Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Heute war Laevinas großer Tag. Sie würde heiraten. Nicht irgendwen, sondern den amtierenden consul Tiberius Durus, einen Mann, denn ich sehr schätzte. Anderenfalls hätte ich ihm wohl Laevina auch nicht zur Frau gegeben. Die Räumlichkeiten waren dekoriert in den Farben unserer Familien, rot und blau und golden. Der Großteil der Feierlichkeiten würde schließlich auch hier abgehalten werden. Sämtliche Sklaven waren angewiesen, den Gästen jedweden Wunsch von den Augen abzulesen.


    Der Morgen hatte für mich mit einem kleinen Frühstück begonnen. Ich aß sonst selten etwas am Morgen, heute jedoch würde es ein anstrengender Tag werden. Soweit ich wusste, sollte er überdies noch Anlass zu weiterer Gratulation bieten, ebenfalls unsere beiden Familien betreffend. Ich dachte an Orest und seine Tiberia. Bereits am Abend davor hatte ich mir ein Bad gegönnt, da Laevina praktisch das Badezimmer für den frühen Morgen der Hochzeit gebucht hatte. Nach dem Frühstück hatte ich mich ankleiden lassen. Ich trug nun eine schlichte tunica aus dunkelrotem Stoff mit Stickerei, darüber eine elfenbeinfarbene toga. Die Finger zierten diverse Ringe.


    Gerade hatte ich selbst das atrium betreten, als Durus auch schon eintraf. Abgesehen von diversen Sklaven und einigen überpünktlichen Klienten der Familie war sonst noch niemand zugegen. Durus trat auf mich zu, um mich zu begrüßen, und ich erwiderte diesen neumodischen Gruß. „Durus, du bist aber zeitig“, stellte ich scherzend fest. Mein Blick streifte die Begleiter des Senators. Dem haruspex nickte ich freundlich zu. „Das kann ich mir vorstellen. Laevina wird sicherlich gleich hier erscheinen. Du weißt ja, wie die Frauen sind.“ Da fiel mir ein: Wo war eigentlich meine?

    Innerlich seufzte ich auf, als Celerina verneinte. Zugleich war ich etwas grantig - den armen Titus in einer solchen Situation, in der er sich befand, so vorzuführen! Ich schoss einen grollend-tadelnden Blick in Richtung meiner Frau ab, von dem ich hoffte, dass sie ihn wohl bemerken, er Titus aber nicht weiter auffallen würde. Auf seine Frage hin nickte ich nur und beobachtete ihn anschließend beim Einscheinken des verdünnten Weines. "Mach dir keine Gedanken, wir werden es einfach weiter versuchen, bis Iuno uns ihre Gunst gewährt", versicherte ich ihm dann freundlich. Ein peinlicher Moment des Schweigens entstand, in dem ich glaubte, Celerinas empörten - oder gar säuerlichen? - Blick auf mir ruhen zu spüren. Doch vergewisserte ich mich nicht der Tatsächlichkeit dessen, sondern sah weiterhin Ursus an.


    Glücklicherweise rettete dann Tiberius die Situation, indem er hinzu kam und höflich grüßte. "Na?" fragte ich, scheinbar gut gelaunt, den jungen Aurelius. "Setz dich doch zu uns. Titus wollte uns gerade erzählen, wie dröge und anstrengend der Dienst an der Waffe ist", scherzte ich halbherzig und zwinkerte Ursus dabei zu. Verstohlen sah ich danach zu Celerina. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass sie etwas zugelegt hatte...

    Ursus schien melancholisch, was angesichts des Todes seiner Schwester nicht eben unverständlich war. Ich machte eine ernstes Gesicht und suchte nach den passenden Worten. Sicherlich hatte ich mir einige Sätze ausgedacht, die mir aber allesamt unpassend erschienen. Ich seufzte leise. Es gab keine richtigen Worte.


    Ich sah ihm dabei zu, wie alle die Dinge bis auf den Knopf an seinem Faden zurück in die Kiste legte und sie wieder verschloss. "Sie hätte mir Sicherheit gewollt, dass du dich lächelnd an die Vergangenheit erinnerst", erwiderte ich. "Sie fehlt uns allen, Titus. Und sie wäre stolz gewesen auf ihren Bruder." Ich musste alt wirken beim Versuch, irgendetwas Tröstendes zu sagen. Mich hatte schließlich auch niemand trösten können, doch Ursus musste es ungleich schwerer treffen als uns anderen. "Ihr Leichnam kann Rom jetzt jeden Tag erreichen", bemerkte ich. Eigentlich hatte ich gehofft und gedacht, dass Minervina vor ihrem Bruder eintreffen würde.


    Ich schwieg betreten. Die Situation drohte vollends in die Melancholie abzudriften. Ablenkung war die beste Verteidigung. Vielleicht gelang es mir ja. "Appius hat mir heute geschrieben. Es geht ihm besser und er ist auf dem Weg nach Rom." Eine unbedachte Äußerung, wie mir nach dem Gesagten schien - Appius kehrte heim, Minervina nicht. Ich machte ein betrübtes Gesicht und entschloss mich, etwas gänzlich anderes zu fragen, um von den trübseligen Themen fortzukommen. "Gefällt dir dein Dienst bei der prima auch rückblickend noch? Du musst mir mal erzählen, was den Tiberier verhindert hat, seine Pflicht zu tun... Für dich ist das nun ein Sprungbrett. Das heißt, falls du nach wie vor interessiert daran bist, einmal Legat zu werden. Durch deine Erhebung in den Senat steht dir dieser Weg nun offen, sofern du auch die nötigen Theoriekenntnisse mitbringst." Fragend sah ich ihn an.

    Mit dem Ellbogen drückte ich auch die Klinke herunter, dann schob ich die Tür auf und drückte sie mit der Schulter wieder zu. Ich richtete meinen Blick auf meinen Neffen und fragte mich, was er da für ein Kistchen hatte. Den Wein samt Bechern platzierte ich auf einem Beistelltisch. "Ich dachte mir, wir stoßen auf deine Erhebung an, Senator", sagte ich und ließ mich neben Titus in einen Sessel fallen. Erschöpft legte ich den Kopf in den Nacken und zurück auf die Lehne. "Was hast du denn da?" Ich nickte hin zu dem Kistchen und den diversen Kleinigkeiten, die darum verstreut lagen. Dann gab ich mir einen Ruck und richtete mich wieder auf, um die beiden Becher vollzuschenken. Einen schob ich hin zu Ursus. "Auf deine Erhebung in den Senat", sagte ich, vergoss einen Schluck als Trankopfer und trank schließlich selbst. Bisher hatten es fast alle vorgezogen, ihn nicht direkt auf seine Schwester anzusprechen, zumindest, soweit ich es bemerkt hatte. Von den Dingen, die Ursus da hatte, kam mir keines bekannt vor, was wohl auch mit daran lag, dass wir uns in der Kindheit nicht so oft gesehen hatten.

    Zitat

    Original von Marcus Tiberius Magnus
    Corvi, bei Fuß :P[/COLOR]


    :hmm:
    Hm, mir scheint, dass die Torwache langsam lebensmüde wird. Ist lange kein halsabschneidender Barbar durchs Tor getreten was? :P


    @ Imbrex: Herzlich willkommen, deine Aufnahme ist hiermit bestätigt.
    Verwandtschaft wird nachgereicht, sobald sie geklärt ist.


    Grüße,
    Corvi



    edit: Imbrex bitte als weiteren Sohn von Decimus Aurelius Galerianus und Aurelia Camilla eintragen. Er wird damit Bruder von Aurelius Cotta. :)

    Mir kam gerade noch eine andere Idee. Es gibt ja den Artikel "Spende für die Acta Diurna". Ich fände es eigentlich plausibel, auch eine "Spende für den Cultus Deorum" oder ein "Geldopfer für die Götter" oder sowas anzubieten, die, wie die übrigen Religionsgüter, den Luxusbalken anfüllen könnten. Geldopfer waren ja nun keine Seltenheit, und vielleicht kommt das dem Wunsch von Avarus auch ein kleines Bisschen nahe.

    Wir würden wohl niemals mehr füreinander sein als zwei Eheleute, die sich irgendwie arrangieren mussten. Ich hatte also doch recht gehabt mit der Vermutung, dass es besser wäre, Celerina allein zu lassen. Sie schickte mich quasi fort. Welchen grund hätte ich gehabt, an dem Wahrheitsgehalt dieser Aufforderung zu zweifeln? Im Grunde war ich auch froh, dass ich gehen konnte, ohne mich dafür noch zusätzlich schlecht zu fühlen. Es konnte ja niemand - mich eingeschlossen - ahnen, dass Frauen manchmal das Gegenteil von dem sagten und taten, was sie dachten!


    Ich nickte also, was sie nicht sehen konnte, und rutschte hinunter vom Bett. Meine nasse tunica ließ ich liegen, wo sie war, es wäre ohnehin zu kalt und nass, sie wieder überzustreifen. Den Sklaven würde es am nächsten Morgen wohl Gesprächsstoff über die Menge meiner Schweißproduktion oder Spekulationsmöglichkeiten bezüglich des Regens liefern, doch daran dachte ich gar nicht. "Wir sehen uns beim Frühstück", sagte ich zu Celerina. Und nackt, wie ich war, verließ ich ihr Schlafgemach wieder, in gänzlich umgekehrter Verfassung, als ich es zuvor betreten hatte. Ob ich jemals wieder bei ihr liegen konnte, ohne mich an diese grauenvolle Nacht zu erinnern? In gewisser Weise versagte ich bei ihr, was meine ehelichen Pflichten anbelangte. Nein, nicht in gewisser Weise. Ich tat es. Punkt.


    Kopflos stand ich noch eine ganze Weile im Flur herum, ohne zu wissen, wohin ich mich wenden sollte. Letztendlich würde ich auch diese Empfindungen tief in mir vergraben müssen, denn anvertrauen konnte ich mich niemandem, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Zumindest dachte ich das, auch wenn beispielsweise Prisca das ganz anders gesehen hätte.

    Täuschte ich mich, oder war sie tatsächlich enttäuscht, dass ich ihr diese Fluchtmöglichkeit geliefert hatte? Sie verwirrte mich. Ganz sicher lag das nicht nur daran, dass sie eine Frau war, obgleich man(n) Frauen oftmals einfach nicht verstand, selbst wenn man das versuchte. Ich seufzte tief und fühlte mich ratlos. Ich wusste nicht einmal, ob ich ihr in diesem Moment helfen wollte, selbst wenn ich es konnte. Denn ich hatte genug mit mir selbst zu tun, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Dennoch drückte meine Situation mir aufs Gemüt. Mehr, als ich je angenommen hatte.


    So lagen wir beide also da. Gemeinsam und doch allein. Ich dachte an Siv. Mit ihr hatte ich es mir vermutlich auch verscherzt. Auf Wut und Frustration folgte nun das schlechte Gewissen, ordentlich gewürzt mit einem Schuss Selbstmitleid. Was sollte ich denn nun tun? Verunsichert und unentschlossen ließich Celerina erst einmal los und setzte mich auf. Vielleicht kam mir ja noch ein Einfall, auch wenn ich nicht daran glaubte. "Ich... Denke, ich werde dich jetzt wieder schlafen lassen", murmelte ich und hoffte insgeheim darauf, dass sie mir zu verstehen gab, ob das gut oder schlecht wäre. Denn in dieser Situation konnte wohl alles günstig oder weniger günstig sein.

    Als das Mädchen seinen Namen nannte, wandte ich ihr wieder den Blick zu. Diesen Namen hatte ich bereits gehört, nur wo? Ich versuchte mich zu erinnern, doch gelang es mir nicht. Mit einer Kopfbewegung zitierte ich meinen nomenclator herbei. Der schon ältere Sklave reckte sich an mein Ohr und begann, leise flüsternd seine Aufgabe zu erledigen. "Tiberia Septima, Tochter des Tiberius Gracchus, seinerseits Bruder des consul Tiberius Durus. Sie ist unverheiratet und das Mündel des Durus, Herr, und dein Neffe Ursus gedenkt sie zu ehelichen." Meine Brauen ruckten nach oben ob dieser wertvollen Informationen. Ich nickte dem Sklaven zu, woraufhin er sich wieder zurückzog. Daher kannte ich sie also - Ursus hatte mit mir darüber gesprochen, jetzt erinnerte ich mich. Erneut musterte ich die Tiberierin, diesmal interessierter. Wie sie meinen Blick interpretieren würde, wusste ich nicht, ebenso wenig wie ich mich entscheiden konnte, ob ich es unhöglich von Celerina finden sollte, dass sie wohl sich, aber nicht mich vorstellte. Ich nickte knapp einem weiteren Sklaven zu. "Der Senator und pontifex Marcus Aurelius Corvinus!" sagte dieser, und ich fügte an: "Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Tiberia."


    Selbstverständlich hatte sie recht, die Unterhaltung auf später verschieben zu wollen. Es wäre schlecht für die Opferung, wenn wir sie mit Desinteresse und angeregter Unterhaltung störten. Deswegen war dies auch vorerst alles, was ich sagte, ehe ich mich wieder der Zeremonie zuwandte. Bisher lief alles glatt, und ich zweifelte nicht daran, dass auch der Rest des Opfers gut verlaufen würde. In Kürze war der Boden um die Opferstätte herum rot vom dunklen Lebenssaft der ausblutenden Tiere. Die vitalia wurden entnommen, und die Eingeweideschau begann. Stille hatte sich über den Tempelvorplatz gelegt.

    Mit einer gut gefüllten Kanne Falernerwein bog ich um die Ecke und schritt auf Ursus' Zimmer zu. Es gab etwas zu feiern, verschiedene Dinge zu bereden - und außerdem hatte ich einen Vorschlag zu machen. Ich klopfte mit dem Ellbogen an, da die eine Hand den Wein und die andere zwei ineinander gestapelte Becher hielt. "Titus?" fragte ich.


    Es war schon dunkel draußen, was selbstverständlich nichts heißen musste. Immerhin wurde es inzwischen immer früher dunkel. Allerdings war die cena bereits vorbei. Vielleicht erwischte ich Ursus vor dem Zubettgehen. Lange wollte ich ohnehin nicht bleiben, aber eben doch schon einen Moment.

    "..... und ein Brief von dominus Cotta ist auch dabei", beendete Livius Pyrrus soeben seinen Vortrag. Hatte ich bisher nur mit halbem Ohr hingehört, sah ich nun auf. Es hatte eine Weile gedauert, bis er mir zurückgeschrieben hatte, aber hier war nun die Antwort. Ich lächelte leicht. "Dann lies seinen Brief zuerst", wies ich Pyrrus an, der daraufhin inne hielt, mit dem Fuß zu wippen, das Siegel brach und das Dokument entrollte, um zu lesen zu beginnen. Während er das tat, hatte ich die Fingerspitzen aneinander gelegt und die Augen geschlossen, um zuzuhören.


    Als Pyrrus geendet hatte und den Papyrus sinken ließ, grinste ich. "Typisch Appius", war mein Kommentar. "Sag Brix bescheid, er soll herkommen." Pyrrus zog zwar eine Grimasse, da er nicht gern für Handlangerarbeiten hinzugezogen würde, doch tat er ohne zu murren, was ich wollte - was vermutlich an der Gehaltserhöhung lag. Einen guten Schreiber zu finden war schwer und wurde wohl auch immer schwerer, wie mir schien. Wo sich früher viele junge Männer vorgestellt hatten, war heute nur mehr gähnende Leere.


    Kurz darauf betrat Brix mein officium. "dominus?" Er neigte grüßend den Kopf und ich nickte ihm zu. "Guten Morgen, Brix. Appius wird in Kürze hier eintreffen. Trage Sorge dafür, dass er seine Gemächer gleich wieder beziehen kann und informiere die anderen über sein Eintreffen." Brix lächelte. "Das ist eine gute Neuigkeit, Herr! Hat er denn geschrieben, wann wir mit seiner Ankunft hier in Rom rechnen können? Ich werde dann alles Nötige veranlassen und einen kleinen Empfang vorbereiten", erwiderte der maiordomus, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich nehme an, es wird nicht mehr allzu lange dauern. Aber den Empfang kannst du dir sparen. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er kein Trara wünscht, wenn er nach Hause kommt. Ich denke, eine ganz normale cena am Tag seiner Heimkehr würde es auch tun", klärte ich ihn auf und schmunzelte. Brix verstand mich genau. Er grinste mich an und erwiderte: "Natürlich." "Gut. Das wäre dann vorerst alles. Ich brauche dich nach der salutatio noch einmal." "Ja, Herr. Draußen warten schon viele deiner Klienten." Er nickte mir zu und wandte sich dann zum Gehen. Ich sah zu Pyrrus und erhob mich. "Dann machen wir später weiter. Komm." Gemeinsam verließen wir mein Arbeitszimmer und stellten uns den Wünschen und Informationen der wartenden Klienten.

    Wir mochten zwar gemeinsam der vota beiwohnen, doch standen wir mehr in Eintracht schweigend nebeneinander, als dass wir als gemeinsam als Ehepaar anwesend waren. Wohl beide waren wir mit den Gedanken wo anders, ich selbst beim Vorgehen innerhalb der Tempelmauern, Celerina...nun, wo auch immer. Ein Schwarm Schwalben zog einen lärmenden Kreis über den Häuptern der Versammelten, und ich hob den Blick, um ihrem Flug zu folgen, bis sie hinter dem Dach des Kapitols verschwunden waren. Etwas weiter zu unserer Linken spielten zwei kleine Kinder miteinander fangen, weil sich die Eltern miteinander unterhielten. Ich seufzte lautlos.


    Plötzlich traut Trautwini vor und breitete die Arme aus, doch zu spät; eine junge Frau geriet zu schnell in mein Sichtfeld und hätte wohl Celerina zu Boden gerissen, wenn nicht Trautwini und dieser andere Sklave durch beherztes Zugreifen das Schlimmste verhindert hätten. Ich hob missbilligend eine Braue, doch galt meine Missbilligung vielmehr Trautwini und diesem anderen nutzlosen Namenlosen, den er zu unserem Schutz ausgesucht hatte. Ich konnte ihn nirgends sehen, was womöglich bedeutete, dass er Nasebohrend irgendwo in der Menge stand und seiner Pflicht nicht nachkam. Trautwini erkundigte sich leise bei der Dame, ob sie sich etwas getan hatte, und ich warf Celerina einen prüfenden Blick zu. Sie stand wie ein Fels in der Brandung, also war alles in Ordnung. Ich blickte zurück zum Kapitol und sah dann das Mädchen an, das eben das Wort an Celerina und mich richtete. Ich überließ es vorerst Celerina zu antworten, da sie in erster Linie die leidtragende gewesen wäre. Und vielleicht kannte sie die Dame ja auch. Ich nickte ihr fürs erste unverbindlich zu und musterte sie flüchtig.

    Sämtliche Alarmglocken begannen zu läuten, als Celerina weitersprach. Wollte ich wirklich wissen, was der Pirat mit ihr angestellt hatte? Mir schwante, dass das von ihr angestrebte, häufigere Beisammensein danach mit diesem Wissen noch viel schwieriger für uns beide sein würde als ohnehin schon. Ich würde sie immer besonders behandeln müssen. Das wäre eine Belastung, von der ich nicht wusste, ob ich sie langfristig geduldig aushalten würde. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich ihr kommenden Geständnis abtun und damit verhindern oder mir anhören sollte. Schweigen breitete sich aus. Ich sah mich genötigt, etwas zu sagen. "Es ist gut, so", sagte ich und war mir selbst nicht sicher, was genau ich damit meinte - dass sie es mir verheimlicht hatte, dass sie nun reden wollte oder dass sie einfach nichts sagen sollte. Ein halbherziger Versuch, den Tag nicht noch schlimmer zu mache, als er ohnehin bereits war. Meine Reaktion auf Siv sollte mich auch noch teuer zu stehen kommen, das ahnte ich bereits jetzt. "Lass uns jetzt nicht darüber sprechen."


    Ob ich gehen sollte? Sie allein lassen sollte? Sicher war ich mir da nicht. Aber sie war so aufgewühlt, dass ich vermutlich nur störte - was nach meiner gedankenlosen Aktion mehr als verständlich war. Ich blinzelte angestrengt und überlegte. Eine schwierige Situation. Wer hätte das gedacht? Ich hievte mich von einer in die nächste hinein. Bei Iuppiter, das war schon beinahe sadistisch zu nennen. Am liebsten hätte ich trocken über mich selbst gelacht.

    Du kannst mehr tun, um dein Seelenheil zu füttern. Wie wäre es mit einem gelegentlich ausgesimmten Opfer am heimischen Altar? Oder einer Spende auf das Konto des Cultus Deorum (Konto 1222)? Leider gibt es dafür weder SimOn-Prestige zu gewinnen, noch einen gefüllten Balken. Aber eine gute Tat ist es allemal, auch wenn es vielleicht nicht jeder direkt sehen und bestaunen kann. ;)

    Bedächtig schritt die Prozession, welche die Consuln anführten, gen Kapitol. Die via sacra ging es entlang, bis sich der Zug schlussendlich auf dem Tempelvorplatz teilte und etwas wie einen gefransten Halbkreis bildete. Rechts und links entlang des Platzes standen nun also allerlei Grüppchen. Die meisten der Leute beobachteten die Consuln dabei, wie sie die Stiere in Augenschein nahmen, die heute geopfert werden sollten. Ich war ebenfalls unter ihnen. Aus der Entfernung wirkten die Tiere stattlich und angemessen für ein solches Opfer, und das schienen auch die beiden Consuln zu befinden, da sie sich kurz darauf durch ein Spalier ihrer Liktoren in das Heiligtum zurückzogen.


    Ich sah mich ein wenig um. In der Menge konnte ich etliche Senatoren ausmachen, darunter auch einige pontifices. Viele Männer, aber auch einige Frauen. Ich wandte den Kopf kurz Celerina zu, die an meiner Seite gegangen war. Bei eine solchen Festakt bestand ich darauf, dass sie mich begleitete. Dann ließ ich den Blick wieder schweifen.

    Die Macht war ein seltsames Ding. Manches Mal verfluchte man sie, dann wieder genoss man sie. Ich schämte mich nicht dafür, dass ich sie eben genossen hatte, wenngleich die Aktion mir nicht die erstrebte Erleichterung verschafft hatte. Nun gut, ich war grob zu Celerina gewesen. Das war unnötig gewesen, und das tat mir nun leid. Sie hatte eine solche Behandlung nicht verdient, nur weil ich nicht mit mir klar kam. Ich dachte jedoch auch noch über etwas anderes nach. Was, wenn dieser Pirat sie nicht nur geschlagen, sondern auch anderweitig misshandelt hatte? Tiefe Furchen standen mir auf der Stirn. Celerina hatte gesagt, dass sie nicht schwanger sei. Aber konnte ich mir dessen wirklich sicher sein? Zweifel schlichen sich ein. Beharrte sie vielleicht nur deswegen auf häufigeren Besuchen meinerseits, weil sie einen Bastard trug? Diese Vermutung war ebenso schlimm wie der Gedanke daran, dass ein nichtiger Pirat eine Römerin genötigt hatte. Noch dazu jene, die nun meine Frau war. Ich knirschte, um die Beherrschung nicht zu verlieren, mit den Zähnen.


    Dann drehte sich Celerina zu mir und unterbrach so meine Überlegungen. Es raschelte, und ich spürte ihren Atem an meinem Gesicht. Nein, dachte ich, so unverfroren würde sie doch nicht sein, und mir ein fremdes Kind als mein eigenes verkaufen wollen? Plötzlich sagte Celerina etwas. Ich zog erstaunt die Brauen hoch, als ich es hörte. Sie entschuldigte sich? “Nein“, sagte ich reserviert. “Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte nicht... Ich sollte nicht meine schlechte Laune an dir auslassen. Es ist einfach alles ein wenig viel derzeit. Ich wollte dich nicht an diesen Piraten erinnern. Es tut mir leid, Celerina.“ Auf die Frustration folgte nun Resignation. Meine Gedanken wollten zurück zu Siv gleiten, doch ich zwang mich stattdessen, über meine Ehe nachzusinnen. “Ich fürchte, diese Ehe ist nicht das, was wir beide uns vorgestellt haben“, bemerkte ich. Wir würden dennoch das Beste daraus machen müssen, auch wenn ich dabei den weitaus schwierigeren Part haben würde.

    Schultern wurden geklopft, Celerina erhielt einen Wangenkuss, dann nahm ich neben meiner Frau Platz, lehnte mich nach vorn und zupfte eine Hand voll Weintrauben von der Rebe in der Obstschale. Ich hielt sie in der hohlen Hand und ließ eine davon in meinen Mund rutschen. Schon wollte ich fragen, wie es Ursus ergangen war, ihm mein Beileid aussprechen, da strahlte er mich regelrecht an und...gratulierte mir? Skeptisch zogen sich meine Brauen zusammen. Warum sollte ich Celerina auf Händen tragen? Und wieso freute er sich für mich? Und warum, zum Henker, war er so fröhlich, wo doch seine Schwester gestorben war?


    Dann, als ich hinter das stieg, was er mir damit sagen wollte, zuckten meine Augenbrauen hinauf zum Scheitel. Gleichzeitig verschluckte ich mich an der Traube, die ich eben in den Mund gesteckt hatte. Entgeistert starrte ich meinen Neffen an, dann meine Frau. Ein recht unintelligentes "Ähm..." entwich mir, ehe dass ich es verhindern konnte. Dabei sah ich Celerina an. Die Frage stand in roten Leuchtlettern auf meiner Stirn, es bedurfte wohl keiner lauten Aussprache. Gleichzeitig fragte ich mich, wie es dazu hatte kommen können. Ich hatte seit der Hochzeitsnacht nicht bei ihr gelegen, und sie hatte schließlich verneint, als ich sie neulich auf eine eventuelle Schwangerschaft angesprochen hatte. Einen dementsprechend großen Kloß hatte ich plötzlich im Hals. Sollte das stimmen, war es nicht meines. Ich merkte, wie mir langsam, aber sicher der Kamm schwoll, während die Zeit langsam und zäh wie nordischer Bienenhonig dahintröpfelte, bis Celerina schließlich etwas sagen würde.

    Keiner weiß mehr wie er aussieht - oder wie er heißt
    Alle sind hier auf der Flucht - die Tränen sind aus Eis


    Es muss doch auch anders gehen - so geht das nicht weiter
    Wo find ich Halt, wo find ich Schutz - der Himmel ist aus Blei hier


    Ich geb keine Antwort mehr - auf die falschen Fragen
    Die Zeit ist rasent schnell verspielt - und das Glück muss man jagen


    (Cassandra Steen)


    Ich fühlte mich zerrissen, irgendwo zwischen Frustration und Schuld, Versagen und Selbstzweifel auf der Strecke geblieben. Neben mir wimmerte es leise. War ich wirklich so rücksichtslos? Ich hatte bisher stets versucht, einfühlsam zu sein. Irgendwo auf dem Weg hier her muss mir dieses Bestreben abhanden gekommen sein. Celerinas Worte trafen mitten ins Schwarze, doch ich stutze. Sie nicht schon wieder schlagen? Ich hatte sie noch nie geschlagen. Warum also sagte sie das? Ihre Entführung fiel mir ein. Wie ich ausgerechnet darauf kam, wusste ich nicht. Schwerfällig ließ ich die Hände sinken und drehte mich zu ihr hin auf die Seite, um sie anzuschauen. Zwar konnte ich nicht viel mehr erkennen als ihre schützend zusammengerollte Kontur. Doch ich hörte, wie sie weinte. Meine Mundwinkel zuckten. Ganz gleich, wie ich mich fühlen mochte und wie schwer es mir in diesem Moment fallen mochte - sie hatte nicht verdient, dass ich sie nun sich selbst überließ und einfach ging. Schweigend streckte ich die Hand nach ihrer Schulter aus, um sie an mich heran zu ziehen und hinterrücks zu umarmen. Sie würde sich vermutlich wehren, darauf war ich vorbereitet und würde entsprechend gegensteuern. Kurz darauf hatte ich mein Gesicht dicht an ihrem Ohr und meine Arme um sie geschlungen. Mir fiel nichts Sinnigeres ein, als kontinuierlich mit dem Daumen über ihren Unterarm zu streichen. Was ich sagen sollte, wusste ich nicht, also schwieg ich weiterhin. Ich meinte, einen leichten Vanilleduft zu riechen. Celerinas Haar duftete angenehm. Das fiel mir so zum ersten Mal auf. Allmählich wurde mir doch etwas frisch. Die Regennässe hatte sich mit Schweiß vermischt und kühlte den Körper. Ich seufzte langgezogen und versuchte zu erahnen, was in Celerina vorgehen mochte.

    Ich zuckte zusammen, als Celerina plötzlich panisch schrie. Sicher träumte sie. Ich konnte nicht sagen, warum, aber ich schlug die Möglichkeit bewusst aus, etwas zu sagen, ihr zu erklären, dass ich sie in diesem Moment genau so haben wollte. Dass ich sie brauchte. Ich verstand nicht, warum sie sich so hartnäckig wehrte. Am Nachmittag hatte sie sich noch beklagt, ich käme zu selten zu ihr. Gut, ich war etwas rabiat. Das lag aber nicht an ihr, sondern an meinem Innersten. Einem Außenstehenden hätte ich es wohl niemals erklären können. In gewisser Weise hatte ich Gefallen daran, was ich tat. Ich war nicht brutal, und ich war auch nicht gewaltsam. Aber ich hielt Celerina fest, und die Gegenwehr machte es noch ein wenig spannender. Wobei spannend das falsche Wort war.


    Es hätte vermutlich nicht mehr allzu lange gedauert. Wenn Celerina nicht ein kägliches Bitte ausgestoßen hätte. Sie hatte tatsächlich Angst. Ich hielt sofort inne. Mir fiel auf, dass sie regelrecht panisch war. Mein Kopf war auf gleicher Höhe mit ihrem. Ich konnte sie durch die Dunkelheit zwar anstarren, aber kaum sehen. Ihre Arme hatte ich rechts und links festgehalten. Mein Atem ging schwer. Frustration machte sich breit. Wirkte sich aus bis in den entlegendsten Teil meines Körpers, was ihr sicher ebenfalls nicht verborgen blieb. Ich stieß einen frustrierten, halb erstickten Schrei aus, ließ sie los und rollte mich von ihr herunter. Neben ihr liegend, barg ich das Gesicht in den Händen, die Ellbogen gen Decke gereckt. Ich war nass, ich schwitzte etwas - und ich war nicht auf meine Kosten gekommen. Celerina hatte Angst vor mir. Ich war wirklich ein Held, in jeder Hinsicht. Meine Ehe war verkorkst, meine Vergangenheit ein Desaster, mein Liebesleben, nun ja. Sicherlich hätte ich etwas sagen können, ja sogar müssen. Nur war mir nicht danach, und ich hätte auch nicht gewusst, was überhaupt. Noch etwas, das sie mir später vorwerfen konnte.