Beiträge von Lucius Iunius Silanus

    Das Officium sah leer aus. Genau so wie er es bei seiner Ankunft hier in Aegyptus übernommen hatte. Silanus stand an seinen Schreibtisch und ordnete noch einige Berichte, die sein Scriba anschließend archivierte oder für seinen Nachfolger aufhob. Alle persönlichen Gegenstände und Möbelstücke hatte der Iunier bereits in sein Haus bringen lassen. Dort wurden sie gemeinsam mit den anderen Habseligkeiten des Tribuns nach Alexandria gebracht und auf ein Schiff verfrachtet, das sie nach Rom brachte.


    Die Zeit hier war alles in allem nett gewesen. Nicht unbedingt herausfordernd für einen jungen Mann, aber nett. Silanus freute sich schon sehr auf seine Versetzung und auf die neuen Herausforderungen, die damit bestimmt Verbunden waren und auf ihn zukommen würden.


    Er nahm seinen Helm und seine Gladius auf und nickte dem Scriba zu.


    "Du kannst das Officium nun abschließen. Ich wünsche dir alles Gute Scriba. Vale!"


    Mit diesen Worten, in denen merklich etwas Wehmut mitklang, verließ er sein Büro, in das er mit ziemlicher Sicherheit wohl nie wieder zurück kehren würde.

    "Hmm… Ich verstehe."


    Langsam erhob sich Silanus aus der Liege. Es war tatsächlich ein kurzer Besuch, aber er war sehr informativ. Ohne Zweifel würde es eine Aussprache geben, sobald Silanus zurück ins Castellum ritt.


    "Dann danke ich dir für deine offenen Worte und werde mich nun zurückziehen. Sollte sich etwas ergeben, dass für dich von Interesse sein könnte, werde ich dir eine Nachricht zukommen lassen."

    Als Axilla das Officium betrat erhob sich Silanus aus seinem Stuhl und nickte bestätigend auf ihre Frage. Er wollte gerade ansetzen ihr den Grund zu nennen, als auch Urgulania eintraf.


    "Ich denke es ist durchaus wichtig. Für euch beide.


    Ich habe einen Versetzungsbefehl aus Rom erhalten. Leider enthält er keine genaueren Angaben darüber, in welcher Einheit ich in Zukunft dienen soll, allerdings habe ich Befehl mich im Kaiserpalast einzufinden. Ich werde daher in den nächsten Tagen abreisen und vermutlich nicht mehr nach Alexandria zurückkehren."


    Viele Möglichkeiten blieben bei dieser Versetzung nicht. Entweder der Kaiser würde Silanus Wunsch nachkommen und ihm als Tribun bei der Garde einsetzen, oder, was eher unwahrscheinlich war, dem Iunier ein Kommando übertragen. In beiden Fällen war es jedoch mit ziemlicher Sicherheit kein Posten hier in Alexandria.

    Silanus war in den Statthalterpalast gekommen, um sich beim Präfekten zu bedanken und sich zugleich zu verabschieden. Er hatte vor in den nächsten Tagen wie befohlen nach Rom zu begeben und dort vom Kaiser seinen neuen Posten zu erfahren. Wie es nun üblich war, meldete er sich beim Scriba an und wartete geduldig bis er an der Reihe war.

    Es war soweit. Ungewöhnlich Früh an diesem Morgen war Silanus zurück nach Alexandria gekehrt. Die Sklaven hatten bereits Anordnung bekommen, das persönliche Hab und Gut des Iuniers zusammenzupacken und er selbst war in sein Officium gegangen, um sich um seine Unterlagen und Dokumente zu kümmern. Der Befehl war da und er würde den Kaiser nicht all zu lange warten lassen. Als er im Officium soweit fertig war, schickte er einen Sklaven, um Urgulania und Axilla zu rufen. Die beiden wussten noch nichts davon und es war Zeit sie zu Informieren.

    Als Silanus angesprochen wurde, sah er auf. Doch bevor er antworten konnte, viel Axilla dem Griechen unerwartet ins Wort. Zuerst kannte Silanus sich nicht aus, da er das zuvor geführte Gespräch nicht weiter mitverfolgt hatte, doch dann dämmerte ihm was wohl passiert sein musste. Schließlich sprang Axilla jedoch auf und verließ das Triclinium. Und auch der Grieche verabschiedete sich. Eine nicht unbedingt angenehme Situation für Urgulania. Kurz dachte der Iunier darüber nach, seinem Mündel zu folgen, doch zum einen wollte sie ihm bestimmt nicht sehen und zum anderen hätte das vermutlich endgültig das gemeinsame Abendessen gesprengt. Silanus warf Urgulania daher einen aufmunternden Blick zu und wandte sich dann an die römischen Gäste, die fassungslos in die Richtung der Griechen sahen, um sie wieder in ein Gespräch zu verwickeln.

    Nach dem einige Zeit vergangen war und die Vorspeisen nur teilweise bei seinen Gästen gut ankamen, gab Silanus seinen Sklaven ein Zeichen, dass man nun die Hauptspeisen servieren konnte. Hurtig wurden die Tabletts hinausgebracht und einen kurzen Moment später neue Heraingetragen. Auf ihnen waren diverse Fleisch-, Geflügel- und Fischgerichten zu sehen, die alle nicht aus Alexandria stammen, sondern typisch römische Gerichte waren. Heute Abend und in dieser Runde wollte Silanus nichts Exotisches. Er wollte im Kreise römischer Bürger auch römisch Speisen. Die Tabletts mit den Gerichten wurden wieder abgestellt und die Sklaven verschwanden nach draußen. Silanus hob seinen Becher auf und vergoss, wie vor der Hauptmahlzeit üblich, ein wenig Wein auf den Boden, um den Göttern ein Opfer darzubringen. Dann lächelte er seine Gäste freundlich an.


    "Bitte greift zu. Es ist genug da."

    "Centurio. Wenn ich so etwas wie Sarkasmus aus deiner Stimme höre, dann könnten wir uns auch über deinen Ungehorsam und deine Befehlsverweigerung gegenüber einen vorgesetzten Offizier unterhalten."


    Silanus Stimme klang ruhig, er sah Vibulanus jedoch herausfordernd dabei an. Dann wandte er sich wieder an den Präfekten.


    "Die Wache hat nicht spioniert, sondern sie wollte das provokante Verhalten und die Verfehlungen des Centurios und seiner Männer festhalten. Soweit mir bekannt haben sich die Honoratioren der Stadt bereits an den Statthalter gewandt.


    Ich sehe also wenig Sinn darin dieses Thema weiter zu diskutieren. Vielleicht solltest du stattdessen lieber mit dem Statthalter persönlich sprechen. Der Auftritt des Centurios hat jedenfalls für viel Unruhe gesorgt."

    "Mir ist bewusst, dass unsere Legio in Alexandria auch einen Wachauftrag erfüllt. Mir war jedoch nicht bewusst, dass wir damit die Aufgaben und Rechte der eigentlichen Stadtwachen einschränken. Ich sehe nichts Gesetzeswidriges daran, wenn ein alexandrinischer Stadtwächter seiner Aufgabe nachgeht.


    Vor allem dann, wenn Centurio Vibulanus zuvor beinahe ein Heiligtum Alexandrias entweiht und ein ungebührliches Verhalten gegenüber Bürgern und Magistraten der Stadt Alexandria gezeigt hat, sowie Soldaten der Legio in Verkleidungen steckt und einen Überfall fingiert."


    Bei diesen letzten Worten sah er vorwurfsvoll in Richtung des Centurios und wartete darauf, dass der Präfekt sich nun diese Vorwürfe von dem Mann erklären ließ.

    "Wunderbar."


    Die Nachricht über den eingetroffenen Brief aus Rom freute Silanus, jedoch versuchte er dies zu unterdrücken, als er hörte, was der zweite, bereits erwartete Grund für sein Anwesenheit war. Natürlich ging es um den Vorfall in Alexandria. Ärgerlich war an dieser Situation allerdings, dass sich der ritterliche Tribun nun in Anwesenheit des rang und standesniedrigen Centurios rechtfertigen sollte. Silanus begann daher eher zurückhaltend und wollte zuerst abwarten, wohin das ganze führen sollte.


    "Nun Praefectus. Wenn der Centurio bereits alles wahrheitsgemäß berichtet hat, wüsste ich nicht, was ich dazu noch beitragen könnte, denn dann sollte es auch keine unterschiedlichen Versionen geben."

    Silanus nickte. Hatte der Centurio etwa bereits wie in Alexandria angekündigt beim Präfekten bericht erstattet? Der junge Tribun schüttelte nur den Kopf und war bereits gespannt welche Kreise dieser Vorfall ziehen und vor allem, was der Legionskommandant dazu sagen würde.


    "Ich komme!"


    Er richtete noch seine Rüstung zu recht und machte sich dann auf den Weg.

    Der Satz des Magistraten ließ Silanus für einen Moment hellhörig werden und Verwunderung spiegelte sich in seinem Gesicht. Daher ging er auch nicht auf die Frage nach seiner Verwandten ein, sondern stellte Nikolaos Kerykes eine Gegenfrage, die sich wieder auf die Angelegenheit mit dem Centurio bezog.


    "Einen Moment. Unversehrtheit der Heiligtümer? Was meinst du damit? Gab es noch weitere Zwischenfälle mit Centurio Vibulanus?"

    Silanus nahm die Gelegenheit war und erhob ebenso wie Amatia seine Becher.


    "Es freut mich, dass ihr heute alle gekommen seid. Ich möchte mit euch auf das Wohl unseres Kaisers und natürlich auch auf unser eigenes anstoßen."


    Er wartete bis auch die anderen ihre Becher gehoben hatte und sich gegenseitig zuprosteten, dann nahm er einen Schluck aus seinen Becher, um als Gastgeber mit einem guten Beispiel voran zu gehen. Schließlich setzte er seinen Becher wieder ab.


    "Lasst es euch schmecken."


    Dann gab er seinen Sklaven ein Zeichen, die darauf hin näher an die Gäste traten und ihnen die Tabletts auffordernd entgegenhielten.

    "Du bringst mich keineswegs in einen Konflikt. Ich kann dir selbst nicht viel über diesen Mann sagen. Er ist einer von vielen Centurionen in der Legio und ich kenne sie nicht alle persönlich. Aber er ist Klient des Statthalters Germanicus Corvus. Das hebt ihn vermutlich von allen anderen ab.


    Ich gehe davon aus du sprichst speziell den Vorfall in Broucheion an. Auch ich war dort zufällig anwesend und habe die merkwürdige Vorgehensweise des Centurios mitbekommen. Ich kann sie keineswegs gutheißen. Aber das werde ich noch mit meinen Vorgesetzten klären."


    Silanus prostete seinen Gastgeber zu und nahm dann einen kräftigen Schluck des Gerwürzweines. Es war keineswegs verwunderlich, dass die Vertreter der Stadtverwaltung nach diesem Vorfall Sorgen machten. Ganz im Gegenteil zeigte es wieder auf, welche politischen Auswirkungen das Handeln der Armee in diesen Regionen hatte.

    Silanus warf dem Centurio noch einmal einen scharfen Blick zu, als dieser es einfach nicht lassen konnte und erneut einen unnötigen Kommentar anfügte. Der Mann hatte ganz Recht. Diese Vorkommnisse würden Folgen haben - die Frage war nur für wen. Er wartete noch einen kurzen Moment bis die Stadtwachen außer Sichtweite waren und gab seinen Leibwachen dann ein Zeichen zum Abrücken. Den Centurio und seine Patroullie ließ er ohne ein weiteres Wort oder einer Verabschiedung zurück.

    Er grüßte den Gastgeber ebenso freundlich und nahm auf der angebotenen Liege Platz. Das es sich nicht um eine Einladung zu einen reinen Freundschaftsbesuch handelte, war Silanus bereits bewusst gewesen, dass der Grund dafür ein ihm untergebener Centurio war, machte die Situation jedoch nicht wirklich einfacher. Jedoch war er dankbar, dass der Gymnasiarchos direkt zur Sache kam und nicht lange um den heißen Brei redete. Silanus wirkte nachdenklich und auch nicht besonders erfreut darüber, als er eine eher vorsichtige Antwort formulierte.


    "Centurio Fabius Vibulanus….. hmmmm. Ich kenne ihn nicht besonders gut und bin nur wenige Male mit ihm zusammengetroffen. Warum fragst du?"


    Der Iunier wollte zuerst heraushören, wohin diese Frage bzw. das Gespräch führen sollte, ehe er sich zu konkreteren Aussagen hinreißen ließ. Nikolaos Kerykes bezweckte damit bestimmt etwas.

    Jetzt platzte Silanus der Kragen. Was glaubte dieser Mann wen er vor sich hatte?


    "Centurio! Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Ich bin ein vom Kaiser ernannter Tribun deiner Legion und damit in diesem Moment dein einziger Vorgesetzter. Sollte ich mich für ein Verfehlen vor dem Präfekten verantworten müssen, dann werde ich dieses tun. Wenn du zurück im Castellum bist, kannst du beim Präfekten eine Beschwerde vorbringen wenn du es für Richtig erachtest. Doch im Moment hast du meinen Befehlen folge zu leisten. Wenn nicht, dann wirst du es sein, der hier abgeführt wird. Die dementsprechenden Paragraphen werden dir vermutlich ebenso gut bekannt sein."


    Eigentlich hatte Silanus gute Lust diesen verdammten Centurio sofort in Gewahrsam nehmen zu lassen, doch er wusste es war unklug so in aller Öffentlichkeit zu handeln. Anders als dieser Mann hätte er es vorgezogen, keine solche Uneinigkeit unter römischen Offizieren mitten in Alexandria und auch vor den Augen der einfachen Legionäre auszutragen. Ein weiterer Beweis für die anscheinende Unfähigkeit dieses Mannes.