auf die Lippe. "Ich.. Sie hat es mir gestanden. Mit einem Sklaven, Prisca... Es... Sie hätte mir einen Bastard untergeschoben, ohne mit der Wimper zu zucken! Das macht mich so wütend. Ich..." Ich schüttelte gequält mit dem Kopf. "Wie kann ich ihr jemals wieder vertrauen? Wer garantiert mir, dass es mein Erbe sein wird, den sie zur Welt bringt? Hätte ich doch nur..." Ja. Hätte ich doch nur meinen Sohn angenommen. Sicherlich ging nun auch Prisca auf, dass es weniger die Tatsache an sich war, die sich meine Ehefrau geleistet hatte, sondern vielmehr der Vertrauensbruch. Denn dass Celerina so unverfroren gewesen wäre, mir ein Sklavenbalg unterzuschieben, daran zweifelte ich nicht in einer Sekunde. Meine Miene wurde hart. "Ich war mit ihr in Puteoli. Ich habe alles versucht, um sie zufriedenzustellen, Prisca. Ich liebe sie nicht, aber ich respektiere sie - sie ist meine Frau! Und sie dankt es mir dergestalt!" Neuerlich ebbte die Wut in mir hoch, leckte an mir wie an den Rändern eines hohlen Gefäßes, denn hohl fühlte ich mich. Ausgehöhlt und leer, als würde etwas fehlen. Und das war nur ihre Schuld. Glaubte ich.


    Ich presste die Kiefer fest aufeinander und die Lider dazu. Ich wollte hier vor Prisca nicht die Beherrschung verlieren. Ganz sicher war es auch an ihre Ohren gedrungen, dass ich Phraates hatte strafen und fortbringen lassen. Ich wollte nicht, dass sie schlecht von mir dachte, obgleich ich in jenem Moment selbst nicht viel von mir hielt. Alles schien sich zu drehen in mir, obwohl ich stillstand. Mir war elend zumüte. Ich stieß einen leisen, frustrierten Laut aus und senkte den Blick auf meine Knie, um Prisca nicht ansehen zu müssen. "Kennst du das Gefühl, dich in einer abwärtsführenden Spirale zu befinden?" murmelte ich. "Ich glaube allmählich, dass ich unten angekommen bin." Es war offensichtlich, dass mich etwas bedrückte. Dass Celerina nicht das einzige war, mochte Prisca erraten oder auch nicht. Es war ohnehin einerlei, denn zurückhalten konnte ich nun nichts mehr. Ich würde ihr alles sagen, es musste nun hinaus. Ich konnte nicht anders.


    "Ich... Ich habe einen Sohn, Prisca. Ich habe ihn nur nicht angenommen, weil... Ihretwegen. Und der Familie wegen. Und dann gesteht sie mir... Und ich... Und jetzt ist sie fort und ich kann nichts tun, um es ungeschehen zu machen", flüsterte ich kaum vernehmbar und zuckte zusammen, als ein Tropfen einen angehend kreisrunden Fleck auf meiner tunica hinterließ. Ich schämte mich. Ich wollte nicht schwach sein vor Prisca. Zornig wischte ich mir übers Gesicht, aber zu dem dunklen Fleck gesellten sich dennoch zwei weitere hinzu. Erneut quälte sich ein Laut der Frustration aus meiner Brust, und ich biss die Zähne fest zusammen, um ihn einzusperren, damit er nicht heraus drang. Vergebens. Wie armselig. Ich hockte hier bei meiner Nichte im Bett und weinte wie ein Mädchen mit Liebeskummer. Es konnte fast nicht mehr schlimmer gehen. Am liebsten wäre ich in Grund und Boden versunken.

    Es war nicht ihr Orpheus, der sie eines Nachts besuchen kam. Es war ihr Ehemann, und er sagte kein Wort. Mechanisch ging er seiner ehelichen Pflicht nach, damit sie nicht erneut darüber klagen könnte, er hätte dies versäumt. Mechanisch suchte er, seinen Samen in ihr zu betten, damit sie sein Kind trüge und nicht das eines anderen, obdessen er sich darob niemals würde sicher sein können. Sein Atemgeräusch war das einzige, das sie zu hören bekam. Nicht ein Wort sprach er mit ihr, gänzlich konzentriert auf das, was er tat. Er war nicht grob, doch ebensowenig zärtlich. Er verrichtete seine Pflicht gewissnhaft und sorgfältig, doch tat er nichts, was darüber hinaus ging. Und nicht einmal eine halbe Stunde lag er bei ihr, ehe er sich stumm erhob, wortlos ankleidete und schweigend wieder verschwand, um sich ein paar Zimmer weiter wieder einmal dem Wein zu widmen und einen Weg zu suchen, sich selbst zu betäuben.


    Dies waren die bisher schwärzesten Tage dieser Ehe, und das Glück anderer zu beobachten, stürzte zumindest mich selbst noch weiter ins Dunkel. Es war der vierte Tag seit Sivs Verschwinden.

    Ich zog die Brauen zusammen und sah Avianus skeptisch an. "Ich müsste nachsehen, aber mir wird vermutlich auch nicht mehr vorliegen als dem Senat und der kaiserlichen Kanzlei", erwiderte ich und deutete ein Kopfschütteln an. "Ich nehme an, an den Vescularier hat er sich deswegen bereits gewandt, ebenso wie an die Kanzlei?" Die Informationen, die dem Senat vorlagen, waren Macer ja ebenso zugänglich wie mir selbst, deswegen fragte ich diesbzeüglich nicht nach. "Wie gesagt, ich kann morgen gern nachsehen lassen, aber mach dir keine großen Hoffnungen, Tiberius. Ich kann mich an keine Information erinnern, die über das hinausgeht, was Macer durch die Senatssitzungen bereits in Erfahrung hat bringen können." Ich hob die Schultern und schüttelte erneut den Kopf. Ob das schon alles war, was er hatte wissen wollen?

    "Seiana? Ja, ich erwarte sie bereits", erwiderte ich auf Leones Frage hin. Kurz darauf schickte er sie mir ins officium. Ich hatte einiges mit ihr zu klären, natürlich allen voran diesen peinlichen Auftritt auf der Hochzeit meines Neffen Ursus. Jener hatte mir zwar ausgerichtet, dass Seiana sich in aller Form entschuldigt hatte, doch natürlich wollte ich das noch einmal in ausführlicher Form direkt von ihr selbst hören.


    Als sie eintrat, erhob ich mich und kam halb um den Schreibtisch herum. "Salve, Decima Seiana", grüßte ich meine Klientin freundlich und reichte ihr die Hand. Dann deutete ich auf den Sessel und nahm selbst vor dem kleinen Tisch Aufstellung, auf dem zwei Karaffen parat standen. "Verdünnter Wein?" fragte ich sie und schenkte hernach das ein, was sie bestellte. Ich stellte den Becher vor ihr ab und nahm selbst wieder Platz. "Ich freue mich, dass du hergekommen bist. Es gibt einiges, über das wir reden sollten", leitete ich das Gespräch ein und überließ dann ihr, womit sie beginnen wollte. Ich selbst lehnte mich interessiert zurück, betrachtete sie und nippte nebenbei an meinem Wein. Ich fand, dass sie ein wenig blass um die Nase wirkte, doch hatte ich Seiana seit ihrer Ankunft aus Alexandrien erst einmal gesehen, und seitdem war etwas Zeit vergangen. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein.

    "Hm", machte ich und nickte. Da hatte besagter Schreiber scheinbar den richtigen Riecher gehabt. Oder aber die richtigen Informationsquellen. Ich selbst hatte mir damals nichts gedacht dabei, den Artikel dergestalt zu veröffentlichen. "Das ist interessant. Wenn es so ist und du mir garantierst, dass besagter subauctor ob seines Wissens nicht plötzlich verschwindet, dann werde ich dir den Namen sagen." Ich schob mir einen Bissen in den Mund, kaute kurz und schluckte, ehe ich fortfuhr. "Er heißt Galeo Catonius Aquila, sein Onkel ist Catonius Cursor, der Legat der legio 5 Macedonia. Er wohnt, soweit ich weiß in der via Nona, dicht beim Marcellustheater. Den genauen Aufenthaltsort werden deine Leute sicherlich schneller herausfinden, als es mir möglich ist. Catonius Aquila reicht nur selten Artikel ein, dafür jedoch stets politische. Hilft dir das weiter?" fragte ich den Prätorianerpräfekten und tunkte ein Stückchen Brot in die Soße auf meinem Teller.

    Die Tür flog auf, ohne dass jemand geklopft hatte. Livius Pyrrus zuckte zusammen, und ich blickte missbilligend auf den Kurzen, der hereinlugte. Es war Minus, und die Wahrscheinlichkeit, dass er zu Pyrrus wollte, war erschreckend gering. Also hob ich nur fragend die Brauen und taxierte ihn mit einem gleichgestalten Blick, und er verriet mir, dass eine Iunia wartete. Axilla.... Der Name kam mir bekannt vor, und doch konnte ich ihn keiner Begegnung, keinem Gesicht zuordnen. Ob das die Iunia war, die Ursus' Hochzeit um ein Haar hatte platzen lassen?


    Da sagte der Knabe etwas von ihrer Schönheit und ich entschied für mich, dass es dann kaum die Iunia sein konnte, die ich hinter dem Namen vermutete. Minus hatte die Tür nicht geschlossen, also musste sie jedes Wort gehört haben. Ich seufzte. "Sie soll hereinkommen", wies ich den Jungen an, der artig nickte und die Tür offen stehen ließ. Ich hörte, wie er der Iunia draußen noch einmal sagte, dass sie jetzt zu mir kommen könnte, und dann wurden Schritte laut. Verwundert sah ich die Frau an, die eintrat. Es war doch jene Iunia, welche auf der Hochzeit Auffsehen erregt hatte. Die Frage war nun: Was wollte sie von mir? Entschuldigt hatte sie sich doch bereits. "Salve, Iunia." Ich nickte Pyrrus zu, der kurz eine Grimasse zog, sich Tafel und Griffel schnappte, und dann verschwand. "Was kann ich für dich tun?" fragte ich, während ich gleichzeitig auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch deutete.

    Doppelhochzeit! Ich musste etwas überlesen haben. Mir graute es schon vor einfachen Hochzeiten. Zu einer doppelten Hochzeit wurden womöglich noch doppelt so viele Gäste geladen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich dort blicken lassen würde, sank in diesem Moment rapide. Indes wunderte mich, woher Septima die Information nahm, dass ich allen Beteiligten gut gestellt war. Ich hob fragend eine Braue, sagte jedoch nichts dazu. Auch die Nachfrage bezüglich Germanicus Avarus ließ ich unkommentiert. Septima war eine Frau, von solchen Dingen würde sie eh kaum etwas verstehen. Sicherlich hatte ich von diesen lästerlichen Verhalten gehört, doch war er schließlich ausreichen dafür gestraft worden und hatte sich nicht noch einmal derart gehen lassen, zumindest nicht öffentlich.


    Von dem einleitenden Geplänkel kamen wir nun also allmählich zu den spannenderen Themen. Ich ließ mich ein wenig tiefer in das weiche Polster des Sessels sinken und betrachtete Septima dabei, wie sie eine Strähne hinter ihr Ohr strich. Gegen meinen Willen musste ich kurz schmunzeln. Diese Geste nutzten Frauen für gewöhnlich zum Überspielen. Von Unsicherheit, Gesten, Gefühlen. Was es bei Septima war in diesem Moment, konnte ich nur erraten. Vermutlich hatte ich mit meiner Frage ins Schwarze getroffen. Sie wirkte plötzlich angespannt auf mich, verlegen. Ich kniff ein wenig die Augen zusammen und betrachtete sie, das Kinn auf eine Hand gestützt. Septima war sehr jung, und das kam in dieser Situation richtig zur Geltung, wie ich fand. Sie war zudem hübsch, auch wenn die Züge um ihre Mundwinkel nicht unbedingt meinen Geschmack trafen, denn ich fand sie zu hart. Doch ihre Gestalt war ansehnlich, und obwohl sie mir vom Charakter her in der kurzen Zeit eher sprunghaft und gewandt vorkam und das eher weniger mein Fall war, respektierte ich sie.


    Die Dunkelheit verhüllte, ob ihre Worte aufrichtig waren. Ich schwieg, auch nachdem sie sich entschuldigt hatte., und betrachtete sie. Im silbrigen Licht wirkte ihre haut eisig und kühl, die Augen dunkel wie Kohlenstücke, das Gesicht umrahm von ebenholzfarbenem Haar. Das Dämmerlicht zeichnete ihre Züge weich. Schließlich rührte ich mich doch, stellte den nun leeren Weinbecher zurück auf den Tisch und nahm die Haltung von zuvor wieder ein. "Nun", sagte ich leise. "Ich werde dich nicht zwingen, davon zu erzählen, was du angedeutet hast. Gleiches vergolten mit gleichem." Ich nickte ihr langsam zu. Ich hatte ihr nichts erzählt, sie wollte mir nichts erzählen, wie es aussah. Doch über weitere Belanglosigkeiten wollte ich ebensowenig sprechen. Zumindest, so überlegte ich, war es ihr doch gelungen, mich etwas abzulenken von den Dingen, die mich bewegten, und das war gut. Doch etwas anzudeuten und dann herunterzuspielen, war - wenn es absichtlich oder unbeabsichtigt geschah - ungeschickt, und aus diesem Grund nahm ich ihr nicht ab, dass was sie sagte.

    Die Tür wurde leise geschlossen, und Prisca kam zu mir. Ihre Gedanken blieben mir verborgen. Vermutlich wäre ich, hätte ich sie hören können, aus ihrem Zimmer geflohen. Denn obwohl Prisca für mich die perfekteste Frau schlechthin war - oder gerade weil sie es war - wollte ich sie nicht mit meiner Starrsinnigkeit, meinem Wesen belasten. Sie hatte mich nicht verdient, im negativen Sinne. Bei Celerina sah ich das inzwischen anders. Ich hatte mir eine solche Mühe gegeben und sie dankte es mir, indem sie mir einen Bastard untergeschoben hätte. Im Grunde war sie selbst schuld, dass unsere Ehe keine Bilderbuchehe war wie die von Septima und Ursus, die ich insgeheim um ihre Leichtigkeit und offen zur Schau gestellten Zuneigung Willen neidete.


    Doch jetzt in diesem Moment war Prisca einfach für mich da. Es bedurfte keiner Worte, als sie mich an sich zog und mich...tröstete. Ich ließ sie gewähren, denn es tat gut, nichts verbergen zu müssen. War ich eben noch skeptisch gewesen, ob ich es wirklich wagen sollte, wusste ich nun, dass ich die Worte jetzt ohehin nicht mehr daran würde hindern können, aus mir herauszufließen. Statt einen sexuellen Hintergrund anzunehmen und mich von ihr zu lösen, umd das Schlimmste zu verhindern - Prisca war meine Nichte, ich sah sie einfach nicht mit diesen Augen - legte ich einen Arm ganz um Prisca herum und hielt mich mit der anderen am leichten Stoff über ihrem Oberarm fest, die Augen geschlossen. So saß ich einfach eine Weile an sie gelehnt da und lauschte dem beruhigenden Wummern ihres Herzens, stark und gleichmäßig.


    "Sie hat mich betrogen", entschied ich mich dafür, das leichtere Thema zuerst anzusprechen. Meine Stimme war nicht mehr als ein trockenes Flüstern. Dass Prisca denken mochte, dass dies der Grund war dafür, dass es mir schlecht ging, daran dachte ich einfach nicht. Ich wollte ihr alles sagen. Sie würde mir helfen können. Doch mit dem leichteren Thema wollte ich beginnen.

    Woher die junge Tiberia ihre Altersweisheiten nahm, war mir ein Rätsel. Zum einen, da ich ihr nicht in den Kopf schauen konnte, zum anderen, da sie mir nicht wie achtzehn vorkam, sondern so alt, dass sie meine Mutter hätte sein können. Ihr Körper strafte diesen Gedanken natürlich Lügen, immerhin war sie nicht gebrechlich und faltig, sondern jung und knackig. Was ich allerdings sehr wohl beurteilen konnte, war der erstaunliche Stimmungsumschwung, den sie offenbarte. Vor einem Augenblick noch war sie betrübt, gar traurig, dass ich mich ihr nicht offenbaren wollte - sofern sie tatsächlich damit gerechnet hatte, kannte sie mich wirklich schlecht - und in der nächsten Sekunde zwinkerte sie mir keck zu und gab damit den Anschein, dass alles in bester Ordnung war. Sie verunsicherte mich damit, denn ich wusste so nicht, wie ich sie einschätzen sollte.


    Sie setzte sich wieder zurück auf in den Sessel und begann, mit mir zu plaudern. In jenem Moment wurde mir bewusst, dass Ursus ihr kaum etwas über mich erzählt haben konnte. Dennoch hörte ich zu, auch wenn mich Klatsch nie sonderlich interessiert hatte. Die kurzen Begegnungen, die ich über die Staatszeitung mit solchen Themen hatte, reichten mir für geöhnlich aus. Und natürlich fiel mir auf, dass sie zwar von anderen berichtete, sich selbst und ihre Vergangenheit dabei jedoch weitgehend ausließ. Hatte sie vorhin nicht gesagt, dass sie schon einiges erlebt hatte, was sie niemandem wünschte? Das wäre es gewesen, was mich viel mehr interessiert hätte als den Umstand, wen sie bei den Rennen anfeuerte. Dennoch ging ich darauf ein.


    "Mein Verhältnis zu den Germanicern ist zwiegespalten, um ehrlich zu sein. Ich weiß, dass Titus einen von ihnen zu seinen besten Freunden zählt, doch merkt man im Senat davon beschämend wenig, wenn es sich nicht gerade um ihn selbst handelt. Die Germanicer, allen voran Medicus Avarus, liegen im Zwist mit deiner Familie. Ich selbst halte mich bisher weitgehend aus dieser Diskussion heraus und stelle mich auf keine der beiden Seiten, denn ich finde, dass durchaus beide ihre begründeten Ansichten haben." Mehr musste sie nicht wissen, immerhin war sie eine Frau, entschied ich und strich mir träge über eine Wange, ehe ich den Arm wieder auf die Lehne zurück legte. "Ich habe eine Einladung zu dieser Doppelhochzeit bekommen", bemerkte ich dann. Aber sicher, ob ich hingehen sollte, war ich noch nicht. "Und was die Rennen anbelangt... Titus hat dir scheinends nicht erzählt, dass ich einmal selbst den Goldenen aktiv angehangen habe? Der Wahl zum princeps wollte ich mich allerdings nicht stellen. Und kurze Zeit später bin ich aus der factio ausgeschieden. Meine Zeit hat es nicht länger erlaubt, ein aktives Mitglied zu sein, und wenn ich ehrlich bin, sind die Rennen für mich langst nicht mehr so fesselnd wie vor ein paar Jahren. Dass Titus allerdings dich als Maskottchen benutzen will, verwundert mich doch." Was sollte Septima tun, halb bekleidet an der Bande entlang hüpfen? Ich konnte mir nicht vorstellen, was eine Frau sonst beim Rennsport tun sollte. Aber Ursus und ich sahen solche Dinge von grundauf verschieden. Ich würde ihm nicht hineinreden, es war seine Frau und seine Leitung.


    In der Dämmerung drang der Geruch von Septimas Haar zu mir heran und spiegelte damit einen längst vergessenen Duft wider. Ich schloss kurz die Augen und spürte den Riss abermals. Schnell sah ich Septima wieder an. "Was ich allerdings meinte, war, was du mit deinen Worten vorhin meintest. Du sagtest, du hättest Dinge erlebt, die du niemandem angedeihen lassen würdest." Eine entsprechende Frage ersparte ich uns beiden. Es war auch so deutlich, dass ich sie aufforderte, darüber zu sprechen. Dass sie es nicht wollte, glaubte ich nicht. Sie hätte sonst ganz gewiss nicht diese Andeutung fallen lassen, wenn sie nicht gewollt hätte, dass ich sie aufgriff.