Beiträge von Lucius Iunius Silanus

    Silanus hatte einen Kontrollrundgang mit jenem seiner Primicerii angesetzt, der für die bauliche Verwaltung des Palastes zuständig war. Bei ihrem Rundgang im Außenbereich des Palastes, kamen die beiden Männer, gefolgt von einigen mit Wachstafeln bewaffneten Schreibern, auch an einem Teil der Palastmauer vorbei, an dem schon von weiten ein verschmierter Schriftzug zu erkennen war. Erst beim näherkommen konnte der Iunier die Bedeutung der Worte entziffern. Verärgert sah er den Primicerius an.


    "Wie lange steht das schon hier?! Warum wurde es noch nicht entfernt?! Kümmert sich denn überhaupt keiner hier um seine Arbeit?!"


    Auch wenn mehr als ersichtlich war, dass dieser Schriftzug bereits sein längerer Zeit auf der Mauer prangte, ließ Silanus seinen Blick instinktiv in beide Richtungen des Straßenzuges schweifen, als ob er noch einen Täter ausfindig machen konnte, der vielleicht gerade stolz beobachtete, wie sein Werk von den Palastmitarbeitern entdeckt und inspiziert wurde. Da er bis auf die üblichen Schaulustigen nichts auffälliges Entdecken konnte, traf sein strafender Blick wieder den schuldbewussten Primicerius, dessen Gesichtsfarbe sich augenblicklich ins rötliche färbte.


    "Lass diese Schmiererei sofort entfernen. Wenn ich heute Abend den Palast verlasse, möchte ich nichts mehr davon erkennen können."


    Der Primicerius nickte und schickte sofort einen Schreiber mit einer entsprechenden Anweisung los. Dann setzte die kleine Schar an Hofbeamten ihren Kontrollrundgang fort. Ein wenig später kam auch schon ein kleiner Trupp an Arbeitern herbeigeeilt, die nicht lange brauchten, um den Schriftzug zu entfernen. Schlußendlich war nichts mehr davon zu erkennen.

    Die Antwort des Kaisers auf Silanus Nachfrage war eher zurückhaltend und ließ nicht wirklich darauf schließen, wie es dem bedeutendsten Mann im Reich heute ging. Silanus konnte sich an seinem ersten Tag auch nicht zu viel Vertrautheit erwarten. Sowohl das Vertrauen zwischen dem Kaiser und seinem Protokollleiter, als auch Silanus Blick und Feingefühl für den Gesundheits- und Gemütszustand des Kaisers musste erst im Laufe der Zeit wachsen. Der Procurator nahm das Angebot sich setzen zu dürfen dankend an und nahm auf einem der Stühle, die vor dem Schreibtisch standen Platz. Seine mitgebrachten Unterlagen legte er dabei selbstverständlich nicht am Schreibtisch des Kaisers ab, sondern platzierte sie auf seinem Schoß.


    "Ich wurde heute Morgen von meinen Primicerii vorerst über das Wichtigste informiert und habe mich auch in einige offene Angelegenheiten eingelesen. Ich habe auch drei Schreiben des Consuls mitgebracht, die ich auf meinem Tisch vorgefunden habe. Womit möchtest du beginnen?"

    Silanus erster offizieller Termin beim Kaiser in seiner neuen Funktion als Procurator stand auf der Agenda. Noch aus seiner Amtszeit als ab epistulis wusste er, dass regelmäßige Besprechungen und ein reger Austausch zwischen dem Kaiser und seinen Procuratoren fast an jeder Tagesordnung standen. Auch dieser Kaiser handhabte es vermutlich nicht anders als seine Vorgänger. In solchen Besprechungen wurde er schließlich über die neusten Ereignisse und Anfragen aus Rom und dem Reich informiert und hatte die Möglichkeit seinerseits wiederum Weisungen zu erteilen, die im Anschluss binnen kürzester Zeit von den Procuratoren in alle Ecken und Winkel des Reiches ausgegeben wurden.


    Nachdem man Silanus darüber informiert hatte, dass der Kaiser seinen Arbeitstag im Officium Imperatoris begonnen hatte und bereit für die ersten Termine war, machte er sich auf den Weg in den Domus Flaviana. Noch kurz seine Toga zurechtgerückt, klopft er an die schwere und reichverzierte Doppelflügeltüre des kaiserlichen Officiums und trat schließlich ein. Seinen Stapel Unterlagen hatte er dabei fest unter seiner Achsel eingeklemmt und war darauf bedacht nichts davon zu verlieren.


    "Guten Morgen Princeps. Ich hoffe du hattest eine angenehme und erholsame Nachtruhe."


    begann Silanus das Gespräch gleich beim Eintreten, um sich zuallererst nach dem Wohlbefinden des Kaisers zu erkundigen. Seinem Verständnis nach gehörte auch dies zur Aufgabe eines guten obersten Privatsekretärs, schließlich richtete sich danach der Audienzverkehr und das Hofprotokoll des restlichen Tages. Er trat dabei die restlichen Schritte bis an Schreibtisch näher und wartete dann ab, ob der Kaiser ihm anbot sich zu setzen.

    Seinen ersten Arbeitstag auf dem neuen Posten des Procurators a libellis hatte Silanus recht früh begonnen. Nachdem er einige Primicerii begrüßt hatte, die in Zukunft unter seiner Führung arbeiten sollten, betrat er seinen neuen Arbeitsbereich. Das Officium, ein großer repräsentative Raum, machte einen sauberen und an manchen Stellen sogar frisch renovierten Eindruck. Seine Mitarbeiter hatten sich wohl bemüht, dem neuen Procurator einen angenehmen Start zu verschaffen. Ein leichter Geruch von Farbe lag noch in der Luft, was darauf hindeutete, dass an manchen Stellen an der Wand vor kurzem noch kleinere Ausbesserungsarbeiten durchgeführt wurden und den Iunier dazu veranlasste, als erste Tätigkeit das Fenster zu öffnen und etwas Frischluft herein zu lassen.


    Als nächstes trat er an seinen Schreibtisch, der in der Mitte des Raumes stand und mit der Vorderseite in Richtung Türe gewandt war. Fein säuberlich waren dort einige Papyrusrollen und Tabula gestapelt, die wohl darauf hindeuteten, dass bereits einiges an Arbeit auf den neuen Procurator wartete. So nahm Silanus hinter seinem Schreibtisch platz und begann mit der Durchsicht. Drei Schreiben vielen ihm dabei besonders ins Auge, da es sich um Nachrichten seines Patron Decimus Livianus handelte.



    An die
    Administratio Imperatoris
    Palatium Augusti



    Wie mit dem Princeps vor meinem Amtsantritt besprochen, möchte ich nun, nachdem die Saturnalien beendet sind, einen Termin für ein großes öffentliches Opfer festlegen. Ich hätte dabei Anfang Februarius ins Auge gefasst und bitte um die Bestätigung eines Termins innerhalb dieses Rahmens, an dem der Princeps Zeit hat, um an diesen Feierlichkeiten teilzunehmen.


    Vale bene,


    MARCUS DECIMUS LIVIANUS
    Consul



    An die
    Administratio Imperatoris
    Palatium Augusti



    Gemäß § 40 des Codes Universalis bitte ich hiermit um die Bestätigung des kommenden Termins für die Wahlen des Cursus Honorum mit ANTE DIEM XIV KAL MAR DCCCLXIV A.U.C. (16.2.2014/111 n.Chr.) und ANTE DIEM XIII KAL MAR DCCCLXIV A.U.C. (17.2.2014/111 n.Chr.) durch den Princeps. Als Ernennungstermin für die neuen Magistraten würde ich den ANTE DIEM VII KAL MAR DCCCLXIV A.U.C. (23.2.2014/111 n.Chr.) oder KAL MAR DCCCLXIV A.U.C. (1.3.2014/111 n.Chr.) vorschlagen.


    Ich ersuche um baldigst mögliche Rückmeldung, um diese Termine fristgerecht veröffentlichen zu können.


    Vale bene,


    MARCUS DECIMUS LIVIANUS
    Consul



    An die
    Administratio Imperatoris
    Palatium Augusti


    Ich ersuche um eine Privataudienz, um bei dieser Gelegenheit mit dem Princeps über die Zukunft meines Sohnes Serapio zu sprechen.


    Bitte um Bekanntgabe eines möglichen Termins.


    Vale bene,


    MARCUS DECIMUS LIVIANUS
    Consul


    Silanus legte sie zu dem Stapel, den er später zu seiner ersten Besprechung mit dem Kaiser nehmen wollte und arbeitete sich weiter durch die Schriftstücke und Anfragen.

    Silanus nickte zufrieden. Er war mit dieser Vereinbarung einverstanden. Noch ein paar Tage zur Vorbereitung kam ihm gewiss gelegen, auch wenn er auch schon morgen bereit sein konnte. Doch bestimmt war es auch für die Administratio einfacher, vorher noch ein wenig Vorbereitungszeit zu haben.


    "Ich danke dir Princeps. Ich werde meinen Dienst also in 3 Tagen antreten. Vermutlich wird bis dahin auch meine Ernennung verlautbart worden sein."


    Damit war von Silanus Seite aus alles gesagt und geklärt. Er erwartete nun, das er sich zurückziehen konnte.

    Silanus war ein wenig überrascht doch die Entscheidung viel nicht wirklich schwer. Natürlich hatte er gehofft als Absolvent des Examen Tertium an der Academia Militaris und ehemaliger Offizier des Exercitus Romanus seine langjährigen Erfahrungen mit den Kontakten zu den militärischen Einheiten und Statthaltern einbringen zu können. Doch der Posten des Procurator a libellis war nicht weniger verantwortungs- oder bedeutungsvoll. Schließlich traf dieser die Entscheidung darüber, wer zum Kaiser vorgelassen wurde und wer nicht und leitete das Protokoll im Palast. Er musste sich in die Agenden gewiss mehr einarbeiten wie in die des ab epistulis, doch er war sicher auch hier spannende Herausforderung zu haben, auf die er sich mit Vergnügen einlassen wollte. Er nickte daher lächelnd.


    "Ich nehme den Posten sehr gerne an. Wann soll ich meine Arbeit aufnehmen?"

    Verheiratete Beamte wünschte sich der Kaiser also. Zweifellos hatte er damit recht, dass es einen besseren Eindruck machte, doch war es bisher nicht Einfach gewesen eine Frau zu finden und Silanus hatte wenig Hoffnung das ihm ein neues Amt zu besseren Aussichten verhelfen konnte. Doch wenn der Kaiser es wünschte, würde er seine Suche nach der Richtigen freilich erneut aufnehmen.


    "Vorerst nicht. Aber unter Umständen ergeben sich noch Fragen, nachdem du mir verraten hast, ob und für welchen Posten du mich nun in Betracht ziehst."

    Silanus hätte seinem Patron zweifelsohne von dieser Kandidatur abgeraten, denn wirklich bewegen, konnte dieser in seiner kommenden Amtszeit mit ziemlicher Sicherheit fast nichts. Dazu war der Senat derzeit wohl zu uneins und zu träge. Es blieb nur zu hoffen, dass der Decimer das eine Jahr möglichst unbeschadet überstand und dann als Consular zumindest zum erlauchten Kreis der Nobilitas gehörte. Doch wirklich mehr war dabei nicht zu gewinnen. Doch Livianus war in solchen Dingen schon immer ein zu gutgläubiger Mensch, der zwar mit den besten Absichten handeln wollte, doch in den meisten Fällen mit seinen voreiligen und oft nicht genau durchdachten Bauchentscheidungen an Widerständen unterschiedlichster Art scheiterte. Ein Fressen für politische Machtmenschen und Intriganten.


    "Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob sich dein Onkel einen Gefallen damit getan hat. Überall in Rom erzählt man sich von den Anfeindungen im Senat gegen ihn während seiner Kandidatur. Er wird doch nicht aller ernstes annehmen, dass dies mit seiner Amtseinsetzung ein Ende nimmt. Ganz im Gegenteil ist davon auszugehen das die politischen Gegner und Neider sich noch mehr auf ihn einschießen und jegliches Vorhaben seinerseits von Anfang an zum scheitern verurteilt ist. Es ist zwar schade, aber wohl der Realität am nächsten."

    "Nein, leider bin ich der einzige Angehörige meines Familienzweigs der bisher in den Ritterstand erhoben wurde. Wobei ich doch sehr große Hoffnungen in meinen Neffen Seneca setze. Soweit ich gehört habe und es einschätzen kann, hat er bisher gute Arbeit bei der Cohortes geleistet und wurde sogar mit der Corona Muralis ausgezeichnet. Er würde bestimmt einen hervorragenden Offizier abgeben."


    Nachdem Silanus die Gelegenheit genutzt hatte kurz für seinen Neffen etwas Werbung zu machen, beantwortete er die Frage des Kaisers in Bezug auf sich selbst. Wobei es da nicht sonderlich viel zu beantworten gab.


    "Ich selbst bin wederverheiratet, noch habe ich Kinder. Fortuna war mir in dieser Beziehung bisher leider nicht sonderlich hold. Vermutlich lag es bisher auch an dem doch recht unbeständigen Lebenswandel, den ich vor allem während meiner Dienstzeit im Exercitus praktizierte. Das Leben eines Offiziers bietet oft nicht die passende Umgebung für eine Familie, geschweige denn den Anreiz den die meisten Frauen eines höheren Standes suchen."

    "Ich habe nach meiner Rückkehr wieder meine privaten Räume in der Casa Iunia bezogen. Zwei meiner Verwandten, darunter mein Neffen Seneca versehen derzeit ihren Dienst bei der Cohortes Praetoriae. Seneca hat es mittlerweile zum Centurio gebracht und mein Cousin Avianus ist noch einfacher Miles. Ein weiterer Vetter dient als Legionarius bei der Legio I."


    Alles in allem bekleideten seine Verwandten vermutlich noch keine Ämter oder Posten, die beim Kaiser besonderes Interesse wecken mussten. Doch sie verfolgten alle fleißig ihre Karrieren und was noch nicht war, konnte schließlich noch werden.

    Silanus nickte noch einmal höflich dankend, als Seiana einen Sklaven lossickte, um den gewünschten Wein aufzutreiben. Er nutzte diese Ablenkung und musterte sie kurz. Auch wenn sie bereits in etwa sein Alter erreicht hatte und nicht mehr mit dem Charme der Jugend und Unberührtheit punkten konnte, auf den so viele, vor allem gut situierte Männer fortgeschrittenen Alters Wert legten, so stand ihm doch eine sehr attraktive und auch begehrenswerte Frau gegenüber. Es war also kein Wunder, das Seneca ihr verfallen war und Silanus konnte dies besser nachvollziehen, wenn auch nach wie vor nicht gutheißen. Schließlich wandte sie sich wieder dem Iunier zu und er sah auf. Durch die dann aufkommende Stille, machte sich wieder Unbehagen in ihm breit. Gerne hätte er sie einfach direkt auf seinen Neffen Seneca und die Vorwürfe von Axilla angesprochen. Doch da er ihre Reaktion vorerst nicht einschätzen konnte, wollte er keinen Eklat bei diesem Anlass riskieren. Vielleicht ergab sich ja zu einem späteren Zeitpunkt noch eine bessere Gelegenheit dieses Thema anzusprechen. Womöglich sogar unter vier Augen. Während er weiter überlegte, wie er dies bewerkstelligen konnte, brach Seiana plötzlich das Schweigen und stellte eine Frage. Es ging um seine Abwesenheit. Erleichtert atmete Silanus durch und machte sich sofort daran, dass Gespräch aufzunehmen.


    "Ich musste mich krankheitsbedingt auf mein Landgut zurückziehen. Meine Ärzte haben vor der Machtergreifung Salinators ein Lungenleiden festgestellt und mir geraten einige Monate Rom zu verlassen und mich für einige Zeit einer eher trockenen und sehr salzhaltigen Luft auszusetzen. Da mein Landgut an der Küste Hispanias liegt, war es der passende Erholungsort. Dort erreichte mich schließlich auch die Nachricht über den Tod Kaiser Valerianus und der Inthronisierung des Vesculariers. Ich entschied mich daher in Hispania zu bleiben und die weiteren Geschehnisse abzuwarten. Im Nachhinein betrachtet wohl die richtige Entscheidung wie mir scheint. Vor allem da für mich seit meiner Rückkehr sehr oft deutlich wird, wie Rom und seine Bürger unter dem Bürgerkrieg gelitten haben. Auch deine Familie hatte sehr schwere Bürden zu tragen wie ich gehört habe. Es muss eine große Erleichterung sein, nun wo dein Onkel wieder in Rom ist und nun sogar für ein Jahr an der Spitze des Senats stehen wird."

    Silanus nickte lächelnd als er hörte, dass seine Zusammenfassung die Zufriedenheit des Kaisers fand, auch wenn dieser nach wie vor keine eindeutige Aussage bezüglich einer Anstellung des Iuniers traf. Stattdessen folgte die nächste Frage, die er ebenfalls versuchte wahrheitsgemäß zu beantworten.


    "Nun, meine Kontakte nach Rom sind im Verlauf des Bürgerkriegs, vor allem gegen dessen Ende, nahezu abgebrochen. Davor hatte ich immer wieder vereinzelt Briefkontakt zu einigen Bekannten und Verwandten, die mich über das Geschehen in Rom weitestgehend am laufenden hielten. Seit meiner Rückkehr versuche ich meine alten Kontakte natürlich wieder verstärkt anzukurbeln. Vieles über die Zeit der vescularischen Herrschaft habe ich auch erst nach meiner Rückkehr von meiner Verwandten Iunia Axilla erfahren, die dir bekannt sein sollte. Was die derzeitigen politischen Verhältnisse in Rom betrifft, so bin ich ein langjähriger Klient des Consuls Decimus Livianus und habe sowohl seinen Wahlkampf, als auch seine Amtseinsetzung daher interessiert verfolgt. Auch wenn wir uns seit einigen Jahren nicht mehr gesehen haben, so würde ich unser Vertrauensverhältnis doch sehr hoch einschätzen. Ich kann also davon ausgehen zukünftig politische Neuigkeiten mitunter schneller und aus erster Hand zu erfahren.


    Was die Provinzen betrifft, so konnte ich die letzten Jahre auf frühere Kontakte nach Aegyptus und Germania Superior zurückgreifen, die noch aus meiner Dienstzeit beim Exercitus Romanus herrühren. Mir sind daher einige Dinge bekannt, wie beispielsweise dass der eine oder andere hochrangige Posten in beiden Provinzen derzeit vakant ist, oder dass die Legio II nach Mogontiacum verlegt wurde. Alles in allem aber nichts, dass ich derzeit als besonders wichtigen Informationsvorsprung bezeichnen könnte. Ganz im Gegenteil habe ich eher das Gefühl, dass es nach dem Bürgerkrieg recht ruhig in beiden Provinzen geworden ist, was aus meiner Sicht als Außenstehender eher als positives Zeichen zu deuten ist.


    Ansonsten weiß ich derzeit vermutlich nicht mehr über die Belange des restlichen Reiches wie der Durchschnittsbürger. Ich denke jedoch, dass unter den richtigen Voraussetzungen durchaus in der Lage bin mir relativ bald wieder ein gut funktionierendes Informationsnetz aufzubauen."

    Es war wohl eine Fügung des Schicksals, dass es Silanus bei dieser Gelegenheit ausgerechnet mit Decima Seiana zusammenführte, deren Verbindung mit seinem Neffen ihm in letzter Zeit einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Er konnte jedoch nicht sagen, dass er sich besonders darüber freute. Viel eher fühlte er sich vom Schicksal eher etwas überrumpelt. Trotzdem folgte der Iunier der Nichte seines Patrons ein paar Schritte zur Seite um den weiteren Gratulanten Platz zu machen. Als sie ihm etwas anbot, nickte er freundlich.


    "Gerne. Ich habe von einem sehr erlesenen Falerner gehört, den es in einem eurer Familienbetriebe zu kaufen gibt. Er wird doch bestimmt auch hier zu diesem besonderen Anlass ausgeschenkt?"

    "So ist es. Verglichen mit meiner Zeit im Exercitus war meine Amtszeit als Procurator natürlich verhältnismäßig kurz, doch ich konnte durchaus einiges an Erfahrung aus der Arbeit im Palast mitnehmen. Mir war dabei immer wichtig, dass es für alle Mitarbeiter und Aufgaben in der Administratio klare Vorgaben und Richtlinien gab. Das betraf vor allem die Aufteilung der Themen in solche, um die sich der Kaiser selbst annehmen wollte, solche über die er lediglich informiert werden wollte und diejenigen, die von der Administratio in Eigenverantwortung abgehandelt werden durften. Dazu war eine genaue Festlegung der Entscheidungsfreiheiten der Procuratoren oder auch Primiceri sehr hilfreich was beispielsweise die Bestätigungen von Beförderungen, die Verleihung von Auszeichnungen oder auch die Neu- und Nachbesetzung oder Versetzung von Offizieren oder anderen Amtsträgern betraf. Der Grundtenor unter Kaiser Valerianus lautete dabei immer, alles Unnötige vom Kaiser fernzuhalten und wenn möglich selbst abzuhandeln. Das galt sowohl für die kaiserliche Korrespondenz, als auch für den Audienzverkehr am Hof.


    Ein weiterer wichtiger Punkt war auch, die Gepflogenheiten und den Tagesablauf des Palastes an den Gemütszustand und die Wünsche des Kaisers anzupassen. So wie augenscheinlich auch du, pflegte Kaiser Valerianus beispielsweise seine Audienzen eher hier im Officium abzuhalten, als in der Aula Regia wie etwa sein Vorgänger Kaiser Iulianus.


    Ich habe die Aufgaben und die Arbeit der beiden Procuratoren ab epistulis und a libellis zusammengefasst immer gerne mit denen eines Praefectus Castrorums verglichen. Sie sind in meinen Augen angefangen mit der Bearbeitung der Korrespondenz, der Veröffentlichung von kaiserlichen Dekrete und der Ausstellung von schriftlichen Befehlen in alle Ecken und Enden des Reiches, sowie der Bestellung neuer Offiziere und Amtsträger über den Audienzverkehr, den Tagesablauf im Palast und der Führung und Koordinierung der Administratio, bis hin zur Sicherheit und dem Wohlbefinden des Kaisers zuständig. Weitreichende Pflichten also, die zur Ausübung auch weitrechende Rechte erfordern. Die beiden Procuratoren sind vereinfacht gesprochen das Sprachrohr, sowie die Augen und Ohren des Kaisers innerhalb und außerhalb der Palastmauern."


    Silanus entschied sich hier an diesem Punkt wieder etwas einzubremsen. Er wollte keinesfalls belehrend wirken, immerhin wusste der Kaiser vermutlich selbst nur zu gut, wie sein Verwaltungsapparat funktionierte.


    "Doch ich erzähle dir bestimmt nichts Neues. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich die Grundabläufe hier im Palast in den letzten Jahren so dramatisch verändert haben."

    Da Silanus aus seiner Sicht nicht „ein jeder“ war, sondern auf eine durchaus vorzeigbare ritterliche Karriere inklusive Kommando und Erfahrung als Procurator am Kaiserhof zurückblicken konnte, war ihm durchaus bewusst, dass ein Posten am Kaiserhof Vertrauen erforderte. Es erforderte jedoch mindestens genauso viel vertrauen einem Eques ein militärisches Kommando oder ein anderes Ritteramt zu übertragen, das in den oberen Verwaltungsebenen zu finden war. Da der Kaiser vermutlich keine Heerschar an Eques zu seinen engsten Vertrauten zählen konnte, war die Vergabe eines solchen Postens also ein Wagnis, das er in nächster Zeit wohl noch öfter eingehen musste. Der Iunier konnte sich zudem gut vorstellen, worauf die Frage des Princeps abzielte.


    "Unter normalen Umständen gebe ich dir bei dieser Schlussfolgerung Recht mein Kaiser. In meinem Fall musste ich meinen Dienst zum Teil Krankheitsbedingt aufgeben. Ursprünglich war es nicht geplant Rom für so lange Zeit zu verlassen sondern lediglich auf Anraten meiner Ärzte ein Lungenleiden auszukurieren. Als sich die Ereignisse in Italia jedoch kurz darauf überschlugen, der Kaiser und seine Familie ermordet wurden und der Usurpator die Macht ergriff, sah ich keinen Grund nach Rom zurückzukommen. Mit dem Tod des Kaisers, dem ich meine Treue geschworen hatte, sah ich auch meine Verpflichtungen gegenüber dem Kaiserhof als beendet an.


    Zudem war mein Verhältnis zum Vescularier schon während seiner Zeit als Praefectus Urbi nicht gerade das Beste und ich habe die Rechtmäßigkeit seiner Machtübernahme von Anfang an bezweifelt. Es war aus meiner Sicht daher wohl die bessere Entscheidung weiterhin in Hispania zu bleiben und mich dem Dienst an seiner verwerflichen Herrschaft zu verweigern, als mich der Willkür dieses Mannes auszusetzen und zu seinem Komplizen zu werden."

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus
    "Iunius Silanus! Welche Überraschung! Es ist wahrlich lange her. Ich freue mich zu sehen, dass es dir gut geht und du die letzten Jahre unbeschadet überstanden hast. Wo hat es dich die letzten Jahre hinverschlagen? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du zuletzt am Kaiserhof gearbeitet?"


    Silanus war froh darüber, dass sein Patron sehr erfreut und wohlwollend auf seinen Besuch reagierte. Nun begann auch er zu lächeln. Es reichte ein Blick in Livianus freundliches und offenes Gesicht um zu glauben, es wären nur Tage und keine Jahre zwischen heute und ihrem letzten Aufeinandertreffen gewesen.


    "Ich meine Tätigkeit als Procurator im Kaiserpalast bis kurz vor der Ermordung Kaiser Valerianus ausgeübt. Im Nachhinein betrachtet war es wohl Glück, dass eine Lungenkrankheit mich zwang diesen Posten aufzugeben und Rom zu verlassen. So ist es mir erspart geblieben, die Machtergreifung des Vesculariers aus erster Reihe miterleben zu müssen. Er war schon als Praefectus Urbi kaum zu ertragen. Den Bürgerkrieg über habe ich dann auf einen meiner Landgüter verbracht. Ich habe gehört das auch du während dieser Zeit nicht in Rom warst?"

    Lange hatte Silanus es vor sich hergeschoben und da sein Patron in den letzten Wochen wohl auch mit anderen, viel wichtigeren Dingen beschäftigt war als mit seinen Klienten, konnte der Iunier sein Gewissen damit beruhigen, seinen Patron nicht unnötig dabei gestört zu haben. Doch bei einem solchen Ereignis zu fehlen, konnte er nicht mehr mit sich vereinbaren. Hätte Decimus Livianus herausgefunden, dass Silanus sich seit Wochen in Rom aufhielt und dennoch bei seinem Amtsantritt als Consul gefehlt hätte, so wäre bestimmt das Patronat auf dem Spiel gestanden. Etwas, dass der Iunier keinesfalls riskieren wollte. Er war daher zur heutigen Salutatio gekommen und würde auch danach den Processus Consularis gemeinsam mit anderen ritterlichen Klienten und Bekannten des Decimers anführen. Doch nun war es an ihm, dem neuernannten Consul seine Gratulation auszusprechen. Als er endlich an der Reihe war, trat er seinem Patron etwas nervös und mit einer schuldbewussten Mine gegenüber.


    "Salve Patron! Es ist lange her. Ich hoffe du verzeihst, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich möchte dir zu deinem Consulat gratulieren. Natürlich auch im Namen der Iunii. Mögen die Götter über dich wachen und dir auch weiterhin den richtigen Weg weisen."

    Unauffällig musterte Silanus den Mann, der ihm zwar als zweifacher Consular auch schon vor seinem Aufstieg zum Kaiser ein Begriff war, den er aber zum ersten Mal aus dieser Nähe zu Gesicht bekam. Er verneigte sich steif und nickte dem Kaiser dabei ebenfalls zur Begrüßung zu, als dieser zum ersten Mal in seine Richtung sah. Als er ihm schließlich deutete sich zu setzen, kam er dieser Aufforderung umgehend nach und nahm auf einem der Stühle Platz, die wie gewohnt vor dem Schreibtisch des Kaisers standen.


    Er lauschte aufmerksam den Worten seines Gegenübers, die ihm anfangs ein wenig verwunderten. Ganz so ungewöhnlich wie der Kaiser fand er sein Vorgehen eigentlich nicht, schließlich war er zum einen selbst fast an der Spitze des ritterlichen Cursus Honorum angelangt und es wäre daher eher an ihm, andere für eine Posten am Kaiserhof vorzuschlagen, als selbst vorgeschlagen zu werden. Zum anderen waren bei ihm, wie auch bei vielen anderen ranghohen Angehörigen quer durch alle Gesellschaftsschichten und Stände, jene Kontakte durch den Bürgerkrieg abgerissen, die für eine solche Empfehlung in Frage kommen konnten. Kaum ein Senator oder ein Eques konnte sich, soweit er wusste, glücklich schätzen einen Klienten oder einen Patron zu haben, der noch direkten Kontakt zum neuen Kaiser oder einen seiner Untergebenen hatte. Vermutlich war dies auch der Grund dafür, warum der eine oder andere Posten in Rom noch nicht besetzt war. Doch darauf hinzuweisen stand ihm nicht zu. Noch nicht, denn er sah es durchaus als Aufgabe eines Procurators an, den Kaiser auch in solchen Themen zu beraten oder zumindest darauf hinzuweisen. Vielleicht ergab sich also irgendwann noch eine bessere Gelegenheit dafür. Vorerst entschied er sich aber nichts zu sagen, sondern nur dankend und zustimmend zu nicken und stattdessen auf die direkte Frage des Kaisers einzugehen.


    "Diese Frage zu beantworten ist einfach Augustus. Ich denke, dass es einen Mann glücklicher und eben sein Leben lebenswerter macht, wenn er mit einer Aufgabe durchs eben jenes geht, ganz gleich welche Herausforderungen sie für ihn bereithält. Und welche Aufgabe könnte dabei erstrebenswerter sein als der Dienst am römischen Staat oder an seinem Kaiser. Der Posten des Procurator ab epistulis am Kaiserhof war zudem die letzte Funktion, die ich vor der Machtübernahme des Usurpators innehatte. Was wäre daher naheliegender, als wieder einen Berufung an den Kaiserhof anzustreben."

    Im Schlepptau des Iuliers betrat Silanus das Arbeitszimmer des Kaisers. Es war lange her, dass er zuletzt hier gestanden hatte bzw. täglich ein uns aus gegangen war, als ob es sein Eigenes gewesen wäre. Auch Kaiser Valerianus hatte Gespräche in seinem Officium der Aula Regia vorgezogen. Das Zimmer selbst hatte sich freilich nicht geändert, allerdings war die Ausstattung und das Mobiliar geändert worden. Was dieses Officium alles im Laufe seines langen Bestehens erlebt und gesehen hatte und dennoch musste es sich gefallen lassen, von jedem neuen Besitzer seinem Geschmack und Bedürfnissen angepasst zu werden.