Beiträge von Lucius Iunius Silanus

    Es war Silanus vermutlich anzusehen, dass ihm Axillas Redeschwall etwas verwirrt hatte. Was sie nun letztendlich tatsächlich sagen wollte oder mit ihren kryptischen Worten gemeint hatte war ihm nicht ganz klar. Auch er war froh, dass sich schließlich ein neues Thema fand, das sofort wieder seine Gedankengänge beanspruchte. Er sollte also ihr Tutor werden. Diese Entscheidung zu treffen war gar nicht so einfach, da er sich selbst noch viel zu jung für eine solche Aufgabe fand. Doch eigentlich gab es kaum Alternativen dazu. Er war ihr am nächsten stehende männliche Verwandte und somit die einzige Möglichkeit für eine Vormundschaft. Und über etwaige Probleme machte er sich keine Gedanken – davon hatte er ihn Axillas Alter selbst genügend verursacht. Doch das blieb vorerst sein Geheimnis.


    "Wenn du mit mir als Tutor leben kannst, werde ich deine Vormundschaft gerne übernehmen. Viele Möglichkeiten bleiben uns ohnehin nicht. Daher ist es wohl die beste Entscheidung. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, da ich mich selbst erst aus den Jugendalter entwachsen fühle, aber wir werden das schon irgendwie hinbekommen."


    Er lächelte sie gewinnend an. Diese Vormundschaft war ja fast so, als wäre man selbst der Vater seines Schützlings. Er war schon ziemlich gespannt was da alles auf ihn zukam und wie ihn Axilla auf Trapp halten würde.

    Silanus lachte beherzt.


    "Nein! Ich habe gesagt sie wären dann deine Großcousins.... also wenn ich welche hätte!"


    Er schmunzelte noch ein wenig und wurde dann jedoch gleich wieder etwas ernster. Ein Gedanke betreffend Axillas Alter schoß ihm durch den Kopf, den er auch gleich ansprechen wollte.


    "Nunja Axilla. Mir fällt gerade ein - da du noch nicht Volljährig bist brauchst du vom Gesetz her einen Vormund. Es kann einer von deinen nahestehenden Verwandten sein."

    Silanus schmunzelte, als Axilla das alter von Urgulania ansprach. In der Jugend nahm man sich kein Blatt vor dem Mund und sprach meist alles offen an. Auch in diesem Fall war Axilla entrüstend ehrlich.


    "Nun du hast Recht. Sie ist bereits etwas älter und eigentlich auch nicht wirklich unsere direkte Cousine. Sie ist die Cousine meines Vaters bzw. deines Großvaters. So wie du eigentlich auch nicht meine Cousine bist, sondern dein Vater mein Cousin ist."


    Er überlegte kurz.


    "Meine Kinder wären jedoch wieder deine Großcousinen und –cousins. Alles sehr verwirrend!"


    Silanus lachte auf. Er verlor beim Familienstammbaum selbst sehr oft die Übersicht, so viele Kinder und Kindeskinder hatten die Iunier im Laufe der Zeit hervorgebracht. Als Axilla schließlich auf ihr eigenes Alter zu sprechen kam sah er sie etwas verdutzt an. 16 Jahre war sie schon! Sie war also damals wirklich noch ein Kind gewesen und es war überraschend, das sie sich überhaupt an ihn erinnern konnte.


    "Dann bin ich genau um 10 Jahre älter wie du."

    Zitat

    Original von Iunia Urgulania
    Ich weiss nicht genau, was ich dir noch gross erzählen kann. Die Karawane war auf dem Weg nach Westen und in unserem Nachtlager wurden wir von Räubern überfallen. Ich denke ich hatte grosses Glück, dass ich entkommen konnte, im Gegensatz zu all den anderen.
    Ich hatte keine Ahnung, was Silanus hören wollte, was aber auch egal war, da ich sowieso nicht viel mehr sagen konnte als das, was ich bisher schon allen gesagt hatte.


    Silanus hörte seiner Cousine aufmerksam zu. Als sie eine kurze Pause machte, hackte er nach.


    "Was wolltest du überhaupt bei dieser Karawane?"

    "Schon gut. Das macht doch nichts! Weder das du weinst und schon gar nicht wegen dem Stoff."


    Silanus versuchte möglichst einfühlsam zu sein, aber seiner Cousine dabei doch den nötigen Halt zu bieten. Die innige Umarmung war führ ihn keinesfalls Unangenehm gewesen. Ganz im Gegenteil wurde ihm dabei bewusst, wie lange es schon her war, dass er zuletzt jemanden umarmt hatte. Axilla wirkte auf ihn ziemlich zerbrechlich, was nach all den Erlebnissen nicht besonders verwunderlich war.


    "Wichtig ist einzig und allein das du nun wohlbehalten hier bei mir bist. Cousine Urgulania und Cousine Varilla werden sich schon gut um dich kümmern. Da bin ich mir sicher."


    Er musterte sie erneut ein wenig und versuchte dann wieder ein Lächeln aufzusetzen, das auf Axilla möglichst herzlich wirken sollte. Dann griff er kurz auf seinen Schreibtisch und nahm ein Stofftuch zur Hand das er ihr reichte.


    "Hier – um deine Tränen zu trocknen. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen Axilla. Wie alt bist du nun eigentlich?"

    Gemeinsam mit dem Decurio erreichte der junge Tribun gleich nach der Musterung der Turma sein Officium. Er bot mit einer Handgeste dem Decurio einen Platz vor seinem Schreibtisch an und setzte sich schließlich selbst auf seinen Stuhl.


    "Nun Decurio. Wie bereits gesagt bin ich hoch zu Frieden mit der Musterung und dies wird sich auch auf den Bericht an den Praefectus auswirken. Es fehlen nun jedoch noch einige Daten bei denen ich deine Hilfe brauche."


    Er nahm eine Tabula und einen Griffel zu Hand.


    "Wie ist derzeit der Mannschaftsstatus deiner Turma? Wie viele Kranke, Beurlaubte, Aktive....?"

    Silanus setzte sich schließlich ebenfalls neben seine Cousine.


    "Ich kenne natürlich die Berichte über den Überfall auf deine Karawane. Sie waren ein große Thema in einer der letzten Stabsbesprechungen und ich kann dir versichern das alles daran gesetzt wird die Schuldigen aufzuspüren. Es wurde bereits eine Truppe in Bewegung gesetzt die den Auftrag hat den Vorfall zu untersuchen. Doch bisher hatte ich noch keine Gelegenheit mit dir darüber zu sprechen. Möchtest du mir vielleicht erzählen wie das ganze seinen Anfang genommen hat?"

    Silanus schien etwas erschrocken als die Stimmung bei Axilla plötzlich so umschlug und schließlich sogar Tränen aus ihren großen und fasst noch kindlich wirkenden Augen flossen. Auf Grund seines Aufstiegs zum Eques und seiner Stellung beim Exercitus Romanus hatte er trotz seines jungen Alters mehr oder weniger die Führung der Familie hier in Alexandria übernommen und Ereignisse wie diese machten ihm immer wieder deutlich, dass dies kein leichtes Amt war. Dennoch hatte er von Anfang an versucht Stark zu sein und alles zu meistern, was ihm das Schicksal auferlegte. Erneut ging Silanus einen Schritt auf seine Cousine zu, schloss sie in seine Arme und sprach mit ruhiger und gefasster Stimme.


    "Komm her Axilla! Es tut mir leid, ich habe deinen Brief wirklich nicht erhalten, sonst hätte ich einen Weg gefunden dir beizustehen. Der Verlust deiner Mutter trifft auch mich."


    Kaum vorzustellen was dieses junge Ding die letzten Monate durchmachen musste. Der Tod der Mutter, die Auflösung des Haushaltes, die Tilgung offener Schulden und schließlich die Reise nach Aegyptus. Fast machte er sich selbst Vorwürfe, dass dieser Brief nicht angekommen war und seine Cousine das alles alleine auf sich nehmen musste.


    "Ich bin sehr froh, dass du Wohlbehalten hier in Alexandria angekommen bist. Hier soll es dir an nichts fehlen und mein Haus soll dein neues Zuhause werden."

    Erst als er seine Cousine kurz in den Armen hielt viel Silanus auf das sie sich seit ihrer letzten Begegnung sehr verändert hatte - aus dem frechen kleinen Kind war eine hübsche junge Frau geworden. Als sie sich lösten musterte er sie noch einmal kurz und sah schließlich in ihr strahlendes Gesicht.


    "Leider hast du damit Recht. Aber hin und wieder habe ich dennoch Zeit für meine Familie. Und nun erzähl was dich hier her nach Aegyptus treibt. Du bist doch nicht etwa allein gereist oder gar von zu Hause ausgebüchst?"

    Erst als er von Axillia angesprochen wurde sah Silanus überrascht auf. Eigentlich ging er davon aus das es sich um einen der Sklaven handelte, der nach seinem Herren sehen wollte Doch die junge und unbekannte Stimme ließ ihn sofort stocken und er las nicht einmal die begonnen Zeile zu Ende. Ein Lächeln trat in sein Gesicht und er legte das Dokument vor sich auf den Tisch. Danach erhob er sich und trat hinter seinem Schreibtisch hervor.


    "Axilla! Ich habe bereits gehört, dass du diese Woche bei uns angekommen bist. Verzeih mir, dass ich dich nicht gleich aufgesucht habe. Komm her und lass dich umarmen."


    Er streckte seiner jungen Cousine lächelnd die ausgestreckten Arme entgegen.

    "Gut. Habe ich sonst etwas verpasst diese Woche? Gibt es Neuigkeiten hier im Haus?"


    Silanus deutete auf eine der leeren Steinbänke, die am Rand des Blumenbeetes standen und wartete dann darauf, ob sich Urgulania ebenfalls setzen wollte und voraus ging.

    Silanus saß gerade hinter seinem Schreibtisch und ging gerade seine private Korrespondenz durch, die er im laufe der Woche erhalten hatte, es allerdings nicht für nötig empfand sie sich ins Legionslager nachbringen zu lassen. Da er jedoch die letzte Zeit meist in Nikopolis verbracht hatte, kam einiges an Briefen und Abschriften zusammen, die hauptsächlich aus Rom stammten und auch die eine oder andere Neuigkeit aus der Hauptstadt in die entlegene Provinz brachte. Als es an der Türe klopfte sah er vorerst nicht auf sondern las in Ruhe weiter und erwiderte lediglich mit der Aufforderung einzutreten.


    "Herein!"

    Als er den Maiordomus erwähnte, viel ihm auch sofort etwas anderes zu diesem Thema ein, dass er Urgulania unbedingt mitteilen musste.


    "Das einzige worauf du bitte ein Auge haben solltest ist seine lose Hand. Mir ist zu Ohren gekommen das er hin und wieder trotz meines ausdrücklichen Verbotes die Hand gegen die Sklaven erhebt. Ich wünsche nicht, dass unter meinem Dach Sklaven geschlagen werden. Das Problem ist nur, dass sie es sich nicht sagen trauen. Daher solltest du den Maiordomus etwas im Auge behalten."

    Silanus lächelte. Eine Matrone die sich um den Haushalt und die Familienmitglieder kümmerte war genau das, was diesem haus noch fehlte. Da er selbst noch unverheiratet war, nahm er das Angebot seiner Verwandten nur zu gerne an.


    "Dafür wäre ich dir natürlich sehr dankbar. In der Tat lässt mir mein Dienst bei der Legio nur wenig Gelegenheit ausreichend Zeit mit der Familie zu verbringen. Aber ich hoffe, dass sich dieser Umstand ändern wird, wenn ich mich erst richtig eingearbeitet habe und der Alltag die Oberhand übernommen hat.


    Es wäre schön wenn du dich in der Zwischenzeit um den Haushalt kümmern könntest. Der Maiordomus leistet zwar gute Arbeit und hat die Sklaven unter Kontrolle, doch es ist immer gut, wenn jemand ein Auge darauf hat. Solltest du etwas von mir brauchen kannst du jedoch jederzeit einen Boten ins Legionslager schicken. Es ist zum Glück nicht aus der Welt und im Notfall kann ich recht rasch hier sein."

    Silanus beobachtete noch kurz wie der Decurio die Soldaten wieder abtreten ließ. Der Bericht an den Praefectus würde durchwegs positiv ausfallen. Die Legionsreiterei war in einem tadellosen Zustand und Tiberius Rufinus zweifelsfrei ein qualifizierter Offizier auf dem richtigen Posten. Solche Berufsoffiziere waren es, von denen Silanus noch jede Menge lernen konnte. Durch ihre oft lange Dienstzeit in der Armee hatten sie den ritterlichen meist jungen Offizieren viel an Erfahrung voraus. Selbstverständlich wurde darüber nicht offen gesprochen, aber es war ein offenes Geheimnis. Er ging wieder auf den Decurio zu.


    "Hast du noch einen Moment Decurio? Ich brauche noch einige Informationen von dir um den Bericht an den Praefectus fertig stellen zu können. Am besten wir gehen kurz in mein Officium."

    "Tribun wäre die richtige Bezeichnung meines Ranges, Duplicarius."


    Silanus nahm diesen Fehler des Duplicarius recht gelassen hin und verlor auch kein weiteres Wort über das Schild. Er wunderte sich zwar etwas, dass der Decurio seine Untergebenen anscheinend nicht ausreichend Informiert hatte, doch vielleicht hatte der Duplicarius auch einfach nicht genau aufgepasst. Wie dem auch war, hatte sich Silanus einen guten Eindruck von der Legionsreiterei verschaffen können und nachdem er noch mit dem einen oder anderen Soldat einige Worte gewechselt hatte, wandte er sich wieder dem Decurio zu.


    "Sehr gut Decurio. Ich kann dem Praefectus ruhigen Gewissens berichten, dass du deine Turmae hervorragend leitest. Ich bin beeindruckt. Die Männer können nun abtreten."

    "Das freut mich zu hören und vielen Dank für dein Verständnis. Was hast du nun vor? Wirst du hier in Alexandria bleiben? Wie du siehst ist mein Haus groß genug und ich könnte sogar weitere Mitbewohner aufnehmen. Es würde mich also freuen wenn du dich dazu entschließt hier bei uns zu bleiben, sofern du keine anderen Pläne hast."


    Silanus war über jedes Familienmitglied froh, dass sich dazu entschloss nach Alexandria zu kommen. Für ihn bedeutete es, dass er trotz der Entfernung nach Rom einige bekannte Gesichter und vertraute Personen um sich hatte und für das so manches Familienmitglied war es bestimmt eine hervorragende Gelegenheit hier in Alexandria einen neuen Anfang zu wagen bzw. diese Provinz kennen zu lernen.