Silanus wollte der junge Tiberia gerade auf ihre Frage antworten, als sich ihr junger Verwandter wieder an dem Gespräch beteiligte. Gespannt sah der Iunier in die Richtung des Patriziers der am heutigen Abend bereits mit einigen pathetischen Aussagen die Legion und das Soldatenleben betreffend aufhorchen ließ, sich zuletzt in den Gesprächen jedoch eher zurückgehalten hatte. Das er selbst seinen Sold nicht in die Tavernen oder Bordelle seiner Garnisonsstadt trug war ja äußerst löblich, doch dass seine darauffolgende Aussage wie ein Vorwurf an den Iunier klang, er täte dem Soldatenstand unrecht und wüsste nicht von was er sprach, ließ dann doch eine Augenbraue des Procurators nach oben wandern. Ein wenig unverschämt wie er es empfand. Vielleicht war es an der Zeit den Kopf dieses jungen Patriziers ein wenig zu Recht zu rücken. Er wandte sich daher dem Tiberier zu.
"Mein lieber Tiberius! Mir ist durchaus bewusst, dass nicht jeder Soldat seinen Sold versäuft und auch, dass die Legionen eine Grundsäule unseres Reiches darstellen. Ich habe auch nichts Gegenteiliges behauptet. Allerdings drängt sich mir immer mehr auf, dass deine Sicht der Dinge doch etwas verklärt ist.
Verzeih mir meine offenen Worte, aber du bist in meinen Augen ein grüner Junge, der noch sehr viel zu lernen hat. Soweit ich hörte, bist du direkt in die Unteroffiziersränge eingestiegen, musstest somit weder eine Grundausbildung absolvieren, noch auch nur einen einzigen Tag das Leben eines einfachen Legionärs führen. Viele dieser Männer warten Jahre oder gar Jahrzehnte auf eine solche Beförderung und für die meisten geht dieser Wunsch Zeit ihres Lebens nicht in Erfüllung. Du hingegen malst dir wahrscheinlich schon deine Weiterbeförderung zum Centurio aus. Aus meiner Sicht, würdest du dir einen Gefallen tun, gar nicht erst zu versuchen, dich mit diesen Männern gleich zu setzen. Denn fast jeder von ihnen musste im Laufe seines Lebens mehr Entbehrungen hinnehmen, als es sich einer von uns, die wir vergleichsweise Privilegiert aufwachsen konnten, vermutlich vorstellen können.
Auch ich habe nie das Leben eines einfachen Legionärs kennengelernt, doch nach Jahren als Offizier und Kommandeur in Italia, Aegyptus und Germanien wirst du mir doch hoffentlich ein gewisses Verständnis und eine gewisse Erfahrung in dieser oft eigenen und für außenstehende mitunter unverständlich anmutenden Welt zugestehen. Mogontiacum, auf das mich deine Verwandte angesprochen hat, liegt übrigens in der Provinz Germania Superior und die Einheit, welche ich dort geführt habe war eine Ala. Ich kann dir daher versichern, dass zwischen einem römischen Legionär aus Italia und einem peregrinen Soldat einer Auxiliareinheit in Germania noch einmal Welten liegen - sowohl was die Trinkfestigkeit, als auch die Einstellung zu Regeln oder den Dienst an Rom im allgemeinen betrifft.
Lege deinen Erfahrungsschatz, so reichhaltig er auch in den letzten Monaten deiner Dienstzeit angewachsen ist, also bitte nicht gleich auch das ganze Reich oder den gesamten Exercitus Romanus um."
Seine Worte hatten sich nicht unfreundlich, doch schon einigermaßen bestimmt angehört. Für ihn war dieses Thema damit auch schon wieder abgehackt und er wandte sich wieder lächelnd der jungen Frau zu, da er nicht damit rechnete, dass der junge Patrizier dem hochrangigen Ehrengast des heutigen Abends noch einmal ins Wort fallen würde - vor allem wenn er sich gerade derart gut mit dieser jungen und hübschen Patrizierin unterhielt.
"Wo waren wir? Ach ja. Du hattest gefragt wo ein Procurator seine Nächte durchzecht? Nun, würdest du es mir glauben, wenn ich dir sage, dass der Kaiser einiges verträgt?"
Silanus zwinkerte er zu und lachte herzhaft.
"Nein! Spaß beiseite. Ich bin wohl schon in einem Alter, wo man auf derartige Freizeitaktivitäten verzichtet. Um ehrlich zu sein verbringe ich sehr viel, vielleicht zu viel Zeit im Palast und in der restlichen Zeit führe ich das beschauliche Leben eines römischen Durchschnittsbürgers. Hier und da folge ich einer netten Einladung, so wie heute beispielsweise, aber ansonsten ziehe ich die Ruhe unserer Familiencasa doch gesellschaftlichen Verpflichtungen vor. Von denen hat man an der Seite des Kaisers doch tagsüber zur genüge zu absolvieren."