Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Dreieinhalb.


    Benebelte Schwaden, nymphenhaft und fremdgestalt. Sie ziehen umher wie Geister einer nichtgelebten Zukunft. Ein verklärtes Lächeln, todernster Blick. Sie kehrt nicht mehr zurück. Der Wein trägt die Schuld, der Traume so fremd, das Glück an einem längst vergessenen Ort. Da war ein See, die Sonne und sattes Grün, Germanien im Frühling, das ich nie geseh'n. Ein Gesicht, das glitzert wie tausende und abertausende Tropfen klaren Gebirgswassers, in das die Sonne Regenbogen malt - und dann nichts. Nichts außer einem fallenden Schrei, einem tiefen Abgrund. Schwarz.


    Wer bin ich schon – das konntest du mir niemals zeigen.
    Bin ich ein Blatt, das noch beschrieben werden muss,
    bin ich der Schmerz in dir nach einem Abschiedskuss?
    Sag, bin ich dein, auch wenn sich unsre Tage neigen?


    Bin ich ein Meer, das blauer ist als jedes Sehnen,
    Bin ich das schönste Muster im Kaleidoskop?
    Bin ich ein Wunsch, der sich dank dir zum Stern erhob,
    sag, bin ich das versteckte Lächeln unter Tränen?


    Du kennst mich nicht, so wie ich selber mich nicht kenne
    und niemals könnte ich je deine Muse sein.
    Warum kann ich dir keine Fantasien bringen?


    Ich bin wohl nur ein Licht am Nachttisch und ich brenne
    für deinen Schöpfergeist, bin nachts dein Kerzenschein.
    Ach, könnt’ ich deine Träume wie Sirenen singen.


    Ach, könnt’ ich deine Träume wie Sirenen singen
    und dir die Seltsamkeiten dieser Welt erklären.
    Ich will dir keinen Zauber im Moment verwehren,
    doch liegt der wahre Zauber in so vielen Dingen.


    So fürchte nicht die Mitternacht und tiefe Seen,
    denn jeder Stern am Himmel bettet sie in Licht,
    und fürchte auch die Stille und mein Schweigen nicht,
    denn irgendwann bin ich bei dir - du wirst verstehen.


    Ich bleibe, denn das Licht lebt in der Dunkelheit,
    bei dir und zeige dir die Schönheit, selbst im Schmerz.
    Ich werde, wenn du willst, vom Himmel zu dir fliegen


    und zeige dir die Unbedeutsamkeit der Zeit.
    Bis dahin träume weiter – träum dich himmelwärts-
    die Träume, die dich leis’ in Illusionen wiegen.


    Die Träume, die dich leis’ in Illusionen wiegen,
    erhalten mich am Leben, deinen Traumgehalt.
    Ich habe nur für dich in deinem Schlaf Gestalt,
    wie seltsam, welch Gefühle für mich in dir liegen.


    In jedem Traum malst du von mir ein schön’res Bild
    und legst die Ideale fest in einen Rahmen.
    Wie seltsam, denn du gabst mir weder einen Namen,
    noch Wahrheit – wird denn deine Liebe je gestillt?


    Ich kann dich nicht nach deinen Wünschen glücklich machen.
    Was bringt es dir, wenn du mich in den Träumen siehst?
    Du solltest für dein Wohl in and’ren Sphären fliegen,


    weil Traum und Fantasie nur kurzes Glück entfachen.
    Wie seltsam, ihre Blüte ist die einzige, die sprießt:
    Wie konntest du so schnell dem einen, mir, erliegen?

    Es dauerte. Und ich hatte mich gerade dazu entschlossen, herumzudrehen und doch das Heil am Boden des Weinkrugs zu suchen, als die Tür doch noch geöffnet wurde. Ich hatte mich schon halb abgewandt, so dass ich mich nun wieder ein wenig drehen musste. Meine Nichte war schön, wie ich fand, vollkommen perfekt und engelsgleich, selbst ohne zurechtgemacht zu sein und im Nachthemd. Sie wäre niemals gut genug für einen Ehemann, selbst wenn ich ihn für sie aussuchen würde. Deswegen ließ ich diese Sache auch so schleifen.


    Wie sie nun dastand und mich ansah, so vor Freude strahlend und wunderschön, stieg dieses verdrehte Gefühl, dass niemals wieder etwas auch nur im Ansatz gut werden würde, in meinem Inneren so rapide an, dass ich mich um ein Haar am Türrahmen hätte festhalten müssen. Natürlich wurde ich wütend darüber, und selbstverständlich ließ ich es bleiben, mich am Rahmen festzuhalten. Stattdessen hielt ich mich an Prisca und zwang sie in eine unvermittelte und feste Umarmung. Sicher hatte sie zuvor einen Blick in mein Gesicht werfen können, und auch wenn sich Septima alle Mühe gegeben hatte, darin zu lesen wie in einem offenen Buch, so würde dies nur Prisca gelingen und sonst niemandem, denn bei ihr brauchte ich diese Maske nicht, die ich bei allen anderen krampfhaft auf dem Gesicht hielt. Sie würde sehen, dass es mir nicht gut ging.


    Ich sagte nichts. Ich hielt sie nur fest, und das tat mir wohl. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ ich sie wieder los. Wir konnten nicht ewig so auf der Schwelle stehen, obwohl ich mich gerade am liebsten in ihrem Haar vergraben und so eingeschlafen wäre. Aber ich war keine fünf mehr, sondern dreißig. Ich ging ihr hinterher zum Bett und setzte mich, rutschte dann zurück, bis mein Rücken anstieß. Die Sandalen waren achtlos vor dem Bett auf einem Teppich zurückgeblieben, ich zog die Füße an und umfing meine Knie mit den Armen. Der Pegel des Gefühls war nicht zurückgegangen. Fast fühlte es sich an wie Verzeweiflung, doch das konnte nicht sein. Warum sollte es mir so gehen? "Ich hoffe, ich störe dich nicht", sagte ich leise.

    Septima entfernte ihre Hand, und ich blicke kurz auf die Stelle hinunter, an der sie eben noch gelegen hatte. Dann nahm ich meinen Arm vom Tisch. Sie schob mir den Weinbecher hin. Betont langsam oder einfach nur ungewollt, ich bemerkte, dass diese Geste sie augenscheinlich Überwindung kostete, warum auch immer das so sein mochte. In einer anderen Situation hätte ich vielleicht nachgehakt. In jener aber betrachtete ich nur die dunkle, in der Düsternis schwarz erscheinende und träge vor und zurück schwappende Flüssigkeit in ihrem Becher. Ich kam mir selbst vor wie eine Wippe. Das ständige Auf und Ab in mir machte mich verrückt. Kaum schwoll der Zorn ob ihrer Worte und ihres Verhaltens an, machte sich eine stumpfe Resignation breit, graue Trübnis, denn sie wollte nur helfen, gefolgt von Frustration und Wut darüber, dass ich weder ihr noch sonst jemandem etwas sagen konnte. Hätte mich jemand gefragt, wie ich mich fühlte, so hätte ich kaum eine klare, eindeutige Antwort geben können. In einem Moment so, im nächsten anders. Und das machte mich und meine Reaktionen unberechenbar.


    Ich hätte etwas sagen sollen zu ihren leisen, bedrückten Worten. Doch ich wusste nicht was. Wütend zurückzuzischen, dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, lag mir auf der Zunge, wurde im nächsten Moment allerdings abgelöst von der Versicherung, schon auf mich acht geben zu können. So ließ ich es einfach bleiben und erwiderte gar nichts darauf, bis sie aufstand und die richtigen Worte fand, um mich anszusprechen. Sie wünschte sich, dass wir alle eine Familie waren. Die Familie war etwas, das mir über alles ging. Sie hatte recht, schlichtweg recht. Und doch konnte ich mich hier niemandem anvertrauen, ohne auf Missbilligung und Tadel zu stoßen, ohne unverständige Blicke zu ernten und den Rat, mich um Wichtigeres zu kümmern. Zumindest glaubte ich das, denn wissen konnte ich es nicht. Ich sah auf zu Septima, die vor mit stand und eben mit einer Geste das Zimmer einschloss. Dann folgte mein Blick ihrem Fingerzeig und fiel auf den Weinkrug. Ich presste kurz die Lippen zusammen, dann fing ich ihr Handgelenk ein und hinderte sie am Fortgehen. "Du musst nicht gehen, Septima. Es ehrt dich, dass du überhaupt hier bist", sagte ich dumpf und deutete mit einem Blick an, dass sie sich wieder setzen sollte. Alle anderren schien es wenig zu kümmern. Ich verdrängte, dass ich ihnen mit dieser Vermutung Unrecht tat. Immerhin ließ ich des Öfteren ein Abendessen ausfallen, und es konnte niemand ahnen, wie es mir ging. "Erzähl mir von dir." Diese Bitte hatte zwei Gründe. Zum einen würde ich so etwas über sie erfahren, zum anderen würde ich schweigen können, wenn sie sprach. Ich nahm mir meinen Weinbecher wieder und machte mich bereit, zuzuhören.

    Drei. Drei Tage war sie nun fort. Und seit etwa einer Woche wusste ich, dass Celerina mich hintergangen hatte. Wir waren uns seither nicht begegnet. Das hatte ich zu verhindern gewusst. Wenn mir ein Jahr zuvor jemand prophezeit hätte, dass ich mich einmal in einer Situation befinden würde, die mich auf rein geistiger Ebene krank machen würde, hätte ich ihn ausgelacht. Nun dachte ich anders darüber. Ich musste etwas unternehmen, wenn mein Selbst micht nicht auffressen sollte. Das Loch in meiner Brust hielt sich hartnäckig. Es klaffte weit offen und dachte nicht daran, sich irgendwann einmal weniger stark zu melden. Es war einfach da, stets spürbar und nicht zu vergessen. Allgegenwärtig wie die Luft, die man irgendwann als selbstverständlich hinnahm. Ich wollte nicht den Rest meines Lebens mit dieser schwärenden, nässenden Wunde verbringen. Irgendetwas musste es geben, das mich wieder normal machte.


    An diesem dritten Abend war ich, wie an den Abenden zuvor, nicht zum Abendessen erschienen. Diesmal hatte ich allerdings genügend Verstand besessen, meiner Abwesenheit eine geschäftliche Natur zu geben, indem ich einen Sklaven hatte ausrichten lassen, dass ich noch arbeiten würde. In meinem Schlafgemach hatten die zwei Krüge schon auf mich gewartet, doch es war anders gekommen. Vielleicht hatte Septimas Einsatz in dieser Richtung etwas bewirkt. Sicher war ich mir jedoch, dass ich es einfach nicht mehr aushielt, all das allein mit mir zu tragen - gänzlich allein, da Siv nun fort war. Ich musste es jemandem erzählen oder daran zugrunde gehen, das wusste ich nun. Und niemandem vertraute ich so sehr wie Prisca, also war es nur logisch, dass es ihr Zimmer war, vor dem ich unentschlossen stand und das Türholz ansah. Vielleicht wäre Brix ob seines Wissens die bessere Wahl gewesen, doch hatte er mich genauso hintergangen wie meine Frau, nur auf andere Weise. Ich misstraute alles und jedem seitdem, aus Angst, erneut vorgeführt zu werden - auch wenn ich das natürlich niemals zugegeben hätte.


    Ich hob die Hand und klopfte leise. Vielleicht war sie auch gar nicht zugegen, und ich ersparte mir die Offenbarung meinerselbst. Vielleicht aber würde es mir besser gehen, wenn ich ihr alles erzählt hatte. Einzig zu Prisca war mein Vertrauen unumstößlich. Sie war die richtige, das wusste ich einfach. Es durfte nicht anders sein. Wenn auch sie mich verriet, würde ich zerreißen.

    Wenn ich in Celerinas Geust hätte blicken können, wäre mir die abgrundtiefe Verwunderung auf das Antlitz geschrieben gewesen. Ich hätte mich gefrgat, wie sie vor den Göttern auf Gnade hoffen konnte, wenn sie mir erneut dreist ins Gesicht log. Doch so stellte ich ihr Geständnis nicht in Frage. Denn wer würde schon lügen, wenn er sich dazu entschlossen hatte, die Wahrheit zu sagen?


    Die Regung der Sklavin bemerkte ich nicht. Ich war gänzlich auf Celerina fixiert. Charis hatte mich ebensi enttäuscht. Hatte ich sie nicht aus genau diesem Grund meiner Frau geschenkt? Damit ich Dinge erfuhr? Ich verzog das Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. Der Parther also. Ich ging davon aus, dass sie ihren meinte. Mich mit meinen eigenen Sklaven zu betrügen, hätte mir wohl vollends die Hörner aufgesetzt. Ich rief mir das Gesicht dieses Sklaven in Erinnerung. Er war bestenfalls durchschnittlich. Ich verstand Celerina nicht einmal unter diesem Aspekt. Ich langte nach vorn und ergriff Celerina, die inzwischen ebenfalls stand, an den Oberarmen. Grob zog ich sie zu mir hin. "Dein Glück ist, dass du blutest", sagte ich zu ihr und gab mir keine Mühe, dabei versöhnlich zu klingen. "Dieser Sklave wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein. Und du... Wage es nicht, mich noch einmal so vorzuführen. Hast du das verstanden?" Mit dem letzten Satz verstärkte ich den festen Griff im ihre Arme noch, schüttelte sie kurz. Ich klang heiser vor Zorn. Laut war ich nicht geworden, dazu war ich schlichtweg zu sehr in Rage. Ich ließ sie abrupt los, starrte sie noch einen kurzen Moment durchdringend an und fegte dann herum, um ihr Zimmer zu verlassen.


    Caecus, der gerade mit dem heißen Gewürzwein um die Ecke kam, stutzte und ich zurück. Ich schlug ihm im Vorübergehen den Becher aus den Händen, so dass der Sklave hilflos mitansehen musste, wie sich die dampfende, tiefrote Flüssigkeit auf Celerinas Schminktisch und den Boden ergoss und auch einen Teil der Wand besprenkelte. Langsam lief die Flüssigkeit herunter. Beinahe wie Blut - das Blut eines Sklaven.

    Drei.


    Einzelne Punkte am Firmament. So unendlich weit fort und doch im Anblick so tröstlich. Der nächtliche Sternenhimmel war immer schon ein Hort der Zuflucht gewesen. Nun nicht mehr. Ich wandte den Blick ab und zog die Vorhänge zu, bis das schwache Mondlicht nurmehr durch schmale Spalten an den Seiten ins Zimmer fiel. Ich hatte das Haar der Berenike gesehen, das Sternbild, das ich dereinst Siv erklärt hatte. Ich wollte nicht an jenen Abend im Garten zurückdenken. Heil suchte ich wieder im Wein, der mir in den vergangenen zwei Nächten bereits das Einschlafen erleichtert hatte. Ich hoffte nur, nicht erneut träumen zu müssen.



    Wer bin ich schon – das konntest du mir niemals zeigen.
    Bin ich ein Blatt, das noch beschrieben werden muss,
    bin ich der Schmerz in dir nach einem Abschiedskuss?
    Sag, bin ich dein, auch wenn sich unsre Tage neigen?


    Bin ich ein Meer, das blauer ist als jedes Sehnen,
    Bin ich das schönste Muster im Kaleidoskop?
    Bin ich ein Wunsch, der sich dank dir zum Stern erhob,
    sag, bin ich das versteckte Lächeln unter Tränen?


    Du kennst mich nicht, so wie ich selber mich nicht kenne
    und niemals könnte ich je deine Muse sein.
    Warum kann ich dir keine Fantasien bringen?


    Ich bin wohl nur ein Licht am Nachttisch und ich brenne
    für deinen Schöpfergeist, bin nachts dein Kerzenschein.
    Ach, könnt’ ich deine Träume wie Sirenen singen.


    Ach, könnt’ ich deine Träume wie Sirenen singen
    und dir die Seltsamkeiten dieser Welt erklären.
    Ich will dir keinen Zauber im Moment verwehren,
    doch liegt der wahre Zauber in so vielen Dingen.


    So fürchte nicht die Mitternacht und tiefe Seen,
    denn jeder Stern am Himmel bettet sie in Licht,
    und fürchte auch die Stille und mein Schweigen nicht,
    denn irgendwann bin ich bei dir - du wirst verstehen.


    Ich bleibe, denn das Licht lebt in der Dunkelheit,
    bei dir und zeige dir die Schönheit, selbst im Schmerz.
    Ich werde, wenn du willst, vom Himmel zu dir fliegen


    und zeige dir die Unbedeutsamkeit der Zeit.
    Bis dahin träume weiter – träum dich himmelwärts-
    die Träume, die dich leis’ in Illusionen wiegen.

    Es war dieser Tage schwer, sich überhaupt zu etwas aufraffen zu können. Seitdem Siv fort war und meine Frau mir in ihrem Geständnis offenbart hatte, dass sie mich mit einem Sklaven betrogen hatte und mir um ein Haar dessen Kind untergeschoben hätte, hielt mich eigentlich nurmehr der Rhythmus meiner Arbeit aufrecht. Ohne sie war ich verloren, verdammt dazu, in immer gleichen Bahnen zu denken und ohne zu wissen, wohin ich mich wenden konnte. Von nahestehenden Personen verraten zu werden, das wünschte ich keinem Menschen. Zwar konnte ich mich selbst dazu bringen, anderen einigermaßen glaubhaft zu versichern, dass alles in bester Ordnung war, doch kaum war ich allein, drang all jenes auf mich ein, das ich zu verdrängen suchte. Allein deshalb schon war ich Flavius Gracchus persönlich dankbar dafür, dass er sich nicht gegen meine Begleitung ausgesprochen hatte, denn so mochten mit etwas Glück drei oder gar mehr Stunden vergehen, in denen ich mich nicht mit mir selbst beschäftigen musste.


    Den Vorplatz erreichte ich zu Fuß, da ich ohnehin gerade auf dem forum romanum unterwegs gewesen war. Die flavische Sänfte sprang einem ins Auge, und auch der davor wartende Senator war mir nicht unbekannt. Ich steuerte ihn an, eilte mich jedoch nicht. Gerade Gracchus gegenüber war es von größter Wichtigkeit, eheliche Probleme mit Celerina gut zu verbergen. "Salve, Flavius", grüßte ich ihn förmlich, als ich nahe genug heran war. "Habe ich mich verspätet? Ich hoffe, du hast nicht zu lange warten müssen." In der Tat war ich ein gutes Viertel einer Stunde zu spät dran, was an einem allzu aufdringlichen Bordellbesitzer lag, der seine fehlende Konzission mit kostenlosen Angeboten zu übertünchen gesucht hatte.

    [Blockierte Grafik: http://img353.imageshack.us/img353/7029/sklave1ph0.jpg]


    Trautwini hatte nicht die Absicht, sich wegen der Frau seines Herrn mit dessen Liebhaber zu prügeln. Es ging ihn nichts an, mit wem sie es trieb oder warum und wann. Doch seinen Herrn ging es etwas an, und er sah keinen Grund, es ihm nicht zu erzählen. Ebensowenig wie er einen Grund sah, der Aufforderung der Flavia nachzukommen. Ihre Worte mochten einer gewissen wahren Tatsache nicht entbehren, aber es ging hier nicht darum. "Du magst die Herrin über dieses Haus sein, doch nicht über mich. Und ich habe meine Befehle und werde mich ganz sicher nicht einschüchtern lassen, domina. Was du tust, in deine Sache, aber ich werde nicht für dich lügen, sondern meinen Befehl befolgen, hier auf dich acht zu geben." Damit nickte Trautwini dem kuriosen Pärchen noch einmal zu, drehte sich steif herum und ließ sie allein, damit sie das tun konnten, was auch immer sie wollten. Er verließ das Haus nicht, denn er sollte Celerina beschützen, und diese Aufgabe fülhrte er wie gewohnt aus.



    Sim-Off:

    Das Thema ist Schnee von gestern, ich würde eigentlich ungern hier weiterschreiben, da alle anderen Geschichten inzwischen viel zu weit fortgeschritten sind, um das Ende dieser hier noch in irgendeiner Weise glaubwürdig einbringen zu können....

    Ich wollte sie anfahren, nicht so scheinheilig zu fragen. Doch ich sah sie nur an. All meine Gedanken spiegelten sich in diesem Blick. Sie widerte mich in jenem Moment einfach nur an. Mir einen Bastard unterschieben zu können. Ich hätte es nicht einmal gemerkt. Und doch, vielleicht hätte ich nicht einmal was gesagt, weil sie dann endlich ein Kind gehabt hätte und mir damit nicht ständig in den Ohren lag. Vielleicht hätte ich mich selbst belügen können, wo Celerina dies schon vollbracht hätte. Vielleicht.


    Doch diese Situation änderte alles, schlagartig und unumstößlich. Eine Lüge war keine Lüge mehr, wenn die zwei, die es betraf, die Wahrheit kannten. Und das, was Celerina mir dann erzählte, setzte allem noch die Krone auf. Ich atmete gepresst. Wie bekannt mir all dies vorkam. Wie ironisch! Und doch hätte sie sich des Betruges schuldig gemacht, nicht ich. Mit einem Sklaven. Mein Erbe hätte ein Sklavenbalg werden können. Mein Sohn! Das musste man sich einmal vorstellen. Kurz legte sich meine Wut - es war einfach zu absurd! - nur um erneut aufzuflammen. Kaum zu beherrschen, um ein Haar verheerend. Meine Hand an ihrer Kehle, wie sie zudrückte. Wie ich sie schlug. Brüllte. Ich blinzelte die Agressionen fort. Sie war dennoch meine Frau. Und sie trug kein Kind. Nur mit Mühe gelang es mir, einfach stehen zu bleiben, einer Statue des Mars gleich, mit selbigem zornverzerrtem Gesicht, mit geballten Fäusten, um die Hände um nichts anderes schließen zu können, und mit diesem abgrundtiefen Hass im Blick, den ich einfach nicht zu unterdrücken vermochte. Ich hätte gern ihr Gesicht gesehen, wenn ich ihr erzählte, dass Siv meinen Sohn geboren hatte. Ich hätte von ihr verlangen können, dieses Kind als das ihre auszugeben. Doch ich tat weder das eine noch das andere, sondern stand einfach nur da und versuchte, mich im Zaume zu halten. All die Worte, die sie gesagt hatte, all die Versuche, etwas wie Zuneigung zu ihr entwickeln, jegliche Bemühung dahingehend - eine Farce! "Wer", forderte ich krächzend einen Namen von ihr. Und ich schwörte stumm bei Iuppiter, dass ich ihn entmannen lassen würde, sobald er mir in die Finger kam.

    Es war für den Tiberier und sein Anliegen nur gut, dass ich keine Gedanken lesen konnte, sonst hätte ich ihn nicht mehr ernst nehmen können. Auch wenn diese Bezeichnung meinerselbst wohl nicht auf seinem Acker gewachsen war, sondern auf dem der Ehefrau meines Neffen. Als er sich als Adoptivsohn des Durus vorstellte, sah ich ihn erstaunt an. "Tiberius Durus hat dich an Sohnes statt angenommen?" wunderte ich mich. Natürlich dachte ich dabei eher an Laevina als an Durus selbst. Nur warum er diesen jungen Mann als seinen Sohn angenommen hatte, wo er doch nun die besten Möglichkeiten in seinem Bette hatte, einen leiblichen Spross zum Erben zu benennen - darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Ich ahnte ja auch nicht, dass Ahala im Falle einer Knabengeburt dem Neugeborenen würde weichen müssen. "Das ist interessant. Und ein tirocinium fori auf Durus' Empfehlung hin?" Das war interessanter als interessant. "Abgeneigt bin ich nicht. Allerdings müsstest du dir darüber im klaren sein, dass mein Verwandter Publius Imbrex ebenfalls ein Lehrjahr bei mir absolviert. Ihr könntet allerdings gut zusammenarbeiten."

    Nicht ehrlich. Gut, wer konnte das schon von sich behaupten? Immer gab es jemanden, zu dem man nicht ehrlich war. Nicht vollumfassend und bedingungslos. Dann brachte sie die Hochzeit ins Spiel, und hier machte ich mir zum ersten Mal Gedanken. Die darauf folgenden Worte drangen in meinen Verstand ein und verursachten....nichts. Ich war wie betäubt. Ihre Hand rutschte aus meiner, als ich sie losließ. Und dann realisierte ich, was das bedeutete. Es war nicht so wie bei Siv und mir. Ich zwang Celerina nicht zu einer Lüge. Mein Gesicht versteinerte sich, als ich mich ganz langsam von ihr zurück zog. Ich habe dich betrogen, Marcus. Und sie hätte mir, ohne mt der Wimper zu zucken, einen Bastard untergeschoben.


    Ohne eine Vorlaufzeit brodelte der Zorn in mir hoch. Ich war ohnehin leicht reizbar dieser Tage und ständig darauf bedacht, nicht an Siv und das Kind zu denken, die sich beide ein paar Türen weiter aufhielten - auch wenn ich es bisher gut unter Kontrolle hatte, nichts nach außen dringen zu lassen. Dies hier war ein ganz anderes Kaliber als das, was ich und sie hatten. Ich machte mir zumindest Gedanken über die Konsequenzen, und deswegen hatte ich meinen Sohn auch nicht als den meinen angenommen! Während ich die Kiefer noch fest aufeinander gepresst hatte, stach mir ein Gedanke in den Geist. Der Klient, der mir von Celerinas Ausflug damals erzählt hatte. "Spurius Sergius Sulla", sagte ich kalt und zuckte misstrauisch mit einer Braue. Man hatte lange nichts mehr gehört von ihm, ich hatte ihn fast vergessen und außerhalb Roms geglaubt. Doch dass er es war, mit dem sie mich betrogen hatte, erschien mir nur allzu logisch. Dann stand ich auf, so hastig, dass der Sessel laut über den Boden scharrte. "Wie kannst du es wagen!" Statt sie anzubrüllen, wonach mir eigentlich gewesen wäre, kam nicht mehr als ein kaum vernehmbares, heiseres Flüstern über meine Lippen. Ich sah Celerina voller Abscheu an. Sie hätte nicht einmal sagen können, wer der Vater wäre, wenn es zu einer Schwangerschaft gekommen wäre!

    "Hmm." Ich rieb mir nachdenklich übers Kinn. Sicherlich war eine Konkurrenz das beste Mittel, um Ehrgeiz zu provozieren. Andererseits hatte Vala mit seinem Einwand durchaus recht. Ich schwieg eine Weile und wägte Für und Wider gegeneinander ab, dann nickte ich. "Wir werden die Spanier bewusst außen vor lassen. Auch Flavius Gracchus ist damals ein Risiko eingegangen, als er eine bis dato unbekannte Schauspieltruppe engagierte. Lassen wir die Gallier und dir Norditaliener das Rennen unter sich austragen. Duccius, würdest du dich darum kümmern?" Ich blickte ihn Fragend an und wandte dann den Blick zu Imbrex. "Und dir würde ich dann gern die Anschreiben für die Rennen überlassen. Du müsstest herausfinden, wer welchen Stall leitet und die principes einladen.* Und dann hätte ich noch eine Bitte an dich. Es wird ein Festbankett zu Ehren der Götter geben, wir sollten uns diesbezüglich mit den Epulonen in Verbindung setzen. Ich würde hier gern den Weg über Flavius Piso gehen und nicht über den maguster direkt. Könntest du wohl einen Termin arrangieren?"



    Sim-Off:

    * das Übliche, sie mögen die Setzdaten bitte zusenden

    Sie schien erleichtert, dass ich keine Vorkenntnis über ihre Person hatte. Ein wenig irritierte mich diese Tatsache schon, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ich kannte sie nicht, wusste nichts über ihren Hintergrund oder von ihrer Lebensgeschichte, die mit ihren achtzehn Jahren so weit ohnehin noch nicht gediehen sein konnte. Ich achtete nicht darauf, was meine unbedachte Berührung vielleicht ausgelöst haben mochte, und ohnehin hatte der Weinkonsum mein Gespür dahingehend eher negativ beeinflusst.


    Dass sie auf die Idee kam, mit mir stimme etwas nicht - trotz meiner Bemühungen - lag auf der Hand. Sonst würde sie nicht so vehement nachforschen und bohren, was mich meinerseits dazu veranlasste, mich nur noch weiter abzuschotten und noch weniger als zuvor zu offenbaren. Ich kannte sie nun einmal nicht. Ich wollte mich ihr nicht anvertrauen in diesem Moment, und ich fragte mich, wieso ausgerechnet sie sich zum Engel ausgerufen hatte, der mich retten wollte. Ich hatte noch nicht genügend Wein getrunken, dass es mir egal gewesen wäre, wer von mir und Siv und unserem Sohn erfuhr. Septima fuhr fort, in mich zu dringen. Sie bemerkte scheinends nicht, dass ich mich unwohl fühlte, und zugleich keimte die Wut wieder in mir. Wut darüber, dass sie mich nicht in Ruhe ließ. Dass sie sich mir aufdrängte. Wut darüber, dass ich nicht alles vergessen konnte, und sei es nur für diesen Abend, bis die Welt morgen früh wieder über mich hereinbrechen würde wie ein Schwall eisigen Wassers. Und zugleich schämte ich mich in gewisser Weise dafür, dass ich ihr im Grunde freundliches Angebot so derb ausschlug, und sei es nur in Gedanken. Denn Septima bekam von dem Ringen in meinem Inneren nichts mit. Dafür war die Maske in jenem Moment zu perfekt. Ich blickte hinunter auf die Hand, die warm auf meinem Arm rührte. Sie linderte kaum Schmerz und Wut, tat dennoch wohl, wenn auch nur wenig. "Ich danke dir für deinen...Rat", erwiderte ich und konnte es nicht vermeiden, reserviert dabei zu klingen. Erst danach sah ich wieder auf. "Ich habe allerdings nicht die Absicht, mit dir darüber zu diskutieren, warum ich keinen Appetit habe." Ich sah sie durchdringend an. Zugegebenermaßen hatten mich indes ihre Worte ein wenig neugierig gemacht. Was sie wohl damit meinte, dass sie schon einiges erlebt hatte? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass eine junge Patrizierin aus gutem Hause Schlimmes durchgestanden hatte. Doch ich fragte nicht nach. Die ganze Situation war mir unangenehm, und meine Hemmschwelle wurde noch dadruch vergrößert, dass sie die Frau meines Neffen war.


    Ich schloss die Augen für einen Moment und versuchte, mit ruhigem Atmen das Brodeln zurückzudrängen. Das war stets mein größter Makel gewesen. Die Beherrschung nicht zu verlieren, wenn ich in Rage geriet. Und derzeit schien die Kontrolle noch schwieriger zu sein, da bereits Kleinigkeiten mich grundlos aufrührten und dazu zwangen, mich innerlich selbstzukasteien. Septimas Hand war der einzige warme Pol für mein eisiges Ich, abgesehen von den hell lodernden Flammen des Zorns, der sich immer wieder Bahn brach. Aber ich würde die Beherrschung nicht verlieren. Nicht ihr gegenüber, nicht jetzt. Ich durfte es nicht.

    Ich war verwirrt und ratlos. Celerina war außer sich, und ich konnte nicht recht nachvollziehen, warum. Gewiss trug der Orakelspruch eine Teilschuld an ihrer Verfassung. Es war doch nun wirklich kein Beinbruch, wenn es mit dem Kind ein klein wenig länger dauerte. Bei diesem Gedanken versuchte ich, meinen Sohn auszublenden, der ein paar Zimmer weiter friedlich in seiner Wiege schlummerte. Celerinas Verhalten kam mir da nur recht, in stürzte mich regelrecht darauf, sie aus der Verzweiflung herauszolocken, nur um alles andere für den Moment vergessen zu können. "Sag so etwas nicht", erwiderte ich nur wenig energisch. Allerdings, dass ich der Grund nicht sein konnte, dafür gab es inzwischen einen anschaulichen Beweis. Ich überlegte. Was, wenn sie mir tatsächlich keine Kinder schenken konnte? Ich wäre gezwungen, mich anderweitig zu orientieren. Oder zu adoptieren, wie Durus es getan hatte - zu meinem Leidwesen, denn es stellte seine Ehe mit Laevina nicht eben günstig hin.


    Celerina wollte etwas gestehen? Skeptisch runzelte ich die Stirn und fragte mich, was diese Tatsache mit der gegenwärtigen Situation zu tun haben mochte. Ich hob die Brauen und sah sie fragend an, etwas zu sagen, ersparte ich mir. Celerina hatte inzwischen aufgehört zu schluchzen. Es musste etwas Ernstes sein. Oder machte sie nur wieder einen Elefanten aus einer Mücke?

    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/8683/sklave3hx9.jpg| Caecus


    Es war Caecus, der nun ein wenig zerknirscht an die drei Herrschaften herantrat und sich räusperte. "Verzeihung, ich möchte nicht stören", sagte er und blickte von Ursus zu Septima zu Seiana. "dominus Corvinus lässt sich entschuldigen und bittet dich, werte Decima, in drei Tagen am Vormittag nach dem Klientenampfang zum Gespräch. Er bedauert es, dich nicht gleich empfangen zu können, doch er versichert, dass eine wichtige Angelegenheit vorliegt." Caecus deutete eine Verbeugung an und wartete dann, ob er vielleicht noch etwas ausrichten sollte.

    Mir entging die Erwartungshaltung der Tiberierin vollkommen. Mehr noch, ich hatte nicht den zartesten Schimmer, warum ich sie so interessierte. Natürlich war es lobenswert, sich nach dem Befinden eines Familienmitgliedes zu erkundigen, insbesondere wenn man neu in selbiger war und Kontakte knüpfen wollte. Sie konnte auch nicht wissen, dass ich des Öfteren allein aß oder das Abendessen ganz ausfallen ließ, immerhin war dies das erste Mal, dass sie es bewusst mitbekommen hatte. Auch ihr Zögern entging mir nicht, und ich war schon kurz davor, doch noch dankend abzulehnen. Doch sie schloss die Tür und war eingetreten, ehe ich es mir anders überlegen konnte.


    Augenscheinlich mochte sie ihren Wein nicht unverdünnt. Der Umstand, dass ich ihr nur halb eingeschenkt hatte, bot genügend Platz für ausreichend Wasser zur Verdünnung. Vielleicht hätte mich die Situation gereizt, vielleicht auch nicht, doch momentan war da nichts mehr als ein tiefes, schwarzes, vernichtendes Etwas, das ich nicht näher benennen konnte. Vielleicht wurde ich ja krank, und der Gedanke an das fiebrige Brüten während meiner letzten Amtszeit trieb mir kurz einen Schauder über den Rücken und Gänsehaut auf die Arme. Ich dachte mir nichts dabei, wie es auf Septima wirken musste.


    "Nein", erwiderte ich. "Durus und ich haben so detailliert nicht über dich gesprochen." Was ja auch stimmte. Bei den meisten Heiratsabsprachen ging es weniger um das Wesen und den Hintergrund der Frau als vielmehr um die Mitgift. "Und ehe du fragst: Mit meinem Neffen habe ich seit eurer Hochzeit auch kaum ein Wort wechseln können. Wir sind beide sehr beschäftigt, und er in letzter Zeit beinahe noch mehr als ich." Ein schiefes Schmunzeln zeigte sich kurz, verschwand schnell wieder. Ursus und ich waren noch nie sehr dick miteinander gewesen, doch während der letzten Wochen hatten wir mehr aneinander vorbei gelebt und nichts weiter gemeinsam getan, als unter einem Dach zu leben. Bei Septimas folgenden Worten musste ich in Überraschung die Brauen heben. Es war ihr doch tatsächlich gelungen, mich während der ersten zehn Sätze zu überraschen. Ich berührte sie kurz am Unterarm. Sie war warm. Schnell nahm ich die Hand wieder fort und überspielte die Situation mit einem Lächeln, das meine Augen nicht erreichte, obwohl ich mir große Mühe gab. "Es wäre mir ohnehin nicht eingefallen, dich zu mir zu zitieren, Septima", erwiderte ich. Sie gehörte nun zur Familie, und man zitierte keine Familienmitglieder zu sich, sofern sie nicht Kinder waren und etwas angestellt hatten.


    Hatte ich eben noch vage gelächelt, versteinerte der Ausdruck auf meinem Gesicht und verflüchtigte sich, als sie auf den Wein zu sprechen kam. Ich revidierte meine eben gefasste Meinung. Septima sprach mit mir, wie ich es nur meiner Mutter erlaubt hätte. Eine steile Falte bildete sich auf meiner Stirn, als die Brauen näher zusammenrückten. Zum ersten Mal beschlich mich das Gefühl, dass sie wusste, was mit mir los war. Warum ich in Lethargie versank, aus die ich mich selbst gewiss nicht retten konnte. Ich schwieg eine Weile und versuchte, meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen. Dass mir ihre Ermahnung missfallen hatte, war ihr gewiss nicht entgangen, auch wenn ich mich recht schnell wieder in der Gewalt hatte und die Maske wieder saß. "Ich wüsste nicht, welche Lösung du meinst", sagte ich in dem Versuch, unbefangen zu klingen, doch kamen die Worte mehr gepresst deutlich steif daher. Und in einem Anflug von Trotz leerte ich die Hälfte meines Bechers in einem einzigen Zug. Was verstand sie auch von solchen Dingen? Dass sie und Ursus zufrieden miteinander waren, schwang in jedem Luftzug mit, der durch dieses Haus wehte, in jedem leisen Geräusch hinter der verschlossenen Schlafzimmertür und in jeder Geste, die die beiden für einander übrig hatten. Ich lächelte bitter.

    Die Sache mit dem Wein war mehr als nur ein Versuch. Ich wollte mich bereitwillig betäuben. Wein fungierte ab einer gewissen Dosis wie Kitt, den man in die klaffenden Löcher seiner Seele schmieren konnte, um sie zu verschließen. Bedauerlicherweise hielt die notdürftige Reparatur nie sonderlich lang. Mit meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen konnte ich es mir allerdings nicht erlauben, einen Zustand der dauerhaften Trunkenheit herbeizuführen. Noch wehrte ich mich dagegen. Das mochte anders aussehen, wenn die zweite Karaffe geleert war.


    Doch vorerst hielt mich Septimas Anwesenheit davon ab, den restlichen Wein ebenso schnell zu vernichten wie den bisherigen. Sie stand immer noch in der Tür. Ob ich eine solch tiefgreifende Düsternis ausstrahlte, dass sie instinktiv davor zurückschreckte? Zumindest klang sie nicht, als würde sie sich fürchten oder als wäre ihr ihre Anwesenheit nun doch unangenehm. Oder wünschte sie sich insgeheim, doch nur einen Sklaven geschickt zu haben? Ich deutete auf den freien Sessel neben meinem. Sie standen nach dem Verrücken von eben einander linksseitig an rechtsseitig nebeneinander, sodass man sich problemlos ansehen konnte im Gespräch. "Möchtest du dich setzen?" fragte ich sie und ließ den Vorschlag, Licht zu machen, unbeantwortet im Raume stehen. Es war angenehm, hier in der Dunkelheit, und dank des Mondes war es nicht vollkommen pechschwarz. Das silbrige Licht schuf eine geheimnisvolle Atmosphäre. Ich zog einen zweiten Becher heran, schenkte mir selbst nach und Septimas Becher halbvoll, ehe ich ihn zu ihr schob und mich wieder zurücklehnte. Dass sie mir angeboten hatte, zuzuhören, ehrte sie zwar, doch hatte ich bisher nicht einmal mit Prisca darüber sprechen können. Septima kannte ich kaum. Dies hier war das erste nicht nur flüchtige Gespräch, das wir seit ihrer Hochzeit mit Ursus hatten. Das beschämte mich etwas. "Es tut mir leid, dass du ausgerechnet mein Fehlen beim Abendessen zum Anlass für einen Besuch nehmen musstest. Wir hätten schon viel früher einmal miteinander reden sollen." Ich führte den Weinkelch an die Lippen und nahm einen Schluck. Guter Falerner, unverdünnt, ebenso wie in ihrem Gefäß. Ich riss mich zusammen. Bisher gelang es mir ganz gut, ihr auszuweichen und auf weniger beschwerliche Dinge abzuschwenken, auch wenn die Mimik nicht immer überzeugend war. "Ich hoffe, du hast dich schon gut eingelebt?" begann ich ein wenig ungeschickt nach einer längeren Pause einen Ablenkungsversuch von mir auf ihre eigene Person.

    Das einfallende Licht war an sich zwar nicht grell, doch im Vergleich zur hier drinnen vorherrschenden Düsternis - welch Ironie der Formulierung - war es so hell, dass ich die Augen zusammenkniff und kaum mehr erkennen konnte als Septimas schlanke, fein geschwungene Silhouette. Ihre Worte erinnerten mich stark an Prisca. Ach, Prisca. Ich unterdrückte ein Seufzen. Ihre Herzlichkeit wäre das, was ich gebraucht hätte.


    Septimas Worte ließen mich ein Lächeln andeuten. Von ihrem Platz an der Tür aus konnte sie mich gewiss besser sehen als ich sie. Ich brauchte einen Moment, um eine halbwegs plausible Antwort zurechtzulegen. "Ich hatte keinen Appetit." Als ich ihr schließlich geantwortet hatte, fand ich, dass ich nicht besonders überzeugend klang, und ich beschloss, mir beim nächsten Versuche mehr Mühe zu geben. Sie war dort, diese schwärende, nässende Wunde in meiner Brust, und ich musste sie irgendwie ignorieren, um nicht gänzlich den Kopf zu verlieren. Erst recht nicht gegenüber Septima. "Es ist alles in Ordnung", schob ich recht überzeugend nach, nur das zugehörige, zuversichtliche Lächeln wollte mir partout nicht gelingen, so dass die Worte zwar glaubhaft klangen, doch die Ironie der Situation wiedergaben. Immerhin saß ich im Dunkeln, allein mit einem Weinkrug, und brütete vor mich hin. Ich hätte mir ob dessen wohl selbst nicht geglaubt.

    Kurz nachdem ich meine Frage gestellt hatte, schwante mir, dass es nur Celerina sein konnte. Ich wusste nicht, dass sie am Abend außer Haus gegessen hatte und vermutlich noch nicht wieder zurück war. So kalt es auch klang, so war doch sie diejenige, die ich am allerwenigsten sehen wollte. Ich wartete aug eine Antwort und suchte in Gedanken bereits nach einer Ausrede, sie nicht empfangen zu müssen. Warum sonst sollte sie nach dem Abendessen herkommen, wenn nicht, um ihr Bestreben fortzuführen, mir ein Kind zu schenken? Ich konnte es nicht. Nicht heute, nicht so. Das würde ich bei ärgster Willensanstrenung einfach nicht zustande bringen.


    Doch dann meldete sich Septima, und ich war froh, dass sie meine Reaktion nicht sehen konnte, denn ich starrte die Tür entgeistert an. Was sollte sie von mir? Ausgerechnet heute? Kurz tauchte ich aus dem dunklen See auf, in den ich mich hatte sinken lassen. Ich stellte mit einem leisen Klacken den Becher zurück auf den Tisch. Sollte ich sie abweisen? Wie sah es denn aus, wenn ich sie in meinem Schlafgemach empfing? "Bitte komm herein", bat ich sie schließlich wider besseres Wissen und rutschte mit dem Sessel ein wenig herum. Ich sollte wohl auch Licht machen. Seitlich zu ihr gewandt saß ich nun also in dem knarzenden Korbsessel und sah Septima entgegen, ohne jedoch zuvor Licht gemacht zu haben. Ich fragte sie nicht nach ihrem Anliegen, sondern verwendete meine ganze Beherrschung darauf, ihr eine neutrale Maske zu präsentieren und nichts von dem in meinem Inneren zu offenbaren.

    Die Dämmerung hatte sich bereits über Rom gesenkt, als es klopfte. Ich hatte mir einen Sessel zum Fenster gedreht und sah hinaus. Kein Licht brannte, das Essen auf dem Tablett war erkaltet und nicht angerührt. Dafür war der Krug halbleer, den der Sklave gemeinsam mit dem Essen hergebracht hatte. Es war bereits die zweite Karaffe Wein, und gedankenverloren drehte ich den Becher zwischen meinen Fingern. Immer wieder, rund und rund und rund im Kreis, ohne dass ich darauf achtete, welche Bewegungen ich ausführte. Dumpf brütete ich vor mich hin. Ich wusste, dass ich auf einem schmalen Grat zum Selbstmitleid wanderte, aber ich konnte mich einfach nicht zusammenreißen. Ohnehin war es gleich, schließlich war ich allein.


    Doch hatte es nicht eben geklopft? Mir war so, als sei da etwas gewesen. Ich richtete mich ein wenig auf und wandte den Blick über die Sessellehne zur Tür ihn, als ob jene mir sagen konnte, dass ich mich nicht verhört hatte. "Wer ist da?" rief ich versuchshalber, aber nicht sehr laut und mit wenig Interesse. Ich hatte schließlich aus gutem Grund auf ein gemütliches Beisammensein zum Abendessen verzichtet.