Beiträge von Varinia

    Immer wieder dieser Blick… Ich versuchte ihm auszuweichen, hatte das Gefühl, er würde mich mit den Augen fesseln, bannen und festhalten. Es irritierte mich und ließ mich mir selbst die Frage stellen, was mit mir los war, was hier nur anders war als sonst. War es seine Art? Wie er mit mir umging? Mit unserem Stand?
    Als ich auf das Thema Frauen und Kinder zu sprechen kam, schien ich einen Punkt getroffen zu haben, der ihn amüsierte. Etwas verwundert blickte ich ihn an. Er wäre der erste, den ich kennen lernte, der Frauen vollkommen abgeneigt war…


    »Es scheint sie zu amüsieren, dass ich ihnen eine Frau und Kinder zutraue… Andererseits verstehe ich… warum sie keine Frau haben. Obwohl ich mir denke, dass es doch genauso einem weiblichen Wesen gefallen könnte zu reisen, den Wohnort zu wechseln, oder meinen sie nicht? Ich würde reisen, wenn ich könnte… Allerdings nicht so wie hier her, sondern lieber selbst auf einem Pferd… Oder in einer Kutsche…«


    Es klang vielleicht träumerisch, wie ich so vor mich hinredete, ich wusste es nicht. Aber der Gedanke einfach so umherzureisen hatte etwas Verlockendes an sich. Einfach alle möglichen Orte besuchen, sich nirgendwo niederzulassen, sondern einfach alles sehen, unterschiedlichste Menschen und Kulturen kennen lernen. Ich riss mich zusammen. Zu viel Träumen war nicht gerade gut. Man sollte sich nicht in diesen verlieren, sonst würde man sein eigenes Leben nicht genießen können…


    »Warum glauben sie, dass es nicht möglich ist, die Träume zu verwirklichen? Und warum die Aussage, dass sie die Verwirklichung nicht mehr miterleben werden. Sind sie… krank? Unheilbar krank, dass sie das so sicher wissen?«


    Ein wenig besorgt blickte ich ihn an und automatisch legte ich meine Hand auf seinen Arm, zog ihn aber schnell wieder zurück, als hätte ich mich verbrannt. Einen Herrn zu berühren, ohne seine Erlaubnis… War ich noch zu retten? Doch sein trauriger Blick in meine Augen hatte mich gerührt… Mich dazu in versuchung gebracht, ihm Trost zu spenden… Aber ich war und blieb eine Sklavin

    Ich ließ mich neben ihm nieder, meine Augen auf sein Gesicht gerichtet, um seinen Worten zu lauschen. Nun, in den ersten Momenten sagte er nichts, sondern spielte mit Grünzeug, was mich lächeln ließ. Ich fragte mich, ob er eine Frau hatte, Kinder… Er sah doch gut aus, aber gehört hatte ich bisher nichts davon und auch niemanden gesehen, der diesem Bild entsprach. Eine Frau musste es hier schön haben, viel Besitz, viel Zeit um den Vergnügungen nachzugehen. Doch, ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass sich eines der reichen Mädchen aus Rom hier wohl fühlen könnte, eines derer, die nicht verdorben waren vom Geld ihrer Väter.


    Als er mir nun erzählte, dass er erst ein Peregrinus war, blickte ich ihn überrascht an. Nun, das erklärte meiner Meinung nach auch seine liberale Haltung zum Thema Sklaven. Er war selbst einmal ein Mensch gewesen, der nichts, nun ein wenig, besaß und sich anscheinend recht gut hochgearbeitet hatte. Er musste wohl ein recht strebsamer und fleißiger Mensch sein, wenn er es so weit geschafft hatte und ich begann leichte Bewunderung für ihn zu empfinden. Es war doch etwas anderes, wenn man sich ein Amt erarbeitete oder es einfach »geschenkt« bekam, weil man Sohn aus reichem Hause war.


    »Es hört sich schon fast an wie ein Märchen. Armer Mann erarbeitet sich Reichtum und Wohlstand sowie Ansehen… Nur noch die Frau und Kinder fehlen, dann wäre das Märchen wohl perfekt.«


    Meinte ich nun und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. So würde ich nun auch erfahren, was ich wissen wollte, ohne direkt zu fragen. Man musste nur wissen, wie man seine Worte formulierte. Meine Hände hatte ich ineinander verschränkt, nicht wissend, wohin damit und wohl ein Zeichen davon, dass ich immer noch ein wenig unsicher war, trotz seiner Nettigkeit und seiner angenehmen Gesellschaft.


    »Neu anfangen? Ganz von unten? Nun, ich kann mir schlecht vorstellen, dass man sie wieder zum Peregrinus macht… Aber ich verstehe, was sie meinen… Warum wollen sie das? Und wen zählen sie zu ihren Engsten Angehörigen? Ihre Eltern werden da wohl weniger mitspielen… Und wer sonst noch existiert. Nun, verzeiht, aber ich weiß noch sehr wenig von dieser Familie, diesem Haus und Geschlecht…«

    Zögernd griff ich nach dem angebotenen Arm und hakte mich unter. Ich verstand die Welt nicht mehr. Langsam fühlte ich mich, als wäre ich in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und in einem anderen Leben gelandet. Wie konnte sich an einem Tag so vieles ändern? Sich alles um 180° Drehen? So nahe an ihrem Herrn spürte sie ihr Herz etwas heftiger schlagen vor Aufregung. Es war doch ein seltsames Gefühl, einem Mann so nahe zu sein, der sie eigentlich sein Eigentum nannte. Und dass er sie schon fast gleichwertig behandelte, ließ das ganze noch wesentlich schöner und aber auch unrealistischer erscheinen.


    »Es scheint, dass sie nicht immer… so viel besessen haben? Mein Reichtum besteht darin, am Leben zu sein und ich versuche es zu genießen. Mehr habe ich nicht und ich kann es mir nur schwer vorstellen, mehr zu besitzen. Dennoch ist es wunderschön hier… Es riecht gut und alles ist so groß, man hat so viel Platz… fühlt sich… frei…
    Germanien? Ich war noch nie dort. Außer den Straßen von Rom habe ich noch wenig gesehen. Nun, die Straßen, die hier her führten, aber viel mehr auch nicht. Hier ist es schön… Ruhiger als Rom, nicht so hektisch und voll…«

    Als er sich nun aufsetzte, rechnete ich damit, dass unser Gespräch sich dem Ende zuneigte und beobachtete kurz die anderen Sklaven… Familienmitglieder… ob sie sich schon aufrichteten, um wegzuräumen, doch noch blieben sie liegen und genossen es anscheinend, dass sie so viel essen durften, wie sie wollten. Nun, vielleicht würde ich mich nächstes Mal auch ein wenig mehr wagen und auch andere Dinge kosten, doch für heute war ich gesättigt.


    Als mein Herr allerdings fragte, ob ich ihn auf einen Spaziergang begleiten wolle, anstatt abzuräumen, blickte ich kurz zu den anderen. Sollte ich sie arbeiten lassen, während ich Freizeit genoss. Doch ein Zwinkern von einer jungen Sklavin und eine winkende Bewegung machte mir klar, dass diese der Meinung waren, das auch ganz gut ohne mich schaffen zu können. Schnell griff ich noch nach einem kleinen Büschel Trauben, bevor ich mich erhob, um meinem Herrn Gesellschaft zu leisten.


    »Es wird mir ein Vergnügen sein, mit ihnen im Garten zu spazieren. Ich glaube, in die Unterkünfte werde ich noch früh genug kommen… Gesehen habe ich sie ja schon. Aber im Garten war ich bis jetzt noch nicht…«

    So, ich gehörte also zur Familie. Nun, wenn er meinte? Es war seine Entscheidung, wie er mich betrachtete. Ich fand diesen Gedanken noch etwas abwegig, vor allem da ich erst seit heute hier war. Viele bezeichneten ihre Sklaven als Gegenstände, manche als Familienmitglieder. So war es wohl auch hier. Allerdings gehörte für mich dazu ein wenig mehr und ich würde wohl noch länger brauchen, bis ich ihn als »Familie« sah. Bei den Sklaven war es anders. Die waren gleich wie ich, hatten den gleichen Stand – nämlich gar keinen – und waren für mich eher Familie, als mein Herr.


    »Nun, dann freue ich mich, als Teil dieser Familie gesehen zu werden… Auch wenn ich eigentlich meine… Familie… noch nicht kenne.
    Ja, vermutlich ist es angenehmer, wenn man eine Sicherheit hat, auch wenn man … kein Sklave mehr ist. Doch darüber kann ich in meinem Zustand wohl wenig sagen. Ich bin nicht frei.
    Römische Geschichte... Nun, ich interessiere mich für vieles und bin dem lernen nicht abgeneigt. Doch all zu viel Ahnung habe ich von Geschichte nicht…«

    Wieder hörte ich ihm interessiert zu. Seine Worte waren interessant und ließen hoffen, dass er doch mehr nachdachte als vermutet. Wenn er uns Sklaven einfach nur frei ließ, würden wir alle nicht viel davon haben. OK, manche würden sich erst freuen, dann aber doch schnell einsehen, dass sie ohne Geld nicht weit kamen. Doch anscheinend hatte auch mein Herr soweit gedacht und ein Lächeln huschte über meine Lippen.


    »Nun, das kann ich nicht wissen, konnte ich nicht wissen. Natürlich ist in dieser Hinsicht eine Freilassung sicher erstrebenswert und verlockend… Nur frage ich mich, warum ihr mich hier wohnen lassen wolltet? Ich gehöre nicht zur Familie, ich bin… eine Fremde, gerade erst angekommen. Noch wisst ihr auch nicht, was für Fähigkeiten ich aufweise…«


    Ich zählte die Dinge nicht auf, weil ich mir selbst das Leben schwerer machen wollte, oder ihn auf Gedanken bringen, die er vielleicht zugunsten von mir nicht haben sollte. Ich fand einfach nur interessant, mit ihm zu reden, ihn dabei zu beobachten…


    »Nein, Vorliebe hab ich keine. Ich hab in meinem Leben noch nicht all zu viel gelesen. Hatte selten die Gelegenheit dazu. Manchmal sind mir irgendwelche Schriftstücke in die Hand gefallen, die ich dann eben gelesen hab, nur um es nicht zu verlernen. Allerdings denke ich, dass die Gedichte und Texte von Ovid doch zu denen gehören, die ich besonders gerne lese…«

    Anscheinend nahm er mir meine Worte nicht übel und so entspannte ich mich ein wenig. Er schien Humor zu haben. Humor und Toleranz, denn das musste es sein, was ihn so Sklavenfreundlich werden ließ. Ich fragte mich, was ihn wohl dazu bewogen hatte, diese Meinung zu vertreten, doch ich fragte nicht nach. Ich würde es noch früh genug herausfinden, da war ich mir sicher.


    »Natürlich möchte ich frei sein. Wer will das nicht? Ich wäre dumm, wenn ich es nicht wollte. Allerdings weiß ich, dass ich nie ein römischer Bürger sein würde. Und auch wüsste ich wohl nicht, wie ich mich ernähren sollte, da doch jeder lieber einen Sklaven beschäftigt als einen Freigelassenen. Somit bin ich mit meinem Los, auch wenn es nicht das Beste ist, besser dran als ein Freigelassener«


    Vermutlich wunderte sich mein Herr nun, woher ich diese Gedanken hatte, aber ich hatte schon oft darüber nachgedacht, was ich tun würde, wenn ich frei wäre. Und ohne Geld war mir bis jetzt nichts Sinnvolles eingefallen. Ich sehnte mich nach Freiheit, sehnte mich danach, mein Leben selbst bestimmen zu können, doch ohne etwas außer meinen Kleidern am Leib würde dies wohl recht schwer werden.


    Dass sie ihn duzen sollte, ließ sie wiederum ein wenig stutzen. Der Mensch war doch recht seltsam, befand sie, ging aber nicht darauf ein. Sie würde damit wohl noch ein wenig warten, bis sie ihn besser kannte… Auch dazu, dass sie sich von den anderen alles zeigen lassen sollte, sagte sie nichts. Sie würde sich schon in ihre Arbeit einfinden.


    »Ja... Interesse besteht... Ich kann lesen, auch wenn vermutlich nicht so gut wie sie. Ich lese gerne...«

    Mein Hunger war gestillt, ein paar Trauben waren als Nachspeise vertilgt worden und so hatte ich Zeit, mir die Umgebung genauer anzuschauen und auch meinem Herrn mehr Aufmerksamkeit zu schenken, während er mit mir redete. Auch ihn betrachtete ich nun etwas eingehender. Ich schien Glück gehabt zu haben. War ich doch bei einem recht attraktiven und wie es schien gütigen Herrn gelandet. Ich fragte mich, wie es wohl den anderen ergangen war. Was er nun sagte, nahm ich eigentlich als Selbstverständlichkeit auf. Welcher Herr erwartete keinen Respekt? Und dass Strafen folgen würden war ebenso logisch. Die anderen Worte jedoch ließen die Vermutung aufkommen, dass er ein Vertreter jener war, die dem Sklaventum nicht gerade zugeneigt waren.



    »Ja, frei werden wir alle sein, spätestens dann, wenn wir sterben.« Kam es etwas sarkastisch über meine Lippen. Ich wusste, dass andere sich solche Worte nie gewagt hätten zu sagen. Aber wenn mein Herr mit mir redete, und anscheinend eine Unterhaltung und nicht nur »ja« und »nein« haben wollte, musste er auch mit so etwas rechnen. »Aber ich werde mir merken, dass ich Probleme ihnen zu melden habe…«

    Seine nächsten Worte ließen mich mitten im kauen inne halten. Freilassen? Welcher Herr sprach von Freilassen? Und das schon am ersten Tag? Er kannte sie doch noch nicht einmal, woher wollte er wissen, dass sie so etwas überhaupt verdiente? Etwas irritiert schüttelte ich den Kopf, bevor ich langsam antwortete.


    »Freilassen Herr? Ihr sprecht von Dingen die… Weit weg sind…«


    Ich wusste nicht, wie ich es sonst hätte ausdrücken sollen. Die Option, freigelassen zu werden war für mich einfach unrealistisch. Genauso wie dass Pferde nun einmal nicht flogen und Männer keine Kinder bekamen. Und seine Worte klangen für mich seltsam

    Seine ruhigen Worte ließen immer wieder Erstaunen in meinen Augen aufblitzen. So ein Verhalten war doch äußerst ungewohnt von einem Herrn. Zumindest hatte ich so etwas noch nicht erlebt und auch Sklaven, die ich von früher kannte, wussten nie so etwas zu berichten.


    »Ich weiß nicht, was der Händler behauptet hat… Ich hab es nicht gehört. Aufgewachsen bin ich in Rom… Ich war immer nur in einem Haushalt. Ich weiß allerdings, dass ich Vorfahren in Griechenland habe… Wie viel ich von diesen bekommen habe, weiß ich nicht, meine Mutter meinte immer, mein Aussehen.«


    Erklärte ich dann meinem Herrn, was er wissen wollte. Wieder schenkte ich mir Wasser nach und nahm mir zusätzlich ein paar Trauben, nachdem ich mein Brot aufgegessen hatte. Ich liebte diese Früchte, doch bekam ich nur selten welche zu essen

    Nicht nur ich schien ihn laufend zu beobachten. Auch er wandte seinen Blick nicht ab, was mich ein wenig unruhig werden ließ. Er war ein Freier, ein Herr… Es gab doch sicher interessanteres, als Sklaven zu beobachten wie sie aßen? Auch sein Lächeln irritierte mich nur anstatt dass es mich ruhiger stimmen würde.


    Seine Worte allerdings ließen mich nachdenklich aufblicken und die anderen Sklaven betrachten. Sie schienen es als selbstverständlich zu sehen, hier bei ihrem Herrn zu essen und so antwortete ich ihm endlich, mit ruhiger und noch recht leiser Stimme.


    »Nein, ich bin es nicht gewohnt… Mit meinem Herrn zu speisen. Das ist neu für mich und… seltsam.«


    Sein Blick zeigte Neugierde und langsam aß ich weiter, es nun etwas ruhiger angehen lassend und nicht ganz so gehetzt und verschreckt wie vorhin. An diesen Umstand musste ich mich noch gewöhnen, den Umstand, dass ich nicht mehr zwischen den Arbeiten mein Essen hinunter schlang oder kalt gewordene Speisen am Abend bekam.

    Nachdem der Herr mich bemerkt hatte, kam er auf mich zu und nach einem musternden Blick meinte er, dass ich mich zu ihm gesellen solle, wenn ich Hunger hatte. Ein wenig erstaunt blickte ich ihn an, sagte aber nichts. Bei meinem alten Besitzer wäre das nie möglich gewesen. Wir Sklaven hätten nie im Leben bei ihm essen dürfen und so wartete ich ein wenig zögernd ab, bis mir auch einer der Sklaven ein kurzes Nicken schenkte, dass dies ganz OK und normal war.


    Schon fast vorsichtig und zögernd bewegte ich mich auch auf eine dieser Klinen zu und ließ mich nieder, um dann langsam nach etwas Brot zu greifen. Immer noch ließ ich den Herrn nicht aus den Augen – unter gesenkten Lidern beobachtete ich ihn, um auch ja sicher zu sein, dass ich nicht gegen irgendwas verstieß. Doch nachdem immer noch kein Hieb oder böses Wort gefallen war, wurde ich ein wenig mutiger und begann zu essen, tunkte das Brot in die Fleischbrühe und nahm mir auch ein Glas zu trinken, um meinen ärgsten Hunger und Durst zu stillen.

    Ich wusste nicht, wie lange ich gewartet hatte. Den ganzen Tag hatte ich mich ein wenig auf dem Anwesen umgesehen und versucht, mir die Namen der anderen Sklaven zu merken, die nun meine Familie sein würden. Einige waren mir recht sympathisch, andere wieder, da wusste ich jetzt schon, dass es vermutlich irgendwann Streit geben würde.


    Am Abend endlich schien der Herr zurückzukommen, denn die Leute wurden alle sehr geschäftig und gespannt wartete ich darauf, was nun passieren würde. Einer der Sklaven – Valerius war sein Name – holte mich kurz nach der Ankunft des Herren und brachte mich durch die ganzen Räume zu eben diesem.


    Ein wenig schüchtern blieb ich kurz nach der Türe stehen, den Blick gesenkt. Was würde nun folgen?

    Salve Marcus Tiberius Magnus!


    Ich bitte um Aufnahme:


    Name: Varinia
    Stand: Sklavin
    Wohnort: Corduba
    Besitz von: Decimus Pompeius Strabo