Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Zweifellos hatte der lictor den Halbmond ins Auge gefasst, als er eben zu Boden gesehen hatte. Als er jedoch meine Geduld lobte, musste ich schmunzeln. "Glaub mir, ich bin nicht immer geduldig. Andererseits bringt es wohl kaum etwas, hier ungeduldig zu sein. Davon würden die Schlange nicht kürzer, der Prätor nicht schneller und die Anliegen der Anstehenden nicht weniger knifflig", erwiderte ich. "Ja, manche Probleme möchte man selbst nicht haben. Umso besser, dass wir nicht wegen eines Problems hier sind." Ich konnte ein neuerliches Schmunzeln nicht unterbinden.


    Der inzwischen tochterlose Vater zog in diesem Moment direkt neben uns von dannen, wenngleich er dabei auch eher betrübt und traurig wirkte denn erleichtert oder wütend. Nein, manche Entscheidungen verstand man nicht, und viele bereuten später den zuvor gefassten Entschluss. Ob ich den meinen auch bereuen würde? Die Schlange rückte weiter vor. Noch ein junges Paar mit einem Anliegen, das zu leise vorgetragen wurde, als dass man es hätte verstehen können, dann würden wir an der Reihe sein. "Befindest du dich seit Beginn der Amtszeit in den Diensten des praetor Purgitius?" griff ich das Gespräch wieder auf, denn sich ein wenig die Wartezeit mit einem Gespräch vertreiben zu können, war durchaus angenehm.

    Soeben ist die CV. Ausgabe der Acta Diurna erschienen. Wir wünschen unseren Lesern viel Freude und Information mit der neuen Ausgabe.


    Die Redaktion.


    Die Themen dieser Ausgabe:
    - Consul Tiberius - Wer ist er wirklich?
    - Ansturm auf Ritterposten
    - Verschwunden, doch wohin?
    - Sagenwelt des Nicocrates Evax
    - Feste feiern, wie sie fallen
    - Reiseberichte
    - Mysteriöser Tod in Alexanxandrien
    - u.v.m.


    Sim-Off:

    Guten Rutsch euch allen und ein schönes Jahr 2010 wünscht euch das Acta-Team!

    Ich ahnte nicht, dass Piso sich später darüber wundern würde, woher ich von der Ehe des Furianus wusste. Es hatte eben auch seine Vorteile, auctor zu sein. Den Hinweis, dass Furianus es nicht nötig hatte, seine Hochzeit nicht zu verbergen, ließ meine Brauen kurzzeitig hinauf rutschen. Ich erwiderte darauf nichts, schließlich wollte ich bei unserer Konversation keinen Kleinstreit vom Zaun brechen. Dass er krank gewesen war, hatte auch ich gehört. Immerhin hatte Furianus damals für Aufsehen erregt, als er den Kaiser darum gebeten hatte, vor seinem Tod noch einmal Ägypten bereisen zu dürfen. Und nun war er verheiratet mit einer, wie man sagte, Frau Mitte dreißig, und nahm die Fäden des öffentlichen Handelns wieder auf. Ich enthielt mich eines Kommentars dazu, kommentierte allerdings seinen Ausspruch über die Liebe. "Dann kann er sich glücklich schätzen."


    "Ah, das sind natürlich schlagkräftige Argumente", erwiderte ich, nachdem Piso vorgetrage hatte, warum er ein guter tresvir wäre. Wieder fiel mir auf, dass ich dringendst die Zeit finden sollte, den cursus iuris zu absolvieren. "Nun denn, ich werde dich bei deiner Wahl unterstützen. Wissenswert für dich wäre vermutlich noch, dass ich es nicht nur der Verwandtschaft wegen tun werde", sagte ich zu Piso und lächelte kurz. "Ich kenne dich zwar kaum, aber ich hoffe, diesen Umstand auf Dauer ändern zu können. Es könnte auch durchaus möglich sein, dass unsere Familien in der Zukunft weiter zusammenwachsen und wir allein ob dessen schon mehr Gemeinsamkeiten entdecken." Während ich das sagte, beobachtete ich seine Reaktion auf meine Worte ganz genau. Ich würde schon herausfinden, ob ihn hinsichtlich Prisca etwas umtrieb. "Du hast auch eine Schwester, nicht wahr?" fügte ich hinzu und dachte dabei an Avianus und Imbrex.

    Ein Stocken ging durch die Reihe der Anstehenden. Wir kamen ein gehöriges Stück nach vorn. Siv schien nicht zu ahnen, warum wir hier waren. Ich haderte kurz mit mir, ob ich es ihr nicht doch besser sagen sollte, entschied mich aber dagegen. Immerhin wusste ich nicht, wie sie darauf reagieren würde, ob mit Freude, Schrecken oder gar Trauer. Wobei letzteres eigentlich auszuschließen war.


    Ein unbedachter Römer rempelte Pyrrus an, der daraufhin einen unschönen Fluch knurrte und begann, ungeduldig mit dem Fuß zu wippen. Ich seufzte leise. So sehr seine Fähigkeiten auch für ihn Sprachen, so schlecht waren seine Manieren und seine Toleranz. Es wurde wahrlich Zeit für einen alternativen scriba. Erneut rückten wir voran. Es waren nurmehr zwei Personen vr uns an der Reihe. Mein Blick suchte den des Liktors, während ich es nicht verhindern konnte, das Anliegen desjenigen zu hören, der gerade an der Reihe war. Scheinbar hatte er seine Tochter inflagranti mit einem Stallburschen erwischt und wollte sie nun verstoßen.

    "Hm?" unterbrach ich neuerlich den musikalischen Ausdruck meiner guten Laune, um Orest fragend anzusehen. "Ja, mir geht es bestens. Allerdings schaust du ein wenig verkniffen aus, wenn ich mir diese Feststellung erlauben darf", erwiderte ich und schmunzelte. Kurz darauf offenbarte er allerdings schon, was ihn beschäftigte. Überrascht runzelte ich die Stirn. Doch die gute Laune konnte mir heute wohl nichts trüben.


    "Narcissa und Flora? Ach herrje", war meine erste Erwiderung. Ich lehnte stehend an meinem Schreibtisch und hatte die Hände rechts und links vom Körper darauf aufgestützt. "Natürlich können sie herkommen. Wie alt sind die beiden denn jetzt?" Um die fünfzehn, glaubte ich. Dann wären sie vermutlich für den Garten eine geringe Bedrohung. Umso größer würde sie für die Männerwelt sein. Erneut musste ich schmunzeln und neigte den Kopf gen Boden. Dann sah ich Orest wieder an. "Schreib ihr. Und bestell schöne Grüße. Hat sie denn auch schon erwähnt, wann sie die Zwillinge schicken wird?"

    Die beiden Iulier, die er erwähnte, sagten mir nichts. Doch ich kannte einen Iulier aus Germanien, mit dem ich damals eng zusammengearbeitet hatte. "Bist du auch enger mit Tiberius Iulius Drusus verwandt? Er war damals optio bei der Secunda, als ich dort ein Tribunat ableistete", erzählte ich. "Deine Familie ist stark militärisch veranlagt. Da ist es umso erstrebenswerter, auch wieder in der cura Iulia Fuß zu fassen. Es hat lange keinen namhafter Iulier mehr unter den Senatoren dort gegeben." Streng genommen konnte ich mich an keinen einzigen Namen erinnern. Während meiner Zeit im Senat hatte dort kein Iulius um das Rederecht gebeten, und zuvor... Nun, soweit reichten meine Erinnerungen nicht zurück, und damals war es mir noch weniger wichtig erschienen, die Namen der bedeutenderen Senatorenschaft zu kennen. "Wer ist dein patronus, wenn ich fragen darf?" fügte ich an.

    Orestes hatte recht mit seiner Vermutung, mich hier anzutreffen. Allerdings diktierte ich gerade keinen Brief, sondern stand allein vor dem Fenster und sah hinaus. Nicht etwa nachdenklich oder tief in Gedanken versunken, sondern wippend, wiegend und guter Dinge. Ich summte leise und hatte gute Laune, weil ich endlich meinen Entschluss gefasst hatte. Vielleicht ein wenig unkonventionell, dass ein Patrizier allein durch sein Büro tanzte - sofern man dabei vom Tanzen sprechen konnte - doch irgendwo musste die erste gute Laune seit langem hinaus. Als es klopfte, hielt ich inne. "Ja bitte?" rief ich und sah zur Tür, wie sie sich langsam öffnete. "Ah, Manius! Komm rein, komm rein", sagte ich erfreut und machte eine deutliche Geste, dass er hereinkommen sollte. Leise setzte ich wieder mit dem Summen ein.


    Ad
    consul Manius Tiberius Durus
    villa Tiberia zu Roma
    ITALIA



    pontifex M. Aurelius Corvinus consulem M' Tiberio Duro s.d.


    Hiermit bitte ich dich, meiner Kandidatur zum aedilis curulis zu den kommenden Wahlen stattzugeben.
    Ich beabsichtige, jenes Amt ein zweites Mal zu bekleiden, da es mir während meiner letzten Amtszeit krankheitsbedingt nicht möglich war, es zu Roms Zufriedenstellung und jener meiner selbst in seiner Gänze auszuüben.


    Mögen die Unsterblichen deine Familie behüten.


    Vale bene.


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    - senator et pontifex -




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    ROMA, ANTE DIEM IV KAL IAN DCCCLX A.U.C. (29.12.2009/106 n.Chr.)


    Ich hob überrascht die Brauen, als Imbrex bereits die nächsten Wahlen ansprach. "Die sind in ein paar Wochen. Findest du es nicht ein wenig zu schnell? Bis dahin kannst du dich kaum in Rom etablieren, Publius", gab ich zu bedenken. Sicherlich gab es auch genügend junge Männer, die sozusagen frisch von der Schule in den cursus honorum gelangen wollten, doch die Erfahrung der letzten Jahre hatte gezeigt, dass es durchaus sinnvoller war, sich zuerst in Rom und bei den Senatoren bekannt zu machen. "Etwas vorweisen zu können, und sei es nur die praktische Erfahrung aus der Tätigkeit eines scriba heraus, ist im Senat bei der Befragung stets von Vorteil. Noch besser ist es, wenn du die wichtigsten Senatoren zuvor aufsuchst. Aber das ist dir sicherlich bewusst", kommentierte ich. Noch wusste ich ja nicht, dass Imbrex sich im nächsten Schritt zuallererst einen Patron suchen würde.


    "Ah, die schola... Ja. Ich wollte mich längstens für den cursus iuris eingeschrieben haben." Doch wie so oft hatte mir die Zeit dafür bisher gefehlt. Ich trank einen Schluck und schwenkte den Becher nachdenklich hin und her. Nun, jetzt gab es erst einmal Wichtigeres zu tun. "septemvir oder quindecemvir", wiederholte ich und nickte. "Ich werde mich diesbezüglich umhören. Es müsste sich etwas machen lassen", versprach ich. "In der Zwischenzeit lasse dich über die politischen Ereignisse informieren, die in letzter Zeit hier geschehen sind, sofern du noch nicht darüber im Bilde bist. Zumindest der magister der Siebenmänner ist mit einem soliden Grundwissen über die Geschehnisse in Rom leicht zu beeindrucken. Vom Kopf der quindecemviri weiß ich leider nicht allzu viel, aber es heißt, er sei Neuerungen und Innovationen sehr zugetan. Vielleicht hilft dir das bei der Vorbereitung auf ein Gespräch, denn darum wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht herumkommen. Mein scriba Livius Pyrrus wird dir diesbezüglich zur Verfügung stehen."


    Was die Mitgliedschaft in einer Sodalität anbelangte, sagte ich nichts weiter. Imbrex war alt genug, um selbst darüber zu befinden, bei welcher der drei Gremien er sich wohl fühlen würde, ob bei den palatinischen oder collinischen Saliern oder den Arvalbrüdern. Ich war mir sicher, dass er sich zurechtfinden würde.

    Meine eigene Kindheit hatte in Mantua kaum Grenzen gekannt, was die Spielterrains anbelangt hatte. Als Ursus mich jetzt daran erinnerte, fiel mir das Haus wieder ein, in dem ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Und das nun Durus gehörte. Ich runzelte ein wenig betrübt die Stirn. Nun denn, der Stammsitz in Rom war vor sehr langer Zeit im Auftrag meiner Familie erbaut worden, und die Landvilla in Mantua war ihrerzeit nur zugekauft worden. Insofern war es ein durchaus verschmerzbarer Verlust, Laevina Grund und Haus in Mantua als Mitgift zu geben. Bei Prisca würde ich mir da schon mehr Gedanken machen müssen, ging mir durch den Kopf. Ich seufzte leise.


    "Ich werde mir Gedanken darüber machen", versprach ich. Zwar würde es vorerst bei Gedanken bleiben, doch immerhin war das ein Vorsatz, den ich nicht vergessen würde. Ursus' Überraschung entging mir nicht. Ich sah ihn ein wenig grübelnd an und war im Grunde froh, dass er das Thema nicht weiter verfolgte. Ich erhob mich also, legte ihm noch kurz die Hand auf die Schulter und drückte flüchtig zu. "Wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen", sagte ich noch. Dann verließ ich Ursus' Zimmer.

    Als man mich ansprach, verschränkte Livius Pyrrus die Arme vor der Brust. Ihm war es wieder einmal klar, dass nur ich angesprochen wurde. Und ich selbst bemerkte nicht, dass er sich auf den Schlips getreten fühlte. Siv schien mit sich selbst beschäftigt. Und ich fragte mich, wie sie reagieren mochte, wenn sie erfuhr, weswegen wir hier waren.


    "Vielen Dank für die Information, aber das macht nichts. Ich hatte schon damit gerechnet, so kurz vor den Saturnalien. Es gibt scheinbar eine ganze Menge Römer, die ihre Rechtsgeschäfte unbedingt noch vor den Feiertagen erledigt wissen wollen", erwiderte ich freundlich. Livius Pyrrus verfolgte das Gespräch interessiert, hielt sich aber heraus. "Ihr seid sicherlich auch froh, wenn ihr dem Rummel für ein paar Tage entfliehen könnt."

    EIn vages Schmunzeln beschlich mich, als Siv mich fragte, warum der Schreiber mitkam. "Er begleitet uns, weil ich ihn brauche", war auch hier wieder die nichtssagende Antwort. Es bereitete mir in diesem Augenblick eine fast kindliche Freude, Siv so ahnungslos zu sehen, wie die großen blauen Augen mich verwundert musterten und sie sich sichtlich am Riemen riss, um nicht eine klare Antwort aus mir heraus zu schütteln. Livius Pyrrus zog nur eine Grimasse, sagte sonst aber nichts. "Ein wenig Geduld noch", bat ist, als wir das Haus verließen und uns grob in Richtung des Siv bekannten forum romanum wandten.

    Einen kurzen Weg später - wir waren zu Fuß gegangen und hatten die Sänfte stehen lassen - waren wir vor der Basilica angekommen. Ich wusste nicht, ob Siv ahnte, was auf sie zukommen würde. Ich hatte auch keine Ahnung, wie sie später reagierte, wenn sie erfuhr, warum wir hier waren. Gemeinsam stiegen wir drei die langen marmornen Stufen empor. Es kamen zwei Senatoren im Gespräch aus dem Gebäude. Einer schien aufgewühlt, der andere erleichtert. Offensichtlich stritten sie gerade miteinander, verstummten jedoch, als sie uns passierten. "Beeindruckend, nicht wahr?" sagte ich zu meinen beiden Begleitern, ehe wir die Basilica betraten.


    Drinnen war der Weg zur sella curulis nicht mehr lang. Kurz darauf hatten wir uns in die Reihe der Antragsteller eingereiht und warteten, dass es voran ging. Immerhin hatten auch andere Römer rechtliche Angelegenheiten zu klären, und so war es nicht verwunderlich, dass wir warten mussten - zumal in wenigen Tagen bereits die Saturnalien anstanden. Doch zumindest ich selbst war ne gewisse Wartezeit vorbereitet. Pyrrus hingegen rollte bereits jetzt ungeduldig mit den Augen. Es hätte mich nicht groß gewundert, wenn er plötzlich mit einem Huf gescharrt hätte.

    "Ja", hatte ich schlicht bestätigt, als Siv ungläubig fragte, ob wir tatsächlich in die Stadt gingen. Jetzt war ein guter Zeitpunkt, fand ich. Während sie sich etwas Wärmendes zum Anziehen holte, knetete ich gedankenverloren meinen tiefroten Umhang und dachte über ihre Zeitangabe nach. Zwei Monate. Bis dahin wäre Celerina vermutlich wieder aus Ostia zurück, wenn sie mich nicht vor den Kopf stoßen wollte. Ich erwartete sie aus Gründen des Anstandes schon vor den Saturnalien zurück. Sie war meine Frau, und damit die Frau des Hausherren, also konnte sie nicht einfach einer solchen Feierlichkeit fern bleiben. Sie hatte sich um das Schmücken des Hauses und die Organisation für die Gäste zu kümmern. Ich ging also davon aus, dass sie ihr Pflichtgefühl noch über ihre persönlichen Belange stellen würde, wie es sich für eine Römerin gehörte. Nun, in zwei Monaten würde ich also Vater werden. Nicht vor dem Recht, aber dennoch biologisch. Das war schon ein seltsames Gefühl.


    Als Siv zurückkehrte, besah ich mir kurz ihren Überwurf und nickte dann. Selbst legte ich mir den Mantel um die Schultern, zog ihn zurecht und bog dann die Fibel zu, damit mir die Schurwolle nicht von den Schultern glitt.
    "Du wirst sehen, wo es hingeht, wenn wir dort sind", sagte ich. "Jetzt komm." Damit deutete ich in Richtung des atrium und ging voran. Vor meinem Arbeitszimmer machte ich Halt. "Warte einen Moment." Ich verschwand drinnen, ließ die Tür allerdings nur angelehnt. "Pyrrus. Es ist soweit. Du weißt, was du zu tun hast?" Ein Scharren war zu hören, dann wie jemand aufstand und über den Boden lief. "Jetzt? Es ist kalt", sagte Pyrrus. Keine Erwiderung. Eine Schublade wurde auf- und wieder zugezogen. Dann trat ich wieder hinaus, wo Siv wartete. Hinter mir kam Livius Pyrrus aus dem Zimmer und schloss die Tür. Er warf Siv einen zweifelnden Blick zu und wandte sich dann an mich. "Bist du sicher, dass-" "Bin ich", erwiderte ich in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ. Pyrrus zuckte mit den Schultern und ging los. "Ist deine Sklavin", murrte er. "Komm Siv", sagte ich.

    Nicht mehr so lange... Mein Blick glitt automatisch auf ihren Bauch. Es war definitiv nicht mehr zu übersehen, dass sie schwanger war. Ebenso wenig wie dass sie bald ihre Niederkunft haben würde. Obwohl es keinen Unterschied machte, wünschte ich mir einen Knaben. Celerina würde mir den Jungen gebären müssen, damit ich ihn annehmen konnte. Wenn Siv einen Jungen auf die Welt brachte, wäre das zwar ein Segen, aber ich hatte immer noch keinen Erben. Wieder sann ich darüber nach, und wieder gab ich es auf, indem ich tief seufzte und den Gedanken dann fallen ließ. "Was denkst du, wann es soweit sein wird?" Vielleicht war Celerina noch nicht wieder zurück. Das hätte den Vorteil, die Freunde nicht gänzlich verbergen zu müssen. Obwohl ich bereits jetzt annahm, dass es mir ohnehin nicht gelingen würde.


    "Das ist gut", sagte ich erfinderisch, als sie kund tat, dass es ihr gut ging. Siv lächelte. Ich war gedanklich noch bei einem perfekten Knaben. Deswegen sah ich sie auch vollkommen perplex an, als sie mich fragte, ob ich "ihn" wieder zurück haben wollte. Ich überlegte, wie sie das wohl meinte. Bis mir aufging, dass meine Gänsehaut mit dem Mantel um ihre Schultern und ihrer Frage in Zusammenhang stand, musste ich reichlich überrumpelt ausgesehen haben. Dann grinste ich, zugegebenermaßen, reichlich albern. "Ah. Nein, behalte ihn. Aber lass uns nach drinnen gehen", sagte ich und kam mir gelöst vor. "Ich bin eben doch kein Germane." Eine nüchterne Feststellung. Auch unser Kind wäre weder germanisch noch römisch. Bald waren die Saturnalien. In wenigen Tagen wäre das Haus wieder leer, weil die Sklavenschaft ihre kurzweilige Freiheit genoss. Warum eigentlich nicht? Dachte ich, und erneut legte sich ein Lächeln auf meine Züge.


    "Komm", sagte ich und deutete hinein. Es war nicht weit bis zur Schwelle der exedra. Kurz darauf standen wir darin. "Hol dir etwas Warmes zum Anziehen. Wir gehen in die Stadt", sagte ich zu Siv und setzte mich, um solange zu warten.

    "Ich werde ihn mir ansehen", versprach ich unverbindlich und ahnte ja doch nicht, dass es Piso sein würde, der sich an mich wandte, nicht umgekehrt. Dass er ehrgeizig ung zielstrebig sein sollte, das glaubte ich sofort. Immerhin war er ein Flavier, und Gracchus' familienpolitischer Einfluss sollte dahingehend sicherlich seine Wirkung nicht verfehlt haben Vermutlich würde ich auch Celerina nach ihrem Verwandten fragen.


    Nicht ich war es, der nicht daran gewöhnt war, dass erwachsene Männer selbst Entscheidungen trafen. Vielmehr erschien mir im Moment leicht unpassend, wie man mit solchen Entscheidungen umging, die im Grunde doch uns alle betrafen. Nun, wenigstens würde Ursus dafür Sorge tragen, dass das Kind nicht wild und unkontrolliert im Haus umhertollen würde. Wir hatten hier schließlich einige Dinge von materiellem wie ideellem Wert stehen, von denen keiner begeistert sein würde, lägen sie in Scherben; noch dazu verursacht durch ein fremdes Kind. Bei den eigenen war man schließlich immer nachsichtiger. Doch da Ursus mir zusicherte, verantwortlich zu zeichnen, nickte ich nur. Sein Wort genügte mir.


    "Kindersicher..." wiederholte ich nachdenklich. "Hm, ja. Wobei ich der Meinung bin, dass hinten auf dem Rasen der Platz zum Spielen reichen müsste. Ich werde darüber nachdenken. Ersteinmal wird Siv..." Ich verstummte und sah Ursus ein wenig irritiert an. Um ein Haar hätte ich den Satz anders beendet. "...ihr Kind bekommen", fuhr ich dann nach der kurzen Pause fort. "Nun gut. Ich denke, ich werde dich dann jetzt wohl allein lassen? Grüble nicht mehr so viel über deiner Schachtel, Titus", versuchte ich abzulenken und blieb dennoch erst einmal sitzen.

    Ich hob abwehrend die Hände, als Imbrex richtig offiziell darum bat, im Haus aufgenommen zu werden. "Oh bitte, selbstverständlich kannst du hier bleiben! Du gehörst zur Familie. Was hast du erwartet? Dass ich dir die Tür weisen würde?" Belustigt lachte ich. "Wir haben für dich ein Plätzchen. Allerdings muss ich dich jetzt schon um ein wenig Geduld bitten, falls du irgendwann einmal heiraten möchtest. Denn dann müssten wir anbauen", witzelte ich. Allerdings mussten wir das bald ohnehin, da Ursus auch bald den Bund der Ehe eingehen würde. Und Orest. Und damit wären die ehemals großzügigen Kapazitäten des Hauses allmählich gesprengt. "Wenn so viele Generationen und Familienzweige unter einem Dach leben, ist es sinnvoll, jedem eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten", erklärte ich und lächelte ernst. Wie wichtig das war, hatte ich erst kürzlich wieder erlebt.


    "Ich bin mir sicher, dass er nicht lange auf sich warten lassen wird, sobald er erfährt, dass du hier bist", erwiderte ich in Bezug auf Cotta. "Nehmt euch ruhig eine Amphore Wein, um euer Wiedersehen zu feiern." Das war der Hinweis, dass Imbrex nicht fragen musste, wenn er sich Wein oder sonstiges bringen ließ. Er hatte hier dasselbe Recht wie alle anderen, und das sollte dies verdeutlichen.


    Bei seiner Einleitung zum Gespräch über die Karriere musste ich schmunzeln. "Ah, ich hatte mich schon gefragt, wann du damit herausrückst", entgegnete ich und grinste amüsiert. "Ich würde es allerdings nicht als Problem bezeichnen, dass du nicht gleich kandidieren willst oder kannst, sondern als ganz normalen Werdegang. Du dachtest an die Verwaltung oder den cultus? Hm, ich selbst empfehle dir natürlich letzteres. Leider bin ich derzeit nur über einen freien Platz bei den Siebenmännern informiert und müsste mich erst erkundigen, ob die anderen Collegien derzeit jemanden kooptieren wollen. Hast du eine Vorliebe? Bezüglich der Verwaltung kann ich dir nichts Angemessenes empfehlen." Diejenigen Posten, die gegenwärtig vakant waren, waren Teil der Ritterlaufbahn oder von so niedrigem Einstand, dass ein Patrizier auf dieser Position lächerlich gewirkt hätte. Und der Dienst an den Göttern bot immer noch den besten Einstieg in die politische Laufbahn, wie ich fand. Auch wenn ich selbst dereinst duumvir gewesen war - was inzwischen ebenso verpönt war für unsereins "Wo wir allerdings bereits beim Thema sind, so empfehle ich dir, einer societas beizutreten. Die Mehrzahl der Aurelier sind sodales der palatinischen Salier. Unser Verwandter Tiberius Avianus ist dort magister, vielleicht wendest du dich am besten an ihn. Die collinischen Salier kann ich dir nicht empfehlen, obwohl dein Bruder noch immer einer von ihnen ist. Deine Wahl musst du natürlich selbst treffen. Ich kann dir nur eine Empfehlung geben und dir sagen, dass der ehemalige Opferkönig uns Aurelier boykottiert hatte, damit wir die Seiten wechseln - was wir letztendlich zum Großteil getan haben. Ich bin mir sicher, dass auch bei Appius die Mitgliedschaft nur noch eine Formalie ist. Immerhin ist auch er erst vor kurzem wieder nach Hause gekommen."

    Sivs Mund klappte auf und wieder zu. Beinahe hätte ich geschmunzelt, doch ich sah sie nur an und hörte, wie sie sich vor mir verteidigte. Meine Brauen rutschten hinauf und ich sah mich erneut kurz im Garten um, der mir nun anders ins Auge fiel. Winterfest. Nicht mehr nur ungeeignet für Kinder . Dann wandte ich mich wieder Siv zu, die in diesem Moment dezent echauffierte, dass sie nicht hatte mithelfen dürfen. Nun brach sich doch ein Lächeln bahn, das aber nicht lange hielt. "Im Sommer kannst du wieder mithelfen. Es sollte ja jetzt nicht mehr allzu lange dauern", erwiderte ich milde und vergaß darüber, dass Siv und ich eigentlich eine angeknackste Vertrauensbasis hatten. "Wie geht es dir denn? Wir hatten letztens nicht unbedingt Gelegenheit um zu.... reden." Eine vielleicht unglückliche Formulierung, die an und für sich vermutlich die Untertreibung des Jahres darstellte. Ob sie wohl wusste, dass sich Celerina abgesetzt hatte? Vermutlich, immerhin blieben solche Dinge der Sklavenschaft für gewöhnlich nicht verborgen. Ich räusperte mich. Angenehm war diese Situation nicht eben. Allmählich wurde nun mir kühl. Ich war das raue Klima Germaniens nicht so gewöhnt wie Siv und fror vermutlich deswegen schneller hier draußen als sie. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust weil mir kalt war, löste sie dnan jedoch wieder, weil Siv es vielleicht als Abwehrhaltung verstand.

    Ich hob die Brauen, als Piso vom Werdegang seines Verwandten sprach.
    "Um Furianus ist es recht ruhig geworden. Hat er nicht sogar geheiratet, ohne großes Aufsehen damit zu erregen? Von einem Mann wie ihm erwartet man ein rauschendes Fest, erst recht, da er aus einer solch angesehenen Familie stammt. Ich muss sagen, dass es mich schon sehr verwundert hat, dass er bereits verheiratet nach Rom zurückkehrt", sagte ich zu Piso. Nicht, dass ich unbedingt auf dieses Fest hatte gehen wollen - vielmehr war es wunderlich, dass er klammheimlich geheiratet hatte, noch dazu eine Claudia. Dass die Claudier diese stumme Heirat befürwortet hatten, war allerdings noch wunderlicher. Vermutlich war die Frau daher von schlechtem Status. Warum sonst sollte man eine Heirat verschweigen?


    Piso schien es gelassen zu sehen, dass er auf dem ritterlichen Wege nicht weiterkommen würde. "tresvir capitalis", wiederholte ich nachdenklich. Dann trat das Erkennen in meinen Blick. "Marcus Aristides? Ich war seinerzeit auf seine Hochzeit eingeladen. Ein angenehmer Mensch. Leider ist es letztens recht still um ihn und seine Braut geworden." Fragend sah ich Piso an. "Wir hatten damals zusammengearbeitet, ehe ich mein Ädilat nicht weiter verfolgen konnte", erinnerte ich mich. "Ich? Ich selbst war ebenfalls mit der Erbschaftsbürokratie betraut gewesen. Deswegen fragte ich. Die Arbeit hat mir gelegen. Aus welchem Grund möchtest du tresvir werden? Im Senat wird man dich sicherlich dasselbe in Grün fragen, aber bis dahin geht ja noch ein wenig Zeit ins Land."