Neben den kalten Gedanken folgte ein anonymer Schatten meiner Statur. Nur wenig erinnerte er mich an früher. Nur wenig wollte ich mich wohl besinnen. Seitdem ich nach Rom gekommen war, hatte sich die Last auf meinen Schultern vervielfacht. Es wurde von einem Flavius mehr erwartet als von jedem anderen Patriziergentius. In den Tempeln wie in den Gemäuern des Anwesens wehte immerzu ein kalter Hauch. Es war nicht wie auf den nördlichen Anwesen. Irgendetwas verband unsere Familie mit den tiefsten Gräben der Finsternis. Etwas umgab uns. Kein Schleier voller Fröhlichkeit... Nein! ...eine bedrückende Aura, etwas Übersinnliches etwa? Meine Gedanken stockten. Wie so oft lief ein fröstelnder Schauer über den Rücken und wie ständig hätte ich eine warme Schulter gebraucht. Doch sie gab es nicht in diesem Haus. Was mir fehlte war Freiheit und Zuversicht. Das Maß der Augenpaare, der wichtigen Formen und Normen war voll. Es grub immer tiefer in meinem Innersten eine Furch durch den Willen. Es bildete sich ein Widerstreben dabei heraus und mit jedem Morgen folgten neue Samen in diese Rinne.
Gracchus wollte mich also weit weg wissen. Dort wo die Blühten durch den Sand geschluckt wurden. Wo die Sonne gar unnachgiebig auf den Kopf schien. Heute marderte es mich von innen, Morgen würde mein Geist das Märtyrium der Troposphäre erdulden müssen. Es war trotzdem nicht verhinderbar, der Bruder hatte Recht...
"Du behältst wie immer Recht Bruder. Deine Analyse entspricht meinem Wunsch. Ich werde Rom wieder verlassen. Die Ländereien im Norden jedoch werden es trotz der eisigen Winterstürme sein, die mir -wenn auch nur gering- Wärme schenken sollen. Es zieht mich nicht in einen heißen Landstrich, der nur die Geschichte geliebter Ahnen erzählt. Zuviele schöne Geschichten verbinde ich mit unseren Eltern, als das ich dahin gehen könnte. Es würde mir wohl ähnlich ergehen wie hier..."
Ich atmete durch.
"Die Einsamkeit wird mir gut tun, so hoffe ich. Vielleicht kehre ich zurück, wenn ich die wahre Berufung erkannt habe oder mir ein Weg in meinen Visionen erscheint. Die Götter werden mir Zuversicht und Frieden gewähren. Ihnen zu dienen, wird meine innerste Befriedigung sein."
Die Krankheit hatte sich nie richtig aus meinen Gliedern verabschiedet. Immer war ich wehleidig und unbeständig geblieben. Tief saß ein Schmerz, dessen Ursprung mir nicht bewußt war. Neben diesem Unheil fand sich das Geistige und ich war mir sicher, dass Rom dabei einen großen Anteil trug. Irgendetwas oder jemand verpestete die Stadt und gab unseren Sinnen Gift. Mit etwas Glück konnte ich diesem Wahnsinn noch einmal entkommen und als Mensch zurückkehren, wenn ich nun als Verrückter die Stadt verließ. Zumindest mußte Gracchus das glauben, wenigstens er, denn ich tat es mit Bestimmtheit.