Während des Zuhörens notierte er sich die Details im Geiste. Verwitwet, weit gereist und aus relativ ähnlicher Motivation heraus zu diesem Posten in der Verwaltung gelangt. Vorerst wollte er nicht darüber Urteilen, zumindest hoffte er, mit dieser Frau als vorgesetzter Magistrata gut auskommen zu werden. Im Zweifelsfall würde er zurückstecken müssen. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. In gewisser Weise konnte dieser Umstand auch auf diese Situation adaptiert werden und das obwohl die beiden wohl annähernd das gleiche Alter zählen durften. "Ich habe.", eröffnete er seine Absichten zu unverblümt wie gefordert. "Erzähle mir ein wenig von deiner bisherigen Arbeit, von den Umständen in Ostia... und von den Umständen die den Posten als Scriba betreffen, vom Aufgabenfeld bis über die Bezahlung." Er milderte die Forderung mit einem Lächeln. "Es geht mir nicht so sehr um den finanziellen Aspekt, aber ich will zumindest darüber informiert sein."
Beiträge von Lucius Caecilius Catilius
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Er machte es sich auf dem Stuhl eine Spur bequemer. Rutschte zurück und positionierte dann den Becher mit dem Wasser auf dem Tisch zwischen den Beiden. Für einen Moment musste er daran Denken, wie ähnlich die Frage jener kam, die ihm Lucia gestellt hatte, als er in der Casa Caecilia eintraf. Seine Antwort würde in diesem Falle nur wohl etwas anders ausfallen. Er war auf diesem Weg schneller zur Magistrata vorgedrungen, als er sich es hätte erhoffen können, also wollte er ihr auch den Gefallen tun und sich bei den Ausführungen nicht allzu kurz fassen.
"Ich stamme nicht aus Rom..." eröffnete er und holte damit weit genug aus um die Umstände nun auch ein wenig ausführlicher darzustellen. "Sondern wurde in der Provinz Syria geboren. Mein Vater, ein Cousin des Vaters von Caecilius Crassus, zog in seiner Jugend dorthin um einen Posten in der Verwaltung von Damascus anzutreten. Ich wuchs dort in der Stadt auf und bekam auch über längere Zeit nicht viel zu sehen als die Städte der Provinz. Judaea, Antiochia, Edessa. Aber mir reichte das alleine nicht und das schon seit mehreren Jahren. Also plante ich umzuziehen. Hierher in die Provinz Italia, zum Zentrum des Reiches selbst, nach Rom. Es war nicht wirklich die Unzufriedenheit über die Lebensumstände in Syria, sondern eher das Verlangen mehr zu sehen und auch näher am Zentrum aller Entscheidungen zu sein als weit draußen in der östlichsten aller Provinzen." Er unterbrach sich, um einen Schluck Wasser zu nehmen. Er wusste nicht wieso, aber die Magistrata lies ihn relativ bedenkenlos sprechen. Die Frage der Frau kam ihm nicht nach einem Aushorchen vor, wie man so oft eine derartige Frage von einem hohen Posten ins Gesicht gesagt bekam."Vor einem halben Jahr war es dann soweit und die Planungen abgeschlossen. Ich habe mir Zeit gelassen und viele Provinzen besucht, die auf dem Weg hierher lagen. Asia, Achaea, Illyricum und Raetia. In jeder größeren Stadt ein paar Tage oder Wochen verbracht und dabei deren Einwohner studiert. Aber letzten Endes war das Ziel, das mir vorschwebte schon die ganze Zeit über Rom gewesen. Diese Stadt ist mehr als nur eine Stadt. Nahe am Zentrum zu sein, bedeutet viel unmittelbarer an den Entscheidungen Teil zu haben, die das gesamte Reich betreffen." Er nahm sich eine Sekunde um kurz zu überschlagen was er bereits gesagt hatte. "Jedenfalls gehört zu einer gefestigten Existenz auch der Einstieg in ein Tätigungsfeld hier in Italia. Ich hatte bereits durch meinen Vater die Gelegenheit einen Einblick in die Tätigkeitsfelder der Verwaltung zu erhalten, deswegen wollte ich genau an diesem Punkt ansetzten."
"Bei mir geht die Sache aber tiefer, als nur eine Arbeit auszuführen. Mich interessiert das Aufgabenfeld selbst, ich will es nicht aus Zwang, sondern aus überzeugung tun. Sich mit der Verwaltung einer Stadt zu beschäftigen erfordert mehr als einfach nur seine Arbeit zu tun. Man muss mitdenken, planen können, auch hier oder dort kreativ sein um Probleme zu lösen. Das ist es, was mich dazu antreibt. Es ist gewissermaßen eine Herausforderung und gleichzeitig große Verantwortung einen Posten wie den eines Magistratus oder sogar Duumvir anzustreben und dann auch auszuführen. Ich stelle mich gern einer deratigen Herausforderung, wenn es mir einmal vergönnt sein sollte. Und das mit vollem Einsatz." Er unterbrach sich, das allein lies bereits ein ganzes Stück blicken, aber die Magistrata wollte mit Sicherheit nicht nur wissen, was er in diesem Berufsfeld anstreben wollte. "Abgesehen davon halte ich mich für einen umgänglichen Menschen, Iulia Helena. Ich will nicht zu dick auftragen, aber ich traue mir ein Gespür dafür zu, mit Menschen umzugehen und im Endeffekt ist das die Aufgabe der Verwaltung. Wir gehen mit den Problemen der Bürger und Politiker um."
Er wollte es dabei belassen. Private Vorlieben gehörten zumindest für den Moment seiner Ansicht nach nicht an diesen Ort, vielleicht was noch später dafür Zeit. Anstattdessen wollte er das Gespräch mit einem etwas unkonventionellen Impuls in eine andere Richtung lenken. "Was ist mit Dir Iulia Helena? Immerhin beruht ein zusammenarbeiten auf Gegenseitigkeit. Erzähle mir etwas von Dir."
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Er reagierte wie er es öfters tat: Mit diplomatischem Lächeln. Die Magistrata machte reinen Tisch, immerhin konnte man ihr das hoch anrechnen. Und wo es zumindest dem Anschein nach wenig zu tun gab, dort konnte man nachhelfen. Sicher, er war mit den Pflichten eines Scriba vertraut und es war ein Einstieg, wenn es auch mit Sicherheit nicht das Ende der Fahnenstange hätte sein sollen. Was die Aktenarbeit betraf, so hatte es seine Vorteile sich mit den Details der Vergangenheit zu beschäftigen, solange man die Gegenwart bei diesem Umstand nicht aus den Augen verlor. Er bedeutete mit beiden Händen eine resignierende Geste. "Versuchst Du mich abzuschütteln? Was die Archive angeht, so bin ich sicher man kann auch dieser Tätigkeit einiges abgewinnen. Eventuell mehr als man vielleicht denkt." Er griff sich den Becher. Es war Wasser, also gönnte er sich einen etwas großzügigeren Schluck, als er es vielleicht bei Wein getan hätte. "Ich weiß, dass der Posten des Scriba etliche Pflichten mit sich bringt, die einige Leute vielleicht als Hindernis auffassen würden. Ich denke aber, ich werde damit zurecht kommen." Er wartete einen Moment, zu selbstsicher wollte er sich nicht geben, viele Leute reagierten allergisch auf derartige Ambitionen. Über das Ziel hinaus schießen wollte er nicht, der Posten eines Scriba war nicht der eines Duumvir. "Darüber hinaus gibt es mir die Chance einen Einblick in die Angelegenheiten Ostias zu gewinnen. Und hoffentlich in letzter Konsequenz auch Dir bei Problemen zur Seite zu stehen."
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Er hatte eine Frage in dieser Richtung erwartet. Es wäre den Meisten schwer ersichtlich gewesen, weshalb man sich mit kleinen Häppchen zufrieden geben sollte, wenn einem über kleinen Umweg vielleicht die Tür zu einem sehr viel höher angesetzten Posten offen gestanden wären. Nicht viele Leute verfolgten dieselbe Denkensart wie er, das hatte er schon desöfteren feststellen müssen. Aber desto weniger man direkt durchschaut wurde, desto besser, zuviel Transparenz kam einem selten wirklich zu Gute.
"Wasser genügt, Danke." Er nahm auf einem der ihm zugewiesenen Stühle Platz. Es war kein bequemes Möbel, offensichtlich lag der Magistrata am Wohlbefinden ihrer Gäste. "Es stimmt, würde ich es darauf anlegen käme mir die Verwandtschaftsbeziehung zum Praefectus Vigilum von Rom mit Sicherheit zu Gute." Er unterstrich die Aussage mit einem Lächeln. Ihm war nie besonders viel daran gelegen vor anderen Leuten arrogant zu wirken, das wäre nur einmal mehr eine jener Eitelkeiten, die einem mehr Schaden als Nutzen bringen. "Ich will den Posten als Scriba nicht, weil mir keine anderen Möglichkeiten offen stehen würden, sondern weil ich das Feld von hinten aufrollen will. Ich gebe mich in dieser Hinsicht, sagen wir, aus Interesse bescheiden. Auch in höheren Positionen sollte man die Arbeit eines Scriba so gut kennen wie seine Eigene. Darüber hinaus... Und in diesem Punkt werden mich vielleicht die wenigsten verstehen, liegt mir viel daran Dinge aus eigener Kraft heraus zu erreichen und nicht über meinen hochgeschätzten Cousin, den Praefectus Vigilum."Er lies sich einen Moment Zeit die Magistrata genauer in Augenschein zu nehmen, ihr Interesse war ehrlich und nicht geheuchelt, also wollte er auch eine möglichst ehrliche Antwort auf die Frage geben und sie nicht mit einfachen Phrasen abspeisen. Ihm war das Gefühl, als könnte er bei dieser Frau dadurch mehr erreichen. "Ostia ist gewiss nicht Rom. Keine Stadt ist wie Rom, aber Ostia hat durchaus seinen Reiz. Die meisten Geschäfte Ostias hängen mit dem Hafen zusammen und über den Hafen kommen Schiffe aus aller Herren Länder bis hier ans Zentrum des Reiches. Ich interessiere mich dafür hier so nah an der Quelle zu sein. Das Meiste von dem, das in Richtung Rom unterwegs ist, passiert zu allererst den Hafen und Ostia. Gleichzeitig... Es ist mit Sicherheit ein angenehmer Posten und weniger hektisch, als derselbe in der Curia der Region in Rom selbst... kleiner... überschaubarer." Er schloss die Ausführungen ab, einen Einblick hatte er gegeben. Nun war es die Frage, wie sie jenen aufnahm. Vielleicht hatte er sich ein kleines Stück zu weit aus dem Fenster gelehnt, aber es konnte auch nicht Schaden, wenn seine potentielle Vorgesetzte zumindest darüber im Bilde war, dass er daran gedachte auf aufstrebender Schiene und damit tüchtig zu sein. Und wenn nicht, so blieb ihm immer noch der Weg über seinen Cousin.
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Er lies sich Zeit von den aufgetragenen Speisen zu nehmen. Seine Essgewohnheit entsprach seinem Auftreten. Er Maßregelte, nahm sich von jeder Speise etwas, aber nie viel und stimmte die Mengen im entsprechenden Verhältnis zueinander grob geschätzt ab. Auf den Einwand Lucias hin erwiderte er nichts. Vielleicht war es vorerst eine Lösung die nicht so übel für die junge Caecilierin war, besser im Dienste des eigenen Bruders als irgendwo fremd in der Verwaltung zu stehen. Ein Umstand vor dem sie sich offenbar immerhin ein klein wenig scheute. Als er sich fertig angerichtet hatte kehrte er zu 'seiner' Kline zurück, setzte sich jedoch, anstatt sich hinzulegen. Den Teller mit den Speisen stellte er vorerst ab, ohne direkt davon zu nehmen. Gaius war ein Mann, dem das Militär stand, befand er. Die etwas grobschlächtigere Art des großen Römers ließen viel von seinem Charakter erahnen. Ein strenger, aber gerechter Offizier von umgänglichem Menschenschlag. Er begann zu erkennen, warum es sein Großcousin in diesem Metier so weit gebracht hatte. In aller Ruhe nahm er eine dünne Scheibe Brot und etwas von dem kalten Fleisch und begann zu essen.
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Er betrat den Raum, als ihn der alte Herr hinein gewiesen hatte und eigenständig die Tür hinter ihm schloss. Das Officium der Magistrata machte einen moderaten Eindruck. Nicht dieser überladene Prunk, den er sogar im privaten Arbeitszimmer von Crassus vorgefunden hatte. Der einsame Baum und die Kaiserbüste ließen vom Eindruck eines sehr penibel aufgeräumten und zweckmäßig eingerichteten Raumes nicht täuschen. Er begegnete dem ersten Blick der Magistrata mit einem sachten Lächeln. Die Frau war anders, als er sich sie vorgestellt hatte. Jünger und um einiges hübscher, um nur einmal den Anfang zu machen. Keine Dame, die man für gewöhnlich hinter dem Schreibtisch eines kargen Officiums in eine Curia erwarten würde. Aber dieser erste Eindruck wurde von einem anderen noch mehr übertüncht, der ihn im ersten Moment zögern lies. Es war ihr wacher, aufmerksamer Blick, der ihn eine Form von Scharfsinn vermuten lies, die man nur selten bei solchem Menschenschlag wiederfand. Er verwarf die Theorie der Eitelkeit, die er sich zuvor noch im Atrium zusammengereimt hatte. Vor ihm saß eine Frau, die nicht mit dem Namen ihrer gens hausieren ging. Eine Frau, die so etwas auch nicht nötig gehabt hätte. Die karge Einrichtung verfolgte mehr als nur den Zweck Bescheidenheit zu zeigen, sie hob gleichermaßen die Magistrata als den absoluten Blickfang hervor und verlieh ihr eine ätherische Form von Authorität, selbst jetzt, während sie hinter dem aufgeräumten Schreibtisch saß.
"Salvete Magistrata Iulia Helena." Er wählte die höfischste aller Anredensformen, etwas anderes kam ihm in diesem Moment nicht als angemessen genug vor. "Ich darf mich vorstellen - ich bin Lucius Caecilius Catilius und ich stolperte eher durch Zufall über Deinen Aushang hier in Ostia. Ich bin hier um mich um den Posten als Scriba zu bewerben." Er war ein Stück näher heran gekommen, aber immer noch in respektvollem Abstand. Sie würde es ihn wissen lassen, wenn er sich Setzen dürfe.
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Es klopfte zweimal. Ohne auf eine Antwort aus dem inneren abzuwarten betrat der Servus Publicus das Arbeitszimmer der Magistrata, schloss die Tür hinter sich und stoppte, kaum zwei Schritte im Raum vor dem großen Arbeitstisch. „Du verzeihst, Magistrata, doch soeben hat sich ein Besucher für Dich gemeldet. Es ist jemand von der Gens Caecilia und wegen der Stelle hier, die Du in der Stadt ausschreiben ließest.“ Die Körpersprache des älteren Mannes verriet so gut wie keine Regung. Besucher anzumelden gehörte zu den gewöhnlichen Aufgaben, die er zu verrichten hatte, doch begeistert war er seit jeher nicht davon gewesen. In all den Jahren die er bereits in der Stadtverwaltung von Ostia war sah er Duumvir, Magistrata und Scriba kommen und gehen. Es war ihm jedes Mal aufs Neue eher eine Last, sich deren Namen einprägen zu müssen, nur um nach wenigen Monaten die Meisten von ihnen doch wieder sang und klanglos gehen zu sehen.
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Der neue Tag hatte ihn eher aus Zufall hierher nach Ostia geführt. Der Hafen Roms war ihm selbstverständlich von jeher ein Begriff gewesen und nachdem er noch am Tag zuvor die Zeit genutzt hatte, sich in der Hauptstadt selbst umzusehen, so beschloss er am Folgetag sich den Weg anzusehen, den Wohl die Meisten Güter die Rom betraten genommen hatten. Nach dem frühen Mahl in der Casa Caecilia hatte er sich auf den Weg zum Binnenhafen gemacht, um dort mit einer kleinen Barke die kurze Strecke den Flusslauf entlang anzutreten. Die oberflächliche Besichtigung der Stadt samt der wichtigsten Örtlichkeiten kostete ihn nur wenige Stunden, ehe er vor dem Weg zum nahen Hafen im Norden auf dem Markt der Stadt halt machte, um dort eine Kleinigkeit bei den Händlern zu erstehen. Diese Stelle war es auch, an der er über den Aushang stolperte. Eine Stelle als Scriba in der Hafenstadt. In unmittelbarer Nähe zu Rom und gleichzeitig doch weit genug davon entfernt um nicht direkt und unvorbereitet in die Mahlsteine der Reichsverwaltung zu geraten. Darüber hinaus ein Ort, der zweifelsohne soviel verschiedene Völker und Menschen anzog, wie Urbs Aeterna selbst. Er wog ab, während er einige Zeit regungslos vor dem Schriftstück stand. Überschlug seine Überlegungen und fasste einen Entschluss.
Einige Zeit nach Mittag betrat er zielstrebig die Curia Ostiae die milde Luft im Atrium der Eingangshalle war fast eine Spur zu frisch. Der kühle Luftzug, der vom Meer herüber wehte lies die Temperaturen auch zur Mittagszeit erträglich werden. Er lies sich einen Moment lang Zeit die Innenarchitektur in einer Manier unter die Lupe zu nehmen, die eher an einen Architekten erinnerte. Die Bauweise war nichts außergewöhnliches, spiegelte jedoch in nicht zu kleinlicher Manier den Reichtum Roms symbolischen Tors zur Welt wider. Gewissermaßen sahen sich die Bewohner Ostias auch gern in der Rolle einer weltoffenen Stadt, deren Bedeutung als Fernhafen sich nicht vor dem Vergleich mit anderen großen Städten in Gallia, Syria oder Aegyptus scheuen musste. Immerhin kamen all jene Waren aus den Provinzen hauptsächlich auch über den Seeweg bis nach Ostia und dann weiter als Rom. Das der Schatten der nahen Hauptstadt allerdings einerseits den Segen Ostias, wie auch deren größtes Problem darstellte, lag auf der Hand. Wer Ostia einfach nur als Hafen Roms bezeichnete, der hätte sich wohl nur wenig Freunde unter der Einwohnerschaft gemacht. Ein mildes Lächeln huschte über Catilius Züge. Es waren kleine Eitelkeiten, die oftmals die Denkweise des Volkes bestimmten. Doch gerade die Rücksichtnahme auf diese Eitelkeiten, machte in gewisser Hinsicht den Unterschied zwischen Abneigung und Verbundenheit aus. Er ließ vom Anblick der Eingangshalle ab. Für den Moment war es unwichtig, die Magistrata, die den Aushang hatte anschlagen lassen, hatte als eine Iulia unterzeichnet. Ein altes und ehrbares und vor allem römisches Geschlecht, mit Sitz in der Hauptstadt, das früher nicht nur zu den einflussreichsten Familien zählte, sondern auch die größten Männer im Reich hervorgebracht hatte. Verblasster Glanz, so ermahnte er sich in Gedanken, war eine noch viel stärkere Quelle für Eitelkeiten. Mit verbindlichem Lächeln wandte er sich an den Angestellten, der ihn bereits seit seinem Eintreten mit Argusaugen aus der Deckung hinter dessen Pult bespitzelt hatte. „Salvete! Ich bin Lucius Caecilius Catilius und wegen des Aushanges in der Stadt hier. Kannst Du mich zum Arbeitszimmer der Magistrata Iulia Helena geleiten?“ Der Mann gab sich zufrieden, nun da er direkt angesprochen wurde und setzte sich in Bewegung. Zum Arbeitszimmer des Magistratus.
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Er rutschte auf der Kline zurück und winkte ab. "Wir haben uns bisher gut unterhalten, Gaius." Die Anspannung der Szenerie fiel in dem Moment ab, in dem er sich beim herannahen von Gaius von Lucias Blick gelöst hatte. Immer noch den Becher in einer Hand gab er sich für den Moment so, als hätte er die letzten Worte bereits wieder vergessen. Mit der freien Hand wies er ihn auf einen der Plätze, den Aufruhr den man zuvor durch die ganze Casa hatte schallen hören überging er. "Wenn Du zuviel zu tun hast, dann musst du Dich nicht den halben Tag hier herumplagen. Wie kommt es, dass Du so überlastet bist? Alltag, oder etwas besonderes?"
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Diesesmal wurde das Lächeln suffisanter. Er lehnte sich ein wenig zurück, den Becher in der einen Hand und stützte sich mit dem freien Arm in aufrechter Position. Er bot ihr einen strengeren Blick, während er sie auf ihre Frage hin die ersten Sekunden lang nur stumm beobachtete. Der Umschwung war schneller als vielleicht erhofft gekommen, aber das sie nun auch eine Gegenleistung von ihm wollte war von vornherein offensichtlich gewesen. Er vollzog einen Moment im Geiste seine Möglichkeiten durch, ehe er sich für eine Lösung entschied. Wenn sie das zuvor in ihrem Elan noch etwas ausbremste umso besser, desto mehr sie sich in diesem Moment vielleicht verunsichert fühlen würde, desto stärker würde sie später auf jede andere Andeutung erneut anspringen. Er beschloss sich einen Moment länger Zeit zu lassen, nahm einen Schluck aus seinem Becher und Genoss den Mantel des Schweigens zur Inszenierung eines Mysteriums. In aller Ruhe studierte er an diesem Vormittag nun schon zum wiederholten Male ihre Züge mit der Präzision eines Goldschmiedes. Vom Scheitel bis zum Kinn, betrachtete die Symmetrie ihrer Züge und die meerblaue Färbung der großen Augen.
"Etwas über mich erzählen? In diesem Themebereich bin ich Experte." Begann er, nachdem er sich offenkundig an ihr satt gesehen hatte. "Was gibt es also zu sagen? ... Ich bin zielstrebig, vielschichtig... risikoliebend." Ihm gelang der Akt. Die Worte kamen in einer einstudierten Gelassenheit und samt unbewegt-undurschaubarer Miene herüber, die keine Spur von Selbstzweifel zulies. "Ich bewundere das Schöne... die Kunst, die Poesie. Ich bin kein Träumer, aber deshalb noch lange nicht Fantasielos. Ich bin nicht ungestüm, aber deshalb kein Langweiler. Ich lebe nach Maß, aber bin nicht pedantisch, oder geizig." Eine fließende Bewegung aus der entspannten zurückgelehnten Haltung zurück nach vorn, während er ihrem Gesicht mit dem seinen ein Stück weit näher rückte. "Ich nehme das Leben wie es kommt und bin trotzdem nie Rückhaltlos." Er ließ ihre Augen nicht los, um den Worten die nötige Wirkung zu verleihen. Der kühle Ausdruck der aus den Seinen sprach, zusammen mit dem Hauch Amüsement auf den Zügen verlieh seiner Vorstellung den letzten Schliff. "Ich bin ein Mann, der genau weiß, was er will."
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"Wenn Du denkst es könnte Dich interessieren, dann versuch Dich an einem Verwaltungsposten. Oder direkt hier in Rom am Kaiserhof. Das Aufgabenfeld ist vielfältig." Er glitt mit seiner konkreten Anweisung von der Schiene der Zweideutigkeiten ab, dass wusste er, aber für den Moment war es genug mit Maulhurereien und Spitzfindigkeiten. In aller Ruhe schenkte er sich aus dem Becher nach. "Etwas verlieren wirst du kaum dabei, immerhin kannst Du jederzeit wieder aus dem Dienst austreten. Nur wird die Arbeit mit Sicherheit keine besonders aufregende sein." Zumindest nicht, solange man sich nicht von vornherein klare Ziele setzte, um diese dann auch mit der Zeit durchzusetzen. Er betrachtete Lucia nochmals in aller Ruhe, wie sie ihm gegenüber saß, diesesmal eher Gedankenverloren und weniger wie das Raubtier, dass er noch zuvor zumindest verbal und mit seinen Blicken gemimt hatte. Eine simple Aufgabe konnte ihr zumindest nicht schaden und würde vielleicht auch ihre offenkundige Langeweile für einige Zeit zerstreuen.
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Er verbarg die Enttäuschung über eine Antwort, die nicht so tief blicken lies, wie er es sich vielleicht erhofft hätte. Gleichzeitig bedeutete er ihr mit einem eher skeptischen Ausdruck, dass diese Informationen trotz allem spärlich genug gehalten waren. "Schwierig sich daraus ein Bild über das zu machen, was für Dich geeignet ist. Gerade deine Abneigungen. Einsamkeit ist doch ein sehr abstrakter Begriff. Und ich soll Dir immerhin bei der Entscheidung helfen, an was du Dich versuchen willst, nicht?" Er bedeutete ihr wieder mit auffordernder Geste persönlicher zu werden. So oder so, in beiderlei Hinsicht konnte er mit ihrer Antwort nicht genug anfangen und den hier gefangenen Ball wollte er auf die schnelle auch noch nicht aus der Hand geben, nicht bevor er nicht um mehr Details wusste.
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Lucius lies ein vielschichtiges Lächeln sehen. "Es ist einfach: Was tust Du den ganzen Tag? Was tust Du gern, was tust Du weniger gern, was würdest Du gerne tun?" Er neigte den Kopf etwas zur Seite und lies den Moment verstreichen um die Fragen auf sie wirken zu lassen. "Um sich genauer mit dem Problem zu befassen muss man einfach mehr über seine Vorlieben wissen." Er ließ sie mit dem Happen anfangen was sie wollte. Zugegeben, gespannt war er durchaus auf ihre Antwort und das in zweierlei Hinsicht. Um seine Gedankengänge nicht zu offen zur Schau zu stellen nippte er ein weiteres Mal von seinem Getränk.
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Er atmete gedehnt durch, um auf den nachdenklichen Gesichtsausdruck wieder einen milderen folgen zu lassen. Einen Moment lang fixierte er sie wieder eine Spur spielerischer mit dem Blick und suchte somit ihre Augen zu bannen. "Du willst eine ehrliche Antwort? Schon der Gedanke Dich im Gewand einer Priesterin zu sehen ist verlockend. Darüber hinaus weiß ich nicht, ob du viel mit den Aufgaben einer Verwalterin anzufangen wüsstest. Den ganzen Tag hinter einem staubigen Tisch, wie Dein Bruder?" Er vollführte ausschweifende Geste mit der freien Hand. "Letzten Endes musst Du wissen was du gut und was schlecht leiden kannst. Versuch es einmal in Worte zu fassen. Mir gegenüber." Der nächste Zug war getan und eine gute Gelegenheit um gleichzeitig mehr über Lucia herauszufinden.
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Diesesmal schenkte er ihr ein milderes Lächeln. "Sprich mit ihm darüber. Ich bin sicher er interessiert sich dafür. Und was das andere angeht..." Er nahm den Becher vom Tisch um zu trinken. Gleichzeitig nutzte er die Zeit um selbst die nächsten Worte zu überdenken. Sie befand sich offenkundig in einer Zickmühle, aus der sie allein nicht so recht herausfinden würde, aber ein Wink in die falsche Richtung würde den Umstand auch nicht unbedingt verbessern. "In diesem Fall musst Du es wohl auf Dich zukommen lassen. Provozieren kannst Du es nicht, wenn du von Liebe sprechen willst. Kümmere Dich vordergründig zuerst um die Dinge, bei denen Du etwas ausrichten kannst. Alles andere gerät dann auch von selbst zurück ins Lot." Er rutschte auf seinem Sitzplatz etwas zurück betrachtete Lucia ein wenig gedankenverloren. Den Blick so auf den Tisch gerichtet machte sie mehr den Eindruck eines Mädchens als den einer Frau, ein Kontrast zu dem, was sie zuvor von sich gegeben hatte. Eine Spur von Enttäuschung schlich sich in seine Empfindungen, gleichzeitig empfand er sie deutlicher als Bemitleidenswert. Ein weiterer Schluck vertrieb den Gedanken. "Aber lange bist Du noch nicht hier. Nimm Dir die Zeit um es auf Dich zukommen zu lassen."
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Eine relativ magere Motivation, aber besser als nichts. Und von einem Bruder, der Comes war hatte er bereits früher gehört. Trotz allem, offenbar sah er sich doch mit einer Frau konfrontiert, der im Moment alle Türen offenstanden, die sich aber noch nicht festgelegt hatte. Er reagierte mit einem sanften Lächeln zurück, als sie ihm mit einem Grinsen begegnete. "Was das genießen angeht, so kann ich zumindest keinen Einwand erheben. Aber vielleicht solltest Du Gaius wirklich einmal genauer dazu befragen. Ich bin sicher er kennt Dich besser als ich." In Catilius Kopf hallte für den Bruchteil einer Sekunde ein leises 'Noch' nach, doch er behielt diesen Gedankengang für sich. Umso mehr wurde er nun ohnehin abgelenkt, als der Sklave aus Gaius Arbeitszimmer das Atriub betrat. Beide Karaffen und drei Becher auf einem Tablett balancierend, welches er zwischen den Beiden abstellte. Eine kurze Verneigung, ehe ihn Lucius mit knappem Nicken seine Zufriedenheit bekundete und der Servus trat ab. Ungefragt richtete er sich etwas weiter auf um dann erst den Wein, dann das Wasser zu nehmen, um zuerst ihr und dann ihm einzuschenken, ehe er die Gefäße wieder beiseite stellte.
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Priesterin. Diese Offenbarung fiel ihm etwas unerwartet in den Schoss. Mit Sicherheit ein reizvoller Anblick, sie in dem Gewand einer Priesterin zu sehen, entschied er bereits im nächsten Moment für sich. Trotz allem war dies ein weiteres Detail, dass es auf die Waagschale ihres kleinen Spiels zu legen galt, die Frage die er sich jedoch stellte war, auf welcher Seite er es ansetzen sollte. "Denkst Du er wird es gut aufnehmen? Oder Dich eher zu etwas anderem bringen wollen?" Diese Frage kam nun aus ehrlichem Interesse, ganz abgesehen von der kleinen Liebelei von zuvor. Nicht nur betraf es immerhin auch in direkter Weise das Verhältnis von Bruder zu Schwester, sondern verriet eine Menge über den Charakter des bisher noch etwas undurchsichtigen Crassus. "Und ganz davon abgesehen: Du fühlst Dich in deinem Götterglauben bestärkt genug dazu, einen solchen Posten anzutreten?" Er lehnte sich ein wenig zurück, schlug ein Bein über das Andere, wie bereits zuvor. Er wechselte seine Denkensart: Von der spielerischen privaten Ebene zurück auf sein rein rationales und berechnendes Verständnis. Das Interesse an ihrem Werdegang war nun keineswegs geheuchelt, im Gegenteil: Er spielte inzwischen im Geiste bereits ein gewisses Szenario durch.
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Sie hatte den Rückzieher angetreten, in gewisser weise fühlte er sich als Sieger in diesem Duell der Andeutungen und Spitzen. Er tat ihr gleichsam den Gefallen und trat davon zurück einen weiteren Versuch in die Richtung zu unternehmen, vorerst. Anstattdessen löste er sich von ihr und wand sich der Tür zu, durch welche beide das Atrium betreten hatten. Ein ohnmächtiges Heben der Schultern, während er zurück in die inneren Räume der Casa blickte. "Er wird zu tun haben. Die Post lag sicher nicht zur Zierde auf seinem Arbeitstisch." Als er sich wieder herumwandte hatte er es geschaft die zuvor so lauernde, spielerische Maske abzulegen. Aus seinen Augen und den Zügen sprach zwar noch immer ein ähnliches Lächeln, aber diesesmal eine Spur offener, ohne die hintergründigen Züge von zuvor.
"Wir können uns zumindest schon setzen." Er trat zu ihr, um sie an der Hand zu nehmen, diesesmal vermied er einen zu langen Augenkontakt und führte sie stattdessen an seiner Linken zwischen den hohen Säulen hindurch in die Mitte des Atriums, unter den strahlend blauen Vormittagshimmel. Der Innenhof spendete zumindest für den Moment noch Schatten genug, ein Umstand der sich in ein paar Stunden vielleicht ändern würde. Er geleitete Lucia bis zu einer der dort aufgestellten Klinen, hielt ihre Hand noch eine Sekunde länger als nötig gewesen wäre um dann selbst zu einer der anderen am Tisch hinüber zu gehen. Er setzte sich vorerst nur und verzichtete darauf, sich hinzulegen. "Hattest du etwas geplant für deine Rückkehr aus Griechenland? Dir ein Ziel hier in Rom gesetzt? Oder willst du vorerst nur das Leben genießen?"
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"Zweifellos, Cousine." Die explizite Nennung der Verwandschaftsbeziehung glich einer Mahnung, oder doch zumindest der latente Hinweis auf die bestehenden Konventionen mit all ihren Tücken und Hindernissen. Er lies von seiner Säule ab, um ihr zu folgen. Er hielt ihren Blick, während er um sie herum trat und dann wieder vor ihr stand. Sein blick war dabei gleichsam ruhig und konzentriert wie auch lauernd, als wolle er in Lucias Iris eine flüchtige Reaktion erhaschen. "Aber Du, als junge Frau und schon so weit gereist, hast doch mit Sicherheit bereits genug Gelegenheiten dazu gehabt das zu tun?" Er begleitete die Doppeldeutigkeit mit einem milden, hintergründigen Lächeln. "Oder ist dein Aufenthalt in Griechenland so fruchtlos geblieben?"
Er verblieb einen kurzen Moment länger so vor ihr um ihre Reaktion abzuwarten. In aller Ruhe übte er sich dabei aus ihren Zügen zu lesen, jedem noch so kleinsten Zucken einer ihrer feinen Brauen, dem kecken etwas spitzen Mund oder der Art in welcher sie ihre Nase hielt etwas abzulesen. Das Lächeln gewann für einen Moment einen etwas verschmitzteren Eindruck, ehe er die Selbstbeherrschung über seine Gesichtszüge wieder gewann. Mit jedem Schritt, der ihn ein kleines Stück über die Grenze dessen was als Sittlich anzusehen war brachte, kam auch der Reiz danach, es noch ein Stück weiter zu versuchen. Er wägte in Gedanken ab und entschied dann, es zumindest nicht bei der ersten Begegnung auf die Spitze treiben zu müssen. Vorfreude war doch immer noch eine der größten Freuden. Eine Freude die dann umso mehr zum tragen kam, wenn man den Genuss auf später verschob.
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Er folgte Lucia eine kurze Weile mit dem Blick, solange er sich nicht herumwenden musste und trat dann anstattdessen wieder zurück zum Sockel der Säule um sich gegen jene zu lehnen. "Mir wurden die eigenen vier Wände zu eng, der Horizont zu schmal. Syria besitzt seinen Reiz, es ist die Brücke in den Osten. Mehr aber auch nicht. Kein Italia, kein Rom." Er sah sich träge nach ihr um, als er sie zwischen den Säulen und gepflegtem Grün ausmachte hielt er den Blick auf sie gerichtet. Verfolgte ihre Bewegungen, wie sie beim Gehen die Arme bewegte, die Falten, die ihr Gewand bei jedem Schriff aufs neue warf. "Deshalb habe ich einen Schlussstrich gezogen. Mir war es danach mehr zu sehen als Steppe und Wüstensand, also bin ich losgezogen. Erst Asia, dann Achaia, Illyricum, Raetia..." Er lies eine kurze Kunstpause, einige Sekunden in welchen er wieder nur starr den Blick auf sie gerichtet hatte. Er fand gefallen an ihrem Stil dieses Spiel zu spielen, mit subtiler Präzision und klaren Grenzen.
"Ich wusste von Euch, von dieser Casa hier in Rom. Deshalb sollte dies hier das Ziel meiner Reise sein. Ich wollte meine Verwandte sehen, den Ort von dem auch unser Familienzweig stammt und ich wollte auch sehen zu was ich es bringen kann, hier im Zentrum des Imperiums." Er gab sich bescheiden, es kam nicht gut zum Tragen direkte Bestrebungen zu offensichtlich auszusprechen und dabei zum Schluss noch vermessen zu wirken. "Ich denke Rom ist eine Stadt die wundervolle Möglichkeiten bietet... findest Du nicht, Lucia?" Die Frage die er nun an sie richtete kam eine Spur gehauchter, vertrauter, vielleicht heimlicher als seine Ausführungen von zuvor. Er schmeckte dabei ihren Namen nochmals ab, um dessen Klangfarbe in allen Nuancen zum Ausdruck zu bringen.